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 am:   23.02.16

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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W a n d e r b e r i c h t e  -  R u m ä n i e n

 

 

Inhaltsverzeichnis:    •  Warum Wandern in Rumänien

                                       Von Günther Krämer

 

                                   •  Auf der Suche nach dem E4

                                      Unterwegs im Retezat - einem der ältesten

                                      Naturschutzgebiete Rumäniens

                                      Von Katharina Wegelt

 

                                   •  Reisen und Wandern in Rumänien

                                      Eindrücke aus einem europäischen Land

                                      Von Lutz Heidemann

 

                                   •  Wandern in den rumänischen Ostkarpaten

                                      Von der Maramuresch über das Rodna-Gebirge

                                      in die Bukowina

                                      Von Günther Krämer

 

Warum Wandern in Rumänien?

 

Von Günther Krämer

 

Rumänien - Heimat blutsaugender Vampire wie Dracula, drogensüchtiger Straßenkinder, beißwütiger Bären und Wölfe, korrupter Staatsorgane, klauender Zigeuner, Land mit kaputter Infrastruktur, vielen billigen Arbeitskräften - und jetzt auch noch Mitglied der EU?

 

Tatsächlich ist es eine Heimkehr nach Europa, wenn man aus den östlichen Nachbarländern nach Rumänien einreist. Der Reisende wird überrascht - traumhaft schöne Kulturlandschaften in der Moldau, der Bukowina und der Maramuresch, Dörfer, in denen der Mitteleuropäer die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder erkennt, Städte, in denen die Ceausescu-Ära wie eine Bombe zugeschlagen hat, in denen aber immer noch Baudenkmäler von der Romanik bis zum Jugendstil zu bewundern sind. Rund ein Zehntel der Bevölkerung, das sind etwa 3 Millionen Menschen, leben im Ausland, hauptsächlich in Italien, als billige Arbeitskräfte. Zurück bleiben oft Kinder und alte Menschen, die aber die Dörfer - mit Geld aus Italien - am Leben erhalten. Und in der Urlaubszeit sind alle wieder da, zu Verwandtenbesuchen, zu Familienfesten oder einfach zum Weiterbauen am neuen Haus. Dieses neue Haus ist häufig eine "Pensiunea" und verbessert damit die Infrastruktur, auch für uns Wanderer.

 

Die Menschen sind freundlich, ja herzlich und hilfsbereit. Die Sehenswürdigkeiten wie die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehö-renden Moldauklöster und Holzkirchen der Maramuresch, aber auch alte Stadtkerne und siebenbürgische Kirchenburgen sind gut präsentiert und gepflegt, Bären und Wölfe halten sich im Normalfall fern von den Wanderern, wunderschöne Wanderwege - fast immer ohne Markierung und Wanderkarte - laden zum Lustwandeln durch romantische Täler, über weite Hochweiden = poieni (sing. poiana) und durch unendlich große Wälder ein. Warum diese Wanderwege? Fußwege, Reitwege, Karrenwege dienen heute noch der Verbindung zwischen den Dörfern, den Einzelhöfen und den Almen! Gute Übernachtungsmöglichkeiten sind in fast allen größeren Orten zu finden, die rumänische Küche ist bekömmlich, aber auch nahrhaft und schmeckt gut. Es ist leicht sich zu versorgen: Jedes Dörflein besitzt einen Magazin Mixt, in dem es alles zu Kaufen gibt, was ein Wanderer braucht. Eisenbahn und Überland-busse sind sehr preisgünstig und müssen leider der Liberalisierung Tribut zollen, aber Microbusse, private Kleinbusse, die bestimmte, meist kurze Linien fahren, haben sie weitgehend ersetzt. Und wo kein Microbus fährt, gibt es vielleicht ein Maxitaxi (etwa 5 RON / km) am Ort oder ein kostengünstiges normales Taxi (etwa 2 RON / km).

 

Was ist also dran an den Vorurteilen? Die Straßenkinder mag es vielleicht in Bukarest geben, die Bären gehen uns lauten Menschen gern aus dem Weg, viele Zigeuner (politisch korrekt: Roma) gibt es hauptsächlich in Siebenbürgen, wo viel Platz frei geworden ist infolge des meist D-Mark bedingten Wegzugs Tausender mehr oder weniger Deutsch sprechender Menschen (Kohl sei Dank!), die Verwaltungsspitzen sind freundlich und zuvorkommend, Korruption? Und natürlich gibt es viele Transformationsprobleme, wie in allen ehemals kommunistischen Ländern.

 

Anreise

 

Kostengünstig und schnell ist ein früh online gebuchter Flug mit Carpatair, die uns über den Umsteigeflughafen Temeschburg in jede größere Stadt bringt - leider nicht besonders klimafreundlich. Ein Flug mit German Wings mit Umsteigen in Bukarest (Achtung: Flughafenwechsel notwendig) und mit Tarom in die rumänische Provinz dauert mindestens 2 Tage. Genauso lang brauchen die Linienbusse von Atlassib und Eurolines Eurolines sowie die Eisenbahn (relativ teuer), wobei hier Komfort und Geschwindigkeit hinter Budapest sehr zu wünschen übrig lassen. In der jeweiligen Region kann man die wenigen Fernbusse benutzen oder die Fahrt aus mehreren Microbuslinien zusammenstückeln. Oder einfach den Daumen raus ...

 

Wandern, Planung, Karten

 

Es existiert wohl ein dichtes Netz von  Wegen, die fast alle als Wanderwege wunder- und wanderbar sind. Aber es gibt kein flächendeckendes rumänisches Kartenwerk im Maßstab 1 : 50 000 oder 1 : 25 000, das diese Wege zeigt. Einen großen Teil der rumänischen Karpaten deckt die ungarische Dimap-Wanderkarte in den unterschiedlichen Maßstäben ab, erhältlich bei Wolfo Volland in der Slowakei oder bei Transilvaniatravel. Daneben gibt es einige wenige lokale Wanderkarten, z. B. die Karte des Wassertales bei Viseu de Sus oder die polnische Karte der Obcina Mare bei Sucevita. Die Höhenlinienabstände der meisten Karten betragen 50 m, so dass die Geländedarstellung sehr ungenau ist. Genauso wenig zuverlässig ist die Klassifizierung bzw. der Zustand der Wege. Für das Grenzgebiet zur Ukraine haben wir die amtliche ukrainische Karte 1:100 000, verwendet. Für weite Gebiete gibt es keinerlei Karten. Hier empfiehlt sich das Arbeiten mit GoogleEarth und GPS (siehe Artikel: Wandern in Gebieten ohne Karten und Markierungen - GoogleEarth und GPS machen es möglich“, Seite 42).

 

Unterkunft

 

In allen größeren Orten, oft aber auch in abgelegenen Seitentälern, gibt es Quartiere, die mitteleuropäischem Standard entsprechen. Größere Wandergruppen sollten vor allem im August die Quartiere reservieren lassen, grundsätzlich per eMail mit Rückbestätigung, oft auch mit Anzahlung. Solowanderer (bitte nicht in Bärenrevieren wandern!) und Paare kommen ohne Voranmeldung überall unter. Quartiere findet man über die Webseiten der Gemeinden, der Tourismusorganisationen und über Reservierungsdienste. Hier eine Auswahl:

 Hotelreservierungsservice - Cazari - Viaromania - Rotouring - Cazareromania - Tourismguide - Turistinfo - Cazaremaramures - Cazaremaramures.com - Pensiune-maramures

 

Die reichhaltigsten Rumänien-Seiten im Netz:

Karpatenwilli - Das Wetter in Rumänien

 

Wandern in Rumänien: Von der Bukowina in die Maramuresch

 

8. August bis 22. August 2009

 

Voronet - Gura Humorului - Sucevita - Vatra Moldovitei - Sadova - Carlibaba - Sesuri - Pasul Prislop - Borsa - Viseu de Sus - Poienile de sub Munte - Pop Ivan - Petrova

 

1. Tag: Samstag, 8. August 2009

 

(Dimap-Karte 1 : 70 000 M-tii Rarau - Giumalau si Zona Manastirilor din Bucovina) - 15 km

 

Flug mit Carpatair von Stuttgart mit Umsteigen in Temeschburg nach Suceava. Fahrt mit Maxitaxi (organisiert von Bucovinaturism) nach Gura Humorului. Hier überraschen uns Bernd und Mario, langjährige Begleiter auf Wanderwegen im Osten, die kurz entschlossen aus Thessaloniki mit dem Nachtzug angereist sind, um ein paar Tage mitzuwandern. Kleine Wanderung zum Stadtpark an der Mündung des Humor in die Moldova. Über die Hängebrücke zum Waldrand und zunächst am Ufer der Moldova (vorbei an einem dieser sinnlosen Infrastrukturprojekte, einem neuen Skilift mit Waldrodung, Straßen, Parkplätzen und wahrscheinlich auch Schneekanonen) bis zur Brücke über den Voronet-Bach. Diesen auf Fußpfaden, Wegen und Dorfstraßen entlang - rumänisches Dorfleben pur - bis zum Kloster Voronet (UNESCO-Weltkulturerbe) mit seinem besonderen Flair und der einmaligen blauen Farbe. Einkehr bei Popasul Domnesc (hier kann man auch gut übernachten). Anschließend auf den Dorfwegen zurück zur Brücke, begleitet von Eisvogel und Wasseramsel, dann entlang der Straße (ätzend!) über die Moldovabrücke zurück nach Gura Humorului. Ü: Lions (wohl freundlich, aber Bettwäsche nicht gewechselt und Essen, na ja ...), Hilde's Residenz (gut ausgestattet, aber nicht besonders freundlich, unsere per Telefon bestätigte Reservierung war nicht notiert, da wir keine Rückbestätigung per eMail und keine Anzahlung gemacht hätten, wovon aber nie die Rede war). Vielleicht doch ins BestWestern-Hotel Bucovina oder was anderes testen, es gibt genügend Auswahl in Gura Humorului. Anmerkung: Die Büste der Schriftstellerin Olga Kobljanskaja steht vor dem Theater in Czernowitz - und in Gura Humorului, wo sie geboren wurde. Wir haben hier angeknüpft an die Wanderung vor 2 Jahren.

 

2. Tag: Sonntag, 9. August 2009

 

(Karte s. o. und polnische Karte 1 : 50 000 Obcina Mare) - 22 km (mit allen Umwegen, nach Plan 18 km)

 

Mit Minibus - normalerweise Schulbus, heute Privatfahrt nur für uns - fahren wir zum Kloster Humor (nächstes UNESCO-Welt-kulturerbe), wo wir einen Sonntags-gottesdienst erleben, und weiter nach Poiana Micului, einem Tal, das früher hauptsächlich von Deutschböhmen, Slowaken und Polen besiedelt war. Und Lustwandler Bernds Oma stammt von hier. Also (erfolgreiche!) Spurensuche, „back to the roots“. Am Ortsende steigen wir aus und wandern rechts immer am Bach entlang. Überraschenderweise gibt es polnische Wegmarkierungen (gelb), die aber nur der versteht, der auch die polnische Wanderkarte 1 : 50 000 "Obcina Mare" besitzt, die man nur im polnischen Kulturzentrum in Poiana Micului kaufen kann. Vor der Talwasserscheide führt der Pfad rechts hoch durch den Wald auf die Hochweide Varful Tarsiciorii (schöner Rastplatz), dann weiter in Richtung NNW auf dem Kamm der Obcina Tarscilor bis zum Kreuz mitten im Wald beim Vf. Holmu. Hier rechts weiter auf dem Kamm (Richtung NNO) bis ein nicht immer gut erkennbarer Weg links hinunter führt zum Waldrand, auf schönen Waldpfaden am Hangfuß entlang bis in die Nähe des Klosters Sucevita, wo uns eine nicht sehr freundliche Nonne widerwillig Auskunft erteilt und dann auch noch kilometerweit in die falsche Richtung zur Pensiunea schickt. Aber das Riesen-Eis im Gras an der Klostermauer war wunderbar. Etwa 1,5 km oberhalb (also Richtung Pasul Ciumarna!) finden wir in der Pensiunea Tarafagului freundlichste Auf-nahme in einem schönen Haus - und hervorragendes Essen. Genuss pur! Aber bitte vorher per eMail anmelden und eine Anzahlung leisten, das Haus ist gefragt!

 

3. Tag: Montag, 10. August 2009

 

(Karte s.o.) - 20 km

 

Von Sucevita aus wandern wir das Sucevita-Tal hoch bis zur Abzweigung (links) des Forstwegs Poiana Marului. Überraschenderweise gibt es einen mit einem gelben Dreieck markierten Weg, dem wir bis in das Seitental Husaul Mic folgen. Irgendwann verlieren wir die Markierung und steigen uns rechts haltend beinahe in Falllinie durch den Wald steil hoch zur Poiana Ovazului - wunderbare Aussicht und wohlverdiente, ausgiebige Rast am Rande der Hochweide. Auf schönem Wanderpfad mit immer wieder neuen Ausblicken steigen wir über Dl. Calului hinunter ins Huzulendorf Ciumarna. Hier holt unsere Wirtin die Rucksäcke ab, so dass wir den Rest der langen Tagesetappe mit leichtem Gepäck angehen können. Am Ortsende von Ciumarna überqueren wir den Bach und steigen blumenreich am Rande des nordöstlichen Seitentales hoch bis zum Kamm, gehen auf aussichtsreichem Traumpfad immer auf der Höhe links am Vf. Runchu vorbei und schließlich immer leicht abwärts über die weiten Weiden am Dl. Manastirii hinunter zum Manastirea Moldovita - wieder 'mal ein UNESCO-Weltkulturerbe. Von hier sind ist es noch etwa 1,5 km Richtung NW auf der Hauptstraße durch den Ort Vatra Moldovitei bis zur Pensiunea Valcan, wo wir gut bewirtet und beherbergt werden.

