Wandern in den Ostkarpaten?

Eine Zusammenfassung der Erkundungswanderungen im Rahmen des Projekts Via carpatica in den Jahren 2010 bis 2016

Schon allein die Abgrenzung der Ostkarpaten führt zu Diskussionen. Dabei haben die Geographen den Streit längst entschieden: Im Nordwesten trennt die Linie Wischautal – Prislop-Pass – Bistritztal – Moldovatal die Waldkarpaten von den Ostkarpaten. Im Süden verläuft die Grenze zu den Südkarpaten über den Predeal-Pass und durch das Prahovatal. Kaum ein Abschnitt der Karpaten umfasst so unterschiedliche Landschaften wie ihr östlicher Teil. Dies hat geologische Gründe, wie man leicht am Beispiel der Vulkanlandschaften des Călimani und der Harghita-Berge oder an den Konglomeraten des Ceahlău sehen kann.

In der Wanderliteratur werden die Ostkarpaten meist als einsam und wenig er-schlossen dargestellt. Die Realität sieht anders aus. Tatsächlich gibt es neben Gegenden, in denen sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen, sofern sie nicht von Bär, Luchs oder Wolf dabei gestört werden, auch ausgesprochen gut erschlossene Berggruppen. Dazu gehört das über die Pässe Şetref, Prislop und Rotunda gut erreichbare Rodnagebirge.

Rodnagebirge

Die Tour von Borşa auf den Vf. Pietrosu, mit 2303 m höchster Gipfel der Ostkarpaten und der Rodna-Berge, ist eine anstrengende Hochgebirgstour.
Dagegen erleichtert ein Sessellift den Aufstieg von Staţiunea Borşa zum Ştiol und weiter über die Cascada Cailor und den Quellsee der Goldenen Bistritz zum Prislop-Pass. Der Vf. Gărgălău (2159 m) ist einen Abstecher wert.

Vom Şetref-Pass bis zum Rotunda-Pass kann der Weitwanderer inklusive Gipfelbesteigungen etwa eine Woche unterwegs sein. Keine Berghütte, kaum Menschen – fast 60 km lang nur Natur, Ausblicke, Einsamkeit, Landschaft!

Für Vulkanfreunde ist eine rund 6 Tage dauernde Weitwanderung mit dem Zelt, ausgehend von Vatra Dornei rund um den Rand der Caldera des Călimani-Vulkans sehr attraktiv. Ohne Abstieg ins Tal, dafür mit Aufstiegshilfe zum Vf. Diecilor, dann über die Felstürme der 12 Apostel zum höchsten Punkt auf dem Pietrosul (2100 m) und weiter zur einzigen Einkehrmöglichkeit in der ehemaligen Wetterstation auf dem Vf. Răţitiş. Ab hier bieten sich mehrere Alternativen an, auf dem Calderarand weiter bis Păltiniş, nach Osten über Bilbor bis nach Borsec oder nach Süden Richtung Topliţa.

Gura Haitii südlich von Vatra Dornei ist Ausgangspunkt für verschiedene meist markierte Rundwanderungen im Zentrum des Călimani-Vulkans:

  • Besonders schön der blumenreiche Weg (Markierung blauer Punkt, Achtung: Der Aufstieg wurde weiter ins Tal hinein verlegt!) zu den Felsformationen der 12 Apos-tel und weiter zum Cerbul. Hier zeigt am Rastplatz ein neuer Wegweiser (roter Punkt) rechts hinunter nach Runc.
  • Von der Bus-Endhaltestelle in Gura Haitii folgen wir dem blauen Kreuz teilweise sehr steil hoch zum Vf. Tămăului, wo man sich im August den Magen mit Heidel-beeren vollschlagen kann. Weiter auf dem mit dem roten Punkt markierten Weg bis zum Sattel unterhalb des Pietrosul und links hinunter zum Ausgangspunkt (rotes Kreuz).
  • Vom Parkplatz der Exploatarea Căliman zur Ruine des Ceauşescu-Jagdhauses und nach wenigen Kehren des Hauptwegs links ab auf den sehr sparsam mit einem roten Kreuz markierten, teilweise zugewachsenen Pfad, der zum histori-schen Maria-Theresia-Weg und zum Kraterrand führt. Weiter (rotes Band, roter Punkt) – im Frühsommer durch ein Meer von Alpenrosen - zur jetzt bewirtschafte-ten Wetterstation auf dem Vf. Răţitiş und von der Şaua Nicovala auf dem neu markierten „Via Maria Theresia“ zurück zum Parkplatz.
  • In umgekehrter Richtung von der Exploatarea Căliman hinauf zur Şaua Nicovala und auf dem mit dem roten Band markierten Weg zum Negoiu Unguresc und weiter zum Pietrosul (2100 m). Eine anstrengende Tour: Genügend Wasser und Proviant mitnehmen!

