Nach der Buchbeschreibung "Wilde Wege, Stille Dörfer - Wanderungen in den Abruzzen" von Christoph Hennig
Eine spannende Vorplanung bereits im Jahr 2008 begleitet diese Wandertour: Die Wanderkartenbestellung in Florenz – diesmal kommen die Karten rechtzeitig an, die Flugbuchung nach Rom im November 2008, Auskundschaften der Zug- und Busverbindungen – das Internet zeigt sich als zuverlässige Informationsquelle, die intensive Vorbereitung mit der Wegebeschreibung von Christoph Hennig.
Dann die große Verunsicherung um die Durchführungsmöglichkeit der geplanten Wanderung auf Grund des Erdbebens an Ostern 2009 in L`Aquila, dem eigentlich geplanten Startort unserer Wanderung durch die Abruzzen.
Im Austausch mit den Wanderfreunden beim Treffen zur Mitgliederversammlung vom Netzwerk Weitwandern e.V. im April 2009 in der Rhön nehmen wir per E-Mail Kontakt auf mit Herrn Christoph Hennig wegen der Situation nach dem Erdbeben in den Abruzzen.
Herr Hennig antwortet umgehend und teilt uns mit, dass wir die geplante Tour auf jeden Fall antreten und durchführen sollen mit dem Hinweis, den Startort um eine Etappe zu verschieben, also nicht in L’Aquila zu beginnen, sondern in Fronte Cerreto. Die Menschen in dem Erdbebengebiet und den angrenzenden Gegenden sind mehr denn je auf Gäste und Touristen angewiesen und freuen sich über jeden Besucher.
Eine Besonderheit ergibt sich noch beim Vorbereiten des Rucksackes: Der neue Aufnäher „Netzwerk Weitwandern e.V.“ muss mit – er ist der Blickfang auf der Rucksack-Außentasche.
1. Tag: 30. Mai 2009 Pfingstsamstag
Flug von München nach Rom „Leonardo Da Vinci“ und mit dem Zug direkt vom Flugplatz zum Bahnhof „Tiburtina“ und von hier aus weiter mit dem Bus.
Bis hierher hat alles geklappt, wir fragen nach dem Bus nach L’Aquila, können nach einigem Hin und Her im richtigen Terminal die Fahrkarten kaufen und auf den Bus im „Stallo 1“ warten, welcher um 11.00 Uhr nach Fahrplan und Auskunft fahren soll.
Der Bus fährt um 12.45 Uhr – weshalb weiß keiner – was soll’s. Wir haben Urlaub, Zeit und Muse und viel Vorfreude auf das Weitere.
Ankunft in L’Aquila am Busbahnhof – die vom Erdbeben gekennzeichnete Stadt ist abgeriegelt, der Busbahnhof liegt außerhalb der Stadt. Jetzt gilt es den Bus nach Fonte Cerreto zu finden, den es nach Fahrplan geben soll.
Sehr hilfsbereite Busfahrer telefonieren und organisieren für uns alleine einen Shuttlebus aus Fonte Cerreto (auf 1100 m) und dieser ist auch noch kostenlos. Selten haben wir eine solche Hilfsbereitschaft erlebt.
Die erste Übernachtung ist in einem Hotel am Fuße der Seilbahn, die z.Z. nicht in Betrieb ist. Und Glück gehabt: Den Einkauf der Verpflegung für den ersten Tag ermöglicht uns ein mobiler Einkaufswagen, der kurz darauf wegfährt.
2 .Tag: 31. Mai 2009: Pfingstsonntag
7.00 Stunden - Wanderung: Von Fonte Cerreto nach Castel del Monte
Aufstieg Weg Nr. 216 Richtung Monte Christo auf 1800 m, weiter nach Hennigs Beschreibung der 5. Etappe.
Der Fahrweg mit herrlicher Aussicht führt uns nach Castel del Monte zum Hotel, die Glocken der kleinen Kirche läuten zum Empfang. Es regnet mehrere Stunden – wir sind im Trocknen.
Wir sind erstaunt über die vielen Gäste im Hotel und erfahren, dass dies Erdbebenbetroffene aus L’Aquila sind, die ihre Häuser verloren haben und hier in Ferienwohnungen und im Hotel untergebracht sind.
Einer der betroffenen Gäste hat heute Geburtstag und spendiert „Spumante“ für alle - auch für uns.
3. Tag: Montag, 01. Juni 2009
Von Castel del Monte nach Forca di Penne.
