Wandern in Oberbayern

Mit dem Zelt von Lenggries nach Urfeld am Walchensee

1. Tag

Gegen 6.30 Uhr reißt mich mein Wecker aus dem Schlaf. Es geht los – die schon lang ersehnte Tour von Lenggries nach Murnau. Nach einem ausgiebigen Frühstück verlasse ich gegen 7 Uhr das Haus und trete eine halbe Stunde Fußweg zum Backnanger Bahnhof an. Man merkt, dass Wanderer mit soviel Gepäck nicht zum Alltag der Backnanger gehören. Neugierige Blicke verfolgen jeden meiner Schritte. Als ich mit 5 Minuten Verspätung Stuttgart erreiche, wächst die Aufregung. Wie wird er wohl sein, der Steffen aus dem Internet, mit dem ich mich für diese Tour verabredet habe? Werden wir uns gleich finden? Ist er da? Jedoch alle Sorgen sind umsonst. Das helle Orange von Steffens Rucksack leuchtet unübersehbar aus dem Menschengetümmel hervor.

Ein kurzes „guten Morgen“, und schon geht es auf die spannende Suche nach einem Lebensmittelladen. In jedem anderen Ort hätte man gefragt, wo das Problem liegt. Nicht aber in Stuttgarts Innenstadt. Ein Sportgeschäft nach dem anderen reiht sich in der Königsstraße aneinander. Nur ein Lebensmittelgeschäft fehlt. Galeria Kaufhof hat noch zu, und so machen wir uns auf den Weg in Richtung Charlottenplatz, wo ich einen Schlecker kenne. Auf dem Weg dorthin unterhalten wir uns kurz und tauschen Informationen aus, als uns plötzlich das gelbe Schild eines Edeka Neukauf Supermarktes auf der anderen Straßenseite auffällt. Und der absolute Wahnsinn, er hat auf! Also nichts wie rein und geschwind vier Liter Apfelschorle, ein halbes Mehrkornbrot, eine Dose Erbsen-Möhren, Schwarztee, Marmelade, vier Äpfel, Tütensuppe, Naturreis und Nudeln eingekauft.

Später, im Zug, bemerkt Steffen plötzlich einen Fleck an seinem Rucksack. Schnell wird klar, dass die Thermoskanne dem Druck der Apfelschorle nicht stand hält. So trinken wir etwas von der Schorle ab, um so ein weiteres Auslaufen zu verhindern. In Ulm dann angekommen, möchte ich am Automaten das Bayernticket kaufen, um so weiter fahren zu können. Doch was bietet mir der blöde Automat an? Baden-Württemberg-Ticket oder Wochenendticket. Da steht man nur wenige Meter von der bayrischen Grenze an einem Automaten und möchte einen Fahrschein kaufen, und dies ist nicht möglich. Also kaufen wir am Schalter das Ticket, was uns letztendlich zwei Euro mehr kostet.

Über Augsburg geht es nun weiter nach München. Unterwegs fahren wir an einem interessanten und auch lustigen Bahnsteig vorbei. Dieser wird gerade von zwei Männern mit Rasenmähern gemäht. Sachen gibt’s! In München hat sich der blaue Himmel, der uns die ganze Zeit über begleitete, hinter großen, dicken Schauerwolken versteckt. Komischerweise regnet es jedoch noch nicht. Die Luft scheint noch zu trocken zu sein. Nach einer fünfundvierzigminütigen Fahrt mit der BOB erreichen wir schließlich gegen 17 Uhr Lenggries. Dort fällt mir ein, dass wir vergessen haben, Gewürze einzukaufen. In einem gegenüberliegenden Schlecker werden wir jedoch nicht fündig. Aber wenige Meter hinter der Isarbrücke treffen wir auf einen Edeka, wo wir uns noch Salz und Pfeffer holen. Nun kann es endlich losgehen!

Könnte es zumindest, wenn da ein Weg wäre. Da ist jedoch keiner. Verdutzt vergleichen wir die große Wanderkarte der Brauneckbahn-Talstation mit meiner mitgebrachten Karte. Bei beiden sind Wege hoch zum Brauneck eingezeichnet. Jedoch können wir ihn nicht finden. Irgendwann reicht es uns, und wir nehmen den zweiten, wenigstens ausgeschilderten und vorhandenen Weg hoch zum Brauneck. Leider entspricht dieser überhaupt nicht unserem Geschmack. Steil geht es eine Art Skipiste den Berg hoch. Immer weiter auf dem breiten und geschotterten Weg, bis wir plötzlich an einem Häuschen auf einen schmalen Pfad treffen, der links abgeht. Auch hier keine Markierung. Trotzdem entscheiden wir uns für den Pfad, was sich auch als richtig herausstellt. Denn in kleinen Serpentinen windet er sich den Berg hoch, bis wir weiter oben bei einem Skilift wieder auf das Schottersträßchen treffen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als wieder diesem zu folgen.