Ceahlău

Der moldauische Olymp, der Ceahlău bietet auf Grund seiner Geologie - die Felstürme bestehen aus Konglomerat - und seiner exponierten Lage eine Vielzahl von ganz besonderen Wanderungen. Großer Vorteil: Mit der Cabana Dochia existiert eine Übernachtungsmöglichkeit auf dem Berg, und in Ceahlău oder Durău kann man in allen Formen nächtigen, vom Camping bis zum First Class Hotel.

  • Eindrucksvoll wegen der riesigen, uralten Weißtannen ist die Annäherung von Norden, von Poiana bei Grinţieş (schlecht markiert, rotes Kreuz) über die Obcina Boiştea nach Ceahlău oder Durău.
  • Der interessanteste Anstieg (Markierung rotes Kreuz) zur Hochfläche führt von Durău über die Cascada Duruitoarea zur Dochia-Hütte.
  • Von der Fântânele-Hütte (Markierung rotes Band) erreicht man die Hochfläche über den Toaca-Gipfel (1900 m).
  • Kurz, aber dafür mit Höhlen garniert, ist der Abstieg vom Ceahlău (blaues Band) zur Curmătura Lutul Roşu und weiter (blauer Punkt) nach Izvorul Muntelui.
  • Edelweiß säumt den Weg (rotes Band) vorbei an der imposanten Claia lui Miron hinunter nach Izvorul Muntelui.

Viele Gebirgszüge im mittleren Abschnitt der Ostkarpaten sind bis zu den Gipfeln mit oft dichtem Wald bewachsen und beherbergen daher einen großen Teil der rumänischen und damit der europäischen Population an Braunbären. Aus diesem Grund ist Wandern in den für den Wanderer unerschlossenen Gebieten nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen ratsam. Also nicht allein unterwegs sein und beim Zelten den Proviant abseits des Zeltes möglichst dicht verschlossen und unerreichbar für Bären deponieren.

Harghita-Berge

Die westlich vorgelagerten Harghita-Berge, geprägt vom Vulkanismus, besitzen eine gute touristische Infrastruktur in Form von gut markierten Wegen, Unterkünften, dazu Seen, Moore, Heilbäder, Quellen und verschiedene postvulkanische Erscheinungen. Diese Region ist vor allem im mittleren Abschnitt für Wanderungen von Hütte zu Hütte geeignet. Der Höhenweg vom Pasul Şicas bis nach Băile Tuşnad ist durchgehend mit dem blauen Band markiert.

Etwas schwieriger ist die Quartiersituation im zentralen Bereich der Ostkarpaten. Dafür ist eine mehrtägige Tour, ausgehend vom Creangă-Pass zwischen Topliţa und Borsec sehr abwechslungsreich, aber einsam. Hier wohnen Szekler, Csangos, Ungarn. In manchen Dörfern stellen rumänisch sprechende Menschen eine kleine Minderheit dar.

Während man tagsüber beim Wandern außer den Hirten keiner Menschenseele begegnet, herrscht an den wichtigen Etappenzielen Roter See/Bicaz-Schlucht, Piatra Singuratica, Sankt-Anna-See/Băile Tuşnad ein Touristentrubel, wo im August vor allem an den Wochenenden kaum ein Bett mehr frei ist. In Hagota bietet der Förster Übernachtungen in einem ehemaligen Ceauşescu-Jagdhaus an. Ohne Zelt muss man immer in die Täler absteigen, wo es gute Quartiere gibt. Die Wirtsleute sind gerne bereit, die Wanderer am Ende der Fahrstraße in den Bergen abzuholen und sie am nächsten Tag wieder hinauszufahren. Ein Manko: Die Zugänge aus dem Tal sind kaum markiert. Runde drei Wochen werden für diese Wanderung von Topliţa/Borsec bis an den Rand des Burzenlandes benötigt!

