Sudeten-Wanderung: ... über sieben Gebirge musst du geh´n

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Zwei Wochen auf dem EB durch Polen

1. Tag:. Jelenia Góra (Hirschberg) → Karpniki (Fischbach)

Bahnhofsverwirrungen, Nachholschlaf und angezogene Handbremse

Wir gönnten uns morgens die Anfahrt vom Hotel Patio zum Wrocław Głowny (Hauptbahnhof Breslau) mit einem Taxi. Stutzig machte uns schon die Frage des Taxifahrers, ob wir zur „Kasa“ wollten. Die Fahrkartenschalter sind nämlich getrennt von den eigentlichen Bahnsteigen. Wegen umfangreicher Baumaßnahmen im Hinblick auf die Fußballeuropameisterschaft 2012 mussten wir den Bahnhof verlassen, um zu einer Unterführung unterhalb der Bahnsteige zu gelangen. Wir wunderten uns nur, dass in der Unterführung jede Menge Personen standen, die auf irgendetwas warteten. Bald fanden wir den Grund: Erst wenige Minuten vor der Zugabfahrt wird der Bahnsteig per Lautsprecher und auf einer Anzeigetafel bekannt gegeben. Nach jeder Durchsage begann das Rennen der Fahrgäste zu ihrem Zug. Der Bahnsteig für den Zug nach Jelenia Góra (Hirschberg) wurde 5 Minuten vor der Abfahrt auf der Anzeigentafel angezeigt (die dazugehörende Lautsprecherdurchsage war für uns nicht zu verstehen) und wir rannten los.

Felix und Harald nutzten die 3-stündige Fahrzeit zu einem Nachholschlaf. Sie hatten das Pech, dass ihr Hotelzimmer in der Nacht zuvor direkt gegenüber einer Diskothek lag. Erst gegen 6:30 Uhr schloss die Diskothek ihre Pforten. Um 7:30 Uhr läuteten dann die Kirchenglocken der Elisabethkirche zum Gottesdienst. In diesem Zeitfenster von einer Stunde bewegte sich ihr Nachtschlaf.

Die Nachschläfer hatten auf der Bahnstrecke von Wrocław (Breslau) bis Wałbrzych (Waldenburg) nicht viel versäumt. Es ist eine sehr flache Landschaft mit abgeernteten Getreidefeldern. Erst ab Wałbrzych (Waldenburg) wurde die Landschaft zu beiden Seiten des Zugs hügelig und bewaldet; das stimmte uns auf die kommenden Wanderungen ein.

Wir wunderten uns, dass der Zug ab Waldenburg nur mit „angezogener Handbremse“ fuhr. Der Grund liegt in dem jahrhundertelangen Abbau der Kohle. Das Gebiet ist mit vielen Stollen durchzogen. Man befürchtet anscheinend, dass sich durch Erschütterungen der Züge bei zu rasanter Fahrt „Abgründe“ auftun könnten.

Jelenia Góra (Hirschberg) erreichten wir gegen 13:15 Uhr. Leider war auf unserem Weg zum Zentrum die Garnisonskirche zum Heiligen Kreuz wegen eines Gottesdienstes nicht zu besichtigen und auf unserem Rückweg zum Bahnhof war die Kirche geschlossen.

Herzstück von Hirschberg ist der Plac Ratuszowy (Marktplatz) mit seinen zahlreichen farbigen Arkadenhäusern. In einem Gasthaus unter den Arkaden machten wir Mittagsrast, die Felix zum Schreiben von Postkarten nutzte.

Gegen 16:00 Uhr brachte uns ein Bummelzug zurück nach Trzcińsko (Rohrlach). Zunächst wanderten wir am Fluss Bóbr (Bober) entlang und an einem Campingplatz vorbei bis zur Schronisko Szwajcarka (Schweizer-Baude).

Sehr viele polnische Familien mit ihren Kindern stiegen mit uns zum Krzyżna Góra (Kreuzberg) mit seinem gußeisernen Kreuz hinauf, einem der beiden Góry Sokole (Falkenberge). Von den Felsen hatten wir eine tolle Aussicht auf das Riesengebirge und den kleinen Ort Karpniki (Fischbach), wo wir übernachten wollten. Aus zeitlichen Gründen konnten wir den nördlich benachbarten Sokolik (Forstberg) nicht mehr erklimmen. Wir wollten unbedingt gegen 19:00 Uhr unser heutiges Nachtquartier erreichen.

Wir hatten das Glück, dass die gut Deutsch sprechende Tochter der Familie aus München zu Besuch war. Mit ihrer Mutter bereitete sie uns ein geschmackvolles Abendessen.

2. Tag: Karpniki (Fischbach) → Kamienna Góra (Landeshut)

Verschiedene Wettervorhersagen, Suche nach einem Lokal

Heute war eine Wanderung auf dem blau markierten Landeshuter-Kammweg (europäischer Fernwanderweg E3) von 27 km angesagt.

Wenn es auch am Morgen bewölkt war, die Wettervorhersage unserer Wirtin versprach uns 28 Grad ohne einen Regentropfen. Die deutsche Wettervorhersage (www.wetteronline.de) prognostizierte nur 24 Grad mit einzelnen Regenschauern am Nachmittag. Mal sehen, wer am Ende des Tages Recht behalten sollte.

Für jeden von uns machte die Wirtin ein Lunchpaket, denn bis Kamienna Góra (Landeshut) gibt es nirgendwo eine Einkehrmöglichkeit.

Der Rudawy Janowickie (Landeshuter Kamm) ist überwiegend mit Fichten bewaldet, Aussichtspunkte gibt es - abgesehen von den Felsen - keine. Als ersten Höhepunkt erwies sich der 718 m hohe Starościńskie Skały (Marianne-felsen, genannt nach der Herzogin Marianne, Ehefrau des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen). Einen ersten Aussichtspunkt erreicht man über einen schmalen Felsenweg, von dort ging es über eine gesicherte Felsentreppe zu einer größeren Aussichtsplattform.

