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 am:   23.02.16

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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W a n d e r b e r i c h t e  -  P o l e n

 

 

Inhaltsverzeichnis:      Der Koopernikusweg - Wandererfahrungen in Nordostpolen

                                      Von Lutz Heidemann

 

                                     Sudeten-Wanderung 2011

                                       Über 7 Gebirge mussten wir gehen:

                                       Landeshuter Kamm, Waldenburger Bergland,

                                       Eulen-, Warthaer -, Reichensteiner-, Heuscheuer-Gebirge

                                       und Glatzer-Schneegebirge

                                       Von Wolfgang Meluhn

 

                                      Polens wilder Osten

                                       Unterwegs in den Waldkarpaten (Bieszczady) im August 2012

                                       Von Wolfgang Meluhn

 

 

Der Kopernikusweg - Wandererfahrungen in Nordostpolen

 

Von Lutz Heidemann

 

Im August 2004 sind meine Frau und ich fast zwei Wochen in Nordostpolen gewandert. Unser Ausgangspunkt war die Stadt Olsztyn, die bis 1945 Allenstein hieß. Zwölf Tage wanderten wir auf dem Kopernikusweg, der hier seinen Start- und Endpunkt hat. Der berühmte Astronom lebte mehrere Jahre in Allenstein; in der Burg wird eine Wand gezeigt, wo Meridiane für Gestirnsbeobachtungen aufgemalt worden sind. Sein Onkel Lukas von Watzenrode war Bischof des Ermlandes, und der junge Kleriker befaßte sich deshalb außer mit Mathematik und Himmelsbeobachtungen auch mit so profanen Dingen wie der Verwaltung eines größeren Territoriums. Von Allenstein geht der Weg anfangs nach Norden über Orte, die früher Guttstadt, Heilsberg, Mehlsack und Braunsberg hießen, und geht bis zum Frischen Haff an der Weichselmündung. Unvergeßlich wird uns der Blick von unserem Hotel in Frombork (früher Frauenburg) auf den türmereichen Dom bleiben, in dem 1543 Kopernikus begraben wurde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Waren die ersten Etappen noch identisch mit dem Europäischen Fernwanderweg E11, so benutzte der Kopernikusweg ab Braniewo (Braunberg) den wenige Kilometer östlich an der russisch-polnischen Grenze bei Kaliningrad (Königsberg - oder polnisch: Krolewco) beginnenden - oder endenden E9. In Elblag (Elbing) kann sich der Wanderer entscheiden, ob er mit der Fähre über das Haff fahren und von dort nach Gdansk (Danzig) und weiter- letztlich bis zur deutsch-polnischen Grenze bei Swinoujscie (Swinemünde) auf Usedom -wandern will.

 

Wir blieben auf dem Kopernikusweg: Über Malbork (Marienburg) mit der großartigen früheren Residenz der Hochmeister des Deutschen Ritterordens wanderten wir im Weichseltal bis Kwidzyn, in preußischer Zeit Sitz des Regierungspräsidenten Marienwerder und noch früher der Bischöfe von Pomesanien. Wir sind ab Kwidzyn noch einen Tag dem Napoleonweg in Richtung Osten gefolgt und dann mit der Bahn, die in Polen noch ein dichtes Netz hat, zurück nach Allenstein zu unserem Auto gefahren.

 

 

 

 

Der Kopernikusweg geht über Grudziadz (Graudenz) weiter bis Torun (Thorn), wo Kopernikus 1473 geboren wurde. Die weiß-rot-weiße Markierung war in der Regel sehr gut und offensichtlich immer wieder gepflegt worden. Einmal registrierten wir, daß in jüngster Zeit auch ein Stück der Trasse über ein attraktiveres Zwischenziel verlegt worden war.

 

Die durchquerte Landschaft war vielseitig, Wälder und landwirtschaftliche Nutzflächen wechselten häufig. Die Eiszeit hatte ein kleingewelltes Land hinterlassen. Es gab auf dem ersten Abschnitt viele kleine Seen. Wir empfanden die Landschaft sowohl vertraut wie eben um die charakteristische Spur anders, fremder und weniger vom Menschen verändert, die ein Fernwanderer schätzt, um in Spannung zu bleiben. Hinter Elbing änderte sich die Landschaft. Dort war früher sumpfiges Flußdelta gewesen. Größere Teile liegen unter Meeresniveau. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert wurde es kultiviert. Wir wanderten anfangs auf kleinen Straßen oder Feldwegen, kamen dann zur Nogat, einem alten Weichselarm, und wanderten dann über einen pfadlosen Deich entlang des ruhig fließenden Flusses, auf der anderen Seite sahen wir große Erntemaschinen in den goldgelben Feldern. Hinter der Marienburg gab es wieder ein Hochufer. Unser Weg ging teils über sandige Waldwege, teils durch fruchtbares Schwemmland. In der Ferne lag die Ordensburg Gniew (Mewe) wie ein massiver Ziegelblock an der Hangkante. Auf der Rückfahrt mit dem Auto machten wir dort Station und schliefen in dem Hotel, das in dem benachbarten früheren polnischem Königsschloß untergebracht ist.

