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Zuletzt aktualisiert am: 23.02.16
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W a n d e r b e r i c h t e - E s t l a n d
Inhaltsverzeichnis: • Wandern und Reisen in Estland Von Lutz Heidemann
Von Lutz Heidemann
Die baltischen Länder hatten mich immer interessiert, aber sie lagen in einer fernen konturenlosen Welt. Ich hatte in den1950er/ 1960er Jahren Bücher von heute vielleicht wieder in Vergessenheit geratenen baltendeutschen Autoren wie Werner Bergengruen oder Edzard Schaper gelesen. An eine Reise dorthin wäre in Zeiten des Eisernen Vorhanges nicht zu denken gewesen, ganz abgesehen davon, daß selbst für die dort lebenden Menschen große Teile des Landes Sperrgebiet waren. Nach dem Fall der Sowjet-Herrschaft, an dem die Menschen der baltischen Staaten wesentlichen Anteil hatten, war mein Interesse konkreter geworden. Es war mir nun wichtig, die Eigenarten von Litauen, Lettland und Estland herauszufinden. Zum Beispiel, um die Namen rictig räumlich einordnen zu können, hatte ich mir die „Eselsbrücke“ gemacht, daß das „estlichste“, also am weitesten im Osten liegende Land, Estland ist. Zusätzlich verwirrend sind Städte, die im Verlauf der Geschichte oder von verschiedenen Volksgruppen unterschiedlich benannt worden sind. In den 1990er Jahren lasen wir einige der historischen Romane von Jaan Kross, die von den komplexen estnisch-deutsch-russisch-skaninavischen Verschränkungen dieser Weltgegend erzählen. Wir hörten mit Faszination Musik von Arvo Pärt; in Köln sind wir ihm einmal leibhaftig bei einer Aufführung in einer der romanischen Kirchen begegnet.
Ein glücklicher Zufall ließ mich in Straßburg bei der Euro-Rando 2001 kurz mit Guido Leibur, dem Ersten Vorsitzenden der Estnischen Wandervereinigung, zusammentreffen. Die Zeit reichte, die Visitenkarten auszutauschen und zu sehen, daß er ein sehr sympathischer Mann war und ich besaß nun eine Ansprechperson dort und hatte die Gewißheit, dort wandern zu können. Das taten wir dann im Sommer 2003. Offen war, wie wir nach Estland gelangen wollten. Man kann auch über Schiff oder Flugzeug anreisen. Ich wählte das Auto und machte auf dem langen Weg viele Unterbrechungen in Polen, Litauen und Lettland, um die Individualitäten unserer neuen europäischen Nachbarn kennenzulernen. Meine Frau flog direkt nach Tallin. Im Auto fuhren wir gemeinsam zurück.
Estland
ist auf den ersten Blick nicht das typische Wandergebiet. Es ist ein
vergleichsweise flaches Land und, wenn man sich vom Auto löst, eher für
Radfahrer geeignet. Doch nach zehn Wandertagen können wir sagen, daß auch
Weitwanderer gut auf ihre Kosten kommen. Soweit ich das beurteilen kann, würde
ich von vier jeweils auf ihre Weise reizvollen und unterschiedlichen estnischen
Landschaftstypen sprechen. Da ist die Küste zwischen Tallin und der russischen
Grenze. Davon sind wir ein großes Stück gewandert. Ich berichte noch davon. Im
Landesinneren, besonders im Süden trifft man auf eine hügelige Landschaft mit
Landwirtschaft und
Der entlang der Nordküste projektierte Europäische Fernwanderweg 9 (E 9) ist in der Örtlichkeit nur in Abschnitten markiert und „ausgetreten“. Wir kamen zu völlig überwucherten Teilstücken. Diese Küste hat eine geologische Besonderheit. Sie ist eine Kalkscholle, die sich gehoben hat. So entstand eine Steilküste in der Art, wie sie teilweise auch in Rügen oder an der deutschen Ostsee-Küste anzutreffen ist. Im Osten des Landes gibt es an der Abbruchzone Höhenunterschiede von 50 und mehr Metern. Entlang dieser „Kliffküste“ zu wandern, hat seinen Reiz.
