Da es für diese Zeit - Osterferien – um’s Verrecken nicht möglich war, die Tour selbst zu organisieren, weil die erforderlichen Übernachtungen nicht hintereinander zu bekommen waren, habe ich die Tour bei einem entspr. Anbieter mit Gepäcktransport gebucht. Dabei gibt es zwar auch nicht in jedem Etappenzielort eine Übernachtungsmöglichkeit, aber man wird dann mit dem Taxi zu einer hingefahren und am nächsten Morgen wieder zum Startpunkt für die nächste
Etappe gebracht
Für diese Wanderung erwies sich diese Lösung für mich zusätzlich als ein besonderer Glücksfall, hatte ich mir doch blöderweise zwei Wochen, bevor es losgehen sollte, noch bei einem Sturz mit dem Fahrrad eine Rippe gebrochen. Ich befürchtete schon, die ganze Unternehmung jetzt abblasen zu müssen, aber mein Orthopäde meinte, die Wanderung könnte ich durchaus machen allerdings nur mit leichtem Gepäck. Und so fügt sich manchmal eben doch noch alles
irgendwie und so starte ich zum ersten Mal eine Weitwanderung mit einer gebrochenen Rippe.
1. Etappe: Zwingenberg – Reichenbach
Es wuhos in Búrgónden ein vil édel magedîn,
daz in allen landen niht schoeners mohte sîn,
Kríemhílt geheizen: sî wart ein scoene wîp.
dar umbe muosen degene vil verliesén den lîp.[1]
Erstmal karrt mich ein Taxi nach Zwingenberg, weil es dort, obwohl offizieller Startort des Nibelungensteiges, keineÜbernachtungsmöglichkeit mehr gibt. Am Marktplatz geht’s dann mit der Wanderung richtig los. Ich gebe zu, wegen meiner Rippe mit Bangen, denn es steht gleich der Aufstieg auf den mit 517 m höchsten Gipfel der Bergstraße an, den Melibokus. Ein seltsamer Name, der auf einem Irrtum beruht. Der altgriechische Geograf Ptolemäus hatte einen Gipfel im Harz beschrieben und als Melibokus benannt. Man ging aber lange Zeit davon aus, dass es sich dabei um den Malchen im Odenwald handele. Als der Irrtum dann aufgeklärt war, war es zu spät und der Name „Melibokus“ hatte sich für den Malchen schon unverrückbar eingebürgert.
Allen Befürchtungen zum Trotz gelingt der Aufstieg erstaunlich gut und je länger ich bergauf stapfe – natürlich piano, piano – desto weniger achte ich auf meine gebrochene Rippe und das scheint ihr ganz gut zu bekommen – Nichtachtung wird daher auch weiterhin das Mittel der Wahl sein. Oben angekommen erwartet mich ein UFO-ähnlicher Aussichtsturm mit Kiosk, aber beide natürlich, wenn überhaupt, nur an Wochenenden geöffnet. Also gibt’s das zweite Frühstück im Stehen aber doch mit einem weiten Blick über die gesamte Bergstraße, den Odenwald und die Rheinebene bis hinüber zum Pfälzer Wald. Wo es steil rauf geht es meistens auch steil wieder runter so auch hier durch lichten Wald und über die Hänge des Balkhäuser Tals bis zu einem Parkplatz am Schöllrein. Mittlerweile hat leichter Regen eingesetzt und so mache ich eine Abstecher in den nahegelegenen Ort Balkhausen in der wahnwitzigen Hoffnung, einer der beiden dortigen Gasthöfe könnte ja vielleicht geöffnet haben, aber Pustekuchen. Immerhin finde ich bei einem Schuppen eine überdachte Bank und kann meine verdiente Mittagspause wenigstens im Trocknen verbringen.
Gestärkt geht’s dann wieder rauf zum zweithöchsten Gipfel der Bergstraße, dem Felsberg (510 m). Hier steht der Ohlyturm, der aber schon ziemlich baufällig ist, so dass man nicht mehr oben rauf darf. Er ist mit seinen 27 m komplett aus Granit errichtet und gewissermaßen das Eingangstor zu dem nur wenig weiter gelegenen geologische Highlight dieser Etappe, dem Reichenbacher Felsenmeer – ein grandioser Anblick. Wie eine Lawine aus riesigen granitenen Felsbrocken schiebt es sich mehrere hundert Meter einen relativ steilen Abhang hinunter. Natürlich haben bei einem solchen gigantischen Naturdenkmal Riesen ihre Finger im Spiel gehabt. Der eine bewohnte den Felsberg, der andere den gegenüberliegenden Hohenstein und als sie mal wieder in einen heftigen Streit gerieten, bewarfen sie sich mit Felsbrocken. Dabei war der Hohensteiner im Vorteil, da er über wesentlich mehr Munition verfügte und seinen Widersacher unter einem Meer aus Felsen begraben konnte. Tatsächlich kann man ihn, wenn man ganz still ist, noch heute darunter atmen hören.
