Apennindurchquerung

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Von Piacenza nach Corniglia im September 2013

In 8 Tagesetappen haben wir diese schöne Tour mit Freunden erwandert. Der Weg führte uns in Nord-Süd-Richtung von Piacenza, also aus dem Südrand der Po-Ebene bis an das Ligurische Meer bei Corniglia. Eigentlich wollten wir noch ein Stück an der Cinque Terre weitergehen, bis nach Portovenere. Jedoch waren aber die interessantesten Abschnitte zwischen Corniglia-Manarola (Sentiero d’Azzurro) und Manarola-Riomaggiore (Via dell’Amore) für Wanderer leider immer noch gesperrt.

Durch den Apennin kann man ja überall auf dem italienischen Stiefel wandern, zieht sich dieses Gebirge ja bekanntlich von der französischen Grenze durch ganz Italien bis hinunter zum Aspromonte in Kalabrien. Deshalb müssten wir für unsere Apennindurchquerung genau genommen von einer „ligurischen Apennindurchquerung“ sprechen. Trotzdem hat sich in unserem Sprachgebrauch eingebürgert, als Apennin nur den nordwestlichsten Teil dieses Gebirges zu bezeichnen, also zwischen der französisch-ligurischen Grenze und etwa bis La Spezia.

In diesem ligurischen Teil des Apennins ist den Weitwanderern schon der Ligurische Höhenweg (Alta Via dei monti Liguri) und die Via Francigena bekannt. Vielleicht ist auch der Äbteweg (Via degli Abati) von Bobbio nach Pontremoli noch ein Begriff (siehe Karte). Unsere Route ist ein Teilstück einer längeren Wanderung vom Bodensee an das Ligurische Meer, den wir einfach Ligurienweg (Via Liguria) genannt haben.

Das Wetter hat uns an allen Tagen unserer Wandertour von 21. bis 29. September kein einziges Mal im Stich gelassen. Das war nach den heftigen Regenfällen und katastrophalen Erdrutschen vor zwei Jahren im Oktober 2011 keine Selbstverständlichkeit!

Der Weg führte auf einer ziemlich abenteuerlichen Trasse durch Flussbette, Wälder, Wiesen, Rebhänge und mediterrane Macchia. Etwa 10% der Strecke wanderten wir völlig weglos, 80% auf kleineren Pfaden und Feldwegen (strada bianca) und nur etwa 10% auf Asphalt. Letztere waren keine Hauptstrassen, sondern geteerte und kaum befahrene Feldwege, ein typisches Phänomen, für alle Italienwanderer.

Auf den Wanderwegen durch den Apennin existieren fast keine Wegmarkierungen, aber auch Gott sei dank erfreulich wenige Verbotsschilder mit der Aufschrift: „Proprietà privata“ (Privatbesitz). Auch blieben wir weitgehendst von Hinweisen: „Caduti massi“ (Steinschlag-Warnungen), verschont. Die allermeisten Warnungen wiesen uns auf: „Divieto di raccolta funghi“ (Pilze sammeln verboten), sowie „Divieto di caccia“ (Jagen verboten) hin, die uns nicht weiter störten.

Kulinarisch bewegten wir uns in einem Paradies. Besonders der Übergang der üppigen emilianischen Küche mit seinen opulenten Menüs (Gnocco fritto mit Speck, Pasta mit Spinatfüllung und Butter, Wildgerichte und Mascarpone-Semifreddo) bis hin zur leichteren ligurischen Mittelmeerküche (eingelegte Sardellen, Pasta mit Walnusspesto, Kaninchen-Ragout und Zitronensorbets), waren ebenfalls ein Erlebnis, dem wir uns nicht verschliessen konnten. Dazwischen befanden sich die apenninischen Gebirgsregionen mit ihren herrlichen Steinpilz-Gerichten.

1. TAG  - von 0 km bis 24 km

PIACENZA – VIGOLZONE (Tagesstrecke: 24 km)

Der Weg führte uns durch Stadtparks aus der Piacenza hinaus in die kaum spürbar ansteigende Po-Ebene mit kleineren Ortschaften im erstaunlich regelmäßigen Abstand von 3-4 Kilometer. Strategisch bot dieser kurze Abstand immer die Möglichkeit, für einen Cappuccino-Stopp am Wegesrand. Die Landschaft war zwar flach, aber nicht eintönig: Alleen von Pappeln und Maulbeerbäumen, alte Kirchen und Herrschaftshäuser. Dunkelrote, ovale Tomaten wurden auf den Feldern im Moment geerntet und wir konnten für die kommenden Picknicks einen beachtlichen Vorrat einsammeln. Ab dem mittelalterlichen Städtchen Grazzano Visconti stieg der Weg bis zu unserem Agriturismo in Vigolzone leicht an.