Von dort bot sich uns ein herrlicher Rundblick von etwa 30 km zurück nach Karpniki (Fischbach) mit den Góry Sokole (Falkenberge) und südlich auf das Massiv des Riesengebirges. Ein weiterer Höhepunkt war ein Naturwunder: die Felsenbrücke Skalny Most (Felsenbrücke), die wir nicht erklimmen, sondern nur fotografieren konnten. Rast machten wir am Gipfel des Wołek (Ochsenkopf). Das Kruzifix wurde zu Ehren des Papstes Johannes Paul II errichtet. Am höchsten Gipfel des Landeshuter Kamms, am 945 m hohen Skalnik (Frei Koppe oder Friesensteine), gab es noch nicht einmal eine Sitzgelegenheit. 300 Höhenmeter unterhalb liegt die Berghütte Czartak, die für das Publikum geschlossen war.

Zukünftigen Wanderern können wir empfehlen, ab dem Mała Ostra den Weg mit der roten Markierung zu wählen. Geht man den blau markierten Weg (europäischer Fernwanderweg E3), muss man ab der Bergbaude Czartak bis zu einem Bach und anschließend wieder steil auf einer Straße nach oben wandern.

Die letzten 6 km von Pisarzowice (Schreibendorf) nach Kamienna Góra (Landeshut) hatten wir in beiden Richtungen die beste Aussicht, aber es fing mit jedem Meter stärker zu regnen an. Die deutsche Wettervorhersage hatte leider Recht behalten.

In unserem Hotel Krokus in Kamienna Góra (Landeshut) war das Restaurant geschlossen, weil um den Feiertag Maria Himmel-fahrt das verlängerte Wochenende genutzt wurde, um zu feiern. Die Wirtin empfahl uns am Markt ein Restaurant zu suchen, dort gebe es jede Menge. Nach und nach wurde uns klar, dass auch hier alle Lokale geschlossen waren. Nach 20 Minuten Herumirrens im Regen waren wir froh, eine Pizzeria gefunden zu haben, in der wir unseren Hunger stillen konnten.

3. Tag: Kamienna Góra (Landeshut) → Kloster Krzeszów (Grüssau) → Sokołowsko (Görbersdorf )

Barocke Pracht und das „Davos von Schlesien”

Nach dem Frühstück fuhren wir 6 km mit dem Taxi nach Krzeszów (Grüssau), zur Klosterkirche Kościół Opacki Najświętszej Marii Panny („Allerheiligste Jungfrau Maria“).

Sie wurde im Stil des Spätbarocks zwischen 1728 und 1735 erbaut. Die Klostergeschichte reicht bis ins Jahr 1242 zurück. Nach der Säku-larisierung 1810 zogen 100 Jahre später erneut Benediktinermön-che ein. Die Abteikirche beein-druckt durch ihre Pracht und gilt als Perle des schlesischen Barocks. Die Renovierungsarbeiten waren ziemlich weit vorangeschritten, nur an wenigen Stellen wurde noch gearbeitet. Die daneben stehende St. Josephs-Kirche - sie ist ohne Türme - war morgens noch nicht geöffnet.

Pünktlich um 11:30 Uhr fuhren wir mit einem in Landeshut am Morgen vorbestellten Taxi in den kleinen Ort Grzędy Górne (Oberkonradswaldau), um unsere Wanderung auf dem rot markierten Sudeten-Hauptweg fortzusetzen.

Bis zum 777 m hohen Sucha Góra hatten wir bereits 280 Höhenmeter überwunden. Der schweißtreibende Aufstieg wurde durch viele Ausblicke zum Riesengebirge und zum Landeshuter Kamm belohnt. Die beiden Kirchtürme der Kloster-kirche in Krzeszów waren gut zu erkennen.

Auf dem höchsten Punkt unserer heutigen Wanderung, der 851 m Lesista Wielka (Hohe Heide), trafen wir zum ersten Mal einen Weitwanderer. Zuvor sind wir immer nur Tagesausflüglern mit Minirucksäcken begegnet. Er war sehr verwundert, dass Wanderer aus Deutschland auf dem Sudeten-Hauptweg unterwegs waren und beneidete uns um unsere Wanderschuhe.

Von der Lesista Wielka (Hohe Heide) führt die neue Wegführung einen sehr steilen Abhang hinunter. Bei Regen hätten niemand von uns diesen Weg gehen wollen. Wir erreichten am Nachmittag unser heutiges Tagesziel, den Kurort Sokołowsko (Görbersdorf). Die zahlreichen Sanatorien und die Lage in einem waldreichen Gebiet gab Görbersdorf den Namen „Davos von Schlesien“. Heute sind die ehemaligen Sanatorien entweder geschlossen oder in einem sehr schlechten baulichen Zustand.

4. Tag: Sokołowsko (Görbersdorf ) → Walim (Wüstewaltersdorf)

Forellental und Piroggen mit „Roter-Beete-Suppe”

Kaum hatten wir am Morgen den Kurort Sokołowsko (Görbersdorf), verlassen, hörten wir “krrü … krrü …. krrü …”, das Rufen von Schwarzspechten. Wir konnten ein Pärchen beobachten, das sich an einer Buche bewegte. Durch ihr schwarzes Gefieder und den roten Scheitel sind die krähengroßen Tiere gut zu erkennen.

Nach gut einer Stunde hatten wir die Höhe von 796 m mit der Schronisko Andrzejówka (Andreasbaude) erreicht, auf die drei Täler zuliefen. Das Holzhaus wurde 1933 auf Initiative des Apothekers Brock aus Waldenburg erbaut. Unmittelbar an der Hütte wiesen Schilder auf einen nahen Abhang für Gleitschirmflieger hin.

Der Sudeten-Hauptwanderweg führt an einem Schilift vorbei, der bis auf 895 m Höhe geht. Auch auf dieser Etappe begegneten uns beim Abstieg nur zwei polnische Wanderinnen. Bis zum Ort Walim (Wüstewaltersdorf) hatten wir insgesamt drei große Auf- und Abstiege zurückgelegt. Deshalb erreichten wir unsere Unterkunft erst gegen 18:00 Uhr. Zu einem Besuch der zum Ende des 2. Weltkrieges von Zwangsarbeitern gebauten „unterirdischen Stadt“ waren wir an diesem Tag weder zeitlich noch körperlich fähig.