 

4. Tag: Dienstag, 11. August 2009

 

(Karte s. o.) - 18 km

 

Nach Klosterbesichtigung mit Führung in deutscher Sprache und an-schließender Rückfahrt mit dem Pferdetaxi zur Pensiunea Valcan wandern wir auf schönem Waldweg in westlicher Richtung aus Vatra Moldovitei hinaus ins Valcan-Tal, lassen das Dörflein Valcanul links oben liegen, gehen später den Cremenestiul-Bach entlang und nach dem Ende des Weges steil rechts hoch zum Vf. Ioresti, wo wir wieder einmal die traumhafte Aussicht von der freien Berg-kuppe genießen. Unten sehen wir schon die Alm Coreta liegen, wo wir wenige Minuten später guten Käse genießen dürfen. Ohne große Höhenunterschiede gehen wir danach auf der Wasserscheide hinüber zur Obcina Feredeului - wieder Rast und Aussicht - und anschließend vom Kamm in südlicher Richtung ins Ezerul-Tal. Vorsicht: Himbeeren und Braunbären. Weiter zum nicht mehr besonders ansehnlichen Lacul Jezer Richtung Sadova-Tal. Abholung mit dem Microbus unserer Casa Angela verkürzt den langen Talhatscher ins Zentrum von Sadova. Hier werden wir familiär aufgenommen und mit rumänischen Spezialitäten bestens bekocht - inklusive Dessertüberraschungen. Unser ultimativer Rumänientipp: Casa Angela.

 

5. Tag: Mittwoch, 12. August 2009

 

(Karte s. o. und GoogleEarth) - 15 km

 

Angelas Mann fährt uns mit dem Microbus ins Sadova-Tal bis zum Ortsende. Die heutige Wanderung - zum ersten Mal mit etwas Regen, weniger Sensationen, aber viel malerischer Landschaft - führt uns um den Vf. Runculet über Parau Negrei nach Breaza, wo uns Angelas Mann wieder abholt. Ü: Casa Angela.

 

 

 

 

6. Tag: Donnerstag, 13. August 2009

 

(GoogleEarth + GPS) - 20 km

 

Der Angela-Microbus bringt uns nach Breaza (N47°37'01.3'' E25°18'49.7''). Über die Moldova-Brücke gehen wir in das zunächst nach SW führende Tal, dann nicht sehr anstrengend hinauf auf die Hochweiden und dann wieder aussichtsreiche Traumwanderung über die weiten Hochflächen am Südrand der Lucina-Weide-landschaft. Bei Punkt N47°36'38.8'' E25°11'45.3'' Abzweigung links hinunter in das lange, von der Holzwirtschaft sowie von Himbeeren und Heidelbeeren geprägte Tal nach Carlibaba / Mariensee. Hier Unterkunft beim jung-dynamischen, früher als Förster arbeitenden, deutsch sprechenden Bürgermeister im Hotel Mario&Ema.

 

 

 

 

 

 

 

7. Tag: Freitag, 14. August 2009

 

(GoogleEarth + GPS) - 22 km (anstatt der geplanten 16 km)

 

Wanderung von Carlibaba ins Carlibaba-Tal hinein. Am Punkt N47°35'45.1'' E25°06'32.3'' den steilen Waldweg links hoch, am Punkt N47°35'59.2'' E25°05'59.9'' links die Fußwege und Fußspuren bis auf die Hochweide verfolgen, über die große Wiese, an der kleinen Häusergruppe vorbei und auf dem neuen Wirtschaftsweg hinunter ins Tibau-Tal. Hier links am Bach entlang bis zur Brücke. Auf der anderen Straßenseite gehen wir auf dem Forstweg 9B.Codreava (Punkt N47°35'43.5'' E25°04'27.6'') - immer dem Hauptweg folgend ungefähr nach Westen. Nach einer sonnigen Rast zieht der Himmel zu und es regnet bald in Strömen. Das GPS-Gerät geht infolge mangelnder Stromversorgung und Nässe in die Knie, in der Eile wurde keine Richtungskontrolle mit dem Kompass vorgenommen. Ergebnis: Auf dem Bergkamm verlieren wir die Orientierung und landen schließlich am großen Steinbruch und wieder im Tibau-Tal, von wo aus wir zu Fuß Carlibaba erreichen, da unser bestellter Microbus mit dem Mobiltelefon nicht erreichbar war. Eigentlich wollten wir ins nächste Seitental (Mündung ins Tal der Goldenen Bistritz bei Punkt N47°34'36.2'' E24°59'57.5'') und von dort abgeholt werden. Ü: Hotel Mario & Ema.

 

8. Tag: Samstag, 15. August 2009

 

(GoogleEarth + GPS, Dimap - Karte 1 : 50 000 Muntii Rodnei und Touristische Karte 1 : 50 000 Naturpark Maramuresch-Gebirge, Das Wassertal) - 21 km

 

Der Bürgermeister vermittelt einen klapprigen Microbus, dessen Heckklappe sich nicht richtig schließen lässt, so dass wir Ulis Rucksack nach kurzer Fahrt lädiert von der Straße auflesen müssen. In Sesuri steigen wir an einer Zigeunersiedlung direkt an der Grenze zwischen der Bukowina und Maramuresch aus und wandern durch das Sesuri-Tal hinauf auf den Hauptkamm des Maramureschgebirges südlich des Vf. Mare, auf dem Kammweg Richtung Pasul Prislop, genießen die Aussicht, rasten im weichen Gras, sehen aber auch hinunter auf weite, kahl geschlagene Hänge, so dass man sich nicht über die Hochwasserkatastrophen in den rumänischen Karpaten zu wundern braucht. Rechts ab gehen wir zur Alm auf dem Vf. Coasta-Plaiului, wo wir von der freundlichen Sennerin wieder mal mit Käse bewirtet werden. Immer auf dem Grat steigen wir steil hinunter zur Pass-Straße bei der Preluca Tatarilor, wo uns der Stadtbus abholt und nach Borsa in das Hotel Mia fährt. Hier erleben wir eine richtige rumänische Hochzeit mit Tanz, Musik und Schnaps bis morgens um sieben!

 

9. Tag: Sonntag, 16. August 2009

 

(Dimap-Karte 1 : 50 000 Muntii Rodnei) - 10 km

 

Zunächst gibt es Ärger, weil wir in das Hotel Victoria umziehen müssen. Der Eigentümer des Hotels Mia hat eine größere ungarische Busreisegruppe aufge-nommen und uns unverschämterweise einfach in ein anderes Hotel ohne Essens-möglichkeit umquartiert. Die Zimmer hat er stur nach seinem Gutdünken zuge-wiesen, ohne unsere Bedürfnisse zu berücksichtigen. Dabei geraten die beiden Hoteleigentümer von Mia und Victoria auch noch in Streit. Der um unser Wohl sehr bemühte Geschäftsführer Domnul Roman versucht zu beschwichtigen, hilft bei der Organisation der zusätzlich notwendigen Bus- und Taxifahrten. Im Victoria ist es aber ruhig, und vor allem der Sohn des Chefs ist sehr freundlich und hilfsbereit.

 

Heute erleichtern wir uns den Aufstieg: Von Statiunea Borsa fahren wir mit dem Sessellift hoch zur Culmea Runeu-Stiol und wandern auf schönen Wegen am Rande des Rodnei-Gebirges um den Stiol herum zum Prislop-Pass. Einzige Störung ist die beliebteste Freizeitbeschäftigung der jungen Rumänen: Auf All-Terrain-Vehicles (ATV) oder Quads rasen sie lärmend und stinkend über die Berge. Idiotischer kann man seine Freizeit nicht verbringen! Wahrscheinlich faulen diesen jungen Menschen als ersten die Füße ab und wandeln sich in Geh-Warzen um.

 

Auf dem Prislop-Pass tauchen wir ein in die "Hora de la Prislop", ein riesiges Folklorefestival mit Markt, früher vor allem Heirats-markt, auf der Passhöhe des höchsten Straßenpas-ses der Karpaten. Wir essen Mici, lernen den rumänischen Staatspräsi-denten Traian Basescu und die mit deutschen Regierungspräsi-denten vergleichbaren Land-räte von Maramuresch (Mircea Man), und Bukowina (Gheorghe Flutur, er spricht perfekt deutsch), kennen. Die Landräte sorgen dafür, dass wir mit Landrats- und Bürgermeister-Autos gut nach Borsa zurückkommen. Ü: Hotel Victoria - das Restaurant ist in Planung. Dann ist dieses Quartier empfehlenswert!

 

10. Tag: Montag, 17. August 2009

 

(Touristische Karte 1 : 50 000 Naturpark Maramuresch-Gebirge

Das Wassertal) - 20 km

 

Mit dem Linienbus fahren wir mit Umsteigen in Borsa bis etwa 2 km nach dem ehemaligen Bahnhof Moisei. Unsere heutige Wanderung führt uns hinauf zum Vf. Ciresului (Kirschenhügel! - es waren aber eher Mirabellen und Pflaumen) - und zum Muncelului. Mit jedem Höhenmeter wird die Aussicht großartiger. Auf dem Höhenweg knapp unterhalb des Kammes der Munceii Novatului gehen wir nach Westen, über Blumenwiesen, dekoriert mit Mirabel-lenbäumen und Haselnusssträchern, bis zum Dl. Alacului. Hier stören nur die vielen sonntäglichen Spuren der ATVs, welche die Fußpfade überdecken. Aber dank Kompass finden wir den Weg vorbei am Deutschen Kreuz und aussichtsreich hinunter nach Viseu de Sus / Oberwischau. In der Pensiunea Nagy, am nördlichen Ende der Zipserei gelegen, finden wir ein qualitativ gutes, für Rumänien etwas teures Quartier, in dem nur die angeberischen Sprüche des Seniorchefs und die sexistischen Wandbildchen stören. Die Eigentümer sprechen deutsch – Lustwandlerin Angelica hat heute Urlaub vom Dolmetschen.

 

11. Tag: Dienstag, 18. August 2009

 

(Karte s.o.) - 18 km

 

Eigentlich wollten wir heute mit der Mocanita, der Waldbahn, ins Wassertal fahren und dort wandern. Aber das erfordert frühes Aufstehen, denn spätestens um 7:30 muss man die Fahrkarten am Bahnhof gekauft haben, wobei es bei großem Andrang auch sein kann, dass man umsonst aufgestanden ist. So wandern wir auf den Schienen der Wassertalbahn entlang der Wasser bis zur Abzweigung des Weges ins Valea Scradei, an der Kirche links, das Tal hoch bis zu den eisenhaltigen, rot gefärbten Mineralquellen, vorbei an malerischen Karpatengehöften, dann zurück zur Kirche auf dem rechten Weg südlich zum Kloster im Valea lui Urdila (Rast im Pavillion). Auf dem selben Weg zurück nach Viseu de Sus, wo zur Feier des Abschieds Maria noch kräftig die Konditorei plündert. Ü: Pensiunea Nagy.

 

 

 

 

 

12. Tag: Mittwoch, 19. August 2009

 

(GoogleEarth + GPS und Ukrainische Topografitschkaja Karta 1 : 100 000 Blatt 203/204) - 18 km

 

Mit dem Taxi fahren wir bis zum Magazin Mixt im Weintal / Valea Vinului. Auf einem malerisch-romantischen Weg wandern wir bis zur kleinen Privatkapelle, dann im Bach bis in den Talschluss. Eigentlich führt der richtige Weg, wie wir später von oben erkennen, rechts aus dem Bachbett heraus und im großen Bogen auf dem Wiesenhang hinauf zum Waldrand. Wir steigen die Direttissima hoch, treffen oben auf den hang-parallelen Weg, rasten beim letzten Weintalblick und folgen dann links den frischen Bärenspuren in den Wald.

 

Schließlich wird es noch abenteuerlich: Der Weg endet, wenige 100 m geht es steil rechts hoch durch den Wald und über eine nicht mehr genutzte und daher leicht verbuschte Wiese auf die Obcina. Hier ist Huzulenland, malerische Häuser, traditionelle Grünlandnutzung, dichtes Fußwegenetz, keine Fahrwege, nur Fußspuren, aussichts-reiche Rast. Auf dem Weg hinunter nach Poienile de Sub Munte kehrt sukzessive die moderne Zivilisation wieder. Viele freundliche, ukrainisch sprechende Menschen helfen uns bei der Suche nach einem Maxitaxi nach Petrova. Das war wegen des heutigen Volksfestes gar nicht so einfach - aber es hat geklappt! In Petrova erhalten wir in der Pensiunea Gogu ein angenehmes Quartier mit gutem Abendessen.

