Zu Fuß und mit Zelt zwei Mal quer über die Alpen

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1. Vom Markusplatz in Venedig zum Marienplatz in Garmisch

Auf L. Grasslers Traumpfad über die Venezianer Alpen, die Dolomiten, die Zillertaler Alpen, die Tuxer Alpen und das Karwendel, vom 15.6. bis 4.7.99, 20 Tage, 131 Stunden, 25 000 m Aufstieg, 377 km Bergwege, 88 km Wegstrecke mit Auto gefahren.

Der Nachtzug brachte mich nach Venedig, am Vormittag bin ich durch die Stadt zum Markusplatz gebummelt, mittags dann mit einem Linienschiff zur Punta Sabbioni hinüber gefahren. Es war heiß und schwül und endlos flach auf den Wegen und Straßen nach San Dona di Piave, da bin ich mit dem Bus gefahren zum Hügelland der Venezianer Alpen. Vom ersten Berg, dem Col Visentin (1763 m) war wunderbare Aussicht auf das Flachland im Süden und auf die Dolomiten im Norden. Und nachts funkelte der Sternenhimmel über dem Lichtermeer der Ebene!

Über Belluno kam ich an die Dolomiten und bin den Klettersteig Via ferrata Marmol am Monte Schiara aufgestiegen: erst senkrechter Fels mit Leitern, dann mit den Steigeisen durch eine Schlucht voll Hartschnee zu einer Querung an dünnem Drahtseil in senkrechter Felswand, nun leichter hinauf zur Forcella del Marmol (2262 m). Eine Wolkendecke mit Regenwetter hielt sich drei Tage lang an den Bergen fest, daher war keine Aussicht vom Alta Via delle Dolomiti 1 über den Passo Duran und das Val Civetta nach Alleghe. Nach kuzer Busfahrt bei Regen weiter auf dem Bindelweg, grau und düster lag breit die Marmolada gegenüber. Unter tiefhängender Bewölkung war viel Neuschnee im Aufstieg über den Passo Pordoi zum Rifugio Boe (2873 m). Doch der nächste Tag war wolkenlos schön, ich hatte eine glasklare Rundum-Sicht vom Piz Boe (3152 m). Nach dem Abstieg durch das eisglatte Val Setus zum Grödner Joch und dem sonnigen Aufstieg über das Crespeina-Joch schaute ich abends von der Puez-Spitze (2918 m) begeistert zurück und in die Runde. Der Weiterweg zur Roa-Scharte lag im Nebel, vom Peitlerkofel (2875 m) war gute Sicht, dann im langen Abstieg nach Lüsen herrschte brütende Sommerhitze.

Gemütlich ging ich hinüber ins Pustertal, fuhr mit dem Bus nach Pfunders und stieg auf in die Zillertaler Alpen. Über die Glieder-Scharte (2644 m) ging ich mit den Steigeisen, im Abstieg verlangte die Querung einer Steilflanke auf 2200 m Höhe einen sicheren Tritt. Am Weg vom Pfitscher Joch zum Schlegeis-Speicher war noch schönes Wetter und viele Leute waren unterwegs. Doch die Olperer Hütte stand am nächsten Tag unter Dauerregen, am Nachmittag bin ich wenigstens zum Friesenberg-Haus gegangen. Der Hüttenwirt meinte, die Friesenberg-Scharte (2910 m) geht noch nicht. Das wollte ich genau wissen und habe am Abend noch eine Steigeisen-Spur in den Steilhang mit Lawinen-Schnee getreten. Dadurch bin am nächsten Morgen trotz Nebel und Schneefall gut hinaufgekommen. Die Tuxer Gipfel waren noch schneebedeckt, ich stapfte über Geier-Spitze (2875 m) und Naviser Jöchl (2479 m) nach Tulfes, fuhr mit dem Bus nach Hall im Inntal.

Im Karwendel hatte ich vom Bettelwurf und der Speckkar-Spitze leider wenig Aussicht. Brauchte dann die Steigeisen für die Birkkar-Spitze (2749 m), habe schön gezeltet auf dem Bäralp-Sattel. Bin auf dem luftigen Gjaidsteig hinab und über den Wörnersattel nach Mittenwald gekommen. Hier war es 38° heiß, Grund genug für ein großes Eis und ein Bad im Ferchensee. Am letzten Tag war wieder strahlender Sonnenschein auf meinem Weg über die Wetterstein-Alpe und die Partnach-Klamm zum Marienplatz in Garmisch. Grasslers Traumpfad meint zwar den Marienplatz in München, mein Ziel war natürlich der heimische Marienplatz.

2. Von Garmisch-Partenkirchen nach Verona

Über die Lechtaler Alpen, die Ötztaler Alpen, auf der Route E-5 über die Sarntaler Alpen, die Fleimstaler Alpen und die Vizentiner Alpen nach Verona, vom 30.8. bis 19.9.99, 21 Tage, 154 Gehstunden, 31 000 m Aufstieg, 455 km Bergwege, 35 km Wegstrecke mit Auto.