 

 

 

 

Ist Mittelpolen ein attraktives Wanderland? Ich könnte die Alternative konstruieren: Wandern in der Toskana oder in Polen? Die Antwort müßte lauten: In beiden europäischen Regionen sollten wir wandern. Deutschland ist mit Polen so eng verbunden wie mit Italien, eher noch stärker, wenn wir Nordostpolen durch die Namen Ostpreußen und Westpreußen ersetzen. Wandern ist eine Chance, ein Land gut kennenzulernen, und ein unpolitischer Besuch Polens ist meines Erachtens nicht möglich. Die Geschichte der Deutschen im Gebiet des heutigen Polen hat viele Aspekte. Begriffe wie Ordensburg sind „be-lastet“ durch Geschichte und spätere ideologische Verwendungen. Solche „geistige Verminungen“ sollen uns Deutsche nicht an einem Besuch hindern. Die Burgen an Rhein und Mosel, an denen wir uns jetzt relativ unbefangen erfreuen, sind auch nicht von den Rittern und ihren Familienangehörigen erbaut worden.

 

 

 

 

 

 

 

So sehr uns die Landschaft gefiel, wobei wir schon wissen, daß ein großer Teil des Reizes in der noch nicht vorgenommenen „Modernisierung“ der Agrarwirtschaft beruht, so sehr erschreckte waren wir über das Bild vieler Städte. Der Zustand von 1960 hatte sich verfestigt. Historische Stadtkerne waren mehrmals Grünanlagen mit ein paar übriggebliebenen Gründerzeitbauten und wiederaufgebauten gotischen Pfarrkirchen. Zu fühlen waren die furchtbaren Kriegszerstörungen. Die sind in westdeutschen Städten restlos getilgt. Dort könnte man glauben, daß der Zweite Weltkrieg nicht stattgefunden hat. Um so mehr haben wir uns an erhaltenen und wiederhergestellten Bauwerken gefreut.So sehr uns die Landschaft gefiel, wobei wir schon wissen, daß ein großer Teil des Reizes in der noch nicht vorgenommenen „Modernisierung“ der Agrarwirtschaft beruht, so sehr erschreckte waren wir über das Bild vieler Städte. Der Zustand von 1960 hatte sich verfestigt. Historische Stadtkerne waren mehrmals Grünanlagen mit ein paar übriggebliebenen Gründerzeitbauten und wiederaufgebauten gotischen Pfarrkirchen. Zu fühlen waren die furchtbaren Kriegszerstörungen. Die sind in westdeutschen Städten restlos getilgt. Dort könnte man glauben, daß der Zweite Weltkrieg nicht stattgefunden hat. Um so mehr haben wir uns an erhaltenen und wiederhergestellten Bauwerken gefreut.

 

 

Wir sind überwiegend im Ermland gewandert. Das war eine gute Basis für die Einstimmung auf die komplizierte Geschichte Ostpreußens. Das Ermland war ursprünglich ein selbstständiges Bistum, es gehörte nicht zum Ordensland und kam erst mit einer der polnischen Teilungen an Preußen. Kirchengeschichte und Nationalgeschichte sind in Polen bis heute eng verzahnt. Unterwegs war uns der DuMont-Kunstreiseführer „Polen – Reisen zwischen Ostseeküste und Karpaten, Oder und Bug“ von Tomasz Torbus (Köln 2002) eine kluge Hilfe. Wieder zu Hause lasen wir das Ostpreußen-Buch von Ralph Giordano „Ostpreußen ade - Reise durch ein melancholisches Land“ (Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 1994). Es ist die Reportage von einem Nicht-Ostpreußen, der aber gleich am Anfang des Buches seine Faszination für Land und Leute dort bekennt und in vielen Einzelschicksalen und Beobachtungen die Vergangenheit und Gegenwart verlebendigt

 

Solche Bemerkungen sollen nicht vom Wandern in Polen abhalten. Wir empfanden den Kopernikusweg als guten Einstieg, Mittelpolen kennenzulernen. So viel bunte Wiesen oder Felder mit Kornblumen gibt es in Deutschland nicht mehr. Das Gleiche könnte man über Störche sagen. Häufig traten sie paarweise auf.