2. TAG  - von 24 km bis 49 km

VIGOLZONE – MALVISI (Tagesstrecke: 25 km)

Bei Sonnenaufgang wanderten wir durch die Rebhänge der Colli Piacentini und bedienten uns immer wieder von den Trauben für den Gutturino-Wein, eine örtliche Lambrusco-Variante. Das Stibitzen von Trauben ist hierzulande noch straffrei, im Unterschied zu manchen Gebieten nördlich der Alpen und in Frankreich!

In Ponte dell’Olio hat die Salumeria am heutigen Sonntag geöffnet: das Picknick war sichergestellt. Ab hier wanderten wir durch eine immer hügeligere Landschaft mit einsamen, kleinen Dörfern, mit reifen Feigen in den Gärten. Wir durchqueren einige Seitentäler des Po und erreichten schließlich unsere heutige Unterkunft in Malvisi bei San Michele auf etwa 700m.

3. TAG  - von 49 km bis 69 km

MALVISI – BARDI (Tagesstrecke: 20 km)

Nun starten wir in den bergigere Landschaft. Nach einem opulenten Frühstück, das uns eine herzliche Familie kreierte, schenkte sie uns auch noch eine halbe Flasche selbstgemachten Schlehenlikör, eine lokale Spezialität, als Wegzehrung. Wir wanderten danach durch Wälder und Wiesen bergauf zum Passo di Guselli und weiter auf den Passo di Santa Franca (1274m). Wir genossen die grandiose Aussicht in alle Himmelsrichtungen

Wie vereinbart, trafen wir unseren Freund und lokalen Begleiter Emilio und wanderten bei herrlichem Wetter ein Stück auf dem Wanderweg „Via degli Abati“ (Äbteweg) über die Bergkette Monte Menegosa (1356m), Montelama, (1346) und Il Monte Castellaccio und wieder bergab nach Bardi (625m).

Wir befinden uns nun in einer herrlichen Berglandschaft. Das Tal des Ceno erstreckt sich etwa 200 m unter uns, von der Po-Ebene in südwestlicher Richtung und weiter in noch alpinere Regionen. Abends ließen wir diesen erlebnisreichen Tag in einer gemütlichen Osteria in Bardi ausklingen.

4. TAG  - von 69 km bis 92 km

BARDI – ISOLA DI CAMPI (Tagesstrecke: 23 km)

Ab unserer Unterkunft waren es noch 2 Kilometer bis in das Herz von Bardi, welches wir gestern nicht erreicht und uns heute nicht entgehen lassen wollten. Früh im Morgengrauen ist ein Teil unserer Gruppe aufgebrochen. Die Langschläfer starteten aber erst später und wir trafen uns nach Sonnenaufgang danach im Zentrum von Bardi. Wir staunen über die schöne Festung, die auf einem Felsblock hoch über dem Ceno-Tal thront.

Wir wanderten ein gutes Stück im Flussbett des Ceno, bewältigten dann noch 200 Höhenmeter durch einen Kastanienwald, bis wir um die Mittagszeit den malerischen Ort Cereseto erreichten. An der berühmten Trattoria Solari im Ort konnten wir natürlich nicht vorbeigehen und genossen mittags einige hervorragende Steinpilzgerichte.

Etwa eine Stunde später führte unser Weg an der kaum befahrenen Straße hoch zum Passo della Colla (1000m). Ausnahmsweise hat es auf dieser Route mal nicht geregnet. Der Abstieg auf der anderen Seite in das Taro-Tal war einfach und wir erreichten am frühen Abend das Dorf Isola di Campi. Der Besitzer des Agriturismos hat uns freundlicherweise abgeholt und somit blieben uns die restlichen 4 Kilometer vorerst erspart.

5. TAG  - von 92 km bis 109 km

ISOLA DI CAMPI – MONTEGROPPO (Tagesstrecke: 17 km)

Da wir in unserem Agriturismo ausnahmsweise zwei Nächte gebucht hatten, bot sich hier ein Ruhetag an. Die noch nicht erwanderten, vier Kilometer vom Vortag durch das Taro-Tal nach Montegroppo, haben ein paar unserer Gruppe heute nachgeholt.

Die Wanderstrecke war nicht übermäßig lang und anstrengend. Dafür durften wir aber auf kleinen, abenteuerlichen Pfaden durch eine traumhafte Landschaft wandeln, durch fast verlassene Dörfer und über zwei größere Bäche mit den Ruinen einer vor einigen Jahren eingestürzten Betonbrücke.

Auf dem Weg in das letzte Dorf Montegroppo, vor dem morgigen Aufstieg auf den Monte Gottero, trafen wir eine französische Pilgerin, die unterwegs nach Assisi war und sich hierher verlaufen hatte. Sie wollte auf die andere Seite des Berges und wir haben, vereinbart, dass sie sich uns morgen anschließen darf. Montegroppo besteht nur aus ein paar wenigen Häusern. Ein älteres Ehepaar hat uns spontan eingeladen und uns mit Kaffee und Schlehenlikör bewirtet. Interessant war ihre Geschichte über das Steinpilz-Sammeln.

