Da ist die Festung Ehrenbreitstein ein ganz anderes Kaliber. Schon um 1000 v. Chr. Gab es an dieser Stelle eine Wehranlage, die Römer errichteten dort einen Militärposten und im Mittelalter ragte eine Burg auf dem Felsen empor, die dann von den Trierer Kurfürsten zu einer monumentalen Festung ausgebaut wurde. Letztendlich hat ihr ihre Größe aber auch nichts genutzt. 1799 konnte sie der Belagerung durch französische Revolutionstruppen nicht mehr standhalten und musste kampflos übergeben werden. 1801 wurde sie gesprengt aber von den Preußen 30 Jahre später wieder aufgebaut vermutlich aus Prestigegründen: Das Gibraltar am Rhein.
Koblenz selbst wurde im 2. Weltkrieg stark zerstört, aber es gibt noch schöne Ecken in der Altstadt, durch die zu schlendern durchaus lohnt. Dass dort auch gute Rhein- und Moselweine ausgeschenkt werden, versteht sich von selbst.
Nach geschichtsbeladener Stadtluft ist dann auf der ersten Wanderetappe Gegend pur angesagt. Bis Braubach wird kein Ort mehr durchquert. Zunächst geht es – weg vom Rhein – in stetigem Auf- und Ab gemütlich durch lichten Mischwald voran. Bunte Blätter rieseln dann und wann auf den Weg und künden vom Herbst, obgleich eine schwüle Wärme nicht nur die Pilze sprießen sondern ab und an auch den Schweiß fließen lässt. Auf dem letzten Drittel der Etappe geht’s dann zur Sache. Zwei Flusstäler und zwei Klammen mit steilen Auf- und Abstiegen warten auf den trittsicheren und konditionell gut vorbereiteten Wanderer. Zunächst ist die Ruppertsklamm zu bewältigen. Der Weg wird alpin. Einige Stellen sind drahtseilversichert, bei maximal fußbreiten Felsvorsprüngen über rasch dahinfließendem Wasser auch ausgesprochen hilfreich. Die Klamm endet bei Lahnstein im Lahntal. Hier könnte man in den Ort gehen, um das berühmte Wirtshaus an der Lahn zu besuchen, angeblich die Geburtsstätte der Wirtinnen-Verse:
Es steht ein Wirtshaus an der Lahn,
da kehren alle Fuhrleut an;
Frau Wirtin sitzt am Ofen,
die Fuhrleut um den Tisch herum,
die Gäste sind besoffen.
Der Rheinsteig lässt Lahnstein rechts liegen und steigt auf der anderen Lahnseite wieder steil empor, um die Barriere zum Rheintal zu überwinden. Oben angekommen geht’s durch die nächste Klamm wieder steil hinunter ins Rheintal, Man erreicht bewohntes Gebiet, aber die Hoffnung, es jetzt im Prinzip geschafft zu haben, wird rasch enttäuscht. Noch einmal sind zwei steile Auf- und Abstiege zu bewältigen bis Braubach erreicht ist, Über dem Ort thront die Marksburg, die einzige, niemals zerstörte Burg am Mittelrhein. Hier treffe ich auch auf die ersten Weinberge dieses Abschnitts, passend zum Winzerfest, das hier in Braubach gerade drei Tage lang mit Livemusik und guten Weinen auf dem Marktplatz und in allen Lokalen gefeiert wird.
Während die Reste des Weinfestes zusammengefegt und klar Schiff für den nächsten Festabend gemacht wird, mache ich mich, begleitet vom sonntäglichen Glockengeläut, wieder auf den Weg. Noch liegt ein wenig Nebel auf den Höhen, aber es verspricht, ein schöner und landschaftlich reizvoller Tag zu werden. Im Weltnaturerbe „Oberes Mittelrheintal“ bricht der Rhein durchs Rheinische Schiefergebirge. Die Hänge werden steil, in weiten Passagen um die 45°, und das hat Folgen. Der Weinbau wurde schon lange aufgegeben, er war zu mühselig geworden und rentierte sich nicht mehr. So konnte sich die Natur die aufgelassenen Weinberge mit ihren meist noch intakten Trockenmauern pittoresk zurückerobern. Insbesondere Eichenwald hat sich angesiedelt, der auch für ein ökologisches Projekt genutzt wird: In einem großen eingezäunten Areal, das der Rheinsteig durchquert, werden verschiedene halbwilde Haustierrassen in einem Freilandversuch gehalten, um zu erforschen, wie sich ihre Anwesenheit auf die Landschaftsentwicklung auswirkt.