Nach etwa 500 Metern entdecke ich plötzlich zwei schwarze Punkte auf einer nahegelegnen Almwiese. Bei näherem Betrachten stellen sich diese als Gämsen dar. Steffen entdeckt kurz darauf eine dritte Gämse oberhalb der Baumgrenze. Der Verkehr der Brauneckbahn wurde mittlerweile eingestellt, und es herrscht absolute Ruhe. Nur noch das Knirschen von Sand unter unseren Schuhen ist vernehmbar. Als es immer kälter wird, es zu tröpfeln anfängt und außerdem klar wird, dass wir den Gipfel wohl nicht mehr erreichen werden, schlagen wir etwas abseits des Sträßchens mein Zelt auf einem Hügel auf. Gut getarnt vor Blicken anderer. Wir haben gerade den Sturmkocher angeschmissen, als ein erneuter kurzer Schauer mit Schnee durchmischt herunterkommt. Es wird bitterkalt, und wir wollen nur noch eins: rein in die Schlafsäcke. Zuvor essen wir jedoch die Nudeln mit der von Steffen zu Hause zubereiteten Soße. Noch kurz abgespült, Zähne geputzt und rein in den warmen Schlafsack.

2. Tag

Gegen 5.45 Uhr weckt uns das Piepsen meiner Armbanduhr. Es ist eisig kalt draußen, und am liebsten möchten wir gar nicht aufstehen. Doch die unmittelbare Nähe zur Brauneckbahn zwingt uns zum Aufbrechen. So haben wir eine Stunde später wieder alles zusammen gepackt und machen uns auf den Weg hoch zum Gipfel. Wenige Meter hinter unserem Schlafplatz verlassen wir endlich den Schotterweg und betreten einen schmalen Pfad, der uns unterhalb der Brauneckbahn nach oben bringt.

Gegen 7.30 Uhr erreichen wir bei Sonnenschein den Gipfel. Ein breiter Schotterweg führt nun auf gleich bleibender Höhe in Richtung Westen. Etwa 300 m vom Brauneckhaus machen wir bei einer Bank Rast und genießen bei herrlichem Wetter und einem tollen Panorama das Frühstück. Ich habe gerade den Kocher wieder weggepackt, als wir von unten Motorengeräusche vernehmen. Was könnte das sein? Ein Lkw kommt langsam den Berg hoch gekrochen, um wenige Minuten später an unserem Platz vorbei zufahren. Daraufhin beschließen wir weiter zu gehen. Nach 500 m verlassen wir das Schottersträßchen nach rechts, um weiter oben nach links in einen schmalen Pfad einzubiegen. Es geht nun stets am Hang an wunderschönen Bergblumen vorbei. Immer wieder sind Enziane und Trollblumen der Bestandteil der Wiesen links und rechts. Nachdem der Pfad einen kleinen Wald durchquert hat, geht es nun im Schatten einer Felswand steil nach unten. Die Wegbeschaffenheit wird immer schlechter, und am Schluss hat man das Gefühl, sich auf einem von Gämsen getrampelten Pfad zu bewegen.

Immer wieder kommen wir an Skiliften vorbei, bis wir schließlich die Stiealm erreichen. Ein Bauer, der gerade das Tagesangebot an eine Tafel schreibt, grüßt uns freundlich und fragt uns nach unserem Ziel. Hinter der Stiealm geht es erst mal wieder einen breiten Schotterweg nach oben. Dieser endet jedoch bei der Bergstation eines kleinen Skiliftes. Von nun an geht es nur noch auf einem kleinen felsigen Pfad unterhalb des Latschenkopfes entlang. Durch das Wegtauen der Schneereste wird vor allem dieser Teil des Weges zu einer Schlammschlacht. So sehen wir auch eine halbe Stunde später dementsprechend aus, als wir den Grat der Achselköpfe erreichen. Bis zu den Knien hoch sind wir voll gespritzt.