6. TAG  - von 109 km bis 127 km

MONTEGROPPO – SESTA GODANO (Tagesstrecke: 18 km)

Morgens wurden wir von unseren hilfsbereiten Gastgebern zurück nach Montegroppo gefahren. Ein kleines, steiles Sträßchen führt zum letzten, emilianischen Dorf Squarci empor. Unterwegs trafen wir wieder unsere Pilgerin Claire, welche hier in ihrem Zelt am Wegesrande übernachtete. Der gut rot-weiß markierte Weg mit der Nr.847 führte uns nach etwa 2 Stunden auf die Passhöhe (1400m). Auf einem markanten Stein waren die Grenzen zwischen den drei Regionen Emilia-Romagna, Toskana und Ligurien  („Foce di tre confini“) eingraviert. Leider war es so neblig und windig, dass wir entschieden, nicht auf den 1639 Meter hohen Monte Gotteo zu steigen.

Wir kreuzten mittags den ligurischen Höhenweg (Via Alta dei monti liguri), der hier in West-Ost-Richtung kurz unterhalb des Monte Gotteros vorbeiführt. Nach etwa 30 Minuten entlang des Berghanges durch einen schönen Laubwald sind wir in südlicher Richtung abgestiegen. Fast hätten wir ein gutes Stück weiter unten den Einstieg zum nächsten Weg verpasst, da die Markierung in einen Eselpfad überging. 

Dieser kaum begangene Weg wurde nicht mehr gepflegt, erwies sich aber als richtig abenteuerlich und war viel interessanter, als die neu markierte Route auf dem Fahrweg. Wir wanderten durch urige, von Wildschweinen aufgewühlte Pfade, durch einen Kastanienwald mit erstaunlich vielen Pilzen und einer phantastischen Vegetation, die mehr und mehr mediterranen Charakter annahm! Nachmittags erreichten wir das erste ligurische Dorf Rio und ca. eine halbe Stunde darauf Sesta Godano, unser heutiges Tagesendziel.

7. TAG  - von 127 km bis 144 km

SESTA GODANO – MONTE BARDELLONE (Tagesstrecke: 17 km)

Nach dem Frühstück in einer Bar an der Brücke Santa Margherita, wagten wir uns gestärkt in die Wildnis. Schon kurze Zeit später verlor sich der Weg im nahen Wald und wir wanderten weglos  bergauf durch die Natur über den Monte Erbigi. Der mediterrane Einfluss auf die Vegetation war unübersehbar. Vorbei an unzähligen Erdbeerbäumen erreichten wir nach diesem erlebnisreichen Abschnitt zufrieden das Dorf Carrodano, unweit der Autobahn Genua-La Spezia. Zur Mittagszeit kehrten wir in einem Gasthof neben einer Brücke ein und genossen ein typisch ligurisches Menü.

Anschließend wurden die Wein-Promillen auf dem Weg durch einen einsamen Weg wieder abgebaut. Wir entdeckten auf einem weglosen Abschnitt durch einen dichten Laubwald einen Wildschweinbau. Ehrfürchtig umgingen wir in einem großen Bogen diesen Bau und erreichten den Verbindungsweg nach Bardellone auf einem Kamm. Natur pur! Stundenlang wanderten wir ohne Kontakt zu einer anderen Seele und erreichten kurz vor Sonnenuntergang den Agritursmo, wo bereits das Abendessen, ein leckeres ligurisches Kaninchen auf uns wartete.

8. TAG  - von 144 km bis 157 km

MONTE BARDELLONE – CORNIGLIA (Tagesstrecke: 13 km)

Bei Wolken und Neben – aber wenigstens Trocken – starteten wir am frühen Morgen. Ohne Hoffnung auf eine Wetterbesserung und schöne Sicht wanderten wir aus einem Wald und bergab in die Cinque Terre. Kurz vor Vernazza rissen die Wolken auf und bei herrlichem Sonnenschein marschierten wir durch die steilen Hänge, hinunter zum Hafen nach Vernazza am Mittelmeer. Geschafft!

Nach dem Mittagessen, direkt an der Hafenmole, entschied sich ein Teil der Gruppe für die Überfahrt mit dem Schiff nach Riomaggiore, die anderen wanderten in das Nachbardorf Corniglia. Wegen der Wegsperrung ab Corniglia mussten wir dann zähneknirschend für die letzten Kilometer den Zug zum Endziel unserer Wanderung nach Riomaggiore nehmen.

Piazza dei Cavalli in PiacenzaDurch die Rebhänge der Colli piacentiBrücke über das Val Nure bei Ponte dell‘OlioAlpines Gelände auf dem Monte MenegosaMorgenstimmung an der Festung BardiIm Flussbett des CenoEinsame Dörfer und Kirchen im tiefsten ApenninAm alten Grenzstein zwischen Emilia-Romagna - Toskana - LigurienTeambesprechung vor schwieriger Passage
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