 

13. Tag: Donnerstag, 20. August 2009

 

(Ukrainische Karte 1 : 100 000 s. o.) - 21 km

 

Ein freundlicher junger Mann fährt uns mit seinem alten Dacia ins Crasna-Tal. Der Weg ist für das arme Auto eine echte Herausforderung. Mehrmals müssen wir vor tiefen Rinnen aussteigen, aber dennoch kratzt der Fahrzeugboden immer mal wieder am Untergrund. Etwa einen Kilometer vor der Schäferei und der Försterei steigen wir aus und steigen direkt hinter der Försterei auf einem steilen Almweg zunächst durch den Wald, der aber immer häufiger von Weidelichtungen unterbrochen wird, hoch zum waldfreien Kamm und auf diesem in Richtung zum schon von weitem sichtbaren Pop Ivan. Weiter Blick in die Ukraine zu den höchsten Bergen des Landes. Wir rasten im weichsten Gras der ganzen Karpaten, erreichen aber den Gipfel des Pop Ivan nicht. Dazu hätten wir zwei Stunden früher dran sein müssen, d. h. spätestens um 8 Uhr an der Försterei aufbrechen. Die Bergtour ist dennoch lohnend! Wir steigen auf dem gleichen Weg hinunter zur Försterei, telefonieren noch mit unserem Fahrer, der aus Sorge um seinen Dacia ein Geländeauto organisiert, das uns holprig, aber ohne Aufsetzer nach Petrova zurückbringt. Ü: Pensiunea Gogu.

 

14. Tag: Freitag, 21. August 2009

 

Mit der Bahn (Umsteigen in Viseu de Jos und Salva) nach Klausenburg / Cluj-Napoca. Ü: Hotel Premier, gebucht über Hrs).

 

15. Tag: Samstag, 22. August 2009

 

Taxi zum Flughafen, Rückflug mit Carpatair über Temeschburg / Timisoara nach Stuttgart.

 

Fazit: Es war traumhaft schön. Wir kommen wieder!

 

Fotos von Günther Krämer

 

Die Redaktion:

Die in blauer Farbe geschriebenen Begriffe stellen Internet-Links dar, die auf der

Homepage von Günther Krämer: http://www.lustwandeln.net/rumaenien.htm angeklickt werden können.

 

 

Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 31 - April 2010

 

 

 

Auf der Suche nach dem E4

 

Unterwegs im Retezat - einem der ältesten Naturschutzgebiete Rumäniens

 

Von Katharina Wegelt

 

Warum denn wandern in Rumänien? Ganz einfach: Weil es auf dem Weg liegt. Seit 2004 laufen wir, Hans, Carsten und ich den E4, nutzen möglichst unseren dreiwöchigen Jahresurlaub dafür. Gestartet sind wir auf Kreta. Nach mehreren Urlauben in Griechenland kam die Bulgarientour (siehe „Wege und Ziele“ Nr. 22, April 2007), die wir zwar schon kannten, aber unbedingt noch mal laufen wollten. Und nun folgte Rumänien. So einfach war das. Aber das war es dann auch schon mit dem „Einfach“.

 

Eigentlich gibt das Internet ja so ziemlich alles her, was das Herz begehrt. Unseres begehrte Informationen zum Wandern in Rumänien. Da konnte man lange suchen. Immer wieder stießen wir bei unseren Recherchen auf die Seiten Karpaten-Willi (http://www.karpatenwilli.com) und Rennkukuck (http://www.rennkukuck.de). Hier gab´s viele Infos, vor allem zu den reichlich in Rumänien vorkommenden Bären. Es soll ja längst Bärentourismus auf dem Balkan geben. Unser Ziel war, möglichst keinem zu begegnen. Dieses Ziel haben wir erreicht – lediglich einmal haben wir heftige Spuren entdeckt, die zeigten, dass wenigstens ein Bär ziemlich in der Nähe sein muss. Wir sangen lauthals – wie in aller einschlägigen Literatur empfohlen. Mit Erfolg.

 

Doch eine Route des E4 fanden wir dort nicht. Den vagen Verlauf, so wie er zumindest einmal geplant ist, kannten wir ja durch verschiedene Publikationen der Europäischen Wandervereinigung: von Oradea durch Siebenbürgen und Transsylvanien zur Donau nach Vidin.

 

Wenn wir dazu entsprechendes Kartenmaterial gehabt hätten, wäre der Rest ja ein Klacks gewesen. Aber so einfach macht ein Weitwanderer im Land Draculas keinen Urlaub. Wanderkarten gibt es, aber nur für ausgewählte Bereiche. Einige wenige können über einen ungarischen Verlag (siehe Bericht von Günther Krämer, ab Seite 4) bestellt werden, mit etwas Glück auch ein paar vor Ort in einer der spärlich vorhandenen Touristinformationen. In Buchhandlungen oder auf den Hütten selbst waren wir nicht erfolgreich.

 

So waren unsere Vorbereitungen recht lückenhaft. Der Urlaub versprach also spannend zu werden.

 

Und das war er! Bewusst hatten wir für die Anreise den Zug gewählt – wohl auch etwas in Erinnerung schwelgend an die Zeit, als Zugfahren noch der Beginn jedes Urlaubs war. Mit dem Liegewagen ging es von Berlin und Dresden über Budapest nach Sighisoara, wo wir zunächst zwei Tage verbrachten, um Vorbereitungen für unsere Hochzeit, die wir nach unserer Wanderung hier feiern wollen, zu treffen*.

 

Rumänien ist ein Land, das sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt hat – zumindest in den Städten, die wir gesehen haben. Zwar ist noch viel zu renovieren und sanieren, aber sehr, sehr viel ist bereits passiert.

 

So in Sighisoara, einer mittelalterlichen Stadt in der Nähe von Sibiu, der europäischen Kulturhauptstadt 2008.

 

Sighisoara (Schäßburg) gehört seit 1999 zum UNESCO Weltkulturerbe. Wer wissen und erleben möchte, was Mittelalter heißt, ist hier richtig. Allein die Unterkünfte, von einfach bis nobel, haben mittelalterliches Flair: ob in einem der Zunfttürme (wir wohnten im „Schneiderturm“, http://www.schneiderturm.de) oder den zahlreichen Hotels und Pensionen.

 

Kultur gibt es in Rumänien an jeder „Ecke“: Schlösser, Burgen, Kirchenburgen … (siehe Bericht von Lutz Heidemann ab Seite 20). Aber vor allem Landschaft!

 

Wir waren vorwiegend im Retezat unterwegs, einem der ältesten Naturschutzgebiete des Landes. Schon 1935 wurde die Gründung dieses Nationalparks durchgesetzt., seit 1980 ist das Retezat Biosphärenreservat der UNESCO.

 

Im Kernbereich des Retezat-Gebirges, einem westlichen Ausläufer der Karpaten, gibt es fast keine Versorgungsstruktur, nur wenige bewirtschaftete Hütten. Hier gilt die Selbstverpflegung. Die Touren hatten wir – soweit es ging - nach unserer vagen Route herausgesucht.

 

Wir – 2009 eine Truppe von sechs Wanderern - starten ausgestattet mit einer Karte (Muntii Retezat 1: 50 000, Verlag Dimap) an der Cabana Gura Zlata, die wir per Zug und Taxi erreichen. Die Bahnfahrt dahin ist spannend. Laut Auskunft in Sighisoara gibt es weder die Strecke noch den Bahnhof „Subcetate“. Wir erreichen ihn trotzdem. Ein „Taxibus“ erwartet dort die wenigen Aussteigenden und bringt sie ins nahe gelegene Hateg. Wir chartern ihn, um etwas ins Gebirge zu kommen. Auf nahezu halber Strecke wendet der Fahrer: Nicht sein Gebiet und Polizeikontrolle. Also zurück und auf Schleichwegen dem Ziel entgegen. Der Fahrer meint es gut und lässt uns erst direkt an der Hütte raus. Hier in der Gura Zlata machen rumänische Familien wohl gern Urlaub, unternehmen Tagestouren. Weitwanderer lassen die Betreiber staunen. „Und Sie kommen morgen Abend nicht zurück?“

 

Wir lassen es uns gut gehen am ersten Abend und brechen im nächsten Morgengrauen wohlgemut auf. Unser Ziel: die Cabana Rotunda. Zwei Wegmöglichkeiten gibt es: die Straße gen Stausee Lacu Gura Apei oder durchs Gebirge.

 

 

 

 

Unsere Truppe trennt sich. Fazit am Abend: Der schweißtreibende, lange Aufstieg von rund 800 auf 2100 Meter lohnt nicht nur, sondern ist für Körper und Geist die bessere Variante. Der Weg ist wild romantisch: alte bemooste Baumstämme als Brücken, Bergwiesen und weite Blicke ins Land.

 

Der Forstweg zum Stausee erweist sich entgegen der Darstellung in der Wanderkarte als durchweg asphaltierte Straße und damit trotz weitaus weniger Höhenmeter als ebenso anstrengend.

 

Zur Lunca Rotunda müssen wir dann wieder hinab. Die Rotunda ist für eine Hütte ziemlich nobel: noch mit allen Annehmlichkeiten der Zivilisation.

 

Hinweis: Spätestens ab hier ist Funkstille – zumindest im Handynetz. Wer dennoch telefonieren will, muss zurück bis zum Stausee (5 km) und hat bei richtiger Windrichtung und einigen sportlichen Verrenkungen vielleicht Glück.

 

 

 

Von dort wandern wir weiter durchs Tal des Lapusnicu Mare. Laut Wanderkarte nur ein Forstweg, für manche Rumänen fast eine Schnellstraße – zum Glück nur für sehr wenige. Das Tal ist herrlich und wir wandern auf die Berge zu und versuchen zu erraten, welcher Pass wohl der unsrige wird.

 

Über den Pass Saua Plaiul  Mic (1879 m) erreichen wir die Cabana Buta, eine Hütte, wie aus dem Bilderbuch: einsam, urig und traumhaft gelegen. Die Wasch-gelegenheit hier – mit freier Sicht für alle: ein Gebirgsbach durch einen Wassertrog geleitet gleich neben den Tischen, dazu zwei sehr große und diverse kleine Hunde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier hat auch die rumänische Bergwacht eine Station. Nach einem Gespräch mit deren Vertretern vor Ort ändern wir unsere Tour und folgen von der Cabana Buta anders als geplant nicht dem Weg direkt zum Campu lui Neag, sondern nehmen die Route über den Pass Saura Scotrota (1920 m). Sie fordert von uns etwas Trittsicherheit, lässt sich aber mit normalen Wandererfahrungen gut meistern, auch wenn es teilweise recht alpin ist (Wanderstöcke erleichtern die Gratwanderung enorm). Für kurze „Lufthol-Strecken“ belohnt er mit atemberaubenden Panoramen bar jeglicher Zivilisation. Höchster Punkt dieser Tour: der Gipfel Piule (2081 m).

 

Bis hierher ist der Weg wunderbar markiert, danach haben wir nur noch den Kompass und die Ahnung einer Schäferei am Wege. Hier passiert nun unser größtes Abenteuer: ein Abstieg jenseits aller Wege durch einen dicht bewaldeten Abhang. Ein paar Abschürfungen, ein paar gebrüllte „Sch…“ oder ähnliches begleiten den rasanten Abstieg gegen die hereinbrechende Nacht. Immer wieder gilt der Spruch „Die Letzten werden die Ersten sein“, denn immer wieder brüllt der jeweilige Führer: „Zurück“, weil eine Schlucht ein Fortkommen unmöglich macht. Trotzdem kommen wir beim letzten Tageslicht nach mehreren Stunden, in denen uns allen angst und bange war – wie wir uns später eingestehen, auf dem erhofften Forstweg an und erreichen „mit knapper Not“ eine treffliche Unterkunft: die Cheile Butii, die Zivilisation hat uns vorerst wieder.

 

Ab hier geht es weiter für uns, mal zu Fuß, mal mit der Bahn oder dem Bus über Lupeni und Petrosani durch das Muntii Surean. Dieser Gebirgszug ist ebenfalls wenig besiedelt, verfügt auch nur über sehr wenige Hütten. Was das Wandern hier ebenfalls nicht gerade leichter machte, war das Straßenbauvorhaben dort: Riesige Laster sind für eine Straße quer durch dieses Gebiet unterwegs. Die Straße ist schon zu großen Teilen fertig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In Sebes endet unsere eigentliche Wandertour. Von dort machen wir noch einen dreitägigen Abstecher ins Apuseni-Gebirge. Das Apuseni hat einen ganz anderen Charakter als das alpine Retezat. Ganz offensichtlich gehört es auch zu den von den Einheimischen bevorzugten Urlaubszielen. So haben wir ohne Voranmeldung Schwierigkeiten beim Finden von Übernachtungen, dafür gibt es hier reichlich Touristinfos und Wanderkarten!

 

Unser Fazit dieses Urlaubs: Ohne Zelt sollte hier kein Weitwanderer losziehen – losziehen in jedem Fall. Wir sind bereits im August dieses Jahres wieder da – dann planen wir auch ein paar zusätzliche Tage für Land und Kultur ein.

 

* P.S.: Das mit dem Heiraten hat auch geklappt

 

Fotos: Katharina Wegelt und Carsten Dütsch

 

 

Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 31 - April 2010

 

 

 

Reisen und Wandern in Rumänien

 

Eindrücke aus einem europäischen Land

 

Von Lutz Heidemann

 

Aufbruch und Rückblick:

 

Für 7.30 Uhr hatten wir das Frühstück bestellt. Es gab wieder Unmengen an Kaffee, Wurst und Marmelade. Schwarzer Tee allerdings war in Rumänien keine Selbstverständlichkeit, aber ich konnte auf Erfahrungen unserer Tochter zurückgreifen und hatte reichlich Teebeutel mitgenommen und kam auch bei diesem Sonderwunsch auf meine Kosten. Doch lag etwas Wehmut über der Mahlzeit, denn in wenigen Minuten würden wir auseinandergehen. Ich musste zurück zu meinem Auto, das am Ausgangpunkt unserer Tour stand, die anderen Mitwanderer fuhren mit der Bahn nach Cluj / Klausenburg und nahmen dort das Flugzeug nach Deutschland.