Einen solchen Regentag haben wir selten erlebt auf unseren Wanderungen. Wir entschließen uns, den in der Kompasskarte eingezeichneten Weg Nr. 272 von Castel del Monte nach Ofena mit 800 m Abstieg zu gehen und stellen fest, dass dies der von Hennig beschriebene Wegverlauf ist. Wir gehen auf einer Schotterstraße und wir treffen einen Schäfer, der uns die etwas verwinkelte Wegfindung erklärt und somit erleichtert. Wir brauchen 2,5 Std.
Ein sehr freundlicher und hilfsbereiter Dorfbewohner aus Ofena fährt uns im strömenden Regen die neun km lange Strecke auf den Pass Forca di Penne auf 891 m.
Übernachtung im Agriturismo Fortino, wo wir schon zeitig per Mail gebucht haben.
4. Tag: Dienstag, 02. Juni 2009
Ein Regentag im Agriturismo Fortino, in welchem wir vorzüglich versorgt wurden.
5. Tag: Mittwoch, 03. Juni 2009
Von Forca di Penne nach Musellaro
Nach zwei Regentagen sind die Wege aufgeweicht, es ist ein „Schlammweg“ nach Musellaro. Traumhafte Aussicht bis zur Adria – klar gefegt ist der Himmel – entschädigen uns für die erschwerten Gehbedingungen. Wir „verfolgen“ Spuren und treffen die dazu gehörenden zwei jungen Kerle mit Rucksack und Zelt, die auf dem gleichen Weg unterwegs sind wie wir, aber sie haben keine zusätzlichen Wanderkarten. Sie berichten von vielen „Abwegen“, „Umwegen“ und „Verlaufen“.
Wir haben abgelöste Schuhsohlen, 5 Minuten nach 12.00 Uhr in Torre de’ Passeri und somit ein bereits geschlossenes Schuhgeschäft! Wir gehen weiter, eine mehr als freundliche Wirtin versorgt uns vor dem Aufstieg nach Bolognano, wo wir auch wieder auf die beiden Jungs treffen.
Nach 25 Minuten Aufstieg nach St. Maria schwärmt ein Italiener, der 42 Jahre in München gelebt hat, von seiner Heimat. Wir können dem nur zustimmen. Die Zeitangabe von Santa Maria nach Musellaro stimmt nicht, die Wegbeschreibung ist genau. Aber ohne Wanderkarte würden wir uns auch verlaufen.
Wir sind die einzigen Gäste im „Ostello“, werden sehr gut versorgt und dürfen uns am nächsten Morgen das Frühstück samt Bedienung der Kaffeemaschine selbst machen.
6. Tag: Donnerstag, 04. Juni 2009
Von Musellaro nach Roccacaramanico
Dieser Weg, bzw. der Pfad, welchen man suchen muss, ist nur bei gutem Wetter und bei guter Sicht begehbar. Das Abenteuer beginnt mit dem Frühstück, Kaffee trinken wir in der Bar im Ort.
Aber dann der Abstieg in die Orta-Schlucht, zwar nach „Buch – Wegebeschreibung“, aber mit noch mehr Glück und Richtungsorientierung finden wir den Weg nach oben – durch Dickicht, Gebüsch und Sträucher – ein unwegsames Gehen im Gelände – wir schaffen es! Nach Caramanico Terme finden wir leicht nach der Wegbeschreibung. Ein deutscher Bus grüßt auf der zu begehenden Fahrstraße.
Im Ort gute Einkaufsmöglichkeiten (auch neue Wanderschuhe) und ein weiterer Aufstieg zunächst auf der Teerstraße nach San Nicolao. Wasservorrat auffüllen.
Das Abenteuer geht weiter oder beginnt es jetzt? Ab in die Prärie! – kein Pfad, kein Weg, nur Wildnis – Richtungspunkte sind ein „Kuhstall“ und ein „Wald“, sie dienen der Orientierung, wir gehen 1,5 Std. lang kreuz und quer, auf und ab, über Bächlein, durch Dornenhecken, über Blumenwiesen (Orchideen) – wir kommen an der beschriebenen Stelle an. Ein Blick zurück zeigt uns, dass es fast unglaublich und unvorstellbar ist, was wir da an Wegfindung geleistet haben.
Bellende Hunde begrüßen uns – wir heben (lt. Christoph Hennig) einen Stein auf. Dies bewirkt, dass sich die Hunde zurück ziehen. Jetzt haben wir uns ein Mittagessen verdient. Die bereits geschlossene „Cuchina“ öffnet doch noch einmal für einige Gäste – gottlob - und wir rüsten uns somit für das heutige dritte Abenteuer: Keine 50 Meter vom Ortsrand entfernt schrecken wir Wildschweine auf. Wer ist wohl mehr erschrocken? Wieder durch die Wildnis, querfeldein, bergauf geht es zur Übernachtung „B & B“ in Roccacaramanico.