 

Einmal beobachteten wir 18 Störche auf einem Fleck. Ein anderes Mal sahen und hörten wir über längere Zeit einen Schwarm von etwa 800 Staren, der über uns auf dem weiten Himmel kreiste. Außer dem Kopernikusweg gibt es noch andere längere und kürzere markierte Strecken. Die Gegend um die masurischen Seen könnte manchem attraktiver vorkommen. Andererseits sind dort auch schon Phänomene von Massentourismus zu beobachten. Auf dem Kopernikusweg sind Wanderer mit ziemlicher Garantie allein.

 

Wenn wir durch die Ortschaften gingen, wurden wir in unserer Fremdartigkeit angestaunt, aber wenn wir Hilfe brauchten, wurde uns die sehr bereitwillig gewährt. Es gibt eine Sprachschwelle. Wir hatten Probleme die geschriebenen Worte zu artikulieren oder uns die Worte mit ihren Konsonantenhäufungen zu merken, aber für den Wanderer gelingen im täglichen Umgang die Verständigungen mit gestenreichen Improvisationen, mit englischen oder deutschen Begriffen oder mit Hilfe des Wörterbuches. Die Tages-Etappen des Kopernikusweges waren mehrmals zu lang. Wir mußten ein Fahrzeug finden, das uns in den nächsten größeren Ort brachte. Taxis sind noch preiswert, mehrfach halfen uns Privatleute

 

Überlegungen zur Planung einer Reise durch Polen können mit Ängsten und Unsicherheitsgefühlen verbunden sein. Es gibt Berichte von Autoaufbrüchen, aber die gibt es auch von Süditalien. Es existiert ein soziales bzw. Wohlstandsgefälle zu Westeuropa, aber es ist deutlich geringer geworden. Wir erlebten ein Polen im Umbruch, vielleicht besser im Aufbruch. Der Prozeß der Modernisierung und Anpassung an westeuropäische Standards geschieht schon seit 1990. Für den Wanderer durch die kleinen Orte finden sich viele Zeichen von Privatinitiative, z.B. kleine Verkaufsstellen, wir würden „Trinkhallen“ sagen, oder auch von Restaurants und neugegründeten Hotels, Pensionen und Zimmervermietern. Man sollte deshalb in Etappenorten in den Straßen nicht nur nach Hotel-Schildern suchen, auch auf das Wort „Pokoje" achten.

 

Natürlich gibt es auch die Unarten einer beginnenden Wohlstandsgesellschaft, z.B. weggeworfene Plastikflaschen. Da konnten wir dem in Deutschland von Herrn Trittin initiierten Dosenpfand-Rigorismus nur recht geben. Bei der Wirtschaft war es ein Start von einem tiefen Niveau. Inzwischen wurde viel erreicht, Zeichen der „sozialistischen“ Vergangenheit, d.h. Bilder, Parolen o.ä. sind fast völlig verschwunden, aber das Erbe in Gestalt von Plattenbauten ist unübersehbar; aber das ist in jeder ostdeutschen Stadt genau so. Man kann das als Modernisierungsschub und Verbesserung der Lebensverhältnisse gegenüber dem Wohnen in den einfachen Häusern auf dem Dorf sehen, wenn die Zuzügler in die Städte in den Jahren um 1960 Wohnblocks mit fließendem Wasser und Zentralheizung erhielten. Dann gab es aber keine Nachfolge-Investitionen mehr.

 

Wer weitere Informationen über den Kopernikusweg wünscht, kann eine deutsche Wegebeschreibung erhalten, die vom Ermländisch-Masurischen Fremdenverkehrsamt herausgegeben und von mir überarbeitet und aktualisiert wurde. Hinsichtlich weiterer Informationen zu diesem Teil Polens sei auf die beispielhafte vom Fremdenverkehrsamt Olsztyn herausgegebene Internet-Übersicht verwiesen. (vgl. den Abschnitt Polen in Wege und Ziele Ausgabe 15 - Dezember 2004 bei den „Ländersplittern“, Seite 33).