 

Wir verabschiedeten uns von unseren freundlichen Wirtsleuten, dann von einander. Ich ging zum Dorfmittelpunkt, wo die „Microbusse“ halten, die anderen zum Bahnhof. Das Dorf erwachte gerade aus dem Frühnebel, es würde wieder ein schöner warmer Tag werden. Ich beobachtete das Verhalten der Mitwartenden; sie hielten einfach andere Autos an. Das tat ich auch und bald hielt ein Auto. Ich nannte den Namen der nächsten Kleinstadt, ein Nicken, ich stieg ein. Die beiden Männer unterhielten sich weiter intensiv und schenkten mir keine Beachtung. Es war zu offensichtlich, dass ich als Ausländer von ihrem Gespräch nichts verstand. Am Zielort zückte ich mein Portemonnaie und zwei Lei, Gegenwert 0.50 , wurden selbstverständlich angenommen. Ich hatte solche Praktiken auf der Hinreise beobachtet, als ältere Frauen am Straßenrand standen und ich sie mitnahm.

 

Zu Passanten sagte ich „Microbus“ und nannte wieder einen Ortnamen und wurde zum nächsten Haltepunkt verwiesen. Dort kam ziemlich bald ein Kleinbus und bei Zahlung ähnlicher Summen kam ich zum nächsten und nach einem weiteren schnellen Fahrzeugwechsel zum übernächsten Ort.

 

 

 

 

Ich erkannte beim Vorbeifahren die Pensionen und Hotels wieder, in denen unsere Gruppe geschlafen hatte oder die Stellen, wo wir unsere Tagesetappen begonnen oder beendet hatten. Vor allem flogen jetzt die Bildteile an mir vorüber, aus denen sich das aktuelle Rumänien-Puzzle zusammensetzt: ein buntes Gewusel aus Menschen, vielen großen neuen Autos, alten Holzhäusern und bunten Neubauten, älteren „sozialistischen“ Gebäuden, die ihre nackte Fremdheit und Falschheit zur Schau stellten, und immer wieder dazwischen schöne Landschaftsteile.

 

Bei einer Retortensiedlung in den Bergen, „Borscha-Komplex“ geheißen, war Ende. Ich musste länger warten, denn weiter oben gab es keine Dörfer mehr und folglich auch keine Minibusse. Ein Lastwagenfahrer nahm mich mit. Er sprach gut englisch und auch italienisch; war oft zu Ferntransporten in Westeuropa gewesen. Er berichtete, dass er 29 Jahre alt sei und zwei Töchter habe, und dass das Fahrzeug, das einen großen Sprung in der Frontscheibe hatte, sein Eigentum sei. Er fügte hinzu, dass die großen Aufträge seit einem Jahr völlig aufgehört hätten und fragte mich nach der Krise: „Wie lange wird sie noch dauern?“. Ich konnte keine optimistische Antwort geben: „Ein bis zwei Jahre mindestens.“ Jetzt war er unterwegs, um einer Gruppe Holzfäller Lebensmittel zu bringen. Sehr lang war deshalb unsere gemeinsame Fahrt nicht. Aber bald hatte ich wieder Glück. Dieses Auto nahm mich mit zurück bis zu dem Ort, wo mein Auto stand, knapp 100 km.

 

Am Abend zuvor, beim Rückblick über zwölf gemeinsame Wandertage – war die übereinstimmende Meinung, dass das kleine Hotel „Tarafagului“ in Suceviţa, Ort eines der berühmten Moldau-Klöster, uns den schönsten Rahmen zur Übernachtung geboten habe. Als ich nun mein Auto wieder gut antraf, beschloss ich dorthin zu fahren. Leider war alles belegt. Die Hoteleigentümerin spürte meine große Enttäuschung und fragte, ob ich in einem Privatzimmer schlafen wolle? Ja, warum nicht, wenn es ruhig sei. Es war das Haus ihrer Eltern am anderen Ende des Dorfes; Abendessen und Frühstück würde ich dort auch bekommen. Sie begleitete mich in ihrem Auto dorthin.

 

Es war ein traditionelles Bauernhaus; alles machte einen sehr guten Eindruck. Ich wurde herumgeführt, sah die eine Kuh. Es schien die Sonne. Ich setzte mich in den blühenden Garten und machte Notizen. Dann ging ich noch für eine Stunde in das Kloster. Jetzt war ich dort fast allein in der innen völlig ausgemalten Kirche. Über Lautsprecher wurde aus einem Klostergebäude der Gesang der Nonnen übertragen. Wieder zurück, wurden mir als Abendbrot Pilze in Sahnesoße mit Polenta und Dill serviert, dazu bäuerlicher Wein. Auch die selbst gemachten Marmeladen am nächsten Morgen waren köstlich.

 

Damit wäre auch eine Mosaikstein-Antwort auf die im vorletzten Heft von Professor Brämer aufgeworfene Frage gegeben: „Was treibt Trekker? Suchen und finden Weitwanderer unterwegs Genüsse?“ Es war vielleicht nicht jeden Abend so schön, aber Höhepunkte sind eben Höhepunkte. Wenn wir nicht zu Fuß durch dieses Land gezogen wären, wäre ich nie dorthin gekommen. Und „Genüsse“ in der Art gab es häufiger: In der Regel war das Essen gut und reichlich. Auch unterwegs gab es kulinarische Reize: Oft kamen wir an reifen Himbeeren oder Mirabellen vorbei, an einer Alm und später auf einem kleinen Hof wurde uns gerade gemachter Käse angeboten, bestreut mit Salzkristallen, ein anderes Mal erhielten wir auf einem kleinen Bauernhof Haselnüsse.

 

Bei der Sonnabend-Übernachtung in einem Dorf gerieten wir in eine Hochzeit mit Musik- und Gesangsdarbietungen der unterschiedlichsten Art, auch z. B. von einem etwa 15-jährigen Mädchen in Tracht, das offensichtlich ein regionaler Star war, denn im Nachbarort konnte man Musik-Kassetten von ihr kaufen. Hier wurden wir zum Mittanzen und Mittrinken aufgefordert.

 

Und als Genuss und Geschenk fasse ich Landschaften auf, in denen man fast allein ist und keine Autos oder Flugzeuge hört. Anfangs wanderten wir hauptsächlich durch Nadelwälder und kamen zu kargen Hochweiden, aber dann weiter in Richtung Westen überwogen die Laubwälder, in den Tälern gab es Felder und auf der untersten Hügelkette durchquerten wir Wiesen und bäuerliche Gärten.

 

Wie nah und wie fremd ist uns Rumänien?

 

Verreisen und gar das Wandern hat oft etwas von „Zeitreise“ und dem Wunsch, in die Vergangenheit eintauchen zu können. Wanderer durchqueren eine Gegend mühsam, aber sehen genau hin, entwickeln Gefühle, positive – manchmal auch negative, fangen an, die Gegend zu lieben und am Ende fällt es ihnen nicht leicht, sich von dieser „neuen Heimat“ zu trennen, jedenfalls nehmen sie Bilder von ihr mit in ihr „altes Zuhause“.

 

War uns Rumänien fremd? Existieren Fäden zu unserer Welt, wo könnten wir mit Erfahrungen anknüpfen? Die andere Sprache ist vielleicht eine Schwelle. Ich selbst war bis zu dem eingangs geschilderten Abschied verwöhnt worden, weil Angelica, Günthers Frau, für uns dolmetschte. So hatte ich mir auch kein Wörterbuch gekauft, was ich sonst in einem fremden Land mache. Aber es geht auch anders. Beim Sprechen reichen fürs Allernotwendigste einige Worte und Gesten. Beim Lesen kann man in Rumänien erstaunliche Kombinationen machen und dabei stellt sich ein Gefühl der europäischen Nähe ein. So kam mir beim Nachdenken über den Namen des Hotels „Tarafagului“ eine Erleuchtung. Er hat zwei Bestandteile: tara wie auf italienisch „terra“ das Land und „fagus“ heißt auf lateinisch die Buche. Das ergibt Buchenland, was auf „slawisch“ Bukowina heißt. Der alte Hauptort der Bukowina, die Stadt Czernowitz am Pruth, war im Sommer 2007 das Ziel einer langen Wanderung von Günther und anderen Netzwerk-Wanderern. Die Erfahrungen davon ist in „Wege und Ziele“ - Heft 24 / Dezember 2007 nachlesen.

 

Nun, im Sommer 2009, freuten wir uns an dem benachbarten neuen Land und an seinen vielseitigen Landschaftsbildern. Wie waren sie entstanden? Es war eine Kulturlandschaft, war Menschenwerk. Was für Menschen haben die rumänischen Landschaften „gemacht“? Und sichtbar war bei der Durchreise, es handelt sich um ein gefährdetes Erbe, denn die jetzigen Bewohner sind auf „Verbrauch“ aus. Zumindest könnte man auf solche pessimistischen Gedanken kommen, z. B. wenn man von Cluj / Klausenburg über die Gebirgsketten über breit ausgebaute Straßen in Richtung Suceava fährt und auf den Passhöhen die klotzig in die Landschaft gesetzten Hotels, Restaurants und Ferienhäuser sieht. Rumänien ist ein Land im Umbruch. Bei dem rapiden Wandel liegt die Frage nahe, was soll und kann bewahrt werden kann. Kann dabei das Weitwandern helfen?

 

„Zeitreise“ zu betreiben, ist in Rumänien gut zu praktizieren. Das Land regt an, sich mit Geschichte zu befassen und nicht selten wird es auch ein Stück „persönliche Geschichte“ sein, warum man nach Rumänien fährt. Bei mir war das auch der Fall, davon später. Der Schatten von Ceauşescu liegt immer noch über dem Land. Über personelle Kontinuitäten kann ich als flüchtiger Besucher nichts sagen. Unübersehbar sind in allen größeren Orten die baulichen Hinterlassenschaften des Regimes.

 

Aber noch stand ich unter dem Eindruck der Moldau-Klöster. Es schien sehr viele Nonnen zu geben. Später sah ich auch viele neue Klöster. Warum sind die rumänischen Klöster heute so lebendig? Ursprünglich waren sie von lokalen Fürsten und hohen Adligen gestiftet worden, die nicht vergessen sein wollten; an ihren Gräbern sollte möglichst immer gebetet werden. Auch im westlichen Europa hatte es dergleichen gegeben. Diese ursprüngliche Nähe zwischen Kirche und weltlicher Macht hat im orthodoxen Bereich nicht Brüche und Herausforderungen erlebt wie die Klosteraufhebungen in der Reformation, im aufgeklärten „Josephinismus“ oder während des preußischen „Kulturkampfes“. Im Gegenteil. Als diese Landesteile unter osmanischer Oberhoheit standen, waren die Klöster Bewahrer von kulturellen und nationalen Erinnerungen; das war positiv. Die kommunistische Zeit war schlimm, es gab Druck, junge Mönche und Nonnen wurden aus den Klöstern gedrängt - und es gab wohl viel Opportunismus und Kollaboration, aber die Klöster wurden nicht grundsätzlich geschlossen. Jetzt existiert Freiheit – und wem der „Kapitalismus“ zu aggressiv oder zu nackt ist, kann in ein Kloster gehen.

 

 

 

 

 

Die großen Bildzyklen, die die Außen- und Innenwände bedeckten, waren keine Dekoration, sondern enthielten sehr durchdachte „Bildbotschaften“. Eine Nonne hat unserer Gruppe fast eine Stunde in exzellentem Deutsch „Nachhilfe-Unterricht“ über Mariendarstellungen gegeben. Wir registrierten ungewohnte, aber einsichtige Bilder, die die Frage nach dem eigenen Kulturkreis - ich möchte den Pathos-Begriff Glauben vermeiden – aufwarfen. Ich bin lange in muslimischen Ländern mit Bildlosigkeit und einer „vernünftigen“, unkomplizierten Gottesvorstellung – zumindest nach Meinung meiner Gesprächspartner - gereist. Diese Klöster hier in der Moldau dienten auch als „Bollwerke“ und Selbstvergewisserung gegen die türkische Nähe. Als Christen beziehen wir uns auf eine schwierige Sache: War Jesus ein Mensch und/oder ein Gott? Rumänien betont zwar seine „Latinität“, aber bei den Klöstern und dem ganzen Kirchenwesen wird sichtbar, dass der Bezugsort Konstantinopel war. Und es gibt die Nähe zu Russland; Geschenke der Zarin Katherina an die Klöster wurden nicht ohne Grund gezeigt.

 

Jetzt aber befindet sich das Land auf dem Weg in die Moderne. Was ich an Supermärkten, neuen Fabriken, Großwerbungen, Tankstellen und Straßenbauten beobachten konnte, repräsentierte schon den zweiten Schub. Die vielen Besitzer der Autos mit italienischen, spanischen, portugiesischen oder deutschen Kennzeichen tragen dazu bei. Es sind keine Touristen. Schon die kommunistische Herrschaft wollte die Agrarstruktur des Landes mit Gewalt verändern, was auch mehr oder minder gut gelang. Die meist brutal in die Landschaft gesetzten Industrieanlagen, die kastenartigen Einkaufszentren, die überdimensionierten Schulen und die Hochhaussiedlungen in jeder größeren Ortschaft künden davon.

 

 

 

 

 

 

 

 

Das waren Überlegungen, die mir zum Teil erst im Nachhinein kamen. Als ich mich wieder in mein Auto setzte, war ich beschäftigt, mich in dem ungewohnten Land zurechtzufinden und die Eindrücke zu sortieren. Ich fuhr in meinem Auto erst ein Stück nach Ostern, kam in die Moldau-Ebene und hatte dort nun das Gefühl sehr weit im Osten von Europa zu sein. Ich zog meine Karte zu Rate und stellte als Entfernung bis Odessa 350 km Luftlinie fest. Dann fuhr ich wieder in die Karpaten hinein, diesmal viel südlicher und nach einer spannenden Durchquerung von schluchtartigen Bergstraßen kam ich im Inneren des Karpatenbogens heraus. Jetzt war ich in Siebenbürgen, auf lateinisch Transsylvanien.