Im Gartenlokal der Pension Hubert wurden wir von Polen mit italienischen Liedern empfangen. Es stellte sich heraus, dass sie kein Italienisch sprechen konnten, dafür aber Deutsch. Wir wurden in Niederschlesien immer wieder überrascht, wie viele Polen Deutsch können. Die Jugend lernt heute in der Schule an erster Stelle Englisch und als zweite Sprache Deutsch. Andere Sprachen spielen kaum eine Rolle. Die Sangesbrüder empfahlen uns zum Abendessen Piroggen. In unserer Heimat würden wir sie als Maultaschen bezeichnen. Die Teigtaschen können mit Käse, Hackfleisch, Spinat, Kartoffeln, Quark, selbst mit Erdbeeren und Pflaumen gefüllt sein. Dazu isst man eine sehr gut gewürzte heiße Rote-Beete-Suppe (Barscz czerwony).

5. Tag: Walim (Wüstewaltersdorf) → Kamionki (Steinkunzendorf)

Bismarckturm, Streichelzoo, Weberaufstand und Steinpilze

Schon gegen 7:00 Uhr waren kaum Wolken am Himmel zu sehen. Der Tag versprach erneut heiß zu werden. Auch der Eisenach – Budapest-Wanderweg (EB) bzw. der europäische Fernwanderweg E3 verlaufen über den Kamm des Eulengebirges. Für diejenigen, die diesen EB-Weg schon gewandert sind, zählen das Góry Sowie (Eulengebirge) wie auch die Mala Fatra (Slowakei) zu den schönsten Gebirgszügen auf der 2.678 km langen Strecke nach Budapest.

Gleich am Morgen mussten wir 500 m zur Wielka Sowa (Hohe Eule) 1.015 m aufsteigen. Eine Augenweide ist der Wieża Widokowa na Wielkiej Sowie (Bismarckturm). Bereits 1906 wurde mit Stahlbeton ein 25 m hoher Turm erbaut. 2008 erfolgte mit EU-Fördergeldern eine Renovierung. Der Turm erlaubt einen großartigen Rundblick. Sowohl der Ort Walim (Wüstenwaltersdorf), von dem wir heute früh losgewandert sind, als auch einige Häuser unseres heutigen Wanderziels, des Orts Kamioniki (Steinkunzendorf) waren zu erkennen. Leider war die Sicht an diesem Tag wegen der großen Mittagshitze nicht allzu gut. Das Riesengebirge und Breslau, wie in Reiseführern beschrieben, konnten wir nicht sehen.

Wir hatten heute keine Eile und machten deshalb direkt am Bismarckturm eine längere Pause. Sehr viele Wanderer nutzten die vielen Sitzmöglichkeiten und machten ebenfalls eine Mittagsrast. Der Kiosk im Bismarckturm war vor allem von Schulkindern umlagert. Eis und Cola waren die großen Renner.

Auf unserem Weg zum Przełęcz Jugowska (Hausdorfer Plänel ) kamen wir an einer 2004 errichteten Gedenktafel für Hermann Henkel (*1869 † 1918) vorbei. Hermann Henkel war Sekretär des Eulengebirgsvereins. Die Gedenktafel ist in Polnisch und in Deutsch geschrieben:

„Auf den Bergen werde ich wieder ein reiner Mensch; dort werden wir Brüder und alles Hässliche und Kleine fällt von uns ab.“

Wir hatten genügend Zeit bis zur bewirtschafteten Schronisko Zygmuntówka" (Zimmermannsbaude) weiterzuwandern. Ungewöhnlich war für uns, dass wir im Foyer einen Streichelzoo antrafen. In den Käfigen waren Vögel, Hasen und eine Henne mit ihren Küken. Ebenso waren vor der Hütte Ziegen und jede Menge Hühner, Hunde und Katzen. Überhaupt machte diese PTTK-Unterkunft auf uns keinen einladenden Eindruck. Wieder zurück auf dem Przełęcz Jugowska (Hausdorfer Plänel) gingen wir den grün markierten Wanderweg zum Ortsteil Kamionki von Pieszyce (Peterswaldau).

Der Ort Pieszyce (Peterswaldau) ist in die Geschichte eingegangen, da im Jahre 1844 hier und in den Nachbarorten der Aufstand der Weber stattfand. Gerhard Hauptmann hat diesen Weberaufstand in seinem Werk „Die Weber“ beschrieben. Der Inhaber unserer heutigen Unterkunft „Sowia Dolina“ (Eulental) ist ein in Kassel geborener Hotelier. Er erwarb vor rund 15 Jahren das marode Gebäude und hat es vollkommen renoviert.

Jeder Pole scheint ein geborener Heidelbeer- und Pilzesammler zu sein. Zu diesem Schluss sind wir gekommen, trafen wir doch auf unserer Wanderung ständig Sammler mit ihren Weidenkörbchen. Aber zum ersten Mal konnten wir im Hotel „Sowia Dolina“ zu unserer großen Überraschung auch Gerichte mit Steinpilzen bestellen. Unsere Zufriedenheit wurde noch gesteigert, als wir in den Zimmern Deutsches Fernsehen empfangen konnten.

6. Tag: Kamionki (Steinkunzendorf) → Śrebrna Góra (Silberberg)

Gewitter auf dem Kammweg, Sauermehlsuppe und das Geheimnis einer gelungenen polnischen Hochzeit

Da wir im Hotel Internet-Zugang hatten, wussten wir, dass uns gegen 14:00 Uhr ein Gewitter erwarten sollte. Deswegen brachen wir schon früh auf und legten einen sehr schnellen Schritt vor. Kaum hatten wir den eisernen Aussichtsturm auf dem 964 m hohen Kalencia (Tumberg) bestiegen, von dem wir zur Wielka Sowa (Hohe Eule) zurückblicken konnten, zogen bereits die ersten dunklen Wolken auf. Die nächsten beiden Stunden wurden wir von stürmischen Winden begleitet und das Donnergrollen in der Ferne war nicht zu überhören. Statt, wie angekündigt um 14:00 Uhr, waren wir bereits um 12:30 in ein schweres Gewitter geraten. Wir machten uns „regenfest“ und wanderten schnell weiter, in der Hoffnung, eine Schutzhütte zu finden. Aber nirgendwo war eine Schutzhütte zu erreichen. Glücklicherweise war das heftige Gewitter nach 45 Minuten vorbei.