Von der Haustüre weg ging ich über das Hochtörlenjoch nach Ehrwald, bin über die Grubig-Alm bis zum Fernpass gekommen und habe schön gezeltet im Kälbertal. Weiter in den Lechtaler Alpen, über den Lorea-Kopf (2471 m) und das Hinterberg-Joch (2202 m) zur Anhalter Hütte. Über den Scharnitz-Sattel (2441 m) zur Muttekopf-Scharte (2615 m), bei düsterer Bewölkung durch die grimmigen Kübelwände abgestiegen, die östliche Dremel-Scharte (2553 m) dann war noch unheimlicher bei ziehenden Nebelschwaden. Heute besser nicht am Steinsee zelten, dachte ich mir, ab zur Steinsee-Hütte. Und es schüttete nachts aus allen Kübeln! Der Morgen war wieder schön für die lange Tour über die Gufel-Spitze (2617 m), die Rosskar-Scharte und das Gebäud-Joch zum Würtemberger Haus. Weiter zur Großberg-Spitze (2657 m), über das Großberg-Joch und die Seescharte zum Oberen Seewi-See (2500 m). Das Zelt blieb stehen für den Abstecher zur Parseier-Spitze (3036 m) über das Parseier Joch und die Patrol-Scharte, vom Gipfel war beste Rundumsicht. Nach dem Abstieg habe ich schön gebadet im Sewi-See und bin über die Seescharte nach Zams abgestiegen.

Per Venet-Seilbahn hinauf geschwebt, dann unter vielen Tagesgästen über die Gipfel des Venetberges nach Wenns gegangen. Weiter auf dem Geigenkamm der Ötztaler Alpen, über den Wildgrat (2971 m) kam ich zur Ludwigsburger Hütte. Über den Fundusfeiler (3079 m) zum Felderjöchl (2797 m), äußerst steil hinab und zum Hauersee mit gutem Zeltplatz. Kein Vergnügen war der Aufstieg zur Luibis-Scharte (2914 m) bei Nebel, Regen und blankem Eis. Weiter übers Rötkarl-Joch (2710 m) zur Chemnitzer Hütte. Sieben Leute gingen am frühen Morgen auf den Mainzer Höhenweg, ein junggebliebener Alter und ich warteten lieber das Tageslicht ab. Wir plauderten zum Weißmaurach-Joch (2953 m) hinauf, stiegen über steile Felsrippen und stapften auf Firnflächen zum Wassertal-Kogel (3252 m). Die Frühaufsteher hatten keine Chance, alle wurden von uns überholt. Weiter mit Tiefblick den Blockgrat entlang zum Polleskogel und runter zum Pitztaler Jöchl. Nach 5:25 Stunden klopften wir uns gegenseitig auf die Schulter, denn andere sollen für diese Tour zwei Tage brauchen!

Ab dem Jöchl nahm ich die Route E5 für den Weiterweg, stieg ab nach Zwieselstein und kam auf alten Wegen übers Timmelsjoch (2509 m) in die Sarntaler Alpen. Hatte abends vom Hirzer (2781 m) gute Sicht auf die Dolomiten im Abendrot, auf den Weiden oberhalb von Meran war heuer nicht ein Haflinger zu sehen. Kein Zimmer frei in Jenesien, habe am Sportplatz gezeltet, fuhr am Morgen mit der ersten Gondel hinab nach Bozen.

Hier bin am Sonntag-Morgen durch die Altstadt an den Gegenhang gebummelt. Die Seilbahn trug mich hinauf nach Kohlern, und schon war ich wieder unterwegs im Hügelland der Fleimstaler Alpen. Kam über Deutschnofen nach Maria Weißenstein, habe in der aufschlussreichen Bletterbach-Schlucht Erdschichten bestaunt. Radein, Truden und Gfrill waren die letzten Dörfer im Südtirol. Dann, im Buschwerk der Steilflanken, roch es plötzlich nach Macchia, bella Italia ich komme. Auf dem Weg zur Lagorai Gruppe die Erd-Pyramiden von Segonzano bestaunt, abends hoch oben am Lago Erdemolo gut gezeltet. Es war eine eiskalte Nacht, dafür hatte ich schönes Herbstwetter auf dem M. Gronlait (2388 m) und dem M. Fravort (2347 m). Eine italienische Mama reichte hier gerade ihrer Familie Köstlichkeiten, aus Gaudi habe auch ich meine Hand aufgehalten. Begeistert lachend bezog die Frau mich mit ein, ich genoss ihre feinen Pfannkuchen, belegte Semmeln, Obst, Kaffee, Wein, molto bene, mille grazie Signora Mama! Hocherfreut stieg ich ab nach Lévico Terme.

Der Gegenanstieg aus dem Tal heraus gefiel mir gar nicht, also ließ ich mich hinauf fahren nach Carbonare. Erleichtert ging ich die Vizentiner Alpen an, hier war kein Gebüsch und das Klima war erträglich. Auf Waldwegen und alten Militärstraßen stiefelte ich über den Monte Maggio (1853 m) in die Pasubio Gruppe, Kriegsrelikte wo ich hinschaute. Über die Carega-Gruppe musste ich leider bei Nebel, im erstaunlich einsamen Lessinia-Hügelland gingen schwere Gewitterregen nieder. Ich stand staunend unter der mächtigen Naturbrücke Ponte di Veja und ging zum Abschluss durch die märchenhafte Schlucht Val Borago nach Verona hinab. Nach einem kurzen Stadtbummel bin ich zum schönen Abschluss mit dem Zug nach Venedig gefahren, leider bei Regenwetter.

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