 

Fotos: Bettina Heidemann

 

Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 18 - Dezember 2005

 

 

Sudeten-Wanderung 2011

 

Über 7 Gebirge mussten wir gehen: Landeshuter Kamm, Waldenburger Bergland,

Eulen-, Warthaer -, Reichensteiner-, Heuscheuer-Gebirge und Glatzer-Schneegebirge

 

Von Wolfgang Meluhn

 

1. Tag:. Jelenia Góra (Hirschberg) Karpniki (Fischbach)

 

Bahnhofsverwirrungen, Nachholschlaf und angezogene Handbremse

 

Wir gönnten uns morgens die Anfahrt vom Hotel Patio zum Wrocław Głowny (Hauptbahnhof Breslau) mit einem Taxi. Stutzig machte uns schon die Frage des Taxifahrers, ob wir zur „Kasa“ wollten. Die Fahrkartenschalter sind nämlich getrennt von den eigentlichen Bahnsteigen. Wegen umfangreicher Baumaßnahmen im Hinblick auf die Fußballeuropameisterschaft 2012 mussten wir den Bahnhof verlassen, um zu einer Unterführung unterhalb der Bahnsteige zu gelangen. Wir wunderten uns nur, dass in der Unterführung jede Menge Personen standen, die auf irgendetwas warteten. Bald fanden wir den Grund: Erst wenige Minuten vor der Zugabfahrt wird der Bahnsteig per Lautsprecher und auf einer Anzeigetafel bekannt gegeben. Nach jeder Durchsage begann das Rennen der Fahrgäste zu ihrem Zug. Der Bahnsteig für den Zug nach Jelenia Góra (Hirschberg) wurde 5 Minuten vor der Abfahrt auf der Anzeigentafel angezeigt (die dazugehörende Lautsprecherdurchsage war für uns nicht zu verstehen) und wir rannten los.

 

Felix und Harald nutzten die 3-stündige Fahrzeit zu einem Nachholschlaf. Sie hatten das Pech, dass ihr Hotelzimmer in der Nacht zuvor direkt gegenüber einer Diskothek lag. Erst gegen 6:30 Uhr schloss die Diskothek ihre Pforten. Um 7:30 Uhr läuteten dann die Kirchenglocken der Elisabethkirche zum Gottesdienst. In diesem Zeitfenster von einer Stunde bewegte sich ihr Nachtschlaf.

 

Die Nachschläfer hatten auf der Bahnstrecke von Wrocław (Breslau) bis Wałbrzych (Waldenburg) nicht viel versäumt. Es ist eine sehr flache Landschaft mit abgeernteten Getreidefeldern. Erst ab Wałbrzych (Waldenburg) wurde die Landschaft zu beiden Seiten des Zugs hügelig und bewaldet; das stimmte uns auf die kommenden Wanderungen ein.

 

Wir wunderten uns, dass der Zug ab Waldenburg nur mit „angezogener Handbremse“ fuhr. Der Grund liegt in dem jahrhundertelangen Abbau der Kohle. Das Gebiet ist mit vielen Stollen durchzogen. Man befürchtet anscheinend, dass sich durch Erschütterungen der Züge bei zu rasanter Fahrt „Abgründe“ auftun könnten.

 

Jelenia Góra (Hirschberg) erreichten wir gegen 13:15 Uhr. Leider war auf unserem Weg zum Zentrum die Garnisonskirche zum Heiligen Kreuz wegen eines Gottesdienstes nicht zu besichtigen und auf unserem Rückweg zum Bahnhof war die Kirche geschlossen.

 

Herzstück von Hirschberg ist der Plac Ratuszowy (Marktplatz) mit seinen zahlreichen farbigen Arkadenhäusern. In einem Gasthaus unter den Arkaden machten wir Mittagsrast, die Felix zum Schreiben von Postkarten nutzte.

 

Gegen 16:00 Uhr brachte uns ein Bummelzug zurück nach Trzcińsko  (Rohrlach). Zunächst wanderten wir am Fluss Bóbr (Bober) entlang und an einem Campingplatz vorbei bis zur Schronisko Szwajcarka (Schweizer-Baude).

 

Sehr viele polnische Familien mit ihren Kindern stiegen mit uns zum Krzyżna Góra (Kreuzberg) mit seinem gußeisernen Kreuz hinauf, einem der beiden Góry Sokole (Falkenberge). Von den Felsen hatten wir eine tolle Aussicht auf das Riesengebirge und den kleinen Ort Karpniki (Fischbach), wo wir übernachten wollten. Aus zeitlichen Gründen konnten wir den nördlich benachbarten Sokolik (Forstberg) nicht mehr erklimmen. Wir wollten unbedingt gegen 19:00 Uhr unser heutiges Nachtquartier erreichen.

 

Wir hatten das Glück, dass die gut Deutsch sprechende Tochter der Familie aus München zu Besuch war. Mit ihrer Mutter bereitete sie uns ein geschmackvolles Abendessen.

