5. Tag von Jitrava nach Liberec (Reichenberg)
Berichterstatter: Regine Bogner und Bernhard Mall (Donnerstag, 13. Juni)
Nach einem leckeren Frühstück mit frischem Obst brachen wir vom Luxushotel „Zum Hufeisen“ (Hostinec u Podkovy) in Jitrava zur nächsten Tagesetappe auf nach Liberec (Reichenberg). Auf der abwechslungsreichen Wanderstrecke von ca. 18 Kilometern wurde als Höhepunkt der Jested bestiegen (mit 1012 Höhenmeter einer der markantesten Berge des Isergebirges). Ein krönender Abschluss war die Besichtigung von Liberec (Reichenberg), kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Nordböhmens. Darüber hinaus bot die Wanderstrecke eine Fülle von landschaftlichen Eindrücken, zu denen auch Einblicke in die Waldwirtschaft im Einzugsgebiet der aktuellen Hochwasserkatastrophe gehörten.
Führung des Wanderwegs:
Überzeugend war auch bei dieser Etappe die vorbildliche Markierung der benützten Wanderwege: Mit viel Einfühlungsvermögen und Fleiß werden Wegweiser und Markierungen auf aktuellem Stand gehalten. Leider wird allerdings auch in Böhmen dem Trend gefolgt, Wald- und Wiesenfußwege aufzugeben und mit den Wanderstrecken auf befestigte Feld- und Forstwege umzusteigen: So wurde der Europäische Fernwanderweg E 3 ab Jitrava von Wiesen- und Waldwegen (Richtung NO) leider auf die alte Ortsanbindung an die Straße E 442 Richtung NW verlegt. Von dort geht es zum Velký Vápenný (790 m) überwiegend auf Forstwegen. Auf dem Weg vom Gipfel Richtung Osten taucht ein zusätzliches Problem auf: In der aktuellen Kompass-Karte (Nr.2085) „Jizerské hory Isergebirge“ M 1:50 000 (Stand 2010) ist der weitere Verlauf des E3 im Gegensatz zu älteren Karten nördlich über Krystoforo Udol eingezeichnet. Allerdings ist diese Kartenänderung in der Natur nicht beschildert, die Beschilderung entspricht dem älteren Kartenstand! Hier zeigt sich wieder einmal mehr, dass die Änderung bewährter und markierter Trassen fragwürdig ist: Je nach Kartenstand unterscheiden sich die Strecken. Unsere Gruppe folgte dem markierten Weg und damit dem alten Kartenstand zum Jested.
Waldwirtschaft:
Die aktuelle Hochwasserkatastrophe, die ja auch kurzfristige Umplanungen von Mitgliederversammlung und Wanderstrecke notwendig gemacht hatte, gab besonderen Anlass, auf Waldwirtschaft und Oberflächenabfluss im Wandergebiet zu achten. Dabei zeigen sich Zusammenhänge, die in den aktuellen Diskussionen kaum auftauchen. Ins Auge springen dabei offensichtliche Veränderungen in der Zusammensetzung des Waldes. Auch die Erschließung und Holznutzung spielen eine wichtige Rolle. Bei der Baumartenzusammensetzung in den mittleren Hanglagen fällt auf, dass die Weißtanne weitgehend fehlt.
Waldbeschreibungen und Ortsnamen weisen aber darauf hin, dass die Weißtanne ursprünglich Hauptbaumart war. Der weitgehende Verlust dieser Baumart wird auf die starke Luftverschmutzung zurückgeführt. Die aufwendigen Bemühungen, die Weißtanne wieder am Waldaufbau zu beteiligen, zeigen sich an unzähligen kleinen Zäunen mit gepflanzten Weißtannen, die zum Teil zusätzlich nochmals durch Drahthosen gesichert sind: Diese teuren und insgesamt nur kleinflächig erfolgreichen Maßnahmen machen den nirgends angesprochenen Schadfaktor „Beweidung durch überhöhte Hirsch- und Rehbestände“ deutlich, der eine kleinflächige, jungwuchsreiche und damit oberflächenabflussarme Waldwirtschaft unmöglich macht. Statt kleinflächiger Nutzung werden die in den Hanglagen vorherrschenden überwiegend gleichaltrigen fichtenreichen Bestände mit Streifenkahlschlägen genutzt: Kahllegung und fehlender Jungwuchs tragen zu beschleunigtem Oberflächenabfluss bei. Bei den Wegebaumaßnahmen im Wald wären zusätzliche Maßnahmen zur Versickerung und die damit verbundene Rückführung des Oberflächenwassers in das Grundwasser, ferner eine schonende Bringung des Holzes hilfreich. Zusammenfassend darf bemerkt werden, dass der böhmische Wald und die hochwassergefährdeten Regionen für die Fortführung der feudalen Trophäenhege (Haltung hoher Wildstände für bequeme Trophäenjagd) einen hohen Preis zahlen.
Wegverlauf:
Zunächst führte uns der markierte E3 zur Rast bei der Christophorus – Kapelle. Die Beschilderung weist auf den Silberbergbau im Raum Krystoforo Udol vom 16. bis zum 18. Jahrhundert hin. Weiter ging´s vorbei am Malý Jested (754 m) zur Auffahrt Jested. Viel Schweiß forderte der steile, steinige Weg zum Gipfel (1012 m).
Mit seinem futuristischen Sendeturm mit Hotel im Raumschiff-Enterprise-Design ist er das Wahrzeichen von Liberec (Reichenberg). 2009 fand hier die Nordische Skiweltmeisterschaft statt.
Vom Gipfel fuhren wir mit der Gondelbahn zur Talstation, vorbei an der Sprungschanze im Sommerbetrieb.
Die Liberecer Straßenbahnlinie Nr. 3 brachte uns ins Zentrum, wo wir in den Hotels Radnice und Residenz Salvia unsere Zimmer bezogen.
Lutz brachte uns mit einer interessanten Stadtführung die relativ junge Geschichte der Stadt in ihren bauhistorischen Besonderheiten näher. Im 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts wurde Reichenberg durch die Industrialisierung, vor allem die Entwicklung der Textilindustrie, reich: prachtvolle Neorenaissancebauten und Jugendstilgebäude (besonders schön das Hotel Praha) zeugen von diesem Wohlstand. Am Rande des Zentrums stehen sich ein finsterer NS-Bau und das moderne 30-er -Jahre Bata-Gebäude gegenüber. Lutz hatte noch eine weitere Besonderheit entdeckt: Eine Haltestelle als Mahnmal für die Vertreibung und Vernichtung der Juden.
Herzlichen Dank an Katharina und Carsten, die uns mit dieser wunderbar vorbereiteten Tour in ein Wandergebiet eingeführt haben, das herrliche Natur, schöne Wege, kulturelle Highlights und Gastlichkeit bietet.