Erst hier bemerken wir, dass wir irgendwo den ursprünglichen Weg verpasst haben, denn von rechts kommt der eigentliche Weg vom Latschenkopf runter. Anstatt über den Latschenkopf zu gehen, sind wir unterhalb an ihm vorbeigegangen. (Dass die Wegführung auf der gesamten Strecke als eher miserabel einzustufen ist, stellte sich erst am Ende der Tour heraus.) Wir haben nun die Qual der Wahl. Entweder wieder steil ins Tal und auf der anderen Seite wieder hoch oder aber über den Grat der Achselköpfe rüber zur Benediktenwand. Ein Schild weist jedoch darauf hin, dass die zweite Variante nur für Geübte geeignet ist.

Trotzdem entschließen wir uns für den schöneren Weg über den Grat. Anfangs noch bis zu drei Meter breit, wird der Grat immer schmäler. Gelegentlich gibt es direkt links und rechts des Weges senkrechte Felsabbrüche. Immer wieder müssen Passagen des Weges erklettert werden. Und immer wieder geht es hoch und runter. Stahlseile und einmal eine Leiter erleichtern das Fortkommen. Zwischendurch sind auch einige Altschneefelder zu durchqueren. Gegen 12 Uhr haben wir den Grat hinter uns und sind froh diesen Weg gegangen zu sein und nicht den anderen.

Nur wenige Minuten später geht es links den Ostaufstieg zur Benediktenwand hoch. Der Anfang dieses Weges hat es in sich. Steil im Felsen geht es mit Hilfe von Stahlseilen den Berg hoch. Höchste Aufmerksamkeit ist hier lebensnotwendig. Ein falscher Schritt und man stürzt ab. Doch auch diesen Teil des Weges schaffen wir letztendlich ohne Probleme und stehen schließlich am östlichen Teil der Benediktenwand in riesigen Altschneefeldern. Hier machen wir erstmal wieder eine Pause und erholen uns von dem Aufstieg. Gerade als wir wieder aufbrechen, kommt eine kleine Gruppe ältere Leute hinter uns den Berg hoch. Vor diesen laufen wir nun auf einer Art Hochebene in Richtung Gipfel. Bald ist sich auch schon das Gipfelkreuz zu erkennen, das wir um 13 Uhr erreichen. Einer der Männer hinter uns bietet uns schließlich an ein Gipfelfoto von uns aufzunehmen, was wir dankend annehmen. Ingesamt ist sehr wenig auf dem Gipfel los, was natürlich auch an dem Werktag liegen kann.

Beim Abstieg auf der Westseite der Benediktenwand wird uns klar, dass unsere Wasservorräte nicht mehr reichen werden. Aus diesem Grund beschließen wir einen kleinen Umweg zur Tutzinger Hütte einzulegen. Der Abstieg auf der Westseite ist im Gegensatz zu Ostseite ein gemütlicher Weg, und so erreichen wir etwas später den Abzweig zur Tutzinger Hütte. Links geht es weiter zum Walchensee, rechts zur Tutzinger Hütte. Nach einem Blick auf die Karte wird uns klar, dass wir bis hier wieder zurück wandern müssen. Der Pfad zwischen Latschenkiefern führt gleichmäßig an der Nordseite der Wand nach unten. Kurz vor der Hütte jedoch müssen wir über ca. 200 Höhenmeter in Serpentinen ein Geröllfeld durchqueren. Dementsprechend schmerzen danach auch die Füße.

Unten bitte ich den Hüttenwirt, unsere Flaschen wieder aufzufüllen. Drei Liter Quellwasser bekommen wir umsonst, die drei Liter Apfelschorle dagegen entsprechen mit ihren 16 Euro Hüttenpreisen. Kurzerhand entschließen wir uns, auf der Hütte zu bleiben und noch eine Portion Kaiserschmarrn mit Apfelmus zu essen. Gut gestärkt machen wir uns eine Stunde später wieder auf den Weg. Zuerst müssen wir jedoch das blöde Geröllfeld durchqueren. Endlich erreichen wir wieder die Abzweigung zum Walchensee, und die Tour kann weiter gehen. Es geht nun steil in Serpentinen den Berg runter. Unten angekommen kann man bei einem Blick nach oben gar nicht glauben, dass es an einem solchen Steilhang überhaupt einen Weg gibt. Wir befinden uns nun in einem dichten Buchenwald auf einer Art Passhöhe. Links geht es den Berg runter, rechts geht es den Berg runter. Nach links ist Jachenau ausgeschildert und darüber ein abgefallenes Schild mit dem Namen Kochel am See.