 

2. Tag:  Karpniki (Fischbach) → Kamienna Góra (Landeshut)

 

Verschiedene Wettervorhersagen, Suche nach einem Lokal

 

Heute war eine Wanderung auf dem blau markierten Landeshuter-Kammweg (europäischer Fernwanderweg E3) von 27 km angesagt.

 

Wenn es auch am Morgen bewölkt war, die Wettervorhersage unserer Wirtin versprach uns 28 Grad ohne einen Regentropfen. Die deutsche Wettervorhersage (www.wetteronline.de) prognostizierte nur 24 Grad mit einzelnen Regenschauern am Nachmittag. Mal sehen, wer am Ende des Tages Recht behalten sollte.

 

Für jeden von uns machte die Wirtin ein Lunchpaket, denn bis Kamienna Góra (Landeshut) gibt es nirgendwo eine Einkehrmöglichkeit.

 

Der Rudawy Janowickie (Landeshuter Kamm) ist überwiegend mit Fichten bewaldet, Aussichtspunkte gibt es - abgesehen von den Felsen - keine. Als ersten Höhepunkt erwies sich der 718 m hohe Starościńskie Skały (Marianne-felsen, genannt nach der Herzogin Marianne, Ehefrau des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen). Einen ersten Aussichtspunkt erreicht man über einen schmalen Felsenweg, von dort ging es über eine gesicherte Felsentreppe zu einer größeren Aussichtsplattform.

 

Von dort bot sich uns ein herrlicher Rundblick von etwa 30 km zurück nach Karpniki (Fischbach) mit den Góry Sokole (Falkenberge) und südlich auf das Massiv des Riesengebirges. Ein weiterer Höhepunkt war ein Naturwunder: die Felsenbrücke Skalny Most (Felsenbrücke), die wir nicht erklimmen, sondern nur fotografieren konnten. Rast machten wir am Gipfel des Wołek (Ochsenkopf). Das Kruzifix wurde zu Ehren des Papstes Johannes Paul II errichtet. Am höchsten Gipfel des Landeshuter Kamms, am 945 m hohen Skalnik (Frei Koppe oder Friesensteine), gab es noch nicht einmal eine Sitzgelegenheit. 300 Höhenmeter unterhalb liegt die Berghütte Czartak, die für das Publikum geschlossen war.

 

Zukünftigen Wanderern können wir empfehlen, ab dem Mała Ostra den Weg mit der roten Markierung zu wählen. Geht man den blau markierten Weg (europäischer Fernwanderweg E3), muss man ab der Bergbaude Czartak bis zu einem Bach und anschließend wieder steil auf einer Straße nach oben wandern.

 

Die letzten 6 km von Pisarzowice (Schreibendorf) nach Kamienna Góra (Landeshut) hatten wir in beiden Richtungen die beste Aussicht, aber es fing mit jedem Meter stärker zu regnen an. Die deutsche Wettervorhersage hatte leider Recht behalten.

 

In unserem Hotel Krokus in Kamienna Góra (Landeshut) war das Restaurant geschlossen, weil um den Feiertag Maria Himmel-fahrt das verlängerte Wochenende genutzt wurde, um zu feiern. Die Wirtin empfahl uns am Markt ein Restaurant zu suchen, dort gebe es jede Menge. Nach und nach wurde uns klar, dass auch hier alle Lokale geschlossen waren. Nach 20 Minuten Herumirrens im Regen waren wir froh, eine Pizzeria gefunden zu haben, in der wir unseren Hunger stillen konnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Tag: Kamienna Góra (Landeshut) Kloster Krzeszów (Grüssau) → Sokołowsko (Görbersdorf )

 

Barocke Pracht und das „Davos von Schlesien

 

Nach dem Frühstück fuhren wir 6 km mit dem Taxi nach Krzeszów (Grüssau), zur Klosterkirche Kościół Opacki Najświętszej Marii Panny („Allerheiligste Jungfrau Maria“).

 

Sie wurde im Stil des Spätbarocks zwischen 1728 und 1735 erbaut. Die Klostergeschichte reicht bis ins Jahr 1242 zurück. Nach der Säku-larisierung 1810 zogen 100 Jahre später erneut Benediktinermön-che ein. Die Abteikirche beein-druckt durch ihre Pracht und gilt als Perle des schlesischen Barocks. Die Renovierungsarbeiten waren ziemlich weit vorangeschritten, nur an wenigen Stellen wurde noch gearbeitet. Die daneben stehende St. Josephs-Kirche - sie ist ohne Türme - war morgens noch nicht geöffnet.