Der Nibelungensteig schlängelt sich z.T. auf steilen Pfaden abwärts durch und über die Felsen und da der Regen heftiger und der Fels glitschiger geworden ist, muss ich höllisch aufpassen, denn Ausrutschen und Stolpern sind für mich laut orthopädischer Expertise streng verboten. Aber alles geht gut und ich komme wohlbehalten unten am Geopark-Informationszentrum an. Auf dessen Besuch hatte ich mich sehr gefreut aber es war leider wegen des schlechten Wetters geschlossen. So laufe ich denn stracks weiter nach Reichenbach hinein und bin glücklich, nass wie ich inzwischen bin, ein nettes Café geöffnet zu finden um so auf angenehme Weise die Zeit, bis ich mein Zimmer beziehen kann, bei Kaffee und Williams-Christ-Torte zu überbrücken. Dann geht’s auf ein gemütliches warmes Zimmer im Gasthaus am Nibelungensteig, wo mein Koffer schon auf mich wartet.
3. Etappe: Reichenbach – Lindenfels/Winkel
Sîvrit was geheizen der snelle degen guot
er versúochte vîl der rîche durch ellenthaften muot.
durch sînes lîbes sterke er reit in menegiu lant.
hey was er sneller degene sît zen Búrgónden vant![2]
Tiefes Gewölk hängt über dem Lautertal, als ich aufbreche, aber noch ist es trocken. Ein heftiger Wind ist über Nacht aufgekommen. Die ersten 8 km geht es ständig bergauf. Nach 2 ½ km erreiche ich dann den sagenumwobenen Felsen Hohenstein – wir erinnern uns: Hier hauste der andere Streithammel, dem wir das Reichenbacher Felsenmeer verdanken. Heute ist der Hohenstein ein beliebter Kletterfelsen. Ein Stück weiter des Weges hinauf gelange ich zum Hofgut Hohenstein, einem imposanten Gebäudekomplex inmitten einer Wiesen- und Waldlandschaft, der als landwirtschaftliches Gut und als Eventlocation für exklusive Feierlichkeiten genutzt wird, wie mir der Verwalter erläutert, den ich zufällig an der Hofeinfahrt treffe.
Der Weg schlängelt sich unterhalb des Knodener Kopfes weiter den Berg hinauf und erreicht schließlich über Felder und Wiesen den kleinen Ort Knoden. Dessen Einwohnern sagt man nach, dass sie die Kunst des Bannens beherrschen. So wird berichtet, dass sie im Dreißigjährigen Krieg fremde Truppen mit Blicken gebannt und sie dann erschossen haben. Heute nutzen sie angeblich ihre Fähigkeiten, um sich gegen die Verspargelung ihrer schönen Umgebung durch Windräder zu widersetzen.
Inzwischen hat wieder Regen eingesetzt, begleitet von heftigen Winden, so dass ich froh bin, in Schannenbach für eine Trinkpause ein überdachtes Bushaltehäuschen zu finden. Von dort führt der Weg am Schannenbacher Moor vorbei, das seinerzeit durch Drainagemaßnahmen arg gelitten hatte, jetzt aber durch intensive Renaturierungsmaßnahmen langsam seinen ursprünglichen Charakter zurückgewinnt. Es geht weiter aufwärts bis zum Aussichtspunkt Mathildenruhe, aber mit Aussicht ist heute nix. Es regnet mittlerweile in Strömen und so laufe ich gottergeben weiter bis auf den Krehberg, mit 575 m einen der höchsten Gipfel im Odenwald, aber so rechte Gipfelstimmung will bei mir angesichts des umfassenden Triefens nicht aufkommen. Also schnell wieder runter durch Wald mit bizarren Felsformationen und da zaubern Regen und ziehende Wolkenschleier doch noch eine mystische Stimmung in diese Etappe, auch wenn der Abstieg nach Schlierbach bei diesem nassen Untergrund noch mal volle Konzentration erfordert.
In Schlierbach gibt es rund um die Dorfkirche einen besonderen Friedhof, auf dem statt der üblichen Grabsteine sogen. Stickelbretter die Gräber zieren. Wahrscheinlich brachten Calvinisten aus der Schweiz nach dem Dreißigjährigen Krieg diesen Brauch, der bis heute erhalten gebelieben ist, mit in den Odenwald.
Angesicht des nach wie vor heftigen Regens spare ich mir den Besuch von Lindenfels für morgen auf und laufe direkt zum Hotel nach Winkel, wo ich mich endlich der nassen Klamotten entledigen kann, bevor der wohlverdiente Kaffee auf mich wartet.