Genau damit fängt das ganze Unheil an. Jachenau und Kochel am See liegen nämlich in entgegen gesetzter Richtung. Da bei dem Weg nach rechts das Schild fehlt, aber erkennbar ist, dass sich dort mal ein Schild befand, gehe ich davon aus, dass jemand das Schild Kochel am See auf der falschen Seite abgelegt hat. So gehen wir statt links nach rechts den Berg runter. Die ganze Zeit über leitet uns eine rote Wegmarkierung. Nach 20 Minuten endet der Fußpfad in einem breiten Forstweg, dem wir nach links folgen. Nach 500m auf diesem Weg werde ich erstmals stutzig. Im Hintergrund ist die gesamte Breite der Benediktenwand erkennbar. Die dürften wir jedoch gar nicht mehr sehen, wenn wir nach Westen gingen. Also Kompass ausgepackt und kontrolliert. Zum Glück! Denn statt nach Westen bewegen wir uns direkt nach Norden. Auf der Karte versuchen wir nun zu erkennen, wo wir uns eigentlich befinden. Nachdem wir in etwa unseren Standpunkt ermittelt haben, überlegen wir, was wir nun machen sollen. Uns auf einem anderen Weg wieder nach Süden durchschlagen oder den ganzen Weg wieder zurückwanden? Wir entscheiden uns für die zweite, sicherste Variante – zurück auf die bewaldete Passhöhe. Dort angekommen, suchen wir erstmal nach einem Weg, der nach Westen führt. Da ist jedoch nichts. Nur die Route links runter nach Jachenau. Jachenau liegt jedoch auch nicht auf unserem Weg. Ratlosigkeit.

Schließlich beschließen wir dem Wegweiser Richtung Jachenau zu folgen. Was anderes bleibt uns ja auch nicht übrig. Als wir ca. 100 Höhenmeter abgestiegen sind, treffen wir plötzlich auf eine neue Kreuzung. Hier ist nun auch endlich wieder der Walchensee ausgeschildert, und die Richtung stimmt. Immer noch in einem dichten Buchenwald geht es nun immer auf einer Höhe am Südhang der Glaswand entlang, bis wir auf eine kleine Almwiese stoßen. Rechts wächst nun lichter Fichtenwald. Der Boden voll mit Gräsern. Ein idealer Zeltplatz, finden wir. Doch leider finden das auch die Ameisen. Hinter jedem Baum ein Ameisenhügel. Schließlich finden wir etwas abseits des Weges oben am Hang ein flaches Stück ohne Ameisen. Hier bauen wir unser Zelt auf und kochen ganz in der Nähe unseren Reis. Leider lässt sich bei meinem Kocher die Flamme nur sehr schwer bis gar nicht regulieren, sodass unser Reis nicht köchelt, sondern kocht. Dies machte sich dann auf die Festigkeit des Reises bemerkbar. Aber auch dieses Essen schmeckt ganz gut. Kaum ist die Sonne untergegangen, wird es wieder eiskalt. So verschwinden wir erneut sehr früh in unseren Schlafsäcken.

3. Tag

Um 5.45 Uhr piepst wieder die Uhr. Doch es ist so kalt, das keiner aufstehen will. So stelle ich den Wecker auf 6.00 Uhr. Immer noch kalt. 6.30 Uhr. Nee, lieber liegen bleiben. Um 6.45 Uhr schließlich, also genau eine Stunde später als geplant, überreden wir schließlich unsere Füße aus dem Sack zu kriechen und abzubauen. Draußen nun herrlichster Sonnenschein. Kaum Wolken am Himmel. Was mich jedoch stört, ist das fast trockene Außenzelt. Kein Kondenswasser! Aber erstmal genießen wir wieder bei Sonnenschein unser Frühstück. Es ist einfach herrlich in der warmen Sonne in einer blühenden Almwiese zu sitzen und das Alpenpanorama zu genießen.

Auf einem tollen Pfad geht es danach am Fuß der Glaswand und danach an der Südseite des Rabenkopfs entlang. Hier kreuzen immer wieder Wasserfälle den Weg. Und zum ersten Mal auf der Tour knallt die Sonne dermaßen runter, das wir unsere Jacken ausziehen müssen. Mittlerweile machen wir uns schon wieder Sorgen um Trinkwasser. Aus diesem Grund sind wir auch sehr erfreut, als wir auf der Staffelalm einen Wasserhahn entdecken. Rucksack runter, Flaschen raus und abfüllen. Doch Steffen hat gerade die erste Flasche halbvoll, da sind wir aufgrund der Färbung des vermeintlichen Trinkwassers mehr als skeptisch. Milchigweiß ist die erste Flasche gefüllt. Kann natürlich auch Kalk sein, aber lieber kein Risiko eingehen und wieder wegkippen.