 

Pünktlich um 11:30 Uhr fuhren wir mit einem in Landeshut am Morgen vorbestellten Taxi in den kleinen Ort Grzędy Górne (Oberkonradswaldau), um unsere Wanderung auf dem rot markierten Sudeten-Hauptweg fortzusetzen.

 

Bis zum 777 m hohen Sucha Góra hatten wir bereits 280 Höhenmeter überwunden. Der schweißtreibende Aufstieg wurde durch viele Ausblicke zum Riesengebirge und zum Landeshuter Kamm belohnt. Die beiden Kirchtürme der Kloster-kirche in Krzeszów waren gut zu erkennen.

 

Auf dem höchsten Punkt unserer heutigen Wanderung, der 851 m Lesista Wielka (Hohe Heide), trafen wir zum ersten Mal einen Weitwanderer. Zuvor sind wir immer nur Tagesausflüglern mit Minirucksäcken begegnet. Er war sehr verwundert, dass Wanderer aus Deutschland auf dem Sudeten-Hauptweg unterwegs waren und beneidete uns um unsere Wanderschuhe.

 

Von der Lesista Wielka (Hohe Heide) führt die neue Wegführung einen sehr steilen Abhang hinunter. Bei Regen hätten niemand von uns diesen Weg gehen wollen. Wir erreichten am Nachmittag unser heutiges Tagesziel, den Kurort Sokołowsko (Görbersdorf). Die zahlreichen Sanatorien und die Lage in einem waldreichen Gebiet gab Görbersdorf den Namen „Davos von Schlesien“. Heute sind die ehemaligen Sanatorien entweder geschlossen oder in einem sehr schlechten baulichen Zustand.

 

 

 

 

 

 

 

4. Tag: Sokołowsko (Görbersdorf ) → Walim (Wüstewaltersdorf)

 

Forellental und Piroggen mit „Roter-Beete-Suppe”

 

Kaum hatten wir am Morgen den Kurort Sokołowsko (Görbersdorf), verlassen, hörten wir “krrü … krrü …. krrü …”, das Rufen von Schwarzspechten. Wir konnten ein Pärchen beobachten, das sich an einer Buche bewegte. Durch ihr schwarzes Gefieder und den roten Scheitel  sind die krähengroßen Tiere gut zu erkennen.

 

Nach gut einer Stunde hatten wir die Höhe von 796 m mit der Schronisko Andrzejówka (Andreasbaude) erreicht, auf die drei Täler zuliefen. Das Holzhaus wurde 1933 auf Initiative des Apothekers Brock aus Waldenburg erbaut. Unmittelbar an der Hütte wiesen Schilder auf einen nahen Abhang für Gleitschirmflieger hin.

 

Der Sudeten-Hauptwanderweg führt an einem Schilift vorbei, der bis auf 895 m Höhe geht. Auch auf dieser Etappe begegneten uns beim Abstieg nur zwei polnische Wanderinnen. Bis zum Ort Walim (Wüstewaltersdorf) hatten wir insgesamt drei große Auf- und Abstiege zurückgelegt. Deshalb erreichten wir unsere Unterkunft erst gegen 18:00 Uhr. Zu einem Besuch der zum Ende des 2. Weltkrieges von Zwangsarbeitern gebauten „unterirdischen Stadt“ waren wir an diesem Tag weder zeitlich noch körperlich fähig.

 

Im Gartenlokal der Pension Hubert wurden wir von Polen mit italienischen Liedern empfangen. Es stellte sich heraus, dass sie kein Italienisch sprechen konnten, dafür aber Deutsch. Wir wurden  in Niederschlesien immer wieder überrascht, wie viele Polen Deutsch können. Die Jugend lernt heute in der Schule an erster Stelle Englisch und als zweite Sprache Deutsch. Andere Sprachen spielen kaum eine Rolle. Die Sangesbrüder empfahlen uns zum Abendessen Piroggen. In unserer Heimat würden wir sie als Maultaschen bezeichnen. Die Teigtaschen können mit Käse, Hackfleisch, Spinat, Kartoffeln, Quark, selbst mit Erdbeeren und Pflaumen gefüllt sein. Dazu isst man eine sehr gut gewürzte heiße Rote-Beete-Suppe (Barscz czerwony).