Eine sehr einfache Unterkunft, das Wasser im Haus ist kalt, es versiegt völlig. Vor dem Haus ist ein Brunnen und ein Bach. Aber es herrscht Ruhe, und wir reflektieren diesen Tag und planen für den nächsten.
7. Tag: Freitag, 05. Juni 2009
Von Roccacaramanico nach Sulmona
Eine stürmische Nacht liegt hinter uns im “B & B” – ohne Wasser im Haus. Wir waschen uns am Brunnen vor dem Haus – Bella Italia. Der Aufstieg zum Passo San Leonardo erfolgt nach der Buchbeschreibung. Danach, man glaubt es kaum, ein markierter Wanderweg bis nach Pacentro. Hier nehmen wir den Bus nach Sulmona, es ist gut warm und die restliche Tagesstrecke liegt in einer Ebene.
In Sulmona treffen wir deutsche Wanderer mit dem Buch von Christoph Hennig in der Hand. Der Hotelier reserviert für uns die nächste Übernachtung im Agriturismo in Castrovalva – super!
8. Tag: Samstag, 06. Juni 09
Von Sulmona nach Castrovalva
Die Ebene von Sulmona nach Bugnara legen wir mit dem Auto zurück. Wir finden leicht wieder auf den von Christph Hennig beschriebenen Weg ab dem Eisenbahnviadukt.
Die jetzt von Christoph Hennig beschriebenen Wanderpfade sind mittlerweile in diesem Gebiet zu markierten Wanderwegen ausgebaut. „Parconson Fontanico“ ist der neue Weg, der uns mühelos nach Anversa führt. Reges Treiben ist auf der Piazza mit reichlich Einkaufsmöglichkeiten. Eines erwähnt Christoph Hennig nicht: den Wind. Er ist stürmisch, böig streift er durch die Gassen und Flure, aber er ist angenehm in der Hitze.
Nach Castrovalva führt der markierte Sentiero Nr. 19 mit einer Wasserquelle am Ortseingang. Hier gibt es Unterkunft mit Halbpension im Agriturismo nur auf Vorbestellung. Wir sitzen noch keine zwei Minuten vor der verschlossenen Unterkunft, als ein betagter Senior zu uns kommt, nachfragt und über sein Handy den Besitzer verständigt – so etwas gibt es! Wir treffen wieder Weggefährten, die auch viel Abenteuerliches zu berichten wissen.
9. Tag: Sonntag, 07. Juni 2009
Von Castrovalva nach Scanno
Das spärliche Frühstück im Agriturismo (zwei mit Marmelade bestrichenen Brote, Biskuits und zwei Stückchen Kuchen) macht uns nichts aus, wir sind ja auf Rucksackverpflegung eingestellt. Nach Markierung gehen wir nach Frattura Vecchia, einem verfallenen Dorf. Wenige Leute bewirtschaften Gärten. Im Dorf Frattura gibt es eine Bar (der Hinweis fehlt bei Christoph Hennig). Wir finden den beschriebenen Weg nach Scanno problemlos.
Wir entscheiden uns in der Wegführung ab hier für die „Bergtour“ über den alten Abruzzen–Nationalpark nach Barrea.
10. Tag: Montag, 08. Juni 2009
Von Scanno nach Opi
Die Wegbeschreibung ist gut, heute eine Bergtour. Wasser fehlt, es gibt nur in Scanno Wasser, deshalb reichlich mitnehmen, denn der Brunnen auf 1700 m Höhe ist versiegt. Bis auf die letzte Stunde der Strecke ist der Weg gut markiert, aber danach ist eine Wegfindung nur nach gutem Kartenstudium möglich. Sehr lange Gehzeit (7 Std.). Am Ende nochmals Aufstieg zum Ort Opi. Im Ort gibt es gute Einkaufsmöglichkeiten und das Gespräch mit Einheimischen – ein Genuss auf seine Art.
Das Hotel und das nette, sehr um unser Wohlergehen besorgte Hotelierpaar entschädigen für die Anstrengungen. Ein 5-Gänge Menü aus der Region wird uns serviert, wir sind wieder die einzigen Gäste. Frühstück um 7.00 Uhr ist selbstverständlich möglich, bei einer 8-stündigen vor uns liegenden Wanderung.
11. Tag: Dienstag, 09. Juni 2009
Von Opi nach Civitella Alfedena: durch das Tal der Gämsen
Wir folgen der Wegbeschreibung nach Buch. Eigentlich sollte dieser Tag bezeichnet werden: „Man trifft eher auf einen Hirschen als auf einen Wanderer“ – das trifft zu! Und zwar auf der Strecke von Opi bis zum Beginn des Tals ins Valle Fondillo. In unmittelbarer Ortsnähe und bei weidenden Pferden trabt ein Hirsch – mindestens ein Sechzehnender - auf uns zu und erschrickt wahrscheinlich ebenso wie wir. Dann dreht er nach rechts ab, der Schreck war groß!
