Wälder und Gipfel der Mittelvogesen

vogesen
Es ist schon eine seltsame Sache mit mir: Immer wieder bin ich am Planen, nehme mir vor: Da und da hin willst du doch auch noch einmal – und dann lande ich doch wieder in einem Gebiet, das ich schon kenne und zu dem ich eine Beziehung habe. Zum Beispiel in den Vogesen. Zweimal habe ich dieses große, so ungemein abwechslungsreiche Mittelgebirge von Norden nach Süden durchquert und mir eine dritte, vierte, fünfte Durchquerung vorgenommen – und wenn ich einen Weg gehe, entdecke ich mindestens drei andere, die ich unbedingt auch noch gehen möchte.

Nicht die schlechteste Möglichkeit, die teilweise noch sehr unbekannten Mittelvogesen intensiver kennen zu lernen, war die Rundwanderung, die ich diesen Sommer absolvierte. Was ich am Schreibtisch ausgetüftelt und in meinem Führer bereits kurz dargestellt hatte, erwies sich als über Erwarten attraktiv und abwechslungsreich. Die landschaftliche Vielfalt überraschte selbst mich, und ich bilde mir doch schon ein, die Vogesen einigermaßen zu kennen.

Allerdings soll auch auf die Schattenseiten hingewiesen werden. Der viel beschriene „Teuro“ hat auch im Elsass Einzug gehalten, wo einige Gastronomen im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen mit dieser Abzocke womöglich sogar Erfolg haben könnten. Denn wenn man erst einmal einen Ausflug in eines der bekannten Weinstädtchen unternimmt, ist man auch bereit, fürs Essen etwas mehr zu zahlen; zu Hause würde man einfach selbst kochen. Billig war das Elsass sowieso noch nie. Aber in den meisten Unterkünften, die wir benutzten, war das Preis-Leistungsverhältnis einigermaßen akzeptabel, ein Quartier erwies sich sogar als echter Geheimtipp. Doch davon später.

Kein Geheimtipp, sondern eher ein Flop war leider das Hotel „St. Florent“ in Oberhaslach, in dem wir gleich zweimal übernachteten. Die Zimmer waren sehr ordentlich, die Übernachtungspreise angemessen, aber die Halbpension maßlos überteuert. Am ersten Abend gab es ein Stück Pastete mit etwas Rohkost, dann ein Kotelette in Champignonsoße mit Nudeln, als Dessert ein Stück Erdbeerkuchen – alles nicht schlecht, aber wenn man die Preis hochrechnete, kostete dieses Menu 17,50 Euro! Und für das Viertel Riesling nahm der Wirt 4,50 Euro! Da empfiehlt sich doch eher in Urmatt das Hotel De la Poste, das Ende Juli, als wir unterwegs waren, freilich Ruhetag hatte; das bei Wanderern früher so beliebte Hotel À la Chasse in Urmatt ist leider geschlossen und steht zum Verkauf.

Warum zwei Übernachtungen in Oberhaslach bzw. Urmatt? Weil wir am ersten Wandertag die PKW nach Klingenthal fuhren, wo wir sie am Schluss unserer Runde wieder vorfinden wollten, und somit zwei Etappen mit leichtem Gepäck gehen konnten. Nach einigem Suchen fanden wir einen kleinen Abstellplatz hinter dem Klingenthaler Friedhof und starteten den langen Aufstieg zum Heidenkopf.

Der entpuppte sich als eine ideale Eingehtour, denn unser Zeichen, die gelbe Scheibe – wir blieben ihr bis Grendelbruch treu – führt auf angenehmen Wegen zwar stetig ,aber nur wenig steil bergauf, und überraschend zügig erreichten wir eine Abzweigung unter dem Gipfel, bei der das rot-weiß-rote Rechteck in wenigen Minuten das Gipfelplateau mit schönem alten Laubwald, Rastbänken und einem Aussichtsturm erklimmt – der erste Höhepunkt der Tour und dies nicht nur geografisch! Den Weiterweg über Grendelbruch und, nunmehr mit rotem Kreuz markiert, Urmatt empfanden wir als durchaus schön, wenn auch unspektakulär. Insgesamt eine mittellange, nur mäßig anstrengende Etappe, zumal wenn man in Urmatt übernachtet.