Wir sind in einem Vorort der Hauptstadt Tallin aufgebrochen. Dort hat die Küste noch einen anderen Charakter. Die erwähnten Versprünge liegen mehr landeinwärts. Dagegen gibt es mehrere weit ins Meer reichende Landzungen, die weite Buchten bilden, wo wir fast immer allein waren und in einem „Frieden“ baden konnten, der an dem meisten anderen europäischen Küsten längst vorbei ist. Um das reizvolle Landschaftsbild zu schützen, sind 72.500 ha zum Lahemaa-Nationalpark deklariert worden.
Neugebaute Pension in einem Küstenort
Wer mit Interesse für Geschichte durch Estland reist, kann sich dem Thema „Gutshäuser“ nicht entziehen. Für die Esten ist das eine komplexe Gefühlsmischung. Dort lebten Menschen, deren Vorfahren vor Hunderten von Jahren als Herren in das Land gekommen waren. Die Esten bildeten die Bauern- und Dienstleuteschicht. Ihre Sprache wurde erst sehr spät aufgeschrieben und noch später kulturell anerkannt. Die Esten waren wie Fremde im eigenen Land. Jetzt werden die „Güter“ und ihre Hinterlassenschaften als Teil der estnischen Geschichte gesehen und bewahrt.
Wer
nach Estland zum Wandern reist, möchte sich auch ein Bild über Land und Leute
machen. Die Perspektive des allein – oder zu zweit – durch das dünn
besiedelte Land ziehenden Fußgängers ist eine andere als die des
Hauptstadt-Besuchers, aber keineswegs falscher. Die Freundlichkeit der "Strandkiwis" mit Tang-Röckchen
Es gibt eine große „Sprachminderheit“ von Russen. In manchen Städten bilden sie die Bevölkerungsmehrheit. Bei unserer Wanderung gab es keine Konfrontation mit dieser negativen Vergangenheit. In den Kleinstädten am Rand der Orte sind wir mehrmals an maßstabslosen Wohnblocks vorbeigekommen, die oft nur von Russen bewohnt waren. Stillgelegte Fabriken sahen wir erst auf dem Weg nach Narwa Richtung russische Grenze.
Doch der aufmerksame Besucher wird viele Spuren der
sowjetisch-ideologisch-ökonomischen Vergangenheit finden.
Esten und Russen leben zusammen in einem Land: Friedhof mit estnischen und russischen Gräbern
Rußland ist nahe: Petersburg liegt 120 km von der Grenzstadt Narva entfernt.
Generelle Informationen zu Land und Leuten erhält man über: Angaben zu Übernachtungsmöglichkeiten auf dem „flachen Land“, insbesondere auch für Bed&Brakfast, sind zu erhalten unter:
Die
Angaben für Ferienhäuser sind nach Provinzen geordnet; man muß sich also
etwas vorbereiten; findet dann aber auf den meisten Links Fotos der Häuser,
Anfahrtshinweise und weitere Details. Auf diese Weise könnte man das
Ferienmachen in einem festen Quartier mit Wandern in der Umgebung gut verbinden.
Einige dieser Homepages haben auch englische Fassungen. An den estnischen
Wanderverband kann man sich heranarbeiten über die Homepage der EWV Die Esten haben auch eine knappe englische Ausgabe: Englische Wegebeschreibungen mit Kartenskizzen von den markierten Teilstücken des E 9 sind zu finden unter: Als eine gute Reisehilfe kann ich den Führer „Baltikum“ der Dumont-Reihe Richtig Reisen, herausgegeben von Eva Gerberding, Ilze Gulens und Eva Kuhn sehr empfehlen.
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 16 - April 2005
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