 

Wegen eines interessanten Luftbildes war ich gespannt auf die Stadt Sighişoara / Schäßburg. Als ich anlangte, waren die Straßen der historischen Oberstadt eine riesige Baustelle. Neue Abwasser-Kanäle und Pflasterungen entstehen. Ich kam mit dem Auto kaum durch, obwohl ich „Eintrittsgeld“ für die Oberstadt bezahlt hatte. Aber es lohnt sich, dorthin zu fahren. Übernachtungs-Gäste waren an dem schönen Augustwochenende reichlich da. Ich fand ein Zimmer in dem jüngst sehr geschmackvoll hergerichteten Fronius-Haus in der Schulstraße, weitere Auskünfte dazu unter: www.fronius-residence.ro. Am Sonntagmorgen ging ich in den evangelischen deutschsprachigen Gottesdienst. Er war passabel besucht, die Predigt war anregend. Nach der Kirche kam ich mit dem Pfarrer ins Gespräch.

 

Am Spätnachmittag fuhr ich die Strecke von Schäßburg nach Apold, besuchte dort die Kirchenburg und das Gästehaus in der Nähe und fuhr weiter auf einer mehr oder minder unbefestigten und leeren Straße durch stille Landschaften und passierte Dörfer wie Brădeni / Henndorf, Retisu / Retersdorf, Barcut / Bekokten, Şoars / Scharosch und kam schließlich in Făgăraş / Fogarasch heraus und schlief dort in einer Pension.

 

Am nächsten Morgen ging ich durch die vom Erscheinungsbild recht „durch-wachsene“ Stadt, stand vor einer riesigen, noch unfertigen „neubyzantinischen“ Kirche. Dann fuhr ich auf der Überlandstraße Brasov - Sibiu in Richtung Hermannstadt und bemerkte einen Wegweiser, der auf den Ort Cârta / Kerz und seine Kirche aufmerksam machte. Dort scheint man mit Besuchern zu rechnen. Ich sah Schilder für einen Campingplatz und vermutete auch Zimmerangebote von Privaten. Cârta liegt etwas abseits der Überlandstraße. Verkehrslärm dürfte kein Problem sein. In dem weitläufigen Pfarrhaus-Gelände liegt die Ruine eines Zisterzienser-Klosters. Im früheren Chor und Querhaus war um 1900 eine evangelische Pfarrkirche eingerichtet worden, von anderen Teilen stehen nur noch die Umfassungsmauern. Das Ganze wirkt wie eine Idylle.

 

Ich fand in der Nähe einen Wanderweg-Wegweiser. Das sah verlockend aus; man kann gut von Kerz Wanderungen und Ausflüge zu den nördlich gelegenen Dörfern mit Kirchenburgen machen.

 

 

 

 

 

 

Meine nächste Station war Sibiu / Hermannstadt. Die Stadt hat sich durch den Kraftakt „Europäische Kulturhauptstadt 2007“ gut herausgeputzt und besticht durch das sehr attraktive historische Zentrum. Bei meinem Besuch wurde in der eher kleinbürgerlichen, barock-gründerzeitlichen Unterstadt die Kanalisation erneuert. Aber es gibt in Stadtkern-Nähe auch Hoteltürme, die die Silhouette stören.

 

 

 

 

 

 

 

Für interessierte Einzelreisende könnte in Hermannstadt das kleine Gästehaus „Casa Baciu“ in der Straße des 9. Mai, Nr. 29 eine Anlaufstelle sein, weitere Informationen und Kontakte unter: www.casa-baciu.com . Es wird von zwei Brüdern betrieben, einer der beiden, Alexandru Ujupan, der sehr gut deutsch spricht, betätigt sich auch beim Carpathian Travel Center als Organisator von Rundreisen oder Wanderungen kleiner Gruppen oder Einzelpersonen. Er schien mir sehr kompetent. Das Büro hat seinen Hauptsitz in Brasov / Kronstadt, aber in Sibiu hat es ein Büro direkt an einer Ecke an der Plata Mare, dem Großen Platz. Von Hermannstadt machte ich Ausflüge zu weiteren Dörfern mit Kirchenburgen.

 

Die letzte Station meiner Rumänien-Reise war ein großes Dorf im Banat. Es liegt schon sehr nahe der ungarischen Stadt Szeged, aber in die Woiwodina, einer Teilrepublik von Serbien, ist es von dort nicht weit. Ich war im Jahr 2000 das erste Mal mit meiner Frau in Groß Sankt Nikolaus / Sinnicolau Mare, als wir erfuhren, dass sich dort das Grab meines 1944 von Partisanen erschossenen Vaters befindet, der im Krieg im jugoslawischen Teil des Banates stationiert war. Das war einer der Gründe, warum ich gerne der Einladung von Günther Krämer gefolgt bin, in dem Jahr in Ru- mänien zu wandern.

 

 

 

 

 

 

 

Wo kann man in Rumänien wandern?

Wie kann man sich auf das Land vorbereiten?

 

Auf jeden Fall könnten interessierte Wanderer vergleichsweise einfach unsere von Günther Krämer entwickelte Wanderung nachwandern. Seine ausführlichen und gut illustrierten Etappenbeschreibungen einschließlich der Übernachtungshinweise, einer ausführlichen „Bildstrecke“ und vieler Link-Hinweise finden sich im Internet unter www.lustwandeln.net. Über Erfahrungsberichte von Wanderern, die diese Anregungen aufgegriffen haben, würden sich Günther Krämer und das „Netzwerk Weitwandern“ freuen!

 

Markierte Wege:

 

Es gibt in Rumänien eine größere Menge von markierten Wegen, aber es scheint im rumänischen Gesamtrahmen keine Übersicht über alle derartige Strecken zu geben. Hier besteht Handlungsbedarf! Sozusagen intuitiv, aber letztlich auch nicht überraschend, hat Günther Krämer bei der Auswahl unserer Tagesetappen mehrmals Wege ausgewählt, bei denen wir streckenweise auf Markierungen gestoßen sind. Wie er sich sonst geholfen hat, ist auch in unserer Zeitschrift nachzulesen.

 

Wanderführer:

 

Führer über mehrtägige Wanderstrecken in der Art wie wir sie z. B. aus Deutschland oder Frankreich kennen, scheint es mit Ausnahme des Kirchenburgen-Führers, auf den ich später ausführlich eingehe, nicht zu geben. Andere Materialien führt Günther Krämer auf, zusammen mit interessanten ergiebigen Links wie www.Karpatenwilli.de.

 

Luftbilder zur Reisevorbereitung?

 

Für eine Reise nach Rumänien, bei der die Kultur des Landes eine gewisse Rolle spielen soll, wäre folgendes Buch eine gute Vorbereitung:

 

Gerster, Georg und Rill, Martin:

Priviri asupra trecutului Romanei –  Blicke auf Rumäniens Vergangenheit

Verlag Wort + Welt + Bild, München 2007, ISBN 978-3-9810825-3-1.

 

Das Buch entstand im Zusammenhang mit einer Ausstellung von großen Abzügen von Schrägluftbildern des Schweizer Photographen Georg Gerster, die zuerst in Sibiu / Hermannstadt und später im Donauschwäbischen Museum Ulm gezeigt wurde. Jedes Foto von Gerster ist ein ästhetischer Genuss. Man spürt, dass die Auswahl aus einem großen Bildvorrat getroffen wurde.

 

Das Buch illustriert sehr anschaulich die verschiedenen Typen von Sehenswürdigkeiten in Rumänien: Es gibt anschauliche Bilder von den mittelgroßen historischen Städte, insbesondere die siebenbürgischen Orte wie Hermannstadt und Schäßburg, aber auch von den barock geprägten Stadtanlagen wie Alba Julia und Arad werden sehr eindrückliche Luftbilder gezeigt. Dann werden die Moldauklöster in ihrer Strenge und Formenvielfalt vorgeführt. Eine weitere Serie gilt den sächsischen Kirchenburgen, dann folgen die Holzkirchen im Maramuresch-Gebiet und eindrückliche antike Denkmäler. Schließlich kommt ein Luftbildbuch über Rumänien nicht umhin, auch eine Abbildung des monströsen Ceauşescu-Palastes zu zeigen.

 

Reiseführer, die das gesamte Land abdecken:

 

Der auf Wander- und „Outdoor“-Bücher spezialisierte Verlag Conrad Stein (im Vertrieb jetzt in Kooperation mit dem Thomas Kettler Verlag, Hamburg) bietet an:

 

Müller, Ronny und Moll, Michael:

Reisehandbuch Rumänien

2006, ISBN 3-86686-952-5, 7. Auflage, 245 Seiten, Preis: 14,90

 

Im Jahr 2006 erschien die 7. Auflage dieses handlichen Führers. Schon das ist ein gutes Zeichen und beweist eine Nachfrage. Man bekommt Grundinformationen über das Land und die wichtigsten Orte. Format und Gewicht sind rucksackgerecht. Im Text wird vieles sehr allgemein charakterisiert. Landschaften sind „herrlich“, Bauwerke sind „einzigartig“, Flüsse sind „reißend“ und Gebirgsbäche „kristallklar“, (wir sahen leider oft Müll). Manche Aussagen sind von umwerfender Schlichtheit. Es heißt z. B. über den Ceauşescu-Palast: „Das Innere wurde mit zahlreichen Verzierungen versehen.“ Die historische Präzision ist bescheiden; z. B. heißt es auf S. 162: „Die Bukowina zählt jetzt jedoch wieder zu Rumänien.“ Manchmal dachte ich, das Buch wäre eine fortgeschriebene DDR-Produktion.

 

Zu Siebenbürgen und den Kirchenburgen schreiben die Autoren „Wanderungen von Dorf zu Dorf wären besonders schön“. Den Eindruck hatte ich beim Durchfahren mit dem Auto auch. Sie fahren fort: „Hier sind Sie völlig allein und auf sich gestellt, andere Touristen gibt es selten. In den Tälern finden Sie kleine Dörfer, in denen Sie übernachten können. Leider gibt es keine Markierung, so dass man sich oft verläuft.“ Das mit fehlender Markierung stimmt vielleicht nicht ganz. Dazu später mehr.

 

Ich war gespannt auf den Abschnitt „Wandern in den Karpaten“, auf den schon außen auf dem Buch geworben wird. Hier bringt der Führer Informationen, die kein anderer nennt. Sie sind knapp, aber wenn man gewohnt ist, mit einem Zelt zu wandern, kann man sich mit ihrer Hilfe auf interessante Mehrtagestouren einlassen. Die Markierungen, die der Führer nennt, haben wir auch gesehen. Das Problem sind die Startpunkte. Wenn man zu einer Seilbahn oder Hütte gelangt ist, wird man wohl einigermaßen gut den Anschluss finden. Das ausgedehnteste Wegenetz gibt es in den Südkarpaten in der Umgebung von Bran und im Făgăraş-Gebirge. Hier gibt es Berghütten, hier wird ein Gebirgswanderer auf seine Kosten kommen.

 

Im Verlag DuMont, hervorgetreten durch qualitätsvolle und viele Teile der Welt abdeckende Reise- und Kunstreiseführer und seit einiger Zeit in der Mair-Verlagsgruppe, Ostfildern, aber nach wie vor mit eigenständigem Profil, erschien:

 

Hagenberg-Miliu, Ebba unter Mitarbeit von Miliu, Cezar:

Rumänien, DuMont richtig reisen

2008, ISBN 978-3-7701-7614-4, 2. Auflage, 432 Seiten, viele Abbildungen und Routenkarten, integrierter Reiseatlas M. 1: 1.000.000, Preis: 22,95

 

In der Einleitung (S. 13) redet die Autorin „Klartext“, um keine falschen Bilder – oder gar Haftungsklagen aufkommen zu lassen: „In der Infrastruktur hakt es gewaltig. Das Alltagsleben am Karpatenbogen wird noch über Jahre entbehrungsreich bleiben, so dass der Besucher dort nicht jede ihm vertraute Annehmlichkeit erwarten kann.“

 

Das Buch ist eine solide Informationsquelle für Rumänienreisende mit Kultur- und Geschichtsinteresse. In vielen kleinen, in den Text eingestreuten Hinweisen wirbt sie um Verständnis für die gegenwärtige Umbruch-Situation z. B. mit Landflucht und Rückkehr. Sie schreibt - und da hat sie recht - dass die deutschen Altstädte vor dem Zweiten Weltkrieg so aussahen wie viele Stadtkerne in Rumänien heute. Aber auch dort macht die flächenhafte Wiederherstellung riesige Fortschritte.

 

Vom Wandern hat die Autorin – Verzeihung! – wohl nicht viele persönliche Erfahrungen: In einem der für dieses Buch charakteristischen Info-Blöcke schreibt sie auf S. 359: „Beim Wandern sollte man grundsätzlich auf den markierten Wegen bleiben und sich am besten nie allein auf die Wanderschaft machen.“ Ich kann nicht einschätzen, ob sie einen Unterschied zwischen Bergsteigern und Bergwanderern macht, wenn sie auf S. 324 von einem markierten Weg im Făgăraş-Gebirge schreibt: „... nur für erfahrene Bergsteiger zu empfehlen“. Ich halte ihr zugute, dass sie den markierten 4.30-stündigen Wanderweg von der Station Borşa zum Prislop-Pass aufführt.

