Wieder einmal – oder ein weiteres Mal auch in Deutschland: „Pilgerwege und kein Ende in Sicht“ (G. Wandel)? Es scheint ja inzwischen fast eine besondere Originalität darin zu bestehen, wenn man auch in Deutschland nicht an einem Jakobsweg wohnt und auf einem Weg wandern kann, der nicht gleichzeitig auch ein Jakobsweg ist.
Aber dennoch: Im Jahr 1999 wurde der so genannte Fränkisch-Schwäbische Jakobsweg erschlossen, der die mittelalterlichen Pilger(sammel)orte Würzburg, Rothenburg o.d.T. und Ulm verbindet. Damit schließt dieser Weg an den Mittelfränkischen Jakobsweg an, der von der tschechischen Grenze über Nürnberg und Heilsbronn herkommt und später dann über die Jakobuskirche von Hohenberg bei Ellwangen über die Schwäbische Alb weiterführt nach Ulm.
Inzwischen hat der Fränkisch-Schwäbische Jakobsweg, vom Steigerwald Klub und dem Schwäbischen Albverein mit einer weißen Muschel auf blauem Grund markiert, eine gute Akzeptanz gefunden. „Ah, dia Pilger kommed“, begrüßt der alte Landwirt am Ortseingang von Schainbach bei Wallhausen den Jakobspilger, „ond bei ons kennd dr au guad übernachda!“. Gesagt – getan, das sind gerade die Überraschungen, die die Jakobswege immer noch attraktiv machen, wenn man sich auf die Wege einlässt und ohne genauere Vorplanungen startet. Ein (nicht ganz vollständiges) Übernachtungsverzeichnis gibt es bei der Fränkischen St. Jakobusgesellschaft in Würzburg, die Markierungen sind inzwischen zum großen Teil ausreichend und verlässlich – ab Würzburg bis zum Hohenberg verläuft der Jakobsweg auch zum Teil parallel zum HW4 – und das im Seehars-Verlag in der dritten aktualisierten Auflage 2010 erschienene Buch zum Fränkisch-Schwäbischen Jakobsweg bietet dem Pilger eine solide Wegbeschreibung und vielfältige kulturelle Anregungen.
Der Jakobspilger startet in Würzburg und geht bis Ulm 270 km auf meist sanft hügeligen und vielfach gut ausgebauten Wegen. Der Weitwanderer mag die langen Teeretappen (z. B. von Würzburg bis Uffenheim) als lästig empfinden, als Pilgerweg (und HW4) lassen sie sich nicht umgehen. Entschädigt wird man aber durch herrliche Wege in den Flusstälern der Jagst, des Kochers, der Lein und der Lone, wo der Weg immer wieder auch ansteigt, alte Verbindungstraßen benützt und zum Beispiel beim Albaufstieg zwischen Bargau und dem Bargauer Kreuz ein längeres Stück auch heftiger ansteigt. Für den ganzen Weg sollte man mindestens 11 Tage veranschlagen. Besser ist es, sich mehr Zeit zu lassen, denn im Eilschritt lassen sich Spiritualität, Kultur und Begegnungen mit den Menschen am Weg kaum erleben.
Beeindruckt haben mich am Fränkisch-Schwäbischen Jakobsweg neben der Erfahrung, dass die Menschen sich vielfach mit diesem Weg zu identifizieren gelernt haben, die abwechslungsreichen Landschaften und Siedlungen. Romantische Städte, stattliche Bauerndörfer, verträumte Weiler und einsame Gehöfte wechseln sich ab: die ehrwürdige und geschichtsträchtige Bischofsstadt Würzburg und die romantischen Mainstädte bis Ochsenfurt, Uffenheim und das mittelalterliche Rothenburg o. d. T., Crailsheim und Ulm sind Städte am Wege, die zum Verweilen einladen. Sehr oft aber kommen der Pilger und Wanderer durch kleine Dörfer, ohne Industrieansiedlung, dafür mit stattlichen Bauernhäusern, gepflegten Gärten und freundlichen Menschen.
Wer sich von Volksfrömmigkeit noch ansprechen lässt, der hat auf diesem Weg vielfache Gelegenheiten. Unterwegs trifft man immer wieder auf (neu errichtete) Feld- oder Pilgerkreuze, Bildstöcke, Meditationsstelen und Kapellen. In vielen Dörfern, laden Kirchen zu Gebet und Meditation ein, sofern man sich die Mühe macht, den Schlüssel zu holen, den man meist nahe der Kirche problemlos („das mach´ ich doch gern!“) erhalten kann. Höhepunkte mittelalterlicher Kirchenkunst sind sicherlich der Herlin- und der Riemenschneideraltar in der Jakobuskirche in Rothenburg (für Jakobspilger kostenloser Besuch), der Flügelaltar der Johanneskirche in Crailsheim und der Multscher-Altar in der unscheinbaren evangelischen Dorfkirche von Scharenstetten. Eben gerade die Kirchlein am Weg – Eiblstadt, Schainbach, Sontbergen sind mir besonders in Erinnerung – machen den Fränkisch-Schwäbischen Jakobsweg zu einem auch kulturell lohnend zu gehenden Pilger- und Wanderweg.
Wer sich – als Wanderer – mehr für den Weg als solchen interessiert, den führt der Pilgerweg fast ausschließlich durch dünn besiedeltes Gebiet, in welchem bis jetzt sehr wenig Industrie und Fremdenverkehr Einzug gehalten haben. Auf den meist einsamen Wegen durch Wald, Feld und Flur hat man auch (noch) nicht den Eindruck, auf einem überfüllten Jakobsweg zu sein. Die Einkaufs- und Übernachtungsmöglichkeiten sind – so haben wir es trotz mancher urlaubsbedingt geschlossenen Gasthäuser erlebt – insgesamt gut. In Gaukönigshofen und am Hohenberg gibt es typische Pilgerherbergen, vielfach am Weg auch Privatunterkünfte (von Jakobspilgern) und selbst der passionierte Zelt-Pilger hat in den weiten (Fluss-)Ebenen Möglichkeiten, seine Unabhängigkeit durch spontan gewählte Übernachtungsplätze noch zu steigern.
Nähere Informationen erhält man bei der Fränkischen St. Jakobusgesellschaft Würzburg e.V. (www.jakobus-gesellschaften.de) und/oder gerne auch bei mir (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! - Telefon 07520/953637). Für Beobachtungen am Weg, Eindrücke und Verbesserungsvorschläge sind wir dankbar!
Buchtipp: Erich Baierl, Wolfgang Dettling, Peter Högler, Johann Rebele, Auf dem Jakobsweg von Würzburg über Rothenburg o.d.T. und Hohenberg nach Ulm, Seehars Verlag Uffenheim, 32010 (ISBN 978-3-927598-27-0)
Fotos: Carsten Dütsch (10), pixabay (1)