3. Etappe: Lindenfels/Winkel – Grasellenbach
Noch weiz ich an im mêre daz mir ist bekannt
einen lintrachen den sluoc des helden hant.
er badet‘ sich in dem bluote: sîn hût wart hùrnîn.
des snîdet in kein wâfen. daz ist dicke worden scîn.[3]
Im Gegensatz zu gestern werde ich heute zwar kaum von oben nass, aber schon früh morgens beim Abmarsch aus Winkel ist es bereits recht schwül, so dass ich hinauf nach Lindenfels schon ordentlich ins Schwitzen gerate. Das passt allerdings irgendwie auch gut zu den feuerspeienden Drachen, die mich dort an jeder Ecke erwarten. Die vielen Ungeheuer sind natürlich nicht zufällig in Lindenfels unterwegs, denn irgendwo hier in diesem Areal soll der herrliche Recke Siegfried den schrecklichen Fafnir erschlagen haben und daraus schlägt der Ort heute natürlich touristisches Kapital, u.a. mit einem Drachenmuseum. Aber auch darüberhinaus hat er interessante Ecken zu bieten, die ich mir etwas genauer anschaue, bevor ich mich wieder zurück auf den Nibelungensteig mache. Besonders ins Auge sticht natürlich die die Stadt überragende und schon von weither sichtbare Burgruine. Sie wurde Anfang des 11. Jhdts. errichtet und rasch entwickelte sich darum herum ein wohlhabendes Städtchen. Im Dreißigjährigen Krieg begann dann ein schleichender Verfall der Burg, obwohl sie nie von feindlichen Truppen angegriffen und zerstört wurde. Im 18. Jhdt. durfte dann jeder Bürger gegen ein geringes Entgelt für eigenen Bedarf Steine aus der Burg brechen. Doch schon einige Jahre später wurde das wieder verboten und die übrig gebliebene Ruine unter Schutz gestellt, und so ihr heutiges Aussehen als Wahrzeichen von Lindenfels bewahrt.
Nach ein wenig Kreuz-und-Quer durch die Stadt erreiche ich dann gegen Mittag wieder den Nibelungensteig. Nachdem ich den bewohnten Teil hinter mich gelassen habe wird der Weg zu einem schmalen Pfad durch ein verwunschenes idyllisches Bachtal, der hinauf führt auf weite Wiesenflächen, über die man das Gumpener Kreuz erreicht, schon im Mittelalter ein wichtiger Knotenpunkt diverser Handelsstraßen, heute von Bundes- und Landstraßen.
Danach geht’s auf dieser Etappe zum ersten Mal auf einem historischen Grenzweg richtig steil bergauf. Hin und wieder kann man einen der alten Grenzsteine entdecken, die noch heute Geschichte(n) vom Hin und Her dieser Region erzählen: Im 13. Jhdt. gelangten große Teile des Odenwaldes, die bis dato zur Abtei Lorsch (Kurfürstentum Pfalz) gehört hatten, durch eine Schenkung Kaiser Friedrich II an den Erzbischof von Mainz. Damit begann ein jahrhundertelanger Streit. 1461 kam das Gebiet durch Verpfändung dann wieder zur Pfalz und wurde sofort mit Grenzsteinen versehen, auf denen die Pfälzer Raute eingeschlagen war. Nach dem Dreißigjährigen Krieg fiel das Gebiet wieder an das Erzbistum Mainz. Aus Kostengründen wurden dann die Grenzsteine nicht erneuert sondern unter die Pfälzer Raute wurde nun das Mainzer Rad eingeschlagen, versehen mit der Jahreszahl 1650 und dem Hinweis „Abgelöst“ um die neuen Machtverhältnisse zu demonstrieren.
Nach 2 km ist endlich der höchste Punkt dieses Anstieges erreicht und ich mache erstmal Pause. Es ist schon ganz lecker warm. Der Abstieg führt auf einem schönen Panoramaweg hinunter nach Weschnitz. Der einzige Gasthof des Ortes ist, nachdem sich die Wirtsleute zur Ruhe gesetzt haben, für immer geschlossen wie so viele in dieser Region und so wandere ich weiter durchs Ostertal. Vorbei am Weschnitzer Friedhof, dessen Eingangstor die Inschrift ziert „Im Tode sind alle gleich“ führt der Weg nun in zahlreichen Serpentinen wieder steil hinauf zur Walburgis Kapelle. Sie ist der hl. Walburga gewidmet, einer zu Beginn des 8. Jhdts. In England geborenen Äbtissin, die mit ihrem Onkel, dem hl. Bonifatius, nach Deutschland kam und hier angeblich anlässlich einer Predigt vor heidnischen Horden in eine Höhle Schutz suchen musste. Der vormals keltische Kultplatz wurde daraufhin zu einem Wallfahrtsort mit einer kleinen Kapelle, die dann 1815 ihr heutiges Aussehen bekam. Sie soll sehr schöne Fenster enthalten aber leider ist sie nur sonntags und zu Pilgergottesdiensten geöffnet. Aber ich kann von dieser Stelle noch einmal eine großartige Aussicht auf Lindenfels mit seiner Burgruine genießen.