 

5. Tag: Walim (Wüstewaltersdorf) → Kamionki (Steinkunzendorf)

 

Bismarckturm, Streichelzoo, Weberaufstand und Steinpilze

 

Schon gegen 7:00 Uhr waren kaum Wolken am Himmel zu sehen. Der Tag versprach erneut heiß zu werden. Auch der Eisenach – Budapest-Wanderweg (EB) bzw. der europäische Fernwanderweg E3 verlaufen über den Kamm des Eulengebirges. Für diejenigen, die diesen EB-Weg schon gewandert sind, zählen das Góry Sowie (Eulengebirge) wie auch die Mala Fatra (Slowakei) zu den schönsten Gebirgszügen auf der 2.678 km langen Strecke nach Budapest.

 

Gleich am Morgen mussten wir 500 m zur Wielka Sowa (Hohe Eule) 1.015 m aufsteigen. Eine Augenweide ist der Wieża Widokowa na Wielkiej Sowie (Bismarckturm). Bereits 1906 wurde mit Stahlbeton ein 25 m hoher Turm erbaut. 2008 erfolgte mit EU-Fördergeldern eine Renovierung. Der Turm erlaubt einen großartigen Rundblick. Sowohl der Ort Walim (Wüstenwaltersdorf), von dem wir heute früh losgewandert sind, als auch einige Häuser unseres heutigen Wanderziels, des Orts Kamioniki (Steinkunzendorf) waren zu erkennen. Leider war die Sicht an diesem Tag wegen der großen Mittagshitze nicht allzu gut. Das Riesengebirge und Breslau, wie in Reiseführern beschrieben, konnten wir nicht sehen.

 

Wir hatten heute keine Eile und machten deshalb direkt am Bismarckturm eine längere Pause. Sehr viele Wanderer nutzten die vielen Sitzmöglichkeiten und machten ebenfalls eine Mittagsrast. Der Kiosk im Bismarckturm war vor allem von Schulkindern umlagert. Eis und Cola waren die großen Renner.

 

Auf unserem Weg zum Przełęcz Jugowska (Hausdorfer Plänel ) kamen wir an einer 2004 errichteten Gedenktafel für Hermann Henkel (*1869 † 1918) vorbei. Hermann Henkel war Sekretär des Eulengebirgsvereins. Die Gedenktafel ist in Polnisch und in Deutsch geschrieben:

 

„Auf den Bergen werde ich wieder ein reiner Mensch;

dort werden wir Brüder und alles Hässliche und Kleine fällt von uns ab.“

 

Wir hatten genügend Zeit bis zur bewirtschafteten Schronisko Zygmuntówka" (Zimmermannsbaude) weiterzuwandern. Ungewöhnlich war für uns, dass wir im Foyer  einen Streichelzoo antrafen. In den Käfigen waren Vögel, Hasen und eine Henne mit ihren Küken. Ebenso waren vor der Hütte Ziegen und jede Menge Hühner, Hunde und Katzen. Überhaupt machte diese PTTK-Unterkunft auf uns keinen einladenden Eindruck. Wieder zurück auf dem Przełęcz Jugowska (Hausdorfer Plänel) gingen wir den grün markierten Wanderweg zum Ortsteil Kamionki von  Pieszyce (Peterswaldau).

 

Der Ort Pieszyce (Peterswaldau) ist in die Geschichte eingegangen, da im Jahre 1844 hier und in den Nachbarorten der Aufstand der Weber stattfand. Gerhard Hauptmann hat diesen Weberaufstand in seinem Werk „Die Weber“ beschrieben. Der Inhaber unserer heutigen Unterkunft „Sowia Dolina“ (Eulental) ist ein in Kassel geborener Hotelier. Er erwarb vor rund 15 Jahren das marode Gebäude und hat es vollkommen renoviert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jeder Pole scheint ein geborener Heidelbeer- und Pilzesammler zu sein. Zu diesem Schluss sind wir gekommen, trafen wir doch auf unserer Wanderung ständig Sammler mit ihren Weidenkörbchen. Aber zum ersten Mal konnten wir im Hotel  „Sowia Dolina“ zu unserer großen Überraschung auch Gerichte mit Steinpilzen bestellen. Unsere Zufriedenheit wurde noch gesteigert, als wir in den Zimmern Deutsches Fernsehen empfangen konnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6. Tag: Kamionki (Steinkunzendorf) → Śrebrna Góra (Silberberg)

 

Gewitter auf dem Kammweg, Sauermehlsuppe und das Geheimnis einer gelungenen polnischen Hochzeit

 