Gegen 13:30 Uhr erreichten wir die Twierdza Srebrna Góra (Festung Silberberg) und hatten nach 2 Stunden zügigem Wandern endlich die Gelegenheit, uns auf den frisch vom Wasser abgeputzten Bänken auszuruhen. Überraschend waren - ähnlich wie an der Wielka Sowa (Hohe Eule) - viele Ausflügler zu sehen, die wie wir die Festung besichtigen wollten.

Wir haben uns einer Führung in polnischer Sprache angeschlossen. Unserem in einer preußischen Uniform auftretenden Führer gelang es, die Führung aufzulockern, indem er die Besucher mit einbezog. Höhepunkt der Führung war das Abfeuern eines Schusses in den Kasematten, von dem uns noch am Abend die Ohren dröhnten.

Unsere Unterkunft war im Ort Srebrna Góra, etwa 2,5 km von der Silberberg-Festung entfernt. Während des Abendessens bot uns der Wirt selbstgemachten Kräuterschnaps und als Nachtisch seine besondere Spezialität an: Milchreis mit Äpfeln, Zimt und Sahne an.

Der Wirt ließ es sich auch nicht nehmen, uns vor dem Hauptgang 2 große Suppenschüsseln mit Barscz czerwony (Roter-Beete-Suppe) und Żurek (Sauermehlsuppe) auf den Tisch zu stellen. Vor allem Żurek, einer leicht säuerlich schmeckende Mehlsuppe aus vergorenem Roggenschrot mit geräucherter Wurst, Kartoffelstückchen und gekochten Eiern konnten wir nicht widerstehen.

Für eine Hochzeitsfeier am folgenden Tag - es wurden 80 Gäste erwartet - hatte unser Wirt alle Hände voll zu tun. Trotzdem fand er noch die Zeit, uns über die frühere Nutzung des Anwesens zu informieren. Auch erzählte er uns über polnische Hochzeitsbräuche. Als Faustregel einer gelungenen Hochzeitsfeier gilt es, pro Gast 1 Liter Wodka anzubieten. Der Festsaal, ein ehemaliger Pferdestall, war schon für die 80 Hochzeitsgäste eingedeckt. Der Bräutigam war dabei, den Raum mit Hunderten weiß-blauer Luftballons zu schmücken, während die Braut die Tischkarten verteilte.

7. Tag: Srebrna Góra (Silberberg) → Kłodzko (Glatz)

Warthaer Madonna, die Glatzer Karlsbrücke und eine uneinnehmbare Festung

Auch an diesem Tag nahm sich der Wirt die Zeit, um uns zurück auf den Przełęcz Srebrna (Silberberg-Pass) zu fahren. Dort begann unsere 17,5 km lange Etappe auf dem blau markierten europäischen Fernwanderweg E3 nach Bardo (Wartha). Auf den Sudeten-Hauptweg werden wir am nächsten Tag im Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge) wieder treffen.

Abgesehen davon, dass wir zu Beginn auf einem sehr steilen Pfad wieder ins Tal absteigen mussten, war es eine sehr aussichtsreiche Tour auf überwiegend weichem Waldboden.

Wir konnten auch schon unser morgiges Ziel, das Plateau des markanten Bergs Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer) im Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge) erkennen.

Nach 5 Stunden erreichten wir Bardo (Wartha) an der Nysa Kłodzka (Glatzer Neiße). Der kleine Ort ist vor allem wegen seiner Pfarrkirche „Geburt der Allerheiligsten Mutter Gottes“ bekannt. Den Altar schmückt die 43 cm große farbige Figur der Warthaer Madonna aus dem 13. Jahrhundert

Das Wasser der Nysa Kłodzka (Glatzer Neiße) war wegen des gestrigen Gewitters bräunlich gefärbt. Zeit zur Einkehr hatten wir nicht, wollten wir doch unbedingt vor 15:00 Uhr den Zug nach Kłodzko (Glatz) erreichen.

Zunächst erlebten wir eine große Enttäuschung: Die beiden Glatzer Bahnhöfe waren in einem sehr schlechten baulichen Zustand, der einer so schmucken Stadt nicht würdig ist.

Unser Hotel lag an der Hauptverkehrsstraße und die Diskothek gleich nebenan ließen uns für die Nacht nichts Gutes erwarten. Um 16:00 Uhr erwarteten uns der frühere Bürgermeister und seine sehr gut Deutsch sprechende Tochter zu einem Stadtbummel durch Kłodzko (Glatz).

Zum Glück wurde die Stadt im II. Weltkrieg nicht zerstört. Selbst Schäden des Jahrhunderthochwassers von 1997 waren nirgendwo mehr zu erkennen. Viele der alten Häuser waren frisch renoviert. Über die gotische Brücke des Heiligen Jan (siehe Titelbild) gingen wir in die Altstadt. Die Brücke ähnelt mit ihren sechs steinernen Votivfiguren der Prager Karlsbrücke. Unser erstes Besichtigungsziel war die auf einem Hügel alles überragende Festung der Stadt Glatz, die Twierdza Kłodzka. Im 17. Jahrhundert wurde unter der habsburgischen Herrschaft der Festungsbau begonnen. Im Schlesischen Krieg eroberten preußische Truppen die Stadt und auch die Festung. Im Hubertusburger Frieden von 1763 wurde die Stadt endgültig ein Teil Preußens. Unter der neuen Herrschaft wurde die Festung immer weiter ausgebaut, so dass selbst die napoleonischen Truppen 1807 die Festung und die Stadt nicht erobern konnten.

Anschließend gingen wir zum Glatzer Marktplatz. Auch hier steht das Rathaus in der Mitte des Platzes. Die Lokale am Rathaus waren um diese Zeit bereits gut besetzt. Durch den Park Esperanto kehrten wir zum Hotel zurück und verabschiedeten uns von unseren beiden „Stadtführern“, die uns ihre Stadt erfolgreich nähergebracht hatten.