 

Der bekannte Verlag Karl Baedeker, er gehört ebenfalls seit einiger Zeit zur DuMont-Mair-Gruppe in Ostfildern, hat aktuell folgenden Führer herausgebracht:

 

Kotzan, Anna:

Rumänien Baedeker-Allianz Reiseführer

2009, ISBN 978-3-8297-1172-2, 1. Auflage, 403 Seiten, viele, sehr interessante Abbildungen und Karten, dazu als separate Einsteckkarte eine Straßenkarte Rumänien M. 1: 850.000, Preis: 22,95

 

Das Buch ist eine sehr empfehlenswerte, solide und detailreiche Informationsquelle. Es wirbt auch auf gute Weise um Verständnis für Rumänien und enthält eine ausführliche Geschichtsdarstellung. Ebenfalls werden viele Namen erläutert, z. B. die erst 1974 - sprich in der Ceauşescu-Zeit - eingeführte merkwürdige Doppelform „Cluj-Napoca“, bei der ein dakischer Name die „vordeutsche“ Geschichte von Klausenburg überspielen soll. Es wird da auch auf die wechselnde Beschriftung des Mathias-Corvinus-Denkmales vor der gotischen Michaelskirche verwiesen und der Name eines besonders rabiaten, nationalistisch geprägten Bürgermeisters genannt. (Es stehen immer Menschen hinter Entscheidungen.)

 

 

 

Bei Kirchen werden präzise Daten genannt, z. B. bei der unübersehbar das Stadtbild von Temeschwar beherrschenden orthodoxen Kathedrale die Jahre 1936-47. Man begreift so unausgesprochen, dass in den „Jahren nach Trianon“, als dieser Teil des früheren k. und k. Reiches rumänisch wurde, die „nationale“ Kirche hier eine Duftmarke setzte. Oft weist der Führer z. B. auf ungewöhnliche interessante Baudetails hin, nennt auch irritierende Dinge, z. B. Industrieanlagen oder Neubauviertel in der Nähe von trotzdem sehenswerten Reisezielen. Eine besondere Qualität des Führers sind die vielen recht detaillierten Stadtpläne auch für mittlere Städte wie z. B. Großwardein / Oradea.

 

Der Führer nennt eine ganze Reihe von Adressen für Übernachtungsmöglichkeiten bei den Kirchenburgen. Es spricht in gewisser Weise sogar für die Verlässlichkeit dieses Führers, dass er über Wandermöglichkeiten nichts – oder eben nur den einen Satz schreibt, dass man gut in Rumänien wandern kann.

 

Wenn ich auch den „Baedeker“ vorziehen würde, sind beide Bücher doch gute Reisebegleiter, allerdings mit je über 600 Gramm Gewicht kaum rucksacktauglich. Auch z. B. weniger von deutschen Touristen besuchte Objekte wie das Kloster Agapia, werden in beiden Führern ausführlich beschrieben. Im Brukenthal-Museum von Hermannstadt werden Cranach und Van Dyck genannt, doch berichten beide Führer nichts von der extremen Merkwürdigkeit, dass sich hier ein Van Eyck befindet. Das ist, wie der Leonardo in Krakau, ein Zeichen für die Zugehörigkeit zu Europa. Ich konnte ihn allerdings nur als Reproduktion sehen; zusammen mit den anderen „Schaustücken“ war er 2009 in Paris zu Gast.

 

Kirchenburgen als Reise- und Wanderziele:

 

Ich wusste schon lange von den Kirchenburgen in Siebenbürgen und ihrer historischen Rolle. Wir sind auf einer Wanderung in Slowenien einmal an einer Kirchenburg vorbeigekommen; sie heißen dort Tabor nach dem alttestamentarischen Bergheiligtum. Schutz vor den Türken war hier wie dort eine Aufgabe. In Siebenbürgen gab – und gibt - es Dutzende dieser interessanten Bauwerke. In dem Hotel in Schäßburg erhielt ich ein englischsprachige Faltblatt mit dem Obertitel: The Saxon Legacy, zu deutsch: das sächsische Erbe. Sie sind nicht isoliert zu würdigen, sie sind eng mit der Geschichte der sie umgebenden Bauerndörfer verbunden. Ich berichtete schon, dass ich in der Kirchenburg Apold war und dann durch Dörfer wie aus dem Bilderbuch kam und die ganze Zeit dachte, wie schön es doch wäre, hier zu wandern. Inzwischen weiß ich, man kann es.

 

Wer sich schon vorher ein Bild von den siebenbürger Dörfern machen möchte: Informationen zu einzelnen Orten, in der Regel in Verbindung mit Luftbildern von Gerster, sind zu finden in dem Internet-Portal: www.siebenbuerger.de, von wo man sich zu „Ortschaften“ durchklicken kann.

 

Wenn man jetzt durch die sächsischen Dörfer fährt, hat das etwas sehr melancholisches. Man sieht wenig Menschen auf der Straße und die Zahl der deutschsprachigen Bewohner ist drastisch zurückgegangen. Inmitten des ursprünglich einheitlichen, aber auch ein bisschen verwitterten Gesamtbildes fallen dann einige etwas zu farbenfrohe Renovierungen besonders auf. Da können Rumänen eingezogen sein, oft sind es Roma. Aber wenigstens stehen die Häuser nicht leer und verfallen.

 

Es gab bereits einzelne Initiativen gegen die soziale Ausblutung, z. B. das Dorfentwicklungsprojekt „Nachhaltiges Holzmengen“, rumänisch „Hosman durabil“. Die Aktivisten dieses Vereins charakterisieren ihre Situation folgendermaßen: „Das Harbachtal zwischen Hermannstadt und Schäßburg ist touristisch nicht erschlossen, außerdem wirtschaftlich schwach und von der Abwanderung seiner Bewohner gezeichnet. Auf Initiative des [Berliner Planungsbüros] KulturLand erarbeitete der Verein in Zusammenarbeit mit der Samuel von Brukenthal-Stiftung, dem Büro Logo Verde SRL und der Reky-Travel Club SRL einen Wanderweg zwischen Leschkirch, Hermannstadt und Freck als Beitrag zur behutsamen Modernisierung, zum internationalen Austausch und zur touristischen Aufwertung.“ Informationen und eine Karte gibt es bei eMail: traseul.cultural@brukenthal.org. Internet: www.brukenthal.org

 

Jedoch wird unter Neuigkeiten für 2008 gemeldet: „Nach dem erfolgreichen Absatz der Erstauflage 2007 der Wanderkarte (2000 deutsch, 1000 rumänisch) wird die zweite Auflage vorbereitet. Sie soll zu Saisonbeginn im Juni erhältlich sein. Neben einigen Verbesserungen werden dann GPS-Daten für alle Einzelrouten verfügbar sein. Eine Teilstrecke (Holzmengen - Burgberg) ist bereits bei www.gps-tour.info abrufbar. Nachdem die Wegweiser „der ersten Generation" leider fast alle und in kürzester Zeit entwendet wurden, ist vorerst keine Markierung solcherart geplant. So es die Kapazitäten zulassen, werden wir mit Farbe und Schablonen nachmarkieren. Geführte Wanderungen werden von www.reky-travel.de in Sibiu / Hermannstadt organisiert.“ Damit scheint der Impuls etwas erlahmt. Denn Ende 2009 standen jedenfalls keine neuen Information im Netz, also auch keine Aussagen, ob die Markierungen inzwischen vorgenommen wurden.

 

Öffentliche Mittel sind über die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und kirchliche Stellen auch in das sehr viel umfangreichere Nachfolge-Projekt geflossen. Die erwähnte Berliner Planungsgruppe BPE war daran entscheidend beteiligt. Ein Ergebnis ist die nachfolgend beschriebene Veröffentlichung. Sie kann in Rumänien z. B. in Buchhandlungen in Hermannstadt oder Mediasch und in Deutschland über den Shaker Verlag Aachen (info@shaker-media.de) bezogen werden.

 

Herausgeber: KirchenBurgenSchutzVerein Siebenbürgen, Mediasch

Siebenbürgen – Gästehäuser und Wanderwege

in der Kirchenburgenlandschaft

ISBN 978-3- 86858-040-2, 180 Seiten, viele Abbildungen und Karten

 

Das sehr gute, informative Buch wurde erarbeitet von einer Autorengruppe aus Vertretern vor Ort und den Berliner Planern, die auch für andere deutsche und osteuropäische Regionen Beratungen für verträglichen Tourismus betrieben haben. Nach einer kurzen Einleitung gibt es eine 100-seitige detaillierte Auflistung aller Übernachtungsangebote entlang der Routen zwischen den Kirchenburgen, die selbstverständlich auch beschrieben wurden.

 

 

Es wurden entsprechend der landschaftlichen Gliederung fünf regionale Gruppen gebildet. Dann folgen über 50 Seiten Karten und Wegebeschreibungen, illustriert von Fotos zu einzelnen verlockenden Details. Man möchte sofort loswandern! Die Wege sollen markiert sein; es gäbe gelbe, blaue und grüne Markierungen, z. T. verbunden mit Symbolen.

 

Die Markierungen werden bestimmt nicht in so dichter Folge angebracht sein wie in deutschen Mittelgebirgen, aber die Karten kommen mir sehr präzise vor und man kann sich wahrscheinlich auch gut in der Landschaft orientieren. Man kann auf diese Weise ein bis zwei Wochen von Ort zu Ort wandern. Ich bin allerdings irritiert, dass ich bei meinen Besuchen in den Kirchenburgen keine Hinweise auf die markierten Wege beobachtet habe. Entweder war das der erwähnte Vandalismus, oder vielleicht möchte die verbliebene deutsche Minderheit nicht auffallen.

 

Wie ich z. B. in Frauendorf / Axente Sever beobachten konnte, gleichen die Unterkünfte in den Kirchenburgen oder Pfarrhäusern den „Gites d’étappe“ in Frankreich - oder deutschen Jugendherbergen wie vor 75 Jahren. Die Privatquartiere können Überraschungen nach oben und unten bereithalten, zur Not gibt es Fahrzeuge zum nächsten Ort. (Es gibt noch eine Veröffentlichung von Anselm Roth über „Siebenbürger Gästehäuser“, die ich aber nicht kenne.)

 

 

Romane als Reiseführer?

 

Wie sah früher das Leben in den Dörfern und Städten aus, durch die wir jetzt fahren oder gehen? Was dachten die Menschen? Welche Sorgen hatten sie? Romane sind keine Reportagen oder Erlebnis-Berichte, selbst wenn ihr Wert oft darin besteht, „Realien“ der Welt in Erzählungen einzubauen. Die Kunst von „Kunst“ besteht darin, Werke zu schaffen, die komplex-vieldeutig sind und zum Nachdenken herausfordern, weil die Verhältnisse eben nicht „schwarz-weiß“ sind. Hier im Fall der komplizierten multiethnischen Vergangenheit von Rumänien sind einige literarische Hervorbringungen aufzuzählen, die mit Gewinn vor oder nach einem Besuch des Landes gelesen werden sollten. Die vorgestellten Schriftsteller entstammen unterschiedlichen Altersstufen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schlattner, Eginald:

Der geköpfte Hahn

Deutscher Taschenbuch Verlag,

ISBN 3-423-12882-8

 

Der 1933 geborene Autor hat in den Roman eigene und erdachte Erlebnisse aus der Perspektive eines Siebenbürger protestantischen Stadtkindes hineingepackt. Der Ort des Geschehens ist Fogarasch, die Stadt, in der er aufgewachsen ist, aber die Kulisse könnte auch Schäßburg sein, wo Schlattner für einige Jahre das Gymnasium besuchte. Er lebt jetzt auf einem Pfarrhof in Rothberg / Rosia bei Hermannstadt.

 

Schlattner breitet vor dem Leser mit vielen Rückblicken ein breites, farbiges Panorama der total verschwundenen „sächsischen“ bürgerlichen Welt aus. Die Handlung ist auf den Tag im August 1944 fokussiert, an dem Rumänien politisch und militärisch die Seite wechselte. Erzählt wird aus der Perspektive eines Jungen, z. B. von Freundschaften und Schülerlieben. Schlattner verschafft sehr unterschiedlichen Mitgliedern der verschiedenen ethnischen und sozialen Gruppen der rumänischen Gesellschaft der 1930-er Jahre farbige Auftritte. Der Vater, ein Kaufmann, kann mit allen Ortsbewohnern in den vier Landessprachen freundliche Nichtigkeiten austauschen. Es wird von Vorurteilen und Boshaftigkeiten gegenüber Juden erzählt und wenig später folgen Schilderungen von Großzügigkeiten und Hilfsbereitschaft. Es werden die Gespenster der k. und k. Zeit beschworen wie die surrealen Szenen bei der Hitler-Jugend und den deutschen nationalen Verbänden.

 

Wir sollten als Besucher von solchen Vergangenheiten und gegenseitigen Phobien wissen; alte Narben sind oft nicht verheilt. Schlattner ist aber auch ein bisschen zu selbstverliebt in seine Fabulier-Einfälle, und der Leser überwältigt von den Details. In zwei weiteren breiten Erzählungen hat Schlattner seine Chronik bis in die kommunistische Zeit fortgesetzt.