Bis zum Passo de Orso folgen wir der Markierung, auch absteigend ins Tal, ein sehr mühseliger Weg. Im Talgrund ist endlich am Bach eine Rast möglich im Valle Tre Confini. Von der Talsenke aus nach links führt ein super markierter Weg nach oben, zwar sehr anstrengend durch den steilen Hang und die Sonne und Hitze, aber viel besser gekennzeichnet als im Buch beschrieben. Nach Umgehen und Queren bzw. Umklettern von drei Schneefeldern - und das Mitte Juni - sind wir nach ca. einer Stunde an der unbewirtschafteten Schutzhütte Forca Resuni, wobei ein Aufenthalt dort wegen des starken Windes nicht möglich ist.
Wir gehen die Hauptvariante in ein Hochtal. Hier kommt uns eine geführte Wandergruppe entgegen – der erste „Gegenverkehr“ auf unserer Tour. Am Passo Cavuto rasten wir länger, wegen der Aussicht und wegen der Gämsen. Der Abstieg ins Valle di Rose ist im oberen Teil eine „Gämsenschau“- ca. 30 - 40 Tiere sind zu sehen. Ein steiler Abstieg folgt, teilweise mehr schlecht als recht zu gehen über steinige und geröllige Wege. Eine Belohnung für die Mühen ist der erste Blick auf den See Lago di Barrea und das Hotel – ein Zimmer im 3.Stock, wir sind wieder einmal die einzigen Gäste und werden vorzüglich versorgt, ein traumhafter Ausklang für diesen anstrengenden Tag.
Die Tour geht dem Ende entgegen – das Ziel Barrea ist in drei km Entfernung zu sehen.
Die Informationen im Ort sind sehr ausführlich (Busverbindungen) und auch der Kontakt zu den Einheimischen ist intensiv.
12. Tag: Mittwoch, 10. Juni 09
Von Civitella Alfedena nach Barrea
Ein Spaziergang durch Wiesen, über steinige Pfade, struppige Wege – gut markiert und begehbar. Was wir mitnehmen von dieser Kurzetappe: Zecken! – also Vorsicht und Kontrolle, liebe Wanderfreunde!
Das Wanderziel Barrea zeigt sich von seiner schönsten Seite: mit netten Leuten, regem Markttreiben, der hilfsbereiten Dame aus dem Infobüro vom Vortag, einer Verkäuferin im Supermarkt, die belegte Brote auf ihre persönliche Art macht, nämlich 2 dicke Scheiben Brot mit viel Belag dazwischen.
Ein herrlicher Ausklang.
Wir nehmen den Bus nach Castel di Sangro, von dort haben wir gute Busverbindungen nach Pescara und nach Rom.
Ein Albergo mit einem Restaurant das seines gleichen sucht - vom Chef, über die Ausstattung, bis zum hervorragenden Essen. Auch hier bestätigt uns der Besitzer die Tatsache, dass die Gäste ausbleiben seit dem Erdbeben.
Deshalb liebe Wanderfreunde unser Aufruf: Auf in die Abruzzen! Ihr könnt die von uns geschilderten Erlebnisse mit den Menschen, der Natur und den Tieren selbst erleben! Es finden sich kaum Worte für die gastfreundlichen und hilfsbereiten Menschen, für die Landschaften und für die Anstrengungen sowie die Belohnungen durch die Kontakte, die Aussichten und die gewonnenen Eindrücke.
Ein Dankeschön an Christoph Hennig!
Dank seines Buches, seiner Vorgaben und Hinweise ist diese Wanderung ein Genuss in jeglicher Hinsicht! Jeder Weitwanderer weiß, was damit gemeint ist! „Wilde Wege, Stille Dörfer“ - besser kann man diese Weitwanderung nicht in Worte fassen! Eine wahre Aufforderung zum selbst Erleben!
Alle die Weitwanderer, welche wir in diesen zwei Wochen trafen und die mit und nach „Hennig“ gingen, bestätigen: Ohne diesen fachkundigen Führer würden sie das Wagnis nicht angehen, eine solche Wandertour in dieser wunderschönen und ruhigen Gegend zu unternehmen.
Adressen und Infos
Führer:
Wilde Wege, Stille Dörfer Christoph Hennig ; ISBN 978-3-85869-346-4 Rotpunktverlag, Zürich
Karten:
Kompass Nr. 669 Gran Sasso d`Italia/L´ Aquila IGMI Nr.360 Torre De´ Passeri IGM Majella IGM Monte Genzana Monte Rotella IGM Monti Marsicani