Doch schon das nächste Problem. Wo ist schon wieder der Weg? Ein ganzer Schilderwald, doch in die gezeigte Richtung kein Weg erkennbar. Zum Glück kommt in diesem Moment der Wirt der Hütte angelaufen und hilft uns weiter. Der Weg fängt ganz wo anders weiter unten an. Das Schild zeigt mal wieder in die falsche Richtung. Auf die Frage wegen Trinkwasser meint der Wirt nur lachend: „Die oinen vertragen’s, die andern net“. Also lassen wir das erstmal bleiben und machen uns auf den Weg zur Kochleralm. In Serpentinen führt ein schmaler Pfad in ein schönes Tal, bis wir schließlich auf der Kochleralm stehen. Von dort geht es nun im Tal ein Schottersträßchen weiter. Nach ca. einem Kilometer kommen wir an einem Holzbrunnen vorbei, der mit Hilfe einer Rohrleitung gespeist wird. Hier füllen wir nun unsere Flaschen ab.

Weiter folgen wir nun der Straße abwärts, bis links ein Pfad zum Jochberg abgeht. Nach einigen Kilometern in dichtem Laubwald erreichen wir ein Stück gerodeten Nadelwald. Hier machen wir erstmal Pause und trinken die Reste unserer Apfelschorle. Weiter geht es nun über eine große Almwiese zur Abzweigung auf den Jochberg. Mal wieder in Serpentinen geht es einen schmalen Pfad den Berg hoch. Durst macht sich bei mir wieder breit. Bei Steffen offensichtlich auch, denn er freut sich genauso wie ich, als wir in der Nähe der Jocheralm auf das Schild „Zur Quelle“ stoßen. Doch irgendwie scheint es sich hier um einen blöden Scherz zu handeln, denn außer an einer Viehtränke gibt es nichts Quellähnliches. So erreichen wir schließlich ein wenig enttäuscht die Jocheralm. Hier ist der Teufel los. Überall Wanderer und Spaziergänger. Mit einem Blick auf den Gipfel beschließe ich kurzerhand den Abstieg nach Urfeld. Denn da oben tummelt sich halb Walchensee.

Zuvor legen wir jedoch noch eine größere Pause etwas abseits des ganzen Trubels ein. Schuhe und Socken werden ausgezogen, und wir genießen die Sonne. Es zieht allerdings von Westen her immer mehr zu. Außerdem fällt der Luftdruck von Anfangs 1030hPa auf ca. 1010hPa . Weiter geht es erst noch sanft einen etwas felsigen und mit Wurzeln duchwachsenen Pfad den Berg runter. Nachdem ein weiterer Pfad vom Jochberg eingemündet ist, führt der Weg steil und in vielen Kehren den Berg runter. Unterwegs treffen wir auf eine Quelle, an der wir eine letzte Flasche auffüllen.

Auf diesem Abschnitt kommen uns Hunderte von Leuten entgegen. Mit Kindern, ohne Kinder, ältere Leute, junge Leute. Nach zwei Tagen Ruhe ein richtiger Schock ;-) Unterwegs treffen wir einen weiteren Wanderer mit einem noch größeren Rucksack. Außerdem erkundigt sich ein Familienvater nach unserer Tour. Als er wissen möchte, wo wir übernachtet haben, gebe ich ausweichend nur die Info, dass wir draußen geschlafen haben. Man weiß ja nie, wie manche auf Wildcampen reagieren. Als von unten die Passtrasse zu hören ist, wissen wir, dass wir es bald geschafft haben. Gegen 15 Uhr erreichen wir die Straße und laufen die drei bis vier Kehren nach Urfeld hinunter. Dort kaufen wir in einem uralten Tante-Emma-Laden mal wieder drei Liter Apfelschorle. Diesmal jedoch wieder für einen angenehmeren Preis.

An einer Bushaltestelle schauen wir schon einmal nach der besten Verbindung nach Kochel. Am Ufer gehen wir danach das kleine Sträßchen nach Jachenau entlang, um uns einige Meter später auf einer Bank auszuruhen. Steffen zieht seine Schuhe aus, um seine Füsse in den Walchensee zu halten, was ich ihm einige Minuten später nachmache. Das Wasser ist eiskalt, und ich brauche etwas Zeit, bis wirklich der ganze Fuß im Wasser ist. Anschließend stellt sich jedoch ein angenehm warmes Gefühl um den Fuß ein. Ein vorbeikommender Hundebesitzer erkundigt sich ganz genau nach unserem Vorhaben. Will alles ganz genau wissen. „Und übernachten tut ihr dann im Wald. Stimmt’s?“ Ertappt!

Wenig später machen auch wir uns wieder auf den Weg. Immer die Straße entlang. Hier vermute ich die einzige Chance auf einen ebenen Zeltplatz. In der Nähe eines kleinen Sandstrandes verlassen wir dann auch die Straße, um weiter oben im Wald nach einem Zeltplatz zu suchen. Aber ausgerechnet da steht plötzlich ein Mann im Wald rum. Was der da wohl macht? Auf jeden Fall beobachtet er ganz genau unser Vorgehen. Ich reagiere dementsprechend, ziehe meine Landkarte hervor und tue so, als ob ich einen Weg suchen würde.

So verlassen wir wieder den Wald und folgen noch einige Meter der Straße, bevor wir einen neuen Versuch starten. Und tatsächlich, wir finden oberhalb der Straße ein einigermaßen ebenes Stück Erde. Da es noch zu früh ist und wir uns noch immer in der Nähe des unbekannten Mannes befinden, steigen wir weiter den Berg auf, immer auf der Suche nach Alternativplätzen. Doch schnell wird klar, dass hier oben nichts zu finden ist. Deswegen bauen wir dort oben meinen Kocher auf und machen Tomatensuppe mit Reis. Während dieser Zeit hat es sich immer mehr zugezogen, und Wind kommt auf. Man merkt nun deutlich, dass das Wetter nicht mehr hält. Plötzlich wird es auch wieder kalt. Gegen 19.30 Uhr steigen wir wieder ab und bauen vorsichtig auf dem vorher gewählten Platz das Zelt auf. In der Nacht wache ich dann von einsetzendem Regen auf. Das Blätterdach über uns schützt uns jedoch noch ein wenig.

4. Tag

Um 5.45 Uhr piepst wieder meine Uhr. Es regnet leicht, und es ist kalt. Doch es hilft alles nichts. Um 8.49 Uhr fährt unser Bus ab. Also bauen wir noch im Schutz des Außenzeltes das Innenzelt ab und nutzen eine kleine Regenpause, um auch den Rest abzubauen. Als wir aus dem Wald treten, hängt alles in dicken Wolken. Aber es regnet gerade nicht. Also machen wir uns auf den Weg nach Urfeld zur Bushaltestelle. Ich meine dort eine überdachte Bushaltstelle gesehen zu haben. Als wir ankommen, zeigt sich jedoch, dass es eine Haltestelle ohne Dach ist. Also bauen wir den Kocher unter einer großen Kastanie am Ufer des Walchensees auf.

Als der Bus der OVB anrollt, frage ich den Fahrer, ob man bereits hier das Wochenendticket der Bahn kaufen kann. Dieser sagt mir jedoch, dass er mir nur das Bayernticket verkaufen kann. Das bringt mir jedoch nichts, da wir ja auch in Baden-Württemberg fahren werden. Ich möchte deshalb daraufhin zwei normale Tickets nach Kochel kaufen. Der Fahrer meint jedoch, dass wir uns hinsetzten sollen, und nimmt uns daraufhin umsonst nach Kochel mit. Dort kaufe ich dann am Automaten das Wochenendticket, und wir fahren mit einer Regionalbahn nach Tutzing, wo wir auch sogleich Anschluss nach München haben. In München müssen wir uns aber mit einer längeren Wartezeit abfinden. Doch auch dies ist recht bald überstanden, und so sitzen wir anderthalb Stunden später im Zug nach Ulm sowie noch etwas später in dem nach Stuttgart. Fazit:

Es war eine sehr schöne Tour. Wir sind zwar nicht so weit gekommen wie geplant, aber das ist ja auch egal. Es war sehr kalt, aber weitgehend trocken. Die Beschilderung war allerdings wirklich miserabel. Entweder es fehlten ganze Schilder, oder sie zeigten in die falsche Richtung, oder aber sie waren unleserlich

Fotos: Markus Mohr und Steffen

Eher etwas für Gemsen als für WandererNichts für schwache NervenDie BenediktenwandZünftig Kochen unter freiem HimmelVorderer Kirchsteig - irgenwo dahinter liegt der LatschenkopfDas Ziel ist erreicht - der Walchensee
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