Auf vielfach nur schmalen Pfaden in felsigem Schiefergestein, die viel Aufmerksamkeit und Trittsicherheit erfordern, geht’s manchmal nur langsam voran, zumal auch die Auf- und Abstiege extrem steil sind. Am Abend habe ich das Gefühl, eine Tour in den Alpen gemacht zu haben. Die zahlreichen Ausblicke ins Rheintal sind aber immer grandios und entschädigen für die Mühe, da auch das Wetter, schon fast kitschig, der Vorstellung vom goldenen Herbst perfekt zu entsprechen versucht. Eine Hebbel-Gedicht kommt mir in den Sinn, das ich in meiner Schulzeit mal interpretieren musste:
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
denn heute löst sich von den Zweigen nur,
was von dem milden Strahl der Sonne fällt.
Die Idylle wird allerdings durch den ständigen Lärm aus dem Rheintal getrübt, der sich zwischen den steilen Hängen verfängt und verstärkt wird. Da ist es wohltuend, wenn der Pfad in waldreiche Seitentäler abbiegt und statt des Zivilisationslärms das natürliche Geplapper eines Baches den Wanderer begleitet.
Der Weg ist durchaus fordernd aber er macht glücklich und es wartet ja auch noch ein Abend in einer netten Weinstube in Kamp-Bornhofen, einem typische Rheinort: Langgestreckt zwischen Fluss, Straße und Eisenbahntrasse.
Dem Rheinsteig gesellt sich jetzt für einige Zeit der Burgensteig zu. Wie man weiß, liegen Burgen am Rhein in der Regel auf hohen Felsspornen und dazwischen gibt’s tiefe Täler, damit sich die Burgherren bei ihren alltäglichen Geschäften nicht allzu sehr in die Quere kommen. Für den Wanderer heißt das: Viel und steil rauf und viel und steil wieder runter. Die beiden Burgen „Sterrenberg“ und „Liebenstein“ machen den Auftakt. Man nennt sie auch „Die feindlichen Brüder“ und natürlich gibt es dazu eine Geschichte, die etwa folgendermaßen geht: Der Herr auf Sterrenberg hat zwei Söhne, Heinrich, still und zurückhaltend und Konrad, temperamentvoll und ungestüm. Die schöne Angela kommt auf die Burg und beide verlieben sich unsterblich in sie. Konrad macht das Rennen und verlobt sich mit ihr, Heinrich leidet still. Der Vater hätt‘s gerne andersrum gehabt, schmeißt Konrad raus und lässt ihn eine eigene Burg bauen. Konrad geht auf den Kreuzzug während Angela tugendhaft auf ihn wartet. Der Filou bringt aber eine hübsche Griechin mit nach Hause und ehelicht diese. Das lockt endlich den immer noch still leidenden Heinrich aus der Reserve, er fordert seinen Bruder zum Duell auf Leben und Tod. Die liebreizende Angela tritt aber dazwischen und verhindert so den Kampf. Danach zieht sie sich ins Kloster Marienburg zurück und Heinrich wählt ein Dasein als Eremit. Beide sterben schließlich zur selben Stunde. Die Burgen stehen aber immer noch für den Bruderzwist. Auch die Burg „Maus“ fordert noch einmal anstrengendes Steigen aber über sie gibt’s keine so schöne Geschichte.