Im Land der Szekler und Csangos

Einen landschaftlichen Höhepunkt im Osten von Harghita bilden die Felszacken der Piatra Singuratica mit ihrer gastfreundlichen Hütte, zu der viele Wege führen: Die kürzes-ten Anstiege (rotes Dreieck oder blaues Band) erfolgen von Bălan, der längste und interessanteste (blaues Band, dann rotes Band) von Lacu Roşu über die Hăşmaş-Berge und der einsamste aus dem Valea Iavardi (kaum markiert).

Diese der Gemeinde Bălan gehörende einfach bewirtschaftete Berghütte ist auch Ausgangspunkt der leider nur auf dem Bergkamm markierten Tour über den Vf. Noşcolat nach Valea Rece.Hier führt von der Pension Csango ein Traumpfad hoch zum Vf. Trei Pietre und von dort hinunter ins Tal des Trotuş.

Die Bergkämme westlich und östlich dieses Tales bieten eine unendlich große Vielfalt an einsamen und schönen Wegschleifen bis hin zum Ghimeş-Pass und weiter nach Süden.
Im Süden des Szekler Landes sind die Straßenpässe Uzului, Oituz und Musat günstige Ausgangspunkte für Wanderungen von Pass zu Pass. Die Talorte Băile Tuşnad, Ghelinţa, Covasna, Comandău und Zagon bieten gute Quartiere.

Zum Schluss noch einige Wandertipps für die südlichsten Ostkarpaten um das Touristenzentrum Kronstadt:

Ciucaş/Krähenstein

- Von der Straße nach Cheia über den Bratocea-Pass existieren fünf verschiedene Anstiege zum impo-santen Gipfelmassiv aus Konglo-meratgestein. Am leichtesten ist der Anstieg (rotes Band) von der Passhöhe über die Culmea Ciucaş. Sehr interessant die An-stiege von Babarunca (rotes Drei-eck) oder von Cheia über den Muntele Roşu.

  • Von Dălghiu bei Vama Buzăului führt der vielleicht schönste An-stieg zur Teufelshand und direkt zum Hauptgipfel (1954 m).
  • Mit Übernachtung auf der Ciucaş-Hütte lassen sich so unterschiedliche Auf- und Abstiege zu Rundwanderungen kombinieren.

Piatra Mare/Hohenstein

  • Traumhaft: Von Babarunca auf den Vaida-Kamm und mit Burzenland-Aussicht hinaus nach Brădet am Tărlung-Stausee. Einsam, nicht markiert!
  • Kaum weniger schön: Von Bradet hoch zum Vf. Renţei, vorbei am Tâlfa, das Tal queren (durch den Bach!), dann über den Pass Bechia nach Vierdörfer/Săcele.
  • Unser Lieblingsanstieg, aber nur für Schwindelfreie: Von Dâmbu Morii über die 7 Leitern zur Salvamont-Hütte.
  • Ängstliche können die links und rechts der 7 Leitern verlaufende alternativen Aufstiegswege nutzen.
  • Der Abstieg erfolgt am besten nach Norden, nach Vierdörfer/Săcele.

Von einer Überquerung des Hohenstein hinüber zum Bahnhof Timişu de Sus wird abgeraten, da die Markierung unvollständig und der Weg schwer zu finden ist.

Zurück zur Eingangsfrage: Natürlich kann man in den Ostkarpaten wandern, nicht nur in den bekannten Touristenzentren. Abseits der ausgetretenen Pfade findet der Genusswanderer in den Ostkarpaten Einsamkeit, Natur, Begegnungen mit Menschen, die in dieser abgelegenen Gegend noch leben und arbeiten, aber auch Begegnungen mit von pflichtbewussten Hunden bewachten Schafherden – und eventuell sogar mit den Bären, vor denen die Hunde ihre Herde schützen.

Eine gute Vorbereitung, Quartiervorbestellung in den vielbesuchten Etappenorten, Orientierungsvermögen mit GPS, Karte, Kompass … und nicht zuletzt eine Portion Abenteuerlust sind Voraussetzungen für schöne, erlebnisreiche Wanderungen in den Ostkarpaten.