 

Ein weiteres Buch, nun aus der Perspektive jüdischer Frauen, das durch viele Teile Rumäniens führt und dabei schlimme Schicksale im 20. Jahrhundert lebendig macht, ist:

 

Stephani, Claus:

Blumenkind

SchirmerGraf Verlag, München 2009

ISBN 978-3-86555-067-5

 

Der 1938 in Kronstadt/ Braşov geborene Autor emigrierte 1990 in die Bundesrepublik. Er erzählt mit sparsam eindringlichen Worten; man spürt an Details, z.B. den anrührenden eingeflochtenen jiddischen Wendungen, den Volkskundler. Als die Geschichte beginnt, gehörte die ganze Bukowina zu Rumänien. Die junge schöne rothaarige Beila, Tochter des Hermann Salomon Wagner aus Hliboka bei Sutschawa (so schreibt es Stephani phonetisch; man kann dann den Ortsnamen rückübersetzen in die heutige rumänische Schreibweise Suceava) ist noch keine 20 Jahre alt, als 1925 ihr Mann, der Wanderhändler Jacob Aaron Altmann, in der Nähe von Focşani von rumänischen Nationalisten erschlagen wird. Beila entzieht sich in ihrem Dorf den Nachstellungen von „Freiern“ und den Bekehrungsversuchen des orthodoxen Geistlichen durch Wegzug zu Verwandten ihres Mannes nach Klinitz in der Umgebung von Czernowitz, heute heißt der Ort Hlynicja. Der Fluß Seret wird genannt, der Tscheremousch durchwatet.

 

Für mich waren das anrührende vertraute Namen, denn im Jahr 2007 waren wir als Gruppe in ähnlicher Zusammensetzung in diesem jetzt zur Ukraine gehörenden Teil der Karpaten ge-wandert, wenige Kilometer entfernt von diesem Schauplatz. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in den Dörfern um Czernowitz größere jüdische Gruppen.

 

 

 

 

Die junge Witwe wird von einer jüdischen Familie, deren Kinder schon aus dem Haus sind, aufgenommen; sie arbeitet kräftig im Haus und auf dem Feld mit. Aber sie hat auch „weibliche Gefühle“. Von einem jungen Mann aus der Nachbarschaft, Sohn des deutschen Apothekers, bekommt sie ein Kind, ein „Blumenkind“, wie das poetisch-verharmlosend heißt. Beila nennt es Maria. Der Kindsvater, besonders dessen Mutter, schließen den Gedanken an eine Heirat aus. Die dörfliche Umgebung könnte das verkraften, aber inzwischen ist der Sommer 1939 gekommen. Die Stimmung ist auch in diesem Teil Rumäniens Juden gegenüber nicht freundlich. Beila verlässt das Dorf und sucht eine neue Bleibe.

 

Beila gerät in den ganzen Strudel schlimmer Ereignisse. Sie ist da als alleinstehende Frau mit einem Kind besonders gefährdet. Es ist traurig, dass einzelne katholische Geistliche keine gute Rolle spielen. Der Autor lässt Beila und Maria in Orte geraten, durch die wir gerade gewandert sind, auch in das Wassertal bei Oberwischau / Vişeu de Sus.

 

Ich will die Geschichte nicht nacherzählen, sondern zum Lesen einladen. Nur soviel: Während der Flucht der deutschen Bevölkerung wird ihre Tochter Maria zu freundlichen fremden Menschen weitergereicht und landet in Westdeutschland. Sie fährt im Jahr 1965 zur Spurensuche zurück nach Rumänien. Auf diese Weise wird die Nachkriegsgeschichte beider Länder in die Erzählung eingewoben. Maria kommt auf einen verwilderten jüdischen Friedhof, es könnte der von Carlibaba gewesen sein, wo wir 2009 durchgewandert sind. Was dann noch alles folgt, will ich nicht verraten. Eine solche Geschichte kann nicht gut ausgehen.

 

Eine dritte literarische Stimme möchte ich zu Rumänien zur Vorbereitung empfehlen. Aber fast noch besser wird sie ihre Wirkung nach einem Besuch entfalten, weil man dann Bilder im Hinterkopf hat, die sich mit den hier vorgetragenen Berichten verschränken und die Stimme sehr viel vertrauter sein wird, weil man ihre Klangfarbe häufiger vernommen hat. Es geht um das Hörbuch von:

 

Müller, Herta:

Die Nacht ist aus Tinte gemacht

Konzeption & Regie: Thomas Böhm und Klaus Sander, supposé Verlag Berlin, 2009, zwei CDs, 115 min.

 

Mit Herta Müller, Jahrgang 1953, kommt eine Person aus der katholischen kleinbäuerlichen Welt des Banates zu Wort. Wir kannten dieses Hörbuch schon vor der Nobelpreisverleihung. Herta Müller schreibt mit Empathie von Gegenständen und Situationen auf ihrem Lebensweg. Sie schildert darin sehr präzise den engen Rahmen ihres Heimatdorfes. Anrührend sind ihre Erinnerungen an die ersten Konfrontationen mit der fremden Sprache Rumänisch. Dabei war schon Hochdeutsch für das „schwäbisch“ sprechende Dorfkind ein fremdes Medium.

 

Wichtig ist auch, dass mit den Schilderungen von Herta Müller Gewalt, Bosheit und Verfolgungen durch den „Sozialismus“ und die vielen schlimmen Alltagsbanalitäten, die damals über Rumänien lagen, nicht so leicht vergessen werden können.

 

Fotos: Lutz Heidemann

 

Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 31 - April 2010

 

 

Wandern in den rumänischen Ostkarpaten

 

Von der Maramuresch über das Rodna-Gebirge in die Bukowina

 

Baia Mare - Sighetu Marmatiei - Giulesti - Budesti - Poienile Izei - Ieud - Pasul Setref - Manastirea Moisei - Borsa - Pietrosul Mare - Valea Vinului - Valea Mare - Lunca Ilvei - Poiana Stampei - Vatra Dornei - Klausenburg / Cluj-Napoca

 

19. August bis 3. September 2010

 

Nun schon im zehnten Jahr wandern wir auf dem großen Gebirgszug von der Mitte in den Osten Europas. Vor 3 Jahren wurde das große Ziel Czernowitz (Ukraine), von 1774 bis 1918 die Hauptstadt des österreichischen Herzogtums Bukowina, erreicht. Dabei haben wir die Karpatenlinie verlassen und sind ins östliche Karpatenvorland, ins Tiefland von Sereth und Pruth hinausgewandert. Letztes Jahr haben wir die Wanderung in der Nähe von Suceava fortgesetzt, der alten Hauptstadt (1375- 1565) und heutigen Kreisstadt des rumänischen Kreises Bukowina. Von Osten sind wir durch die rumänischen Waldkarpaten der Bukowina und der Maramuresch zum Land an der Theiß zurückgewandert.

 

Dieses Jahr also die Fortsetzung von der Theiß durch die alte Kulturlandschaft der Maramuresch (Marmatien) über das Rodna-Gebirge (Muntii Rodnei) im nordöstlichsten Zipfel Siebenbürgens nach Vatra Dornei, der alten habsburgischen Karpaten-Sommerfrische. Wir folgten dabei in etwa der gestrichelten Linie, die in alten E-Wege-Karten den geplanten Verlauf des E 8 durch die Ukraine und Rumänien darstellt. Leider hapert es in der Umsetzung gewaltig, obwohl wir uns schon seit 4 Jahren gemeinsam mit dem Verein Ostwind e. V. auf allen europäischen Ebenen für eine Realisierung dieses E 8 – Abschnitts einsetzen. Er wäre ein Gewinn für die Wanderbewegung, denn die von uns erkundeten Wege gehören kultur- und naturlandschaftlich zum Schönsten, was Europa zu bieten hat: vielseitige bäuerliche Landwirtschaft, aussichtsreiche Höhenwege, weiche Rastplätze, Städte mit Geschichte und entsprechenden Baudenkmälern, Urwälder und nicht zuletzt viele UNESCO-Weltkulturerbestätten. Auf der anderen Seite kann Wandern und vor allem Weitwandern die nachhaltige Regionalentwicklung stärken. Aber leider sind die Lokal- und Regionalpolitiker, die Wandererorganisationen und auch die EU bisher auf diesem Auge völlig blind! Eine schön gepflasterte Fußgängerzone fällt dem Wähler doch eher ins Auge als ein markierter Wanderweg.

 

Noch nie war unsere Karpatenwandergruppe so groß: Dreizehn – eine echte Glückszahl, denn es gab nicht ein einziges echtes Problem. Nur Managerin und Dolmetscherin Angelica hatte Schwerstarbeit zu leisten, aber sie schaffte es, mit Humor und Fröhlichkeit an allen vorgesehenen Etappenorten ausreichend Quartiere, ein Frühstück und ein Abendessen zu bekommen, die Hirten und Bauern nach dem Weg zu fragen und nicht zuletzt Microbusse zu bestellen. Ich, „Ghidul“ Günther, hatte unterwegs mit GPS-Gerät, GoogleEarth-Ausdrucken, Karte und Kompass das Sagen. Finanzminister und Medizinmann Uli sorgte sich um Bani (=Geld) und versorgte die Gott sei Dank nur kleinen Wehwehchen. Nachstehend der Bericht über die Traumwanderung durch die rumänischen Ostkarpaten. Übrigens: Es darf nachgewandert werden!

 

1. Tag

 

Flug mit Tarom über Bukarest nach Baia Mare, der schön herausgeputzten Hauptstadt des Kreises Maramuresch. Microbus-Transfer in die Stadt, organisiert von unserer Pension. Freundlicher Service, schöne Zimmer, aber leider etwas umständliches Früh-stück in der *Pensiunea Floare de Colti (Edelweiß).  

 

2. Tag

 

Fahrt mit Linien-Microbus (Haltestelle nur wenige 100 m östlich der Pension an der strada Dr. Vasile Lucaciu) über den landschaftlich großartigen, kurvenreichen Pasul Gutai ins Kernland Marmatiens nach Sighetu Marmatiei  an der Theiß. Aus Sighet stammt der Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger von 1986 Elie Wiesel, der in seinen Romanen und in seiner Autobiographie eindrucksvoll das Schicksal der jüdischen Bevölkerungsmehrheit des "Schtetls" Sighet beschreibt. Wir wohnen direkt neben dem Elie-Wiesel-Haus, das natürlich die Station 1 unserer Stadtbesichtigung darstellt. Noch 33 jüdische Bewohner hat Sighet und eine große Synagoge, die aber nur an zwei Tagen in der Woche vormittags zur Besichtigung geöffnet ist. Ungleich mehr Besucher zieht das Gefängnismuseum an, das den Verfolgten des kommunistischen Regimes gewidmet ist. Bezeichnenderweise ist das Gefängnis direkt hinter dem Rathaus angebaut, und gegenüber liegt die Polizeistation. Obwohl direkt an der Grenze zur Ukraine an der Theiß gelegen, ist Sighet eine lebendige und prosperierende Stadt mit großem Potenzial - touristisch und wirtschaftlich. Wir essen gut aber langwierig im Restaurant Casa Iurca de Calinesti (Reservierung ist notwendig), die Übernachtung in der *Pensiunea Casai Iurca de Calinesti ist empfehlenswert, wenn auch für Rumänien etwas teuer. Der Service wohl freundlich, aber manchmal überfordert.

 

3. Tag

(Karte GoogleEarth) 18,2 km

 

Vorbei am Holocaust-Denkmal wandern wir nach Süden zur Brücke über die Iza, danach durch eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft links am Fluss aufwärts bis wir auf die Straße nach Sugau treffen, der wir talaufwärts folgen bis zum Punkt 47°52'41,3''N  23°53'26,5''E. Ein schöner Weg führt über die Hügel ungefähr südwärts ins Valea Berbesti, das wir eigentlich nur queren, um über den Gegenhang hochzusteigen, wo uns ein aussichtsreicher Weg über Hochweiden hinunter nach Giulesti erwartet. Der von unserer Pension gecharterte Microbus holt uns zuverlässig an der Brücke über die Mara ab. Wir übernachten nochmals in der Casa Iurca de Calinesti in Sighet essen einfach/preisgünstig in der Pizzeria Primavera zu Abend.

 

 

 

4. Tag

(Karte GoogleEarth und DIMAP-Karte 29 Muntii Gutai, Lapus si Tibles) 19,5 km

 

Unser Microbus bringt uns nach Sat-Sugatag, wo wir gleich eine Holzkirche besichtigen, ehe es durch Kulturlandschaft mit unendlich vielen Mirabellen, Zwetschgen, Pflaumen und Äpfeln in großem Bogen um Harnicesti herum nach Desesti geht. Hier ist in der UNESCO-Weltkulturerbe-Holzkirche  gerade der Gottesdienst zu Ende, der Pfarrer lädt zum nächsten Fest im Nachbardorf ein und eine Bauernfrau in Tracht verkündet den anwesenden Landwirten die Zuschussrichtlinien für die Milchkühe. Wir aber halten gemütliche Rast. In der Mittagshitze queren wir das Mara-Tal und wandern auf Traumpfaden über Breb hinüber nach Budesti, wo uns das nächste UNESCO-Weltkulturerbe erwartet. Zuverlässig holt uns hier der Microbus wieder ab und bringt uns nach Sighet zurück. An der Piata 1 Decembrie 1918 verwöhnt uns eine kleine Konditorei.