Da wir im Hotel Internet-Zugang hatten, wussten wir, dass uns gegen 14:00 Uhr ein Gewitter erwarten sollte. Deswegen brachen wir schon früh auf und legten einen sehr schnellen Schritt vor. Kaum hatten wir den eisernen Aussichtsturm auf dem 964 m hohen Kalencia (Tumberg) bestiegen, von dem wir zur Wielka Sowa (Hohe Eule) zurückblicken konnten, zogen bereits die ersten dunklen Wolken auf. Die nächsten beiden Stunden wurden wir von stürmischen Winden begleitet und das Donnergrollen in der Ferne war nicht zu überhören. Statt, wie angekündigt um 14:00 Uhr, waren wir bereits um 12:30 in ein schweres Gewitter geraten. Wir machten uns „regenfest“ und wanderten schnell weiter, in der Hoffnung, eine Schutzhütte zu finden. Aber nirgendwo war eine Schutzhütte zu erreichen. Glücklicherweise war das heftige Gewitter nach 45 Minuten vorbei.

 

Gegen 13:30 Uhr erreichten wir die Twierdza Srebrna Góra (Festung Silberberg) und hatten nach 2 Stunden zügigem Wandern endlich die Gelegenheit, uns auf den frisch vom Wasser abgeputzten Bänken auszuruhen. Überraschend waren - ähnlich wie an der Wielka Sowa (Hohe Eule) - viele Ausflügler zu sehen, die wie wir die Festung besichtigen wollten.

 

 

 

 

 

Wir haben uns einer Führung in polnischer Sprache angeschlossen. Unserem in einer preußischen Uniform auftretenden Führer gelang es, die Führung aufzulockern, indem er die Besucher mit einbezog. Höhepunkt der Führung war das Abfeuern eines Schusses in den Kasematten, von dem uns noch am Abend die Ohren dröhnten.

 

Unsere Unterkunft war im Ort Srebrna Góra, etwa 2,5 km von der Silberberg-Festung entfernt. Während des Abend-essens bot uns der Wirt selbstgemachten Kräuterschnaps und als Nachtisch seine besondere Spezialität an: Milchreis mit Äpfeln, Zimt und Sahne an.

 

Der Wirt ließ es sich auch nicht nehmen, uns vor dem Hauptgang 2 große Suppenschüsseln mit Barscz czerwony (Roter-Beete-Suppe) und Żurek (Sauermehlsuppe) auf den Tisch zu stellen. Vor allem Żurek, einer leicht säuerlich schmeckende Mehlsuppe aus vergorenem Roggenschrot mit geräucherter Wurst, Kartoffelstückchen und gekochten Eiern konnten wir nicht widerstehen.

 

Für eine Hochzeitsfeier am folgenden Tag - es wurden 80 Gäste erwartet - hatte unser Wirt alle Hände voll zu tun. Trotzdem fand er noch die Zeit, uns über die frühere Nutzung des Anwesens zu informieren. Auch erzählte er uns über polnische Hochzeitsbräuche. Als Faustregel einer gelungenen Hochzeitsfeier gilt es, pro Gast 1 Liter Wodka anzubieten. Der Festsaal, ein ehemaliger Pferdestall, war schon für die 80 Hochzeitsgäste eingedeckt. Der Bräutigam war dabei, den Raum mit Hunderten weiß-blauer Luftballons zu schmücken, während die Braut die Tischkarten verteilte.

 

7. Tag: Srebrna Góra (Silberberg) → Kłodzko (Glatz)

 

Warthaer Madonna, die Glatzer Karlsbrücke und eine uneinnehmbare Festung

 

Auch an diesem Tag nahm sich der Wirt die Zeit, um uns zurück auf den Przełęcz Srebrna (Silberberg-Pass) zu fahren. Dort begann unsere 17,5 km lange Etappe auf dem blau markierten europäischen Fernwanderweg E3 nach Bardo (Wartha). Auf den Sudeten-Hauptweg werden wir am nächsten Tag im Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge) wieder treffen.

 

Abgesehen davon, dass wir zu Beginn auf einem sehr steilen Pfad wieder ins Tal absteigen mussten, war es eine sehr aussichtsreiche Tour auf überwiegend weichem Waldboden.

 

Wir konnten auch schon unser morgiges Ziel, das Plateau des markanten Bergs Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer) im Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge) erkennen.

 

Nach 5 Stunden erreichten wir Bardo (Wartha) an der Nysa Kłodzka (Glatzer Neiße). Der kleine Ort ist vor allem wegen seiner Pfarrkirche „Geburt der Allerheiligsten Mutter Gottes“ bekannt. Den Altar schmückt die 43 cm große farbige Figur der Warthaer Madonna aus dem 13. Jahrhundert

 

Das Wasser der Nysa Kłodzka (Glatzer Neiