Rezension des Pilgerführers „Martinusweg“ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart

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martinusweg
Martinusweg
Bischöfliches Ordinariat Rottenburg-Stuttgart
Deutsch
2012
1. Auflage
204
17 cm
11 cm
978-3-89870-773-2

Vorbemerkung

Bevor ich mich der Rezension des Pilgerführers widme, seien ein paar Anmerkungen zum Martinusweg erlaubt. Der Martinusweg führt als Via Sancti Martini von Ost nach West quer durch Europa. Er verbindet über 2500 km den Geburtsort des Hl. Martin Szombathely in Ungarn mit seinem Beisetzungsort Tours in Frankreich. Dabei berührt er auch diverse Stationen seines Lebens.

Martin, geboren wohl als Martinus, wuchs als Sohn eines römischen Militärtribuns in Pannonien im heutigen Ungarn auf. Die Jugend verbrachte er in Pavia, der Heimat seines Vaters in Oberitalien. Als Sohn eines römischen Offiziers war er nach den Bestimmungen Diokletians gesetzlich zum Militärdienst verpflichtet und wurde im Alter von 15 Jahren zur Leibwache des Kaisers Konstantin II. nach Mailand eingezogen. Während Kämpfen zwischen Römern und Alemannen diente er in Gallien, dem heutigen Frankreich, und später auch jenseits des Rheins. Vor einer Schlacht gegen anrückende Germanen in der Nähe des Heerlagers der Civitas Vangionum, des heutigen Worms, verweigerte Martinus als Offizier des römischen Besatzungsheeres die Teilnahme. Nach Ableistung seiner 25-jährigen Dienstzeit wurde er im Alter von 40 Jahren aus dem Heerdienst entlassen. Nach seinem Militärdienst zog er sich als Einsiedler auf die Insel Gallinara bei Genua zurück. Dann reiste er wieder nach Pannonien, um in seiner alten Heimat den christlichen Glauben zu verbreiten. Anschließend begab er sich erneut nach Gallien. Dort errichtete er 361 in Ligugé das erste Kloster des Abendlandes. Im Jahre 375 errichtete er in der Nähe von Tours das Kloster Marmoutier. Am 4. Juli 372 wurde er zum Bischof von Tours geweiht. In dieser Eigenschaft hielt er sich auch längere Zeit in Trier auf. Am 8. November 397 starb Martin im Alter von 81 Jahren auf einer Visite in Candes, einer Stadt seines Bistums.

Das Leben des Martinus war also in unmittelbarem wie übertragenem Sinne gekennzeichnet durch ein ständiges Unterwegs-Sein quer durch Europa auf seinem langen Weg vom römischen Offizierssohn zum Bischof von Tours. Insofern ist er ein würdiger Namensgeber für einen europäischen Kulturweg.

Rezension

Allgemeines

Der hier vorlügende Führer, herausgegeben vom Bischöflichen Ordinariat Rottenburg, beschreibt einen Teilabschnitt der Via Sancti Martini, der in Deutschland durch die Diözese Rottenburg-Stuttgart führt. Der hl. Martin ist der Patron dieser Diözese, in der über 80 Kirchen und Kapellen dem Heiligen gewidmet sind. So lag es also nahe, in dieser Region einen Martinusweg zu planen und auszuzeichnen, der dann auch 2011 eröffnet wurde. Um durch diesen Pilgerweg möglichst viel „Martinsland“ zu erschließen, gibt es nicht nur einen Hauptweg sonder auch vier Regionalwege, die aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen auf den Hauptweg hinführen. Der Hauptweg umfasst 16 Etappen und führt von Tannheim nach Schwaigern. Der Regionalweg Mitte führt in 3 Etappen von Zweifalten nach Rottenburg, der Regionalweg Nord in 4 Etappen von Bad Mergentheim nach Heilbronn, der Regionalweg Süd in 9 Etappen von Oberteuringen nach Biberach und schließlich der Regionalweg Südwest in 6 Etappen von Sigmaringendorf nach Hechingen. Insgesamt umfasst das Wandernetz des Martinusweges in der Diözese Rottenburg-Stuttgart knapp 1200 km. Für die Wegbeschreibungen, örtlichen Informationen und Beschilderung der Etappen sind die Dekanate und Kirchengemeinden entlang der Wege verantwortlich.

Durchgängiges Wegsymbol ist ein gelbes Kreuz auf rotem Grund, das die Zerteilung des roten Soldatenmantels durch das Schwert des christlichen Glaubens, eben das Kreuz, symbolisieren soll. Pilgerzeichen ist das „Rottenburger Pilgerkreuz“, gestaltet durch Schülerinnen und Schüler des musischen Internats Martinihaus in Rottenburg.

Aufbau des Führers

Der Führer besteht aus sieben Teilabschnitten, die jeweils farblich gekennzeichnet sind:

  • Einführung (grau)
  • Beschreibung des Hauptweges, HW (rot)
  • Beschreibung des Regionalweges Mitte, RWM (orange)
  • Beschreibung des Regionalweges Nord, RWN (braun)
  • Beschreibung des Regionalweges Süd, RWS (grün)
  • Beschreibung des Regionalweges Südwest, RWSW (hellgrün)
  • Geistliches Rüstzeug für unterwegs

Die Einführung besteht aus Geleit- und Grußworten der Bischöfe von Rottenburg, Szombathely und Tours, einem Abriss über die Bedeutung der Martinskirchen im Zusammenhang mit der Christianisierung der Diözese Rottenburg-Stuttgart, einem kurzen Blick auf die Entstehung des Martinusweges und des Pilgerzeichens so wie aus allgemeinen Hinweisen zum Martinusweg.

Auf die Wegbeschreibungen gehe ich weiter unten noch genauer ein.

Der letzte Abschnitt enthält geistliches Rüstzeug für unterwegs. Pilgern vollzieht sich im Dreiklang von Aufbrechen, Auf-dem-Weg-Sein und Ankommen. Dazu entsprechend sind Materialien für Andachten, Gebete, Lesungen, Meditationen und Gesänge zusammengestellt, die aber im Kontext dieses Führers nicht mehr sein können als Anregungen, auch eigenes zusätzliches Material einzubeziehen. Abgeschlossen wird dieser Abschnitt durch eine kleine Liedersammlung.

Die Wegbeschreibungen

Die Wegbeschreibungen sowohl des Hauptweges wie der Regionalwege sind sämtlich für die einzelnen Etappen nach dem gleichen Muster aufgebaut:

  • Überschrift bestehend aus Wegbezeichung und Nummer der Etappe;
  • Angabe von Start- und Zielort;
  • Die eigentliche Wegbeschreibung;
  • Eine Info-Box mit Informationen über die Zwischenstationen der Etappe, ihre Gesamtlänge, die Höhenmeter im Aufstieg, die Gehzeit und Übernachtungsmöglichkeiten;
  • Ein Kartenausschnitt im Maßstab 1:50 000;
  • Hinweise auf Sehenswertes;
  • Fotos zu ausgewählten Sehenswürdigkeiten;
  • Ein Tipp.

Die eigentlichen Wegbeschreibungen sind in der Regel sehr detailliert „….aus dem Pfaffental kommend folgen wir der Kreisstraße K6745 500m bis zu der Kreuzung, wo die Straße nach Mörsingen/Hochberg/Upflamör abzweigt.“ manchmal aber auch recht vage …“vom Klostergelände aus geht es östlich weiter nach Olzreute…“ Möglicherweise ist das Hinweis darauf, dass, wie auch von einigen Begehern bereits berichtete worden ist, die Wegmarkierungen an einigen Stellen nicht hinreichend dicht und eindeutig sind.

Drei Dinge sind noch kritisch anzumerken:

Es wird zwar darauf hingewiesen, dass man den Martinusweg überall beginnen und beenden kann, aber Hinweise auf öffentliche Verkehrsmittel im Umfeld der einzelnen Etappen fehlen völlig.

Die Informationen zu den Übernachtungsmöglichkeiten beschränken sich häufig auf eine Angabe der örtlichen Touristenbüros oder zur Zimmersuche bzw. sind gar nicht vorhanden.

Die Kartenausschnitte sind absolut überflüssig, da auf ihnen ohnehin nichts zu erkennen ist. Dafür fehlt ein Hinweis zu geeigneten Wanderkarten zum Martinusweg.

Fazit

Der hier vorliegende Führer versucht m.E., unterschiedlichen Interessen gerecht werden zu wollen. Er ist Pilgerbuch und Wanderführer; er scheint sich sowohl an Einzelpersonen wie an Familien und größere Gruppen zu richten und er wendet sich an Menschen, die auf dem Martinusweg wirklich als Pilger unterwegs sind, aber auch an diejenigen, die mehr oder weniger zufällig in der Gegend weilen und mal eine Stück auf dem Martinusweg wandern wollen z.B. aus kulturhistorischem Interesse. Das ist vielleicht ein Bisschen viel für einen Weg mit 38 Etappen auf 1200 km Länge. Ich schlage vor, zwei getrennte Teile herauszubringen. Einen Teil, der die Wegbeschreibungen enthält, die dann um weitere wichtige Informationen angereichert werden könnten wie z.B. zur Wegbeschaffenheit[1], zu öffentlichen Verkehrsmitteln, zu geeigneten Wanderkarten und GPS-Daten, zu Einkehrmöglichkeiten etc. sowie um ein umfassenderes Unterkunftsvezeichnis. Ein zweiter Teil könnte dann die „pilgerspezifischen“ Anteile enthalten, die ich mir ebenfalls breiter und mehr in die Tiefe gehend vorstellen könnte, insbesondere, da Pilgern auch Gefahr läuft, eine Art Modetrend zu werden – „Pilgerwege“ sprießen z.Zt. allerorten wie Pilze aus dem Boden.

Was hätte ich mir darüber hinaus noch gewünscht: Eine kleine Zusammenstellung grundlegender weiterführender Literatur und ein Stichwortverzeichnis. Für eine Neuauflage ist also noch Luft nach oben.

 

[1] So könnte man aus den Wegbeschreibungen den Eindruck gewinnen, dass der Martinusweg sehr viel auf Asphalt und entlang von Straßen verläuft, was, wenn man ein gewisses Maß an Selbstkasteiung nicht als notwendige Pilgerzutat betrachtet, dem Gehen, gerade auch in seiner meditativen Form, nicht gerade zuträglich wäre.

 
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