Man sieht nur, was man weiß: Werner Bätzings GTA – Führer neu erschienen

Drucken
grande-traversata-delle-alpi
Grande Traversata delle Alpi Teil 1: Der Norden: Vom Wallis ins Susa-Tal
Werner Bätzing
Deutsch
2016
7.
224
19,0
12,0
1,7
3858696803
978-3-85869-680-9
grande-traversata-delle-alpi-415dba43-5886-4f46-8588-9c2d24f4f719
Grande Traversata delle Alpi Teil 2: Der Süden: Vom Susa-Tal ans Mittelmeer
Werner Bätzing
Deutsch
2016
7.
296
19,0
12,0
2,2
3858696811
978-3-85869-681-6
Endlich! Viele Wanderer haben lange auf die Neuauflage gewartet, seit einiger Zeit liegen der Nord- und der Südband der GTA – Führer beim Rotpunktverlag aus Zürich vor. Und es ist kein Zufall, daß Werner Bätzing dort erscheint. Die Lektoren des Schweizer Verlages, durch die Reihe „Naturpunkt“ den Fernwanderern seit einigen Jahren ein Begriff, gehen das Thema anders an: neben dem unerläßlichen Teil der Wegbeschreibung, der Kern jedes Führers bleibt, legen sie großen Wert darauf, daß der fremde Regionen durchschreitende Wanderer weit umfassendere Informationen erhält. Ganz im Sinne Werner Bätzings.

Für die GTA – Bände bedeutet das: die Ur-Strecke selbst wird in 10 Abschnitte von vier bis sieben Tagen unterteilt. Zusätzlich erlauben drei weitere Etappenbeschreibungen dem GTA – Geher verschiedene Zugänge von Norden her (z.B. vom Nufenenpass/Griespaß), die Verbindung vom Colle di Tenda nach Ventimiglia ans Mittelmeer sowie eine 16 Tage umfassende Tour auf der Ostvariante der GTA, die sich auf die Recherchen von Gerhard Fitzthum stützt. Jede der Abschnittsbeschreibungen ist versehen mit Hinweisen zu benötigtem Kartenma-terial, Unterkunftsmöglichkeiten sowie Erreichbarkeit mit dem ÖPNV. Thematisch angereichert mit Exkursen wie z.B. „Im Banne des Mon Viso“ oder „Die Walser im Piemont“, machen die Führer dem Benutzer ein sehr kompaktes Angebot.

Rund um diesen Buchkern sind am Anfang rund 42 Seiten der „Natur, Geschich-te, Kultur und Politik“ gewidmet, am Ende jeweils etwa 25 Seiten den „Praktischen Hinweisen“, die sich im Nord- und Südband logischerweise nur unwesentlich unterscheiden. Wo sie sich unterscheiden – und das sei hervorgeho-ben – sind die Erläuterungen zu der Verschiedenartigkeit des vorhandenen Kartenmaterials. Warum sind die IGC – Karten stellenweise fast unbrauchbar? Wie steht es um die italienischen topographischen Karten? Was ist mit Kompaß – Karten? Und was verbirgt sich hinter dem Kürzel AsF? Alles aufs Beste aufbereitet und zutreffend.

Was macht die beiden Bände besonders, wo liegen Unterschiede zu den vorherigen Auflagen in Gert Tregos Verlag „Der Weitwanderer“? Augenfällig sind natürlich das vergrößerte Format, insgesamt 426 Gramm mehr Gewicht sowie großzügige Farbbebilderung auf schwerem Papier. Für Puristen und Grammjä-ger ein Übel. Wer allerdings Freude an schönen Büchern hat und außerdem auf Tour sowieso Lesestoff mitnimmt, ist bestens bedient. Die Wegbeschreibung an sich ist in der alten und der neuen Auflage gleich ausführlich geblieben. Direkte Textvergleiche zeigen, wie stark man als Leser vom Layout beeinflußt wird: dadurch, daß Tregos Bände als Bleiwüste daherkommen, wird ihnen automa-tisch ein wesentlich größeres Informationsangebot unterstellt, obwohl es gar nicht der Fall ist. Bedauerlich, jedoch zu verschmerzen: die Beschreibung des Maira – Tal – Weges findet man nicht mehr, womit der Verlag indirekt auf den sehr guten Band „Antipasti und alte Wege“ hinweist, der eben diesen Mairaweg beschreibt. Etwas bedauerlicher: es fehlt ein Orts- bzw. Stichwort-Register. Sind es Platzgründe?

Dieser Kleinkritik stehen allerdings Informationen gegenüber, die merken lassen, daß Werner Bätzings Führer nicht aus der Feder von solchen Autoren stammen, die lediglich zwei x zwei Wochen in der Region verbracht haben. Er schreibt in den praktischen Hinweisen nicht nur, welche die beste Wanderzeit ist, sondern ausführlich warum; nicht nur, daß man mit deutscher und englischer Sprache schlecht durchkommt, sondern, wie und wo man sich das nötige Posto Tappa – Italienisch aneignen kann; nicht nur, daß die Italiener zum späten und ausführlichen Abendessen neigen, sondern, welche Regeln üblich sind und warum es keine Speisekarten gibt. Diese und weitere - natürlich auch wandertechnische - Anregungen verdienen großes Lob. Es ist zu wünschen, daß mit der Veröffentlichung der Neuauflagen die Besu-cherfrequenz auf der GTA erneut einen spürbaren Aufschwung erfährt. Beson-ders den Betreibern der Posto Tappi würde ihr Engagement noch mehr belohnt und ihre Lebensgrundlage in den an Arbeitsplätzen raren Talschaften gesichert.

 

(Diese Rezension bezieht sich auf die 2003 erschienene Auflage von Werner Bätzings Wanderführern, welche mittlerweiler in 7. Auflage vorliegen.)

Formularbasiert