 

 

 

 

 

 

5. Tag

(Karte GoogleEarth und DIMAP-Karte 29 Muntii Gutai, Lapus si Tibles) 17 km

 

Nach drei Tagen nehmen wir Abschied von Sighet und fahren mit unserem Microbus nach Budesti, wo bei Punkt 47°43'07,0''N  23°57'31,5''E der Fußweg über die Berge nach Glod beginnt. Zuerst ein aussichtsreicher Traumpfad über ausgedehnte Hochweiden mit vielen Blumen, später ein Navigationskunststück durch einen großen Wald, wo neue Waldwege zu falschen Zielen führen. Aber wir können auch quer durch den Wald, ohne dass uns Bären fressen. In Glod bestaunen wir die Naturwaschmaschinen im Bach, ehe es auf einem Schotterweg zum nächsten UNESCO-Weltkulturerbe nach Poienile Izei geht, wo bei **Ileana_Petreus ein einfaches Quartier mit herzlicher Aufnahme und bester Küche auf uns wartet.

 

6. Tag

(DIMAP-Karte 29 Muntii Gutai, Lapus si Tibles) 18 km

 

Auf dem Schotterweg wandern wir hinüber nach Botiza, wo das Schwefelbad leider nicht in Betrieb ist. Dafür gibt es wieder mal eine Holzkirche - und die Weberinnen, denen wir am Weg Richtung Ieud bei der Arbeit zuschauen dürfen. Danach ist Vorsicht geboten mit der ungenauen DIMAP-Karte. Wir sind in Ieud zu weit unten im Tal angekommen, so dass wir zur Weltkulturerbe-Holzkirche noch ein paar Kilometer auf der asphaltierten Dorfstraße gehen mussten. Das kleine Volkskunde-Museum nah bei der Kirche lohnt einen Besuch. Hier holt uns der Microbus ab und bringt uns wieder nach Poenile Izei zu Ileana Petreus.

 

7. Tag

(Karte GoogleEarth und DIMAP-Karte 29 Muntii Gutai, Lapus si Tibles) 19,2 km, etwa 1500 Höhenmeter Anstiege!

 

Königsetappe Nr. 1 mit vielen Höhenmetern: Der Microbus bringt uns nach herzlichem Abschied von Ileana Petreus und ihrer Familie - übrigens im Frühsommer als Spargelstecher in der Nähe von Frankfurt tätig - nach Dragomiresti zum Punkt 47°39'43,6''N  24°17'48,4''E, wo der Anstieg zum Vf. Pintenu in 440 m Höhe beginnt. Steil steigen wir zunächst durch Kulturland, später durch zugewachsenes weil nicht mehr genutztes Weideland hoch zum Gipfel (1119 m). Das hohe Gras behindert unseren Aufwärts-Vorwärts-Drang sehr, aber grandiose Tiefblicke ins Iza-Tal belohnen uns. Der Kammweg führt auf und ab, aber fast immer über 1000 m Höhe über den Vf. Merisorului (1182 m), den Dealul Paltinisului und am Vf. Stefanitei vorbei über den Fantanele-Sattel hinunter zum Pasul Setref, wo der Volkssänger Patru Barlea in seinem etwas heruntergekommenen Hanul lui Patru auf uns wartet. Über die sanitären und Frühstücks-Unzulänglichkeiten helfen auch der schönste Playback-Gesang und die folkloristische Ausstattung nicht hinweg. Und die unfreundlichen, auf der Wiese daneben lagernden Zigeuner mit ihren Schrottautos verbesserten den Eindruck kaum.

 

8. Tag

(DIMAP-Karte 15 Muntii Rodnei) 18,5 km, etwa 1000 Höhenmeter Anstiege!

 

Die rote Markierung macht es uns heute leicht. Wir folgen einfach dem aussichtsreichen Kammweg durch das Rodnei-Gebirge vom Pasul Setref (817 m) zum Vf. Capu Muntelui (1194 m), weiter über die Südhänge des Muncelul Rajos (etwa 1500 m) und hinunter zur Weide Preluca. Hier haben wir wieder typische DIMAP-Karten-probleme, und nicht nur wir, sondern auch zwei tschechische Wanderburschen, die eigentlich sehr fit im Navigieren sind. Also nicht hinunter zur Almhütte, sondern nach den Nagelfluh-Konglomeraten bei der Weggabelung den oberen Weg nehmen, der bald wieder markiert und frisch planiert hinunter durch den Wald zum Pasul Pietrii (1196 m) führt. Von hier wandern wir auf bequemem Forstweg nach Norden hinunter zur Iza-Quelle, wo sich unsere Gruppe trennt: Ich gehe ohne Rucksack schnell rechts hinauf durch die Felsenschlucht zur Preluca sub Piatra und hinunter zum Manastirea Moisei, wo der Microbus warten soll. Die übrigen Zwölf wandern weiter talabwärts auf romantischem Weg entlang der Iza. Am Kloster warten schon ein Geländeauto und ein VW-Bus, die über einen Schotterweg zum Iza-Tal hinüberdirigiert werden, wo an der Wegeinmündung die Gruppe wartet. Bald erreichen wir das uns vom Vorjahr bekannte Borsa  und in einem kleinen Seitental, dem Valea Ilei, unser Quartier, die **Pensiunea Eladi. Schöne Zimmer, freundliche Bedienung, gute Küche, Erfüllung aller Wandererwünsche inklusive Geländeauto und Gepäcktransport.

 

 

 

 

9. Tag

(DIMAP-Karte 15 Muntii Rodnei)

 

Heute ist ein Feiertag, denn Bärbl hat Geburtstag. Dennoch wird der Pietrosul Mare, mit 2303 m der höchste Gipfel der Ostkarpaten, von Thilo, Bernhard und Peter bezwungen (8 Stunden, 1600 Höhenmeter Anstieg und Abstieg). Die andern feiern lieber!

 

10. Tag (DIMAP-Karte 15 Muntii Rodnei) 18 km, etwa 900 Höhenmeter Anstiege

 

Königsetappe Nr. 2: Die Wolken haben es am Vortag angekündigt, ein nächtliches Gewitter hat es zur Gewissheit gemacht: Das Wetter ändert sich, es wird feucht, kalt und windig. Dennoch wagen wir die Überquerung des Rodnei-Gebirges. Herzlicher Abschied von der Familie Mihali. Die Forstamtsgeländeautos bringen uns nach Statiunea Borsa zur Talstation des Sessellifts zum Stiol. So können wir uns 500 Höhenmeter Anstieg ersparen. Wolken, Nebel, Wind und kurze Regenschauer empfangen uns auf der Höhe des Stiol in etwa 1400 m Höhe. Dennoch wird es eine traumhafte Wanderung, der Höhepunkt unserer diesjährigen Karpatendurchquerung. Bis zum Hauptkamm, den wir an der Saua Gargalau erreichen, folgen wir der blauen Markierung, dann der roten Kammwegmarkierung.

 

Bald stehen wir auf dem windumtosten Vf. Gargalau (2158 m), kurz darauf auf dem Vf. Omului (2134 m). Wir finden windgeschützte Rastplätze zwischen den Felsen - und in der dicksten Nebelsuppe die Abzweigung von der Tarnita lui Putredu(Markierung blaues Dreieck) über die Pferdeweide Muntele Cisa hinunter ins ehemalige Bergbaugebiet des Valea Vinului. Unser Quartier, die Pensiunea Maya ist ein früheres Verwaltungsgebäude des Erzbergbaus, umgeben von schon ruinösen Bergwerksanlagen, in einem tief eingeschnittenen Waldtal an der Stramtoarea Dracului gelegen. Leider sind einige Zimmer sehr feucht, aber Domnul Flaviu, im sonstigen Leben Sportlehrer in Rodna, bemüht sich mit Frau und Mitarbeiterin sehr um die Gäste.

 

11. Tag

(DIMAP-Karte 15 Muntii Rodnei) geplant 18 km

 

Dauerregen! An die geplante Überschreitung der Saua Curatel und der Stanistea mit Abstieg nach Sant bzw. Valea Mare ist nicht zu denken. So fährt uns Domnul Flaviu in zwei Fuhren mit seinem Spezial-Dacia hinunter nach Rodna, wo wir etwas Sightseeing betreiben und auch gleich einen älteren Ceausescu-Fan namens Bauer (Nachfahre deutscher Bergleute) mit seinem VW-Bus treffen und mit ihm den Transfer nach Valea Mare ausmachen. Wieder zwei Fahrten, und wir stehen vor der **Pensiunea Teodora, einer EU-geförderten neuen Pension. Die Familie Moisil hat hier ein perfektes Wandererquartier ge-schaffen mit schönen Zimmern, perfekten sanitären Anlagen, bester Küche und freundlichst bis herzlicher Aufnahme und Bedienung. Sogar der Kamin wird in Betrieb genommen. Die Lesung von Claus Stephanis Roman "Blumenkind" findet hier ihren idealen Rahmen. Man könnte hier auch länger Urlaub machen. Und EU-Geld ist gut angelegt!

 

12. Tag (Karte GoogleEarth) 17 km

 

Heute ist Petrus wieder gnädig gestimmt. Leider müssen wir Abschied nehmen von der gastlichen Pensiunea Teodora. Wir wandern in den Ort hinein und biegen nach der Kirche in den ersten nach rechts abbiegenden und auf die Höhe führenden Weg ein. Dabei halten wir uns immer rechts des Seitentaleinschnittes und erreichen so zunächst über Wiesen, später durch den Wald die aussichtsreichen Hochweiden, auf denen wir in südlicher Richtung wandern. Bei den Schafweiden (mehrere Hütten) gehen wir auf dem gut erkennbaren Weg in östlicher Richtung, steigen auf die Höhe und biegen danach auf dem Kamm nach Süden. Die Orientierung ist nicht einfach, aber wenn man möglichst auf der Höhe bleibt und die Südrichtung in etwa beibehält, wird bald die breite Talsenke von Lunca Ilvei sichtbar, auf die der Höhenrücken ausläuft. Eine gute Vorbereitung mit GoogleEarth und eine exakte Navigation mit GPS ist auf dieser Etappe unerlässlich - und eine Schäferhundeabwehr- und Umgehungstechnik! Wir steigen hinunter in das Seitental von Lunca Ilvei und erreichen beim Bufet die Hauptstraße. Hier holt uns Avram Grigore, der Wirt der Pensiune Rustica, mit seinem VW-Bus ab, denn die Pensiunea liegt 2,5 km entfernt im südöstlichsten Ortsteil. Die Dekoration der Zimmer und der Gaststube mit Volkskunst kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Haus vergammelt und schmutzig ist. Auch die Küche ist nicht die beste, was sich auf die Darmtätigkeit mehrerer Lustwandler negativ bzw. zu positiv auswirkt. Zu guter Letzt stinkt es im Gastraum nach Rauch, denn sowohl die Wirtsleute als auch die Gäste rauchen, und das nicht wenig.

 

13. Tag (Karte GoogleEarth) geplant 16 km

 

Wieder Dauerregen! Geplant war eine Wanderung von Lunca Ilvei (Siebenbürgen) in etwa parallel zur Eisenbahntrasse nach Poiana Stampei (Bukowina). Wir sagen der Pensiunea Lux Flora in Poiana Stampei ab - Doamna Chirileanu hat Verständnis für unsere Situation - und fahren mit der Bahn direkt nach Vatra Dornei, in die alte habsburgische Sommerfrische in der südlichsten Bukowina. Im vorbestellten Hotel Maestro, dem ältesten Hotel aus habsburgischer Zeit und schön renoviert, steigen wir ab und hoffen auf besseres Wetter. Leider stinkt es im ganzen Haus nach Rauch, denn Rauchen ist erlaubt, was Gäste und Personal exzessiv nutzen. Ein Teil des Personals ist außerdem unfreundlich und unwillig. Zu guter Letzt dröhnt von früh bis spät internationales "Musik"-Gedudel aus wattstarken Lautsprechern vor dem Haus. Das Essen ist in Ordnung, das Frühstück etwas kompliziert organisiert.

 

14. Tag (Dimap-Karte 14 Muntii Caliman) geplant 20 km

 

Immer noch kaltes und nasses Wetter. Die geplante Wanderung von Poiana Stampei über Poiana Negri, die Saua Zaurele und den Vf. Diecilor ist unmöglich, auch in umgekehrter Richtung. Ein Teil unserer Gruppe macht eine nasse Rundwanderung im Bereich des Vf. Diecilor. Der Großteil aber macht einen auf Bildung: Stadtpark, Naturkundemuseum, Ethnographisches Museum (unsere Führerin, eine ehemalige Geschichtslehrerin, spricht Deutsch, die Großmutter war Wienerin), Synagoge und schließlich das Kaffeehaus Dolce Vita in der Fußgängerzone strada Luceafarului. Und Peter feiert heute Geburtstag. Wir finden dazu im **Restaurant des Hotels Vila Musetti in der strada Republicii 19 den richtigen Rahmen: beste Steinpilzgerichte, guten Wein, guten Tuica, feinen Nachtisch, freundliche Bedienung und auch die Zimmer sehen gut aus. Vila Musetti ist eine gute Alternative zum Maestro!

 

15. Tag

 

Bahnfahrt nach Klausenburg/Cluj Napoca, verregneter Stadtbummel, Mitbringsel einkaufen, Essen im Hubertus, Übernachtung im **Hotel Agape.

 

16. Tag

 

Taxi zum Flughafen, Rückflug mit Carpatair

 

Anmerkung: Die Bewertung der Quartiere erfolgt unabhängig von der staatlichen Klassifizierung:

**   beste Qualität, freundlichster Service, uneingeschränkt zu empfehlen

 *   empfehlenswert

Kein Stern    Keine Empfehlung, da Mängel in der Übernachtungsqualität, beim Essen, in der Ausstattung oder im Service, Rauchergestank – oder nicht selbst geprüft

 

Weitere Impressionen unter www.lustwandeln.net/rumaenien10.

 

Fotos: Günther Krämer

 

Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 33 - Dezember 2010

 

 

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