8. Tag: Kłodzko (Glatz) nach Radków (Wünschelburg) ins Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge); Radków → Karłów (Karlsberg)

Nachholen von Schlafdefiziten, Goetheplakette und Bundesligaergebnisse

Unser schnellstes Frühstück nahmen wir in unserem Hotel ein, da wir unbedingt den Bus nach Radków (Wünschelburg) am Rande des Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge) erreichen wollten. Auf dem Weg dorthin kamen wir am schlesischen Jerusalem, der Wallfahrtskirche in Wambierzyce (Albendorf), vorbei. Eine ausführliche Besichtigung wollten wir in 2 Tagen nachholen.

Der Bus brachte uns bis zum Rynek von Radków (Wünschelburg). Ein Schild im Zentrum gab als Entfernung bis zum Ort Pasterka (Passendorf) auf dem großen Plateau 2 Stunden an. Aus Erfahrung wussten wir, dass diese Wanderzeiten nur von Spitzensportlern ohne Gepäck zu erreichen sind. Wir gingen deshalb realistisch von 2 ½ bis 3 Stunden reiner Wan-derzeit aus.

Wir passierten eine Talsperre mit einigen Unterkünften sowie einem Campingplatz. Dann begann der 300 m hohe Aufstieg, zunächst entlang der Pośna (Posna). Eigentlich mussten wir auf das gelbe Wanderzeichen nicht achten, ging der Weg doch immer entlang der Posna. Ab einer Höhe von 700 m wurde der Weg fast ebenerdig und bald traten wir aus dem Wald heraus und wanderten auf einer Wiese am Wald entlang.

Schließlich erreichten wir die PTTK Berghütte Schronisko Pasterka. Hier entschlossen wir uns eine längere Pause einzulegen. Das war auch unbedingt notwendig, hatten wir doch in der vergangene Nacht durch die laute Musik in der gegenüber liegenden Diskothek erhebliche Schlafdefizite eingefahren.

Der Ort Pasterka (Passendorf) besteht nur aus wenigen Häusern. Am Ortsende begann erneut ein Aufstieg von 150 m hinauf zur Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer). Der Weg war nicht leicht zu begehen, mussten wir uns doch in einer nahezu alpinen Geröllhalde emporarbeiten.

Beim Zusammentreffen unseres gelb markierten Weges von Pasterka (Passendorf) mit dem rot markierten von Karłów (Karlsberg), sahen wir, welche Menschenmassen von der Südseite die Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer) „besteigen“ wollten. An einer Ausweichstelle mussten wir etwa 100 Besucher passieren lassen, bevor wir unseren Weg auf die Aussichtsterrasse fortsetzen konnten. Die Felsen wurden immer mächtiger. An einer Stelle mussten wir uns durch ein Nadelöhr zwängen.

Auf der Gipfelterrasse herrschte reges Treiben. Kinder standen nach Eis an, Männer nach Bier, während die Frauen Waffeln mit verschiedenen Früchten und Sahne bevorzugten. Auf dem 913 m hohen Felsplateau hatten wir eine tolle Fernsicht. Geheimrat Goethe hatte auch schon am 28. August 1790 auf diesem Gipfel gestanden. Eine Gedenktafel mit seinem Konterfei weist darauf hin.

Der in Reiseführern beschriebene Abstieg nach Karłów (Karlsberg) über 682 Treppenstufen war - vielleicht zu unserem Glück - wegen Reparaturarbeiten nicht möglich. Eine „Umleitung“ ohne jegliche Treppen war eingerichtet. Auf unserem „Ersatzweg“ nach Karłów (Karlsberg) waren wir in eine Karawane eingebunden. Viele Frauen, die vor uns abstiegen, waren nur mit Badelatschen „ausgerüstet“.

In Karłów (Karlsberg) hatten wir erneut keinen Handyempfang. Zum Glück hatten meine Mitwanderer auf dem Gipfel in der Heimat anrufen können und so die Bundesligaergebnisse erfragt.

9. Tag: Karłów (Karlsberg) → Kudowa Zdrój (Bad Kudowa)

Wespen im Zimmer, unterwegs als Geisterwanderer und Damenwahl

Im Holzrahmen unseres Hotels hatten Wespen ein Nest gebaut. Bereits vor Sonnenaufgang hörte man ihr Summen. Ab und zu „verirrte“ sich eine Wespe auch schon einmal in unser Zimmer.

Heute hatten wir keine Eile, mussten wir doch nur 4 Stunden bis zum Kurort Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) wandern. An unserem Hotel führt der rot markierte Sudeten-Hauptweg vorbei. Wir mussten ihm nur folgen. Der Weg steigt ab Karłów (Karlsberg) ständig bergan. Oben ab einer Höhe von 800 m waren sämtliche Bäume, wahrscheinlich wegen der hohen Luftverschmutzung, abgestorben. Dadurch konnten sich Heidelbeersträucher ausbreiten. Wir begegneten mehreren Frauen, die dabei waren, Heidelbeeren in Plastikeimer zu pflücken.

Auf dem Berggipfel verläuft der Sudeten-Hauptweg mitten durch ein Felslabyrinth, die Błędne Skały (Wilde Löcher). Zum Betreten der Błędne Skały (Wilde Löcher) muss am Kassenhäuschen Eintritt bezahlt werden.

Während der Wanderführer die Eintrittsgebühr entrichtete, sind Felix und Harald mit dem roten Zeichen weitergewandert. Sie hatten dabei nicht bemerkt, dass der Weg durch die Felsenspalten und Höhlen nur in einer Richtung, nämlich von Nord nach Süd begangen werden sollte. Kein Wunder, dass sie wie Geisterfahrer allergrößte Schwierigkeiten hatten, an den entgegenkommenden Ausflüglern - und das waren ziemlich viele - vorbeizukommen. An einigen Stellen kann man sich durch die engen Spalten nur seitwärts oder gar in der Hocke fortbewegen. Ab einer gewissen Bauchgröße wäre ein Durchkommen überhaupt nicht möglich gewesen. Auch konnte man mehrere Tunnels nur in gebückter Haltung passieren.