Nur im Raum Kronstadt und ganz im Norden, im Rodnagebirge, im Călimani und im Ceahlău werden geführte Touren angeboten. Auf der Internetseite www.viacarpatica.eu findet der Individualwanderer, der sich auf eigene Faust auf den Weg machen will, viele Organisationshilfen und bebilderte Berichte von Wandertouren in den Ostkarpaten.

Fotos: Angelica Krämer

Wegweiser auf dem Şetref-PassCălimani - 12 ApostelEdelweiß im CeahlăuSankt-Anna-See / Băile TuşnadIm Land der CsangosVila Alpin in ComandăuCiucaş/Krähenstein - TeufelshandHohenstein, eine der 7 Leitern
8 Fotos
wandern-in-den-ostkarpaten
1111
Berichte

Wege und Ziele

nr66apr24Ausgabe 66, April 2024
nr65nov23Ausgabe 65, November 2023
nr64apr23Ausgabe 64, April 2023
nr63nov22Ausgabe 63, November 2022
nr62april22Ausgabe 62, April 2022
nr61nov21Ausgabe 61, November 2021
nr60apr21Ausgabe 60, April 2021
nr59dez20Ausgabe 59, Dezember 2020
nr58dez19sonderSonderbeilage, Dezember 2019
nr58dez19Ausgabe 58, Dezember 2019
nr57mai19Ausgabe 57, Mai 2019
nr56nov18Ausgabe 56, November 2018
nr55mai18Ausgabe 55, Mai 2018
nr54dez17Ausgabe 54, Dezember 2017
nr53aug17Ausgabe 53, August 2017
nr52apr17Ausgabe 52, April 2017
nr51dez16Ausgabe 51, Dezember 2016
nr50aug16Ausgabe 50, August 2016
nr49apr16Ausgabe 49, April 2016
nr48dez15Ausgabe 48, Dezember 2015
nr47aug15Ausgabe 47, August 2015
nr46apr15Ausgabe 46, April 2015
nr45dez14Ausgabe 45, Dezember 2014
nr44aug14Ausgabe 44, August 2014
nr43apr14Ausgabe 43, April 2014
nr42dez13Ausgabe 42, Dezember 2013
nr41aug13Ausgabe 41, August 2013
nr40apr13Ausgabe 40, April 2013
nr39dez12Ausgabe 39, Dezember 2012
nr38aug12Ausgabe 38, August 2012
nr37apr12Ausgabe 37, April 2012
nr36dez11Ausgabe 36, Dezember 2011
nr35aug11Ausgabe 35, August 2011
nr34apr11Ausgabe 34, April 2011
nr33dez10Ausgabe 33, Dezember 2010
nr32aug10Ausgabe 32, August 2010
nr31apr10Ausgabe 31, April 2010
nr30dez09Ausgabe 30, Dezember 2009
nr29aug09Ausgabe 29, August 2009
nr28apr09Ausgabe 28, April 2009
nr27dez08Ausgabe 27, Dezember 2008
nr26aug08Ausgabe 26, August 2008
nr25apr08Ausgabe 25, April 2008
nr24dez07Ausgabe 24, Dezember 2007
nr23aug07Ausgabe 23, August 2007
nr22apr07Ausgabe 22, April 2007
nr21dez06Ausgabe 21, Dezember 2006
nr20aug06Ausgabe 20, August 2006
nr19apr06Ausgabe 19, April 2006
nr18dez05Ausgabe 18, Dezember 2005
nr17aug05Ausgabe 17, August 2005
nr16apr05Ausgabe 16, April 2005
nr15dez04Ausgabe 15, Dezember 2004
nr14aug04Ausgabe 14, August 2004
nr13apr04Ausgabe 13, April 2004
nr12dez03Ausgabe 12, Dezember 2003
nr11aug03Ausgabe 11, August 2003
nr10apr03Ausgabe 10, April 2003
nr09dez02Ausgabe 09, Dezember 2002
nr08okt02Ausgabe 08, Oktober 2002
Zur Bereitsstellung unserer Dienste verwenden wir Cookies. Wenn Sie nicht damit einverstanden sind, dass Cookies auf Ihrem Rechner gespeichert werden, können Sie dies ablehnen. Möglicherweise werden dann unsere Dienste nicht im vollem Umfang funktionstüchtig sein.