Von hier aus sind es nur 200 m bis zum Kahlberg. Hier hielt Karl der Große im Jahr 795 Gericht und legte die Grenze zwischen dem Kreis Bergstraße und dem Odenwaldkreis fest, die bis heute Bestand hat. Ein Gedenkstein am Weg erinnert daran. Im Anschluss führt mich der Nibelungensteig auf schönen Pfaden auf weichem Waldboden hinab ins liebliche Gaßbachtal und direkt hinein in Bauers Café und Konditorei – ein El Dorado für Kuchenfreunde wie mich. Mit einem ordentlichen Stück hervorragender Himbeertorte im Bauch geht’s dann die letzten Kilometer durchs Gaßbachtal bis zum gleichnamigen Hotel in Grasellenbach. Ein paar hundert Meter vorm Hoteleingang erwischt mich doch noch ein Regenguss aber gemessen daran, dass eigentlich für den Nachmittag heftigere Gewitter angesagt waren, bin ich ausgesprochen glimpflich davongekommen. Übrigens, zum Abendessen kann ich den Italiener in der Nibelungenhalle von Grasellenbach nachdrücklich empfehlen.
4. Etappe: Grasellenbach – Erbach
Dâ der Herre Sîfrit ob dem brunnen tranc,
er schôin durch das kriuze, daz von der wunden spranc
daz bluot im von dem herzen vaste an die Hagenen wât.
sô grôze missewende ein helt nu nîmmer mêr begât.[4]
Die heutige Etappe ist mit 23 km die zweitlängste des Nibelungensteiges und führt tief hinein in die gleichnamige Sagenwelt. Man quert in Grasellenbach die Guntherstraße, passiert die Pension Kriemhildenruh und wandert dann, bevor man den Ort verlässt, die Siegfriedstraße bergauf. Hier beginnt auch der Anstieg zum Spessartkopf, begleitet von zahlreichen Geopark-Infotafeln, die, kurz gefasst, die einzelnen Kapitel der Nibelungensage erzählen von Siegfrieds Wanderjahren bis zum Rachegemetzel an Attilas Hof. Auch wenn man die Sage schon kennt, macht es doch Freude, sie sich hier inmitten der Natur des Odenwaldes an den einzelnen Stationen noch einmal zu vergegenwärtigen, ist sie doch ein grandioses Epos über Liebe, Verrat, Intrige, Macht, Raub Mord und Totschlag.
Ein Highlight am Weg ist natürlich der Siegfriedbrunnen, an dem der Held hinterrücks ermordet wurde. Nun muss man aber zunächst einmal Folgendes festhalten: Zwei solcher Brunnen habe ich schon auf dem Saar-Hunsrück-Steig besucht und im Odenwald gibt es allein deren sieben. Und jetzt? Generationen von Profi- und Amateurforschern haben sich inzwischen bemüht und sind immer noch dabei, herauszufinden, welche Orte und Ereignisse, von denen die Nibelungensage in künstlerischer Freiheit kündet, tatsächlich historisch belastbar sind. Und man kann mit aller Vorsicht sagen, sollte ein gewisser Hagen von Tronje einen gewissen Siegfried während eines Jagdunternehmens an einem Brunnen mit einem Speer durchbohrt haben, dann ist es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit genau derjenige gewesen, an dem ich jetzt stehe und die perfide Tat noch einmal nachempfinden kann.
Nachdem am Spessartkopf, dem höchsten Punkt der heutigen Etappe, die Nibelungenstory erst einmal auserzählt ist, führt der Wanderweg nach einem gemütlichen Abstieg am Naturschutzgebiet „Rotes Wasser“ vorbei, ein seltenes Hochmoor, in dem ausgefallene Pflanzen und besondere Libellen- und Amphibienarten beheimatet sind. Seinen Namen verdankt das Moor einer rot schimmernden Wasseralge, die je nach Sonnenstand das Wasser rot erscheinen lässt. Ein friedlicher und eindrücklicher Ort, der zu einem längeren Verweilen einlädt.
Kurze Zeit später kommt man am Olfener Bild vorbei, ein altertümlicher großer Bildstock, an dem sich in früheren Zeiten die Pilger nach Schöllenbach und Walldürn versammelten. Nach einer halben Stunde erreiche ich dann Güttersbach, um von dort noch einmal kurz und heftig 150 m zur Frankfurter Hütte aufzusteigen. Hier gibt es einen netten Rastplatz mit Tischen, Bänken und einer Hütte. Also Rucksack runter, Päuschen machen und die schöne Aussicht ins Mossautal und auf das nächste Ziel, das Dörfchen Hüttenthal genießen. Dorthin führt mich dann ein 2 ½ km langer Abstieg auf einem Vogellehrpfad. Auch hier gibt’s eine Siegfriedquelle, an der der Mord verübt worden sein soll. Seinen Namen verdankt der Ort erzverarbeitenden Werken, die bereits vor dem 30-jährigen Krieg bestanden, der älteste Betrieb wurde schon 1366 urkundlich erwähnt. Nach Ende des Krieges war Hüttenthal weitgehend ausgestorben, bis sich dann Schweizer ansiedelten und 1686 die Schmelzöfen und Hammermühlen wieder in Betrieb genommen wurden. Einen historischen Eisenhammer kann man heute noch im Ortszentrum bewundern. Hüttenthal beherbergt auch die kleinste Molkerei Südhessens, ein 1900 gegründetes Genossenschaftsprojekt. Dazu gehört auch ein kleiner aber feiner Hofladen mit exklusiven örtlichen Molkereiprodukten, mit denen ich meine Mittagspause in dem angrenzenden hübschen Gastgarten aufpeppe. Der leckere Käse reicht auch noch für morgen.
Hier muss ich wegen der fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten die Normalroute des Nibelungensteiges verlassen und die wesentlich weitere Variante direkt nach Erbach nehmen, das ich dann am späten Nachmittag erreiche, nicht ohne vorher noch im Wald-Biergarten „Käsback“ ein bei den jetzt sommerlichen Temperaturen höchst willkommenes Hefeweizen zu zischen – wenn denn schon mal eine solche Lokalität direkt am Weg geöffnet ist. In Erbach gönne ich mir, bevor alles geschlossen ist noch eine kleine aber lohnende Sight-Seeing-Runde, um danach erst mal unter der Dusche den Schweiß dieser relativ langen Etappe abzuspülen. Erfrischt kann ich dann zum Nachtessen das Erbacher Brauhaus ansteuern, das seit 1762 die Stadt mit dem lebensnotwendigen Bier versorgt.
5. Etappe: Erbach – Hesselbach
Do gedáhte diu getriuwe: „sît ich vriunde hân
alsô vil gewunnen, sô soll ich reden lân
die liute swaz si wellen, ich jâmerhaftez wîp.
waz ob noch wirt errochen des mînen lieben mannes lîp?“[5]
Von meinem Hotel in Erbach werde ich pünktlich um 10:00 Uhr mit dem Taxi abgeholt und auf die Normalroute nach Bullau zurückgebracht, da das einzige Hotel dort den Betrieb eingestellt hat. Das ist allerdings gar nicht so schlecht, denn so kann ich die heutige Etappe erst mal mit einem ca. 9 km überwiegend gemächlichen Bergab beginnen. Auf einem teilweise nicht sehr angenehm zu begehenden Schotterweg ist das zwar nicht besonders spektakulär, aber die Ruhe und die gefühlt grenzenlose Waldeinsamkeit, die mich auf diesem Abschnitt umgeben, sind schon besonders. Immer wieder kreuzen Wildtiere meinen Weg: Ein Reh sieht mich erschrocken an und flüchtet dann in hohen Sätzen; ein Fuchs schlägt sich rasch in die Büsche, als ich näher komme; und zwei Wildschweine pflügen am Waldrand die Erde um, lassen sich aber von mir nicht weiter stören.
Kurz vor Schöllenbach mache ich, vom Outdoor-Wanderführer empfohlen, einen Abstecher zum idyllisch gelegenen Eutersee, angeblich der kälteste See des Odenwaldes. Doch heute bewegen sich die Temperaturen jenseits der 20°-Marke, so dass schon einige Stand-Up-Paddlerinnen auf dem Wasser ihre Runden drehen, allerdings noch keineswegs so perfekt als dass sie vor einem Reinfall gefeit erscheinen. Aber da ich nicht schadenfroh bin, warte ich nicht darauf, dass es passiert, und wandere über einen schon gut frequentierten Jugendzeltplatz immer dicht am plätschernden Euterbach entlang nach Schöllenbach.
Dieser Ort ist wegen zweier Besonderheiten interessant: Zum einen wegen eines vorchristlichen Quellheiligtums, über das bereits im Mittelalter eine kleine Kapelle errichtet wurde. Weil man dem Wasser eine wundertätige Heilwirkung zuschrieb, pilgerten dort bald die Gläubigen in Massen hin und die Kapelle musste durch eine größere gotische Wallfahrtskirche ersetzt werden, wie sie jetzt noch da steht. Hinter deren Marienaltar verschwindet das heilige Wasser in einem unterirdischen Gang und kommt bis heute an der Kirchhofsmauer wieder zutage. Noch immer wird es als Taufwasser verwendet aber ein junges Paar, das dort gerade die Markierungen des Nibelungensteiges nachbessert, erzählt mir, das es häufiger noch bei Festlichkeiten im Ort zum Kühlen von Bier genutzt wird – heilig und profan zugleich.
Die zweite ziemlich kuriose Besonderheit besteht darin, dass die Landesgrenze zwischen Hessen und Baden-Württemberg direkt durch den Ort verläuft. 240 Einwohner*innen wohnen in Hessen und 25 in Baden-Württemberg. Deswegen gibt es mitten Ort noch einmal ein Ortsschild mit der Aufschrift „Badisch Schöllenbach“.
Ab Ortsausgang Schöllenbach gibt es dann einen knackigen und heute schweißtreibenden 45-minütigen Steilanstieg hinauf bis zur Gemeinde Hesselbach, meinem heutigen Etappenziel. Dort am Ortsrand liegt ein schöner Rastplatz, der zur Mittagspause einlädt. Da es noch früh am Tag ist, mache ich mich auf eine etwa
8 km lange Rundtour um den Ort, weil es dabei noch Interessantes zu entdecken gibt: Zum einen die Überreste eines Römischen Wachpostens am Limes und zum anderen den Dreiländerstein, der hier die Grenze zwischen Hessen, Baden-Württemberg und Bayern markiert. Von dort geht’s wieder hinunter nach Hesselbach und zu meiner Unterkunft. Das Abendessen gestaltet sich dann ein wenig komplexer. Weil in der einzigen Gaststätte gerade in geschlossener Gesellschaft eine Kommunion gefeiert wird, kann ich dort nicht essen aber ich kann etwas bestellen, um es dann um 18:00 Uhr abholen zu können. Und so kommt es, dass ich am frühen Abend mit einem Tablett, auf dem sich eine Schüssel mit Maultäschle, ein Teller mit Salat und zwei große Bier befinden, vorsichtig von der Gaststätte durch den Ort zu meiner Pension balanciere, wo ich mir dann an einem schönen Gartentisch alles schmecken lasse.
6. Etappe Hesselbach – Amorbach
Die küenen Burgonden hin ze hove riten;
si kômen hêrliche nâch ir landes siten.
dô wunderte dâ zen Hiunen vil manegen hüenen man
umb Hagenen von Tronege, wie der waeré getân.[6]
Bei 20° schon um 9:00 Uhr in der Früh mache ich mich auf den Weg zur längsten Etappe meiner Nibelungensteigwanderung. Normalerweise wird diese Etappe zweigeteilt mit einer Übernachtung in Preunschen, aber mein Hotel ist nun einmal in Amorbach vorgebucht, also heißt es die 25 km auch zu absolvieren. Doch gleich vorweg: Das fällt nicht schwer, denn es ist die landschaftlich reizvollste Etappe des gesamten Steiges.
Der erste Abschnitt führt durch den Wildpark der Fürsten zu Leinigen, den Emich Carl zu Leinigen um 1803 in dem Gebiet einrichten ließ, das dem Fürstenhaus als Entschädigung für die durch die Napoleonische Besetzung in der Pfalz verlorenen Besitztümer zugeeignet wurde. Mitten in dem riesigen naturbelassenen Park steht noch das Jagdschloss Waldleinigen. Es wurde 1828 im englischen Stil nach dem Vorbild von Schloss Abbotsford in Südschottland erbaut. Heute beherbergt es eine psychosomatische Klinik. Von dort wandere ich durch das idyllische Breitbachtal. Von oben die Sonne, von rechts oder links das Plätschern des Baches und von überall her das Zwitschern der Vögel – einfach schön und ganz im Einklang mit der Schöpfung. Eine große Madonna mit Christuskind auf freiem Feld beschützt diesen schönen Fleck Erde. Ich erreiche die St. Wendelin- und St. Nikolauskapelle, seit 1741 als Wallfahrtskapelle viel besucht. Sie ist das einzige Gebäude, das vom gesamten ehemaligen Dorf Breitenbach übrig geblieben ist. Das Dorf wurde in den Wildpark eingegliedert. Den Bauern wurden ihre Höfe abgekauft und dann abgerissen, Felder und Wiesen wurden aufgeforstet und so ebenfalls für die Jagd nutzbar gemacht.
Kurz hinter der Kapelle fordert der Weg dann aber mal wieder alle Kräfte. Zunächst noch mäßig steil durch das Dörnbachtal hinauf nach Ottdorfszell. Die paar Häuser sind schnell passiert und dann geht’s richtig zur Sache: Zwei Kilometer in der Direttissima hinauf nach Preunschen. Da klebt mir die Zunge am Gaumen und keinerlei Aussicht auf einen Schluck frischen Wassers. Alles ist zu und keine Menschenseele in Sicht. Als ich diesen ausgestorbenen Ort wieder verlasse führt der mich der Weg am Waldmuseum „Wattenbacher Haus“ vorbei – natürlich auch geschlossen – aber hier habe ich immerhin eine nette Begegnung mit einer älteren Dame, die am nächsten Wochenende mit ihren Enkelkindern das Museum und die Burg Wildenberg besuchen will und von mir wissen möchte, wie weit es vom Museum zur Burg ist. Ich checke das mal schnell und so entspinnt sich ein interessantes Gespräch zwischen Großeltern. An der Burgruine Wildenberg treffe ich auf eine weitere Großmutter, die dort mit zwei Enkelkindern unterwegs ist und selbst gerne und häufig wandert, was zu einem intensiven Austausch über mehr oder weniger zu empfehlende Wandertouren in Deutschland und Europa führt. Ich verweise sie natürlich auf unsere Homepage vom Netzwerk Weitwandern.
Trotz netter Begegnungen mit Großmüttern, Durst hab‘ ich immer noch. Aber dann komme ich zur ehemaligen Hofmühle, heute ein schmucker Bio-Bauernhof, und der Chef, der gerade seinen Rasen mäht, erlaubt mir, für eine Mittagspause in seinem Garten Platz zu nehmen. Er bringt gleich mal eine große Flasche Mineralwasser, als wäre mir der Durst ins Gesicht geschrieben, und wir kommen über dies und das ins Plaudern. Er bedauert, dass die Leute immer nur an seinem Hof vorbeilaufen und freut sich sichtlich, dass ich mir hier bei ihm eine Pause gönne und er mir einiges über seinen Biohof erzählen kann.