Mein Kompliment geht an die zwei „Geisterwanderer“. Dieses in Europa einmalige Naturereignis mit großen, schweren Rucksäcken gegen den ständig anschwellenden Besucherstrom zu durchwandern, ist schon eine Leistung. Aber noch größer war ihre Überraschung, als sie am Ende des Labyrinths den Wanderführer erblickten und ihn zunächst für einen Geist hielten. Wolfgang hatte seinen Rucksack am oberen Kassenhäuschen deponiert und war auf einem einfach zu begehenden Weg zum eigentlichen (südlichen) Labyrinth-Eingang gewandert. Von dort aus war er dann ohne Gepäck durch das Felsenlabyrinth zurückgewandert.

Am Haupteingang waren - ähnlich wie am Tag zuvor auf der Szczeliniece Wielki (Großen Heuscheuer) - Massen von Menschen unterwegs. Kein Wunder, war doch nur wenige Meter entfernt ein großer Parkplatz. Vor allem Kioske und Getränkeläden waren umlagert.

Nach weiteren 2 Stunden ständigem Abwärtsgehen erreichten wir bei großer Sommerhitze den Kurort Kudowa Zdrój (Bad Kudowa). Der Kurort zählt zu den ältesten Europas und war früher „Deutschlands erstes Herzbad“. Auf der Hauptstraße herrschte am Nachmittag in den zahlreichen Eiscafés reger Besuch. Beim Abendessen kamen wir mit einem emeritierten Mathematikprofessor und seiner Gattin ins Gespräch.

Um zu unserer Unterkunft zu gelangen, gingen wir durch den im englischen Stil angelegten Kurpark. Wir gingen vorbei am barocken Sanatorium Zameczek (Schlösschen), am Café Sissi sowie am daneben liegenden Tanzlokal. Um diese Zeit waren beide noch sehr gut besucht. Im Tanzlokal herrschte Männermangel und bevor zur „Damenwahl“ aufgerufen wurde, machten wir uns auf den Heimweg.

10. Tag: Kudowa Zdrój (Bad Kudowa)

Gebeine von 21.000 Menschen, ins schlesisches Jerusalem und Schlaglochpiste

Von unserer Villa Sanssouci gingen wir am frühen Morgen durch den Kurpark in den Stadtteil Czwemna (Deutsch-Tscherbenei). Dort befindet sich neben der Kirche St. Bartholomäus die Kaplica czaszek (Schädelkapelle). Decken und Wände sind vollständig mit ca. 3000 menschlichen Schädeln und Schienbeinen verkleidet. Auf dem Altar lagen weitere 6 Schädel, unter anderem auch der vom Pfarrer Wenzel Tomaschek, der diese Sammlung veranlasste. In der Krypta unter der Kapelle sind die Überreste weiterer 21000 Menschen. Eine Nonne erklärte uns die Bedeutung leider nur auf Polnisch.

Um 11:30 Uhr trafen wir erneut unseren Mathematikprofessor im Café Sissi, der uns mit seinem Wagen in ½ Stunde nach Wambierzyce (Albendorf) brachte. Die Basilika des kleinen Ortes wird als „schlesisches Jerusalem“ bezeichnet. Es wird berichtet, dass 1218 ein blinder Bauer nach dem Beten vor einer Marienfigur sein Augenlicht wieder erhalten habe. Man baute an dieser Stelle eine hölzerne Kapelle. Die heutige Barockkirche stammt aus dem Jahre 1720. Die Treppe hat 33 Stufen und soll die Lebensjahre Jesu bei der Kreuzigung symbolisieren.

Nicht versäumen sollte man den Aufstieg auf den Kalvarienberg, der sich den Tempelberg in Jerusalem als Vorbild nahm. Von der Höhe hat man die beste Möglichkeit die Basilika mit dem Tafelberg Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer) als Hintergrund zu fotografieren.

Die Rückfahrt wollten wir über den Berg via Karłów (Karlsberg) zurück nach Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) fahren. Die letzten 6 km bis Karłów (Karlsberg) erwiesen sich als üble Schlaglochpiste, die unser Fahrer mit sehr viel Schwung nahm. Ja, richtig - er ließ kein Schlagloch aus!

Am Nachmittag wollten wir unbedingt in den Aqua-Park von Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) gehen, für den überall im Ort großflächig Werbung gemacht wurde. Gleich am Eingang mussten wir unsere Schuhe und Socken ausziehen und barfuß zur Kasse gehen. Der Aqua-Park besteht nur aus sehr wenigen Attraktionen: aus einem Schwimmbecken mit sechs 25-m-Bahnen, einem Planschbecken für Kinder, 2 Jacuzzi-Pools und einer großen Rutsche. Es gab weder Sitzgelegenheiten noch einen Ruheraum und auch keine Möglichkeit, von der Halle ins Freie zu gelangen. Deshalb verließen wir bereits nach 1 Stunde den Aqua-Park.

11.Tag: Fahrt Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) nach Złoty Stok (Reichenstein) Złoty Stok (Reichenstein) → Lądek Zdrój (Bad Landeck)

Rettung vor dem Verdursten

Wir konnten - in Polen nicht immer möglich - bereits um 7:00 Uhr frühstücken. Kurz nach 8:00 Uhr sollten uns Busse quer durch das Glatzer Becken fahren: von Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) über Polanica Zdrój (Bad Altheide) nach Kłodzko (Glatz). Zum Umsteigen waren in Kłodzko (Glatz) nur wenige Minuten Zeit, um per Schnellbus nach Złoty Stok (Reichenstein) zu gelangen. Wir hatten die Absicht, die Wanderung auf dem Sudeten-Hauptweg jetzt in umgekehrter Richtung fortzusetzen. Am Marktplatz von Złoty Stok (Reichenstein) war einem Hinweisschild zu entnehmen, dass wir bis Lądek Zdrój (Bad Landeck) 4 ½ Stunden wandern müssten

Auf Hinweisschildern in Deutsch konnten wir erfahren, dass bereits seit dem 16. Jahrhundert in dieser Region Gold gefunden wurde, um daraus hier im Ort Reichensteiner Goldmünzen zu prägen. Etwas außerhalb des Ortes, auf dem Sudeten-Hauptweg, sahen wir Eingänge alter Stollen und einen Steinbruch. Zwischen Steinbruch und Wald waren Seile gespannt. Wir mussten nicht lange warten, um den Grund zu erfahren: Rechts lag der Steinbruch und auf der linken Seite der Hochseilgarten mit 20 Stationen, wo man sich von Baum zu Baum hangeln konnte. Mit Hilfe von Rollen bestand die Möglichkeit, vom Steinbruch zum Hochseilgarten zu fahren.

Der Sudeten-Hauptweg führt auf breiten Forstwegen auf den 872 m hohen Jawornik Wielki (Großen Geyersberg). Auf dem Gipfel hatte man eine Aussichtplattform gebaut. Aber dunkle Gewitterwolken in Richtung Złoty Stok (Reichenstein) versperrten die Sicht.

Die Mittagspause war in dem Straßendorf Orłowiec (Schönau bei Landeck) vorgesehen. Aber es gibt in diesem 40 Einwohner zählenden Dorf weder ein Lebensmittelgeschäft noch ein Gasthaus. Ausgerechnet an diesem Tag hatten wir aufgrund der großen Hitze und der Asphaltwanderung durch den Ort einen Riesendurst. In der Ferne hörten wir einen Lieferwagen mit Lautsprecherdurchsagen immer näher kommen. Felix stellt sich auf die Dorfstraße und stoppte das Fahrzeug. Es war ein Tiefkühl-Fahrzeug. Der Fahrer hatte außer der Tiefkühlkost „für gute Kunden“ Büchsenbiere in den Kühlfächern gelagert. Unserem Felix gelang es, 3 Büchsen Bier auf dem „kurzen Dienstweg“ zu bekommen. Das war Rettung vor dem Verdursten in letzter Minute!

Gegen 16:30 Uhr erreichten wir den Rynek von Lądek Zdrój (Bad Landeck). Am Rynek - auch hier steht mitten auf dem Platz das Rathaus - laden mehrere Biergärten zum Verweilen ein. In Lądek Zdrój (Bad Landeck) haben bereits Goethe und der Preußenkönig Friedrich II. gekurt. Es ist überliefert, dass Friedrich der Große begeistert aussprach: „Die Bäder von Landeck haben mir den Gebrauch meiner Füße wiedergegeben”. Zu unserem vorgebuchten Hotel im Kurviertel mussten wir noch 20 Minuten gehen.

12. Tag: Lądek Zdrój (Bad Landeck) → Sienna (Heudorf im Masyw Śnieżnika (Glatzer Schneegebirge)

Schwarzer Berg, Wespenfreies Gebiet und Moosbeerenschnäpse.

Von der Pension ging es zurück zum Rynek von Lądek Zdrój (Bad Landeck) und anschließend vorbei an den stillgelegten Bahngleisen und an einem Recycling-Hof. Erst nach einer Stunde hörte der Asphaltweg auf. Nach wenigen Metern erreichten wir eine Hagebutten-Plantage. 5 Erntehelfer pflückten die Hagebutten in Plastikeimer, während eine ältere Frau im Schatten der Hagebutten den Strunk entfernte. Ein Traktor, der uns schon mehrmals auf der Wanderung überholt hatte, wollte uns mitnehmen, doch wir wollten die Wanderung lieber fortsetzen.

Am 864 m hohen Przełęcz Puchaczówka (Puhu Pass) hatten wir zum ersten Mal freien Blick auf den Czarna Góra (Schwarzer Berg), dem Ziel unser heutigen Wanderung. Von einer Kapelle aus hatten wir Aussicht auf den Wintersportort Sienna (Heudorf), der mit einer Seilbahn mit dem Czarna Góra (Schwarzer Berg) verbunden war. Wir waren wieder einmal die Einzigen, die mit ihren schweren Rucksäcken den 1.205 m hohen Gipfel bestiegen hatten. Am Aussichtsturm trafen wir viele „Seilbahnwanderer“, teilweise mit Badelatschen. Um zu unserem Quartier in Sienna (Heudorf) zu gelangen, nutzten wir ebenfalls die Seilbahn. Gegenüber dem Parkplatz der Seilbahnstation sind wir in der „Karczma Hubertus“ eingekehrt.

Der deutschsprechende Wirt, ein passionierter Jäger, hatte mehrere ungewöhnliche Wespenfallen konstruiert. Auch in Polen herrschte 2011 eine Wespenplage. In einer 2-Liter-PET-Flasche hatte er eine undefinierbare Flüssigkeit aus Wein und Sirup und Zitronenscheiben zum Anlocken eingefüllt. Ins obere Ende der Flaschen hatte er kleine Löcher als Einflugschneisen für die Wespen geschlitzt. Der Erfolg war für uns alle sichtbar; innerhalb einer Woche sind nahezu 1000 Wespen in diese Falle getappt.

Nachdem wir in unserem Hotel die Rucksäcke abgestellt hatten, kehrten wir erneut zurück in den Biergarten und ließen den Abend mit Wildschweinbraten ausklingen.

13. Tag: Sienna (Heudorf) → Międzygórze (Wölfelsgrund)

Gesprengter Aussichtsturm und höchster Wasserfall der Sudeten

Am Morgen waren wir die Ersten, die mit der Seilbahn zum Czarna Góra (Schwarzer Berg) hochfuhren. Von der Seilbahnstation konnten wir eine Abkürzung zum Sudeten-Hauptweg gehen. Wir folgten einem polnischen Ehepaar mit ihrer Tochter, die uns allen mit selbstgeschnitzen Stöcken vorauseilte. Vom Przełęcz Pod Jaworową steigt der Wanderweg gemächlich an. Wenn man zurückblickte hatte man immer wieder Sicht auf den markanten Czarna Góra (Schwarzer Berg).

Nach gut 2 Stunden hatten wir die Schronisko Na Śnieżniku auf 1.220 m erreicht. Sie wurde 1871 errichtet, zuvor stand an dieser Stelle eine Sennerei. Unsere Rucksäcke konnten wir in der Hütte abstellen.

Der Aufstieg zum 1.426 m hohen Śnieżnik Kłodzki (Großer Schneeberg) verläuft unmittelbar an der polnisch-tschechischen Landesgrenze entlang. Wir brauchten nur den weiß gestrichenen Grenzsteinen zu folgen. Das Hochplateau des Großen Schneebergs ist unbewaldet, somit besteht nach allen Seiten eine gute Fernsicht. Aufgrund der hohen Temperatur lagen das Altvatergebirge und das Adlergebirge unter einer Dunstglocke verborgen. Sehr viele Wanderer und auch Biker waren an diesem Sommertag unterwegs. Die meisten Biker trugen ihre Räder zum Gipfel, einer flickte dort seinen defekten Fahrradreifen.