Der Rheinsteig verlässt danach erst einmal das steile Ufergelände und weicht auf die sich anschließende Hochebene aus. Hier wurde früher z.T. Bergbau bestrieben – Reste davon sind in der Landschaft noch überall sichtbar – heute wird sie aber ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. In „Uschis Wanderherberge“, direkt am Weg gelegen, lässt sich gut Mittagsrast machen. Hier begegnet mir auch die erste Weitwanderin, die ebenfalls für mehrere Tage auf dem Rheinsteig unterwegs ist. Selbstverständlich bekommt sie meine Visitenkarte vom „Netzwerk“ und ein paar Flyer über unseren Verein lasse ich auch bei Uschi zurück. Auch in Wellmich im „Saustall“ hat die Wirtin ein Herz für Wanderer aber die Flyer sind aus und so ist eine weitere gute Tat nicht mehr drin. Sie hat aber dennoch einen heißen Tipp fürs Übernachten in St. Goarshausen für mich.
Eines der Highlights am Rheinsteig sollte ja die vielbesungene Loreley sein. Leider bietet sie sich zurzeit als eine große Baustelle dar. Eine großflächige Landschaftsumgestaltung ist im Gange, die einerseits auf mehr Event-Charakter zielt – eine Sommerrodelbahn ist schon in Betrieb – und andererseits verspricht, Landschaft zu entsiegeln und wieder in einen natürlichen Zustand zurückzuversetzen. Die erste Zeile in Heinrich Heines Gedicht über die Loreley „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ ist angesichts dieser umfangreichen Buddelei durchaus neu interpretierbar. Immerhin kann ich noch bis zur Felsspitze vorlaufen, und direkt auf den Fluss hinunterschauen, in dem brave Schiffer, abgelenkt durch den Gesang einer bezaubernden Maid, in der hier sehr gefährlichen Strömung den Tod gefunden haben. Heute wäre das nicht mehr möglich, hat man doch in Oberwesel eine „Wahrschau-Station“ errichtet, die die gesamte Rheinschifffahrt an dieser Engstelle überwacht.
Apropos Engstelle. Habe ich mich bisher schon manchmal wie auf einem alpinen Steig gefühlt, so übertrifft der Rheinsteig auf diesem Abschnitt alles bisher Bewältigte. Ständig klettert der schmale Pfad steil auf und ab. An einigen Stellen wird eine Umgehung empfohlen, falls Zweifel an der eigenen Trittsicherheit und Schwindelfreiheit bestehen. Auf den Rosstein geht’s auf gesichertem Steig direkt durch die Felswand – hätte man einem Wanderweg im deutschen Mittelgebirge gar nicht zugetraut. Es gibt aber auch gemütliche Passagen durch die jetzt wieder zahlreicher werdenden Weinberge auf dieser Rheinseite und der Abstieg nach Kaub durch sonnenbeschienenes herbstliches Weinlaub ist Postkartenidylle pur – vor Augen im Strom den Pfalzgrafenstein, eine Zollburg aus dem 14. Jhdt., die aufgrund ihrer geografischen Lage für mehrere Jahrhunderte als zuverlässige Einnahmequelle diverser Feudalherren funktionierte.
Zwischen Kaub und Lorch durchquert der Rheinsteig den ehemaligen Freistaat „Flaschenhals“, eine kuriose Historie: Nach dem ersten Weltkrieg sah das Waffenstillstandsabkommen von Compiègne auf der rechten Rheinseite eine Besatzungszone mit drei Schwerpunktstädten vor: Köln für die Engländer, Koblenz für die Amerikaner und Mainz für die Franzosen. Zu jeder Stadt sollte eine Zone im Umkreis von jeweils 30 km gehören. Auf diese Weise meinte man, das gesamte rechtsrheinische Gebiet vollständig und gerecht aufgeteilt zu haben. Die Besatzungsmächte hatten aber wohl im Geometrieunterricht nicht so recht aufgepasst und so blieb ein Gebiet in Form, eines Flaschenhalses übrig. Die Franzosen hätten es zwar gerne für sich beansprucht aber die anderen waren dagegen; der Freistaat „Flaschenhals“ war geboren mit Lorch als Hauptstadt. Die Besatzungsmächte riegelten von allen Seiten die Zufahrtswege ab und so waren die Bewohner völlig auf sich allein gestellt. Der Schmuggel blühte, es wurde eigenes Geld eingeführt und ein eigenes Post- und Fernmeldesystem eingerichtet. Einen Pass kann man, aus Jux, auch heute noch beantragen. 1923 war dann alles vorbei, unter dem Label „Flaschenhals“ werden aber nach wie vor hervorragende Qualitätsweine verkauft.
Auf diesem Abschnitt wechselt der Rheinsteig auch auf das Rhein-Pfälzer-Gebiet. Um darauf auch gebührend hinzuweisen, befindet sich direkt hinter der „Grenze“ mitten im Wald eine Weinwanderstation, leider noch geschlossen als ich am Vormittag dort vorbeikomme.
Ich gebe zu, dass ich auf dieser Etappe, wenn auch aus guten Gründen, ein wenig geschummelt habe. In Lorch bin ich nämlich, nach einem Rundgang durch dieses schöne Örtchen, auf den Dampfer nach Assmannshausen gestiegen. Zum einen wollte ich ohnehin wenigstens ein kleines Stück des Rheinsteiges auf dem Fluss zurücklegen. Zum anderen aber wollte ich auf jeden Fall ins Assmannshausen übernachten, den dieser Ort rühmt sich der besten Rotweinlage in Deutschland und dieses sollte mit Muße und bei einem guten Essen getestet werden. Und ich muss sagen, da ist was dran. Der Spätburgunder vom Assmannshäuser Höllenberg ist wirklich exzellent. Zum dritten würde es mit gelingen, wenn ich zur nächsten Etappe von Assmannshausen aufbreche, Rüdesheim mit seinem Touristennepp zu umgehen, denn hier hätte man sonst übernachten müssen, wenn man in Lorch gestartet wäre und nicht nur eine Minietappe hätte laufen wollen.
Zwischen Assmannshausen und Kloster Eberbach wartet der Rheinsteig mit jeder Menge Historie auf. Zunächst führt er durch den Niederwald. Maximilian Graf von Ostein ließ hier 1764 ein Jagdschloss erbauen und das gesamte Gebiet drumherum als einen frühen Freizeitpark ausgestalten. Zauberhöhle, Rittersaal, nachgebaute Burgruine – als ob es davon am Rhein nicht schon genug im Original gäbe -, eine Zahnradbahn u.ä. wurden zur Belustigung seiner Hofschranzen und Gäste installiert. Es erinnert ein wenig an die Wilhelmshöhe bei Kassel, ist aber viel weitläufiger, weil ja auch noch dem Wild nachgestellt werden sollte.
Ein historischer Brocken ist das Niederwald-Denkmal, auch Deutsches Nationaldenkmal. 1870/71 nach dem deutsch-französischen Krieg anlässlich der Reichsgründung errichtet, thront eine kolossale Germania auf seiner Spitze und blickt bedrohlich gen Frankreich. „Geschmückt“ ist das Ganze mit schwülstigen Reliefs von Wilhelm I und preußischen Militärszenen.
Nach so viel gräflichem Fun und pathetischem Nationalismus ist die Abtei St. Hildegard von wohltuender Schlichtheit. Erbaut 1904 erzählen im Inneren Fresken von Begebenheiten aus dem Leben der Hildegard von Bingen. Ebenso wohltuend, wenn auch auf andere Weise, ist das integrative Klostercafé der Abtei.
Nicht weit entfernt wartet schon das nächste Kloster. Ein Rittersmann aus Rüdesheim, etlichen Gefährdungen auf dem Kreuzzug mit heiler Haut entkommen, ließ aus Dankbarkeit eine Kirche errichten, um die sich dann das Kloster Nothgottes entwickelte. Einige seine Abenteuer sind auf Fresken in der Kirche festgehalten.
Kurz darauf erreiche ich ein weiteres Kloster, das Kloster Marienthal, gleichzeitig ein Wallfahrtsort, beherbergt es doch eine wundertätige Mutter Gottes der sieben Schmerzen. Diese fand sich ursprünglich im Wald an einem Baum und soll einem blinden Adeligen wieder zu seinem Augenlicht verholfen haben, der daraufhin das Kloster stiftete. Und Kloster Eberbach liegt ja, im Namen der Rose, auch noch am Weg.
So viele Klöster auf engem Raum, das lässt auf sanfte, lebenswerte Landschaft schließen, und so ist es auch. Die Steilhänge sind passé, das Rheinufer wird breiter und flacher, ausgedehnte Weingärten ziehen sich an den Hängen entlang, in denen auch die Lese noch im Gange ist, die in den steileren Lagen schon abgeschlossen war. Der Duft von frisch gepressten Trauben begleitet mich.
Neben Klöstern sind auch etliche Schlossweingüter in dieser Region beheimatet. Schloss Johannisberg, Schloss Vollrads und Schloss Hansenberg liegen direkt am oder nicht weit vom Weg entfernt. Schloss Johannisberg rühmt sich der „Erfindung“ des Rieslings, der auf über 80% der Fläche des Rheingaus angebaut wird. Derer von Greiffenclau‘s auf Schloss Vollrads sind nicht nur die älteste Wein anbauende Familie Europas – seit 1097 – sondern stellten auch viele Würdenträger in der deutschen Geschichte und erbauten um 1075 das älteste noch erhaltene Steinwohnhaus, das „Graue Haus“ in Oestrich-Winkel.
Ansonsten Wein, soweit das Auge reicht, hin und wieder unterbrochen von Wald, in dem zunehmend auch Maronenbäume zu finden sind, ein weiteres Indiz für das gesegnete Klima in dieser Gegend.
Anspruchsvoll ist der Rheinsteig auch hier. Die Auf- und Abstiege sind zwar nicht mehr so steil dafür aber länger, Die Füße am Abend unter den Tisch einer Weinstube strecken zu können und die diversen Rieslinggewächse zu verkosten bleibt nicht nur ein Vergnügen sondern auch ein wohlverdientes.
Der letzte Abschnitt des Rheinsteigs führt zunächst noch einmal weg vom Rhein mitten hinein in den Taunus. Die Landschaft ändert sich, die Luft wird frischer, es riecht anders – typisch deutscher Mittelgebirgswald eben, in den auch der Kurort Schlangenbad eingebettet ist. Hier ist es mir leider nicht gelungen, meiner Gesundheit durch den Genuss des dortigen Heilwassers noch einen zusätzlichen Kick zu verleihen, da die Brunnen aufgrund der starken Regenfälle in der letzten Zeit hätten verschmutzt sein können und daher gesperrt sind. Seinen Namen trägt Schlangenbad allerdings nicht von ungefähr, gibt es doch in der Region ein außergewöhnlich großes Vorkommen der Äskulap-Natter. Geomorphologisch ist das Gebiet ebenfalls interessant. Quarzit tritt in z.T. mächtigen Buckeln, wie etwa beim Grauen Stein, an die Erdoberfläche und ist auch lange abgebaut worden. Das hat ebenfalls den alten Goethe interessiert, der im Juli 1815, im reifen Alter von 66 Jahren, in der Gegend weilte. Allerdings hat er seine Aufmerksamkeit nicht nur dem Gestein gewidmet sondern noch in weit höherem Maße der 17-jährigen liebreizenden Philippine Lade, der Tochter des Wiesbadener Hofapothekers. Oberhalb von Frauenstein hat man ihm am Rheinsteig ein Denkmal in Form einer obeliskartigen Quarzsäule gesetzt, getreu seinem Lebensmotto:
„Diese Begierde, die Pyramide meines Daseins, deren Beweis mir aufgegeben und gegründet ist, so hoch als möglich in die Luft zu spitzen, überwiegt alles andere.“
Hinter Frauenstein wird’s wieder weinseelig und die ausgedehnten Weingärten werden bezeichnenderweise von Traubeneichenwäldern vor kalten Ostwinden geschützt. Gemütlich durch ein ausgedehntes Parzellengebiet verlaufend, führt der Rheinsteig mich dann am Hafen von Wiesbaden-Schierstein wieder direkt an den Rhein und führt auf einer Rheinuferpromenade bis Wiesbaden-Biebrich. Dort am Schloss habe ich es dann geschafft: Den gesamten Rheinsteig in zwei Abschnitten und 14 Etappen – im Frühjahr von Bonn nach Koblenz und jetzt im Herbst von Koblenz nach Wiesbaden. Bei der Rückfahrt mit dem Zug nach Bremen passiere ich dankbar und voller Erinnerungen an eine wunderbare Weitwanderung noch einmal die Highlights meiner Tour im Schnelldurchgang.
Zum Schluss noch ein kurzes Fazit meiner Rheinsteigwanderung:
Der Rheinsteig ist ein Weitwanderweg, der die Auszeichnung „Premiumwanderweg“ vollkommen zu Recht trägt. Die Wegmarkierung ist exzellent. Es gab nie Zweifel, wie es weitergeht, so dass man sich voll auf die umgebende Natur und die Landschaft konzentrieren kann. Der Weg ist ganz selten und nur dort auf Asphalt geführt, wo es gar nicht anders geht. Die Schönheit der Landschaft, durch die der Weg führt, ist vielfältig und außergewöhnlich, auf Schritt und Tritt durchtönt vom Dreiklang „Geschichte – Kultur – Wein“. Der Rheinsteig ist allerdings vielfach auch fordernd und weist im oberen Mittelrheintal sogar stellenweise alpinen Charakter auf.
Ein wegbeschreibender Wanderführer ist aufgrund der hervorragenden Markierung nicht unbedingt erforderlich aber man sollte für alle Fälle und mögliche interessante Abstecher eine gute Wanderkarte dabei haben, auf der auch etwas mehr drauf ist als nur die unmittelbare Wegumgebung. Es empfiehlt sich dringend, sich vorher, z.B. per Internet, über Interessantes am Weg kundig zu machen.
Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Wenn man über dem Rheintal läuft, insbesondre dort wo es mit am schönsten ist, ist ein erheblicher Lärmpegel, verursacht von dem nie versiegenden Auto- und Bankverkehr im Tal längs des Rheins, ein ständiger Begleiter.
Trotzdem: Der Rheinsteig ist nach meinen Erfahrungen ein Muss für jeden passionierten Weitwanderer und jede passionierte Weitwanderin.
Rheinsteig 2
1. Etappe: Koblenz – Braubach
22 km, 1100 m Auf- und 1100 m Abstieg
2. Etappe: Braubach – Kamp-Bornhofen
23 km, 1400 m Auf- und 1400 m Abstieg
3. Etappe: Kamp-Bornhofen – St.Goarshausen
20 km, 1100 m Auf- und 1100 m Abstieg
4. Etappe: St.Goarshausen – Kaub
22 km, 1300 m Auf- und 1300 m Abstieg
5. Etappe: Kaub – Assmannshausen
27 km, 1000 m Auf- und 1000 m Abstieg
6. Etappe: Assmannshausen – Hotel Neugebauer
18 km, 1300 m Auf- und 100 m Abstieg
7. Etappe: Hotel Neugebauer – Rauenthal
22 km, 400 m Auf- und 400 m Abstieg
8. Etappe: Rauenthal – Wiesbaden
23 km, 100 m Auf- und 300 m Abstieg
Übernachtung
Hotels, Pensionen, z.T. DJH
Wanderführer
Rheinsteig von Klaus und Falco Harnach
Kompass, 2. Aufl. 2017
(nicht empfehlenswert, da Seite um Seite angefüllt mit kleinstteiligen Wegbeschreibungen, die angesichts der ausgezeichneten Markierung völlig überflüssig und nutzlos sind. Es fehlen hingegen Informationen und Hinweise zu Interessantem am Weg und wenn sie vorhanden sind, sind sie sehr oberflächlich.)
Zum ersten Abschnitt des Rheinsteiges gest es hier.