Dann folgt ein letzter Anstieg nach Beuchen - 250 Höhenmeter auf 1,4 km. Oben gibt’s noch mal eine kleine Pause mit einem Stückchen Kuchen, das ich vom Frühstücksbuffet stibitzt habe, und vielen Schlucken aus der nun wieder gut gefüllten Wasserflasche. Gemächlicher geht’s dann hinunter nach Amorbach, wo heute noch die Fürsten von Leinigen zuhause sind und das Theodor W. Adorno als seinen Lieblingsort bezeichnet und seit seiner Kindheit immer wieder aufgesucht hat. Auch wenn die Etappe heute lang und manchmal schweißtreibend war, ein kleiner Stadtrundgang durch Amorbach muss noch sein und ist äußerst lohnend.
7. Etappe: Amorbach – Miltenberg
Dô was gelegen aller dâ der veigen lip.
ze stüken was gehouwen dô daz edele wîp.
Dietrich und Etzel weinen dô began,
si klagten inneclîche beide mâge und man.[7]
Von Amorbach führt mich heute die letzte Etappe an den Main nach Miltenberg. Deutlich kälter ist es geworden, ein frischer Wind bläst mir ins Gesicht und die Sonne lässt sich heute auch kaum blicken. Dennoch ist diese Etappe noch einmal wunderschön. Sie führt durch im wahrsten Sinne des Wortes blühende Landschaften im leuchtend hellgrünen Gewand des frühen Frühlings. Auch eine genussvolle Passage durch eines der idyllischsten Bachtäler, an denen der Odenwald ja so reich ist, darf nicht fehlen, diesmal durchflossen vom Weilbach. Natürlich gibt es neben beeindruckender Naturkulisse auf dieser Etappe auch Kulturhistorisches am Weg zu bewundern. So führt gleich der erste heftige Anstieg hinter Amorbach in steilen Serpentinen hinauf zum Gotthardsberg mit der Ruine der gleichnamigen romanischen Basilika aus dem 12. Jhdt. Ein durchaus mystischer Ort, an dem ich gerne länger verweilt hätte. Aber hier oben ist es schon empfindlich kalt und zudem geht auch noch ein Regenschauer hernieder, so dass ich mich darauf beschränke, mir die Reste der Basilika genauer anzuschauen, um dann gleich weiterzulaufen. Ursprünglich stand auf dem Gotthardsberg eine Raubritterburg, die auf Befehl des Kaisers Barbarossa zerstört wurde, um dann an ihrer Stelle ein Benediktinerinnenkloster zu errichten. Doch auch dieses wurde während der Bauernkriege 1525 komplett zerstört. Anfang des 17. Jhdts. wurde die Klosterkirche als Basilika wieder aufgebaut, brannte aber hundert Jahre später nach einem Blitzschlag völlig aus und verfiel zusehends. 1956 konnte man dann wenigstens den weiteren Verfall durch eine Dachkonstruktion stoppen. Irgendwie hat an diesem Ort wohl ein Fluch der Raubritter weitergewirkt.
Auf stillen Waldpfaden geht es dann hinauf nach Monbrunn, einem Dorf mit weit verstreut auf einer Hochebene liegenden Bauernhöfen und allerlei grasendem und herum pickendem Hausgetier. Mitten drin ein großer Agroforstbetrieb, bei dem Gehölze mit Ackerkulturen und Tierhaltung so auf einer Fläche kombiniert werden, dass zwischen den verschiedenen Komponenten ökologische und ökonomische Vorteilswirkungen entstehen (hab ich auf einer Infotafel am Hofeingang gelesen). Monbrunn wurde 2006 zum schönsten Dorf Deutschlands gekürt.
Kurz hinter dem Ort tauche ich wieder in alte Geschichte ein und überquere die Reste eines keltischen Ringwalls. Die zugehörige Siedlung lag auf einem Felssporn, der nach drei Seiten steil zum Main hin abfällt, doch genau von der Seite, von der heute die Nibelungensteigwanderer einfallen, kamen früher Invasoren, die weniger harmlos waren. Also wurde zum Schutz auf der Seite hin ein Ringwall errichtet. Er entstand etwa zwischen 1200 und 700 v. Chr. und bestand aus einem äußeren und einem inneren Ring, 4,20 m bzw. 2,40 m hoch. Das war schon ein imposantes nur schwer zu überwindendes Bollwerk.
Da die heutige Etappe mit 14 km relativ kurz ist, kann ich schon am frühen Nachmittag mein Zimmer beziehen und habe ausreichend Zeit, die kleine, sehr hübsche und baulich wie historisch interessante Stadt Miltenberg zu erkunden. Das erfordert kaum Aufwand, liegen doch nahezu alle Sehenswürdigkeiten an der 3 km langen Hauptstraße, die, überwiegend autofrei, parallel zum Main durch den Ort verläuft. Da auch nette Cafés, die zur Einkehr locken, die Flaniermeile säumen, vergeht die Zeit bis zum Abendessen wie im Fluge. Da hat man dann die Qual der Wahl, wird doch in Miltenberg nach Übereinstimmung einschl. Expert*innen das beste Bier in ganz Deutschland gebraut. Und so gibt es denn auf gut 9000 Einwohner drei Brauereien mit angeschlossener Gastronomie. Ich entscheide mich für die Craft-Bier-Brauerei Faust und ich muss sagen, die Biersorten, die ich dort verkosten konnte, haben mir alle exzellent gemundet, und so ist ein leichter Schwips eine angenehme Folgeerscheinung, der dann allerdings letztendlich verhindert, auch noch den anderen beiden Brauereien meine Aufwartung zu machen.
Mein Fazit:
Der Nibelungensteig ist ein lohnenswerter Weitwanderweg, landschaftlich ausgesprochen reizvoll und meist recht gut zu laufen, wenn auch hin wieder die mittlerweile üblichen Probleme bestehen wie grob geschotterte Forststraßen und rücksichtsloser Einsatz schwerer Maschinen für Forstarbeiten, was gerade die naturbelassenen Wege besonders in Mitleidenschaft zieht und sie bei entsprechenden Witterungsverhältnissen in kaum passierbare Sumpflandschaften verwandelt. Auf Asphalt ist man allerdings glücklicherweise nur wenig unterwegs.
Die Wegmarkierung ist exzellent, nie gab es auch nur den geringsten Zweifel, wo`s langgeht. Es gibt viel Interessantes am Weg und man kommt durch einige schöne, sehenswerte Orte. Die fürs Weitwandern erforderliche Infrastruktur bezüglich Übernachtungs-, Einkehr- und Einkaufsmöglichkeiten ist allerdings, wie inzwischen auf vielen Weitwanderwegen in Deutschland, ziemlich katastrophal und wäre dringend verbesserungsbedürftig.
Ein paar Daten zum Weg
Zwingenberg – Reichenbach
14 km
750 m Aufstieg, 650 m Abstieg
Reichenbach – Lindenfels/Winkel
16 km
670 m Aufstieg, 510 m Abstieg
Lindenfels/Winkel – Grasellenbach
21 km
550 m Aufstieg, 520 m Abstieg
Grasellenbach - Erbach
23 km
520 m Aufstieg, 680 m Abstieg
Erbach – Hesselbach
18 km
490 m Aufstieg, 450 m Abstieg
Hesselbach - Amorbach
25 km
750 m Aufstieg, 1030 m Abstieg
Amorbach – Miltenberg
15 km
460 m Aufstieg, 470 m Abstieg
Übernachtung
Hotel, Pension, Übernachtungsmöglichkeiten sind z.T. dünn gesät, so dass hin und wieder ein Taxi benutzt werden musste.
Führer
Nibelungensteig Outdoor Handbuch Band 364 Conrad Stein Verlag, 1. Aufl. 2015
Wenig brauchbar da ziemlich veraltet und der Weg ausgezeichnet markiert ist.
[1] Ein edle Jungfrau wuchs im Burgundenland,
So schön, dass man auf Erden nicht ihresgleichen fand.
Zur schönsten aller Frauen blühte sie empor.
Kriemhild war sie geheißen: manch Held sein Leben drum verlor.
(Nibelungenlied, V.2)
[2] Siegfried hieß der Knabe; ihn trieb sein Mut hinaus.
Er zog auf Abenteuer in fremde Reiche aus.
Um seine Kraft zu proben, ritt er in manches Land.
Hei, wie stolze Recken er dann bei den Burgunden fand.
(Nibelungenlied, V.21)
[3] Noch andre Abenteuer sind mir von ihm bekannt.
Es schlug einen Lindwurm des Helden starke Hand.
Er badete in dem Blute; fest wie ein Horn er jetzt.
Man hat es oft erfahren, dass keine Waffe ihn verletzt.
(Nibelungenlied V. 100)
[4] Und wie jetzt Siegfried trinkend kniete an der Flut,
Traf er ihn durch das Zeichen, dass seines Herzens Blut
Weit aus der Wunde spritzte an Hagens Gewand.
Zu größrem Frevel hebt sich nie wieder eines Helden Hand
(Nibelungenlied, V.981)
[5] Da dachte die Getreue: „Jetzt gewann ich mir,
Ich arme Freudenlose, so viele Freunde hier:
Ich lass die Leute reden und denke nur daran,
Wie ich noch Rache finde für Siegfried, meinen lieben Mann.“
(Nibelungenlied, V.1259)
[6] So ritten stolz und stattlich die Recken von dem Rhein
Nach ihres Landes Sitte in Etzels Hofburg ein.
Da rieten die Hunnen neugierig hin und her,
Wer unter den Gesellen wohl der Tronjer Hagen wär.
(Nibelungenlied, V.1732)
[7] Da lagen sie nun alle, des Todes blutge Wahl.
Vom Schwert war zerhauen des Königs Ehgemal.
Etzel weinte und Dietrich in ihrem tiefen Schmerz;
Um Mannen und Gesippen klagt bitterlich ihr Herz.
(Nibelungenlied, V.2378)