Der 1899 erbaute 34 m hohe „Kaiser-Wilhelm-Turm“ an der höchsten Stelle war derart baufällig, dass er 1973 gesprengt werden musste. Anscheinend hatte man den falschen Mörtel verwendet. Die Trümmer markierten die höchste Stelle des Masyw Śnieżnika (Glatzer Schneegebirge). Sehr viele Wanderer machten hier Rast, bevor sie entweder nach Tschechien oder zurück zur Berghütte Na Śnieżniku und weiter nach Międzygórze (Wölfelsgrund) abstiegen. Wir alle mussten unsere Mützen festhalten, denn ein heftiger Wind drohte sie ins Tal hinabzuwehen. Wieder an der Berghütte angelangt, machten wir eine längere Mittagspause. Interessanterweise wird auf den Hütten des polnischen Verbandes für Touristik und Landeskunde (PTTK) kein Alkohol ausgeschenkt, oder wie hier wird zwar Bier verkauft, das aber nur außerhalb der Baude getrunken werden darf.

Der Abstieg nach Międzygórze (Wölfelsgrund) verläuft zunächst am Berghang, später wandert man entlang der Wilczka (Wölfel) bis in den Ort. Fast an jedem Haus war der Hinweis „wolne pokoje“ (Zimmer frei) angebracht. Unsere Unter-kunft war direkt am Wodospad Wilcaki (Wölfel-Wasserfall). Wasserfälle sind in Polen sehr beliebt, der in Międzygórze (Wölfelsgrund) ist mit 30 m der höchste in den Sudeten. Aus diesem Grund waren auch sehr viele Besucher auf den schmalen Pfaden unterwegs.

Wir waren uns beim Abendbrot einig: Die Hohe Eule im Eulengebirge, der Tafelberg Große Heuscheuer, das Gebiet um den Glatzer Schneeberg, waren auf unserer Wanderung 2011 die schönsten Abschnitte auf dem Sudeten-Hauptweg.

14. Tag: Letzter Tag – Rückfahrt nach Breslau und Heimflug

Letztes Bier und Flughafenevakuierung

Bereits mit den „Boarding-Pässen“ ausgestattet, die Wolfgang am Abend zuvor vom PC unseres Hotels ausdrucken konnte, traten wir die Rückreise nach Heidelberg an.

Samstags in der Schulferienzeit fährt morgens kein Bus von Międzygórze (Wölfelsgrund). Nur mit einem Taxi konnten wir uns zum Hauptbahnhof von Kłodzko (Glatz) fahren lassen. Nach weiteren 2 Stunden Bahnfahrt erreichten wir gegen 12:20 Uhr den Wrocław Głowny (Hauptbahnhof Breslau). Wir hatten noch Zeit, um eine Kleinigkeit zu essen und ein Abschlussbier am Rynek zu trinken.

Kaum am Flughafen „Kopernika“ angekommen, mussten wir wegen eines herrenlosen Gepäckstückes das Gebäude wieder verlassen. Immer mehr Personen sammelten sich vor dem Flughafen, auch das Sicherheitspersonal und die Mitarbeiter der Fluggesellschaften. Fahrzeuge, Taxen und Busse mussten etwa 100 m vor dem Flughafengebäude parken. Nach 30 Minuten war der Spuk vorbei und alles strömte zurück in das Flughafengebäude. Da nur 35 Passagiere mit uns nach Frankfurt flogen, reichte ein kleines Propeller-Flugzeug völlig aus. Das konnte zwar nur 550 km/h erreichen und war ziemlich laut, doch beim Landeanflug auf Frankfurt/Main hatten wir schon kurz vor Hanau eine hervorragende Sicht, die für präzise Luftaufnahmen ausgereicht hätte. Während wir in Breslau bei 30° C gestartet waren, erwarteten uns in Frankfurt abkühlende 17° C.

Wenn noch Fragen zu unserer Wanderung bestehen, schicken Sie mir eine eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Fotos: Wolfgang Meluhn

Das Rathaus von Jelenia Góra (Hirschberg)Die PTTK Schronisko Szwajcarka (Schweizer-Baude)Blick vom Mariannenfelsen auf das Riesenge-birge mit der SchneekoppeMarktplatz von Kamienna Góra (Landeshut)Die Wallfahrtskirche in Krzeszów (Grüssau)Blick von der Sucha GóraPTTK Schronisko Andrzejówka (Andreasbaude)Pension Hubert in Walim (Wüstewaltersdorf)Wieża Widokowa na Wielkiej Sowie(Bismarckturm) auf der Hohen EuleBlick vom Wieża Widokowa nach Wielkiej Sowie(Bismarckturm) in westliche RichtungTwierdza Srebrna Góra (Festung Silberberg)Führer in preußischer UniformSpezialität unseres Wirtes: Milchreis mit Äpfeln und SahneBardo (Wartha) an der Nysa Kłodzka (Glatzer Neiße)Stausee bei Radków (Wünschelburg)Aufstieg zur Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer)„Reges Treiben“ auf dem Gipfelplateau der Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer)Kassenhäuschen am Eingang der Błędne Skały (Wilde Löcher)Eine der vielen Engstellen an den Błędne Skały (Wilde Löcher)Schlosspark von Kudowa Zdrój (Bad Kudowa)Schädelkapelle in Czwemna (Deutsch-Tscherbenei)Wallfahrtskirche „schlesisches Jerusalem“Blick vom Jawornik Wielki (Großen Geyersberg) nach Złoty Stok (Reichenstein)Marktplatz von Lądek Zdrój (Bad Landeck)Eine alte Frau entfernt die Strünke an den HagebuttenDer Wirt mit der selbstgebauten „todsicheren“ WespenfalleDie Schronisko "Na Śnieżniku" (Bergbaude Schweizerei)Blick vom Śnieżnik Kłodzki (Großer Schneeberg) zum Schwarzen BergDer Wasserfall der Wilczka (Wölfel) im Ort Międzygórze (Wölfelsgrund)Altes Rathaus am „Rynek“ in Breslau
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