Dafür stellte die zweite höhere Anforderungen, und für kleine Gruppen wäre die Idee eines Gepäckstransportes vielleicht nicht von der Hand zu weisen. Immer mit dem roten Rechteck des GR 53 markiert, erreicht man in einem zähen Anstieg – immerhin 750 Höhenmeter müssen überwunden werden – den 1009 m hohen Gipfel des Rocher de Mutzig, vorbei an der Geheimnis umwobenen Porte de Pierre, einem eigenartigen Felsmassiv und idealen Rastplatz. Der Blick vom Gipfelfels zum zweiten großen Ziel des Tages, dem Donon, entmutigt zunächst, zumal man während der nächsten beiden Stunden nach und nach 300 Höhenmeter verliert, die beim Steilaufstieg zum Donon wieder wettgemacht werden müssen. Aber wir kamen flott voran, die letzten 150 Höhenmeter zum Donon mit seiner gallo-römischen Kultstätte und seinem 1869 erbauten, auf den Karten großspurig als „Musée“ bezeichneten Tempelchen auf dem felsigen Gipfelplateau machen auch müden Wanderern Spaß (freilich sind knöchelhohe Trekkingschuhe hier besonders unumgänglich), und der Gipfel bietet das vielleicht eindrucksvollste Panorama der gesamten Mittelvogesen – Wald, soweit das Auge reicht, besonders im Westen. Bis zum Hôtel du Donon ist es nun nicht mehr weit, und mögen auch die dortigen Zimmer leicht veraltet sein, so bietet die Küche so Exzellentes, dass wir einen besonders schönen Abend genossen. Nicht zuletzt Dank des Kellners, der sich als wahres Original erwies.

Auf die nächste Etappe war ich besonders gespannt. Dass der Strecke vom Hôtel du Donon zum wenig ausgeprägten Col du Prayé (blaues Kreuz) kein besonderer Reiz abzugewinnen ist, konnten wir schon aus der Karte ersehen. Aber der Weiterweg! Zunächst mit blauer, später mit roter Scheibe wanderten wir – man mag es kaum glauben: bei herrlichem Sommerwetter! – stundenlang in einer Höhe von etwa 900 m, häufig in freiem Gelände, wozu das katastrophale Orkantief „Lothar“ am 26. Dezember 1999 nicht wenig beigetragen hat. Noch immer liegen vom damaligen Sturm entwurzelte Bäume herum. Aber der Pfad quert auch schöne Wiesen; während der Kamm nach Osten steil abbricht, läuft er nach Westen plateauartig aus – kurz, das Massiv von Tête des Blanches Roches und Hautes Chaumes erwies sich als Hochvogesen en miniature, was wir hier nun wirklich nicht erwarten konnten. Zu guter Letzt noch ein herrlicher Steig zur „Chatte Pendue“, einem der schönsten Aussichtspunkte der Mittelvogesen, wonach es zu unserem diesmal sehr urigen Quartier ging – der Ferme-Auberge Salm. Deren Schlafsaal ist nicht heizbar, wird im Winter geschlossen und soll im April und Oktober noch recht ungemütlich sein; Waschgelegenheiten gibt es nur im Freien, wenn man die bescheidene Dusche nicht frequentieren möchte. Aber das gesamte Ambiente ist einfach gemütlich (sofern der an sich gutmütige, langmähnige Hund der Wirtsleute nicht gerade meint, die Hühner gegen die Gäste verteidigen zu müssen…), und wir fühlten uns auf dem Hochplateau von Salm sehr wohl, trotz der etwas gestressten Wirtin.

Wem die Ferme-Auberge Salm für eine Nächtigung zu primitiv ist, der könnte natürlich auch noch nach La Claquette bzw. Rothau in die Vallée de la Bruche absteigen (blaue Scheibe), wo man Hotel und Gîte d’étape vorfindet. Das hätte zudem zwei Vorteile. Zunächst ist die halbtägige Wanderung zum ehemaligen Konzentrationslager Struthof-Natzweiler eigentlich ein Muss. Zweitens verkürzt sich die schon bei Start in Salm moderate Tagesetappe noch einmal um eine gute Stunde, wodurch nur noch der lang gezogene, aber sehr bequeme Aufstieg zum Col de la Perheux (rot-weiß-rotes Rechteck, der Weg beginnt an der katholischen Kirche von Rothau) und der Weiterweg nach Bellefosse zu bewältigen wären. Andererseits wird man in der weiträumigen, ungemein lieblichen Wiesenlandschaft des Col de la Perheux sicher einige Zeit vertrödeln, bevor man mit gelbem Dreieck nach Belmont und mit blauem Kreuz nach Bellefosse wandert, durchweg auf sehr schönen Wegen in halber Höhe des Champ du Feu, dessen Westseite deutsche Touristen im Allgemeinen nicht so gut kennen. Etappenziel ist die Ferme-Auberge Au Ban de la Roche, eine besonders einladende Unterkunft. Für Halbpension im einfachen Zimmer (Dusche und WC auf der Etage) oder im Schlafsaal (sehr geräumig, gute sanitäre Anlagen) bezahlten wir 2002 29 Euro, das Abendessen war dreigängig, deftig und reichlich – da kann man nicht viel sagen. Freilich spricht die Wirtin fast kein Wort Deutsch.

Wenn man früh genug in der Ferme-Auberge ankommt, sollte man unbedingt noch einen Spaziergang in den Nachbarort Waldersbach unternehmen und das im Juni 2002 neu eröffnete und nun noch viel eindrucksvollere „Musée Oberlin“ besuchen – auch dies ein Muss! Ein näheres Eingehen auf das Universalgenie Johann Friedrich Oberlin, der für nicht weniger als 59 Jahre, nämlich von 1767 bis zu seinem Tod 1826, Pfarrer im damals bettelarmen Ban de la Roche war, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen.

Als etwas problematisch erwies sich die Konzeption der fünften Etappe dieser Rundtour. Sowohl dem Aufstieg zum Col de la Charbonnière mit seinem teuren Hotel-Restaurant als auch dem Weiterweg nach Andlau war, von wenigen Höhepunkten abgesehen, kein sonderlicher Reiz abzugewinnen, und die Unterkunftssituation in Andlau ist etwas unbefriedigend – man hat nur die Wahl zwischen einem noblen und einem recht einfachen, auch veralteten, nicht eben preiswerten Hotel. Ich würde vom Col de la Charbonnière die Route mit blauem Rechteck vorziehen, über den 1100 m hohen Champ du Feu, die höchste Erhebung der Mittelvogesen (Aussichtsturm derzeit geschlossen, dafür entschädigt der Rundblick von P. 1086 m) zur Auberge Rothlach; von dort überschreitet man mit rot-weiß-rotem Rechteck den Neuntelstein, dessen Felsmassiv einen grandiosen Blick auf Odilienberg, Rheinebene und Schwarzwald bietet, und steigt zum zuweilen bewirtschafteten Forsthaus Welschbruch ab, wo man wieder auf das rote Rechteck trifft. Ihm folgt man zum Mont Sainte-Odile, dessen großes Hotel sich für eine Übernachtung anbietet. Ich kenne es allerdings noch nicht.

Wir peilten von Andlau ohne Gepäck den Odilienberg an, vorbei an den inposanten Burgen Château d’Andlau und Spesbourg, machten aber schlapp – extreme Hitze, drückende Schwüle und ein aufziehendes Gewitter nahmen uns die Lust auf den Weiterweg. Wenn man aber auch im Hochsommer im Weinland wandert… Ende September erkundete ich dann noch den traumhaften Pfad vom Odilienberg zu den Otrotter Schlössern (Châteaux d’Otrott), mit blauem Schrägkreuz markiert; es geht immer direkt unterhalb des Steilabbruchs entlang, angesichts bizarrer Felsen und der bis zu vier Meter hohen gallo-römischen Heidenmauer, die in einer Länge von über 10 km das gesamte Hochplateau absicherte. Im Forsthaus Rathsamhausen kann man Getränke und vorzüglichen Honig erstehen, anschließend gelangt man mit der gelben Scheibe rasch nach Klingenthal, wo sich die wunderschöne Runde schließt.

Abschließend noch einige praktische Hinweise.

Die Rundtour kann sehr gut in Teilabschnitten absolviert werden. Wertvolle Dienste leisten dabei die Bahnlinien Molsheim – Urmatt – Rothau (d. h. Straßburg – St. Dié) und Barr – Obernai – Molsheim. Bahnreisende können u. a. nach Obernai anreisen und in Klingenthal beginnen.

Führer

Thomas Striebig, Zu Fuß durch die Vogesen, GeoHist Verlag Neu Anspach 2000 (anderswo ist die Rundtour nicht beschrieben), Aktualisierungen auf meiner Homepage www.striebig.de.

Karten

Sehr gut, wenn auch nicht ganz billig sind die vom Institut Géographique National und dem Club Vosgien herausgegebenen Wanderkarten im Maßstab 1:25.000. Für die vorgestellte Rundtour benötigt man die Karten 3716 ET, 3616 OT, 3717 ET und 3617 ET. Der Bezug über Buchhandlungen ist oft umständlich und zeitaufwändig; man kann sie aber in der Regel innerhalb weniger Tage bei der Versandbuchhandlung Jürgen Schrieb (Schwieberdinger Straße 10/2, 71706 Markgröningen, Telefon 07145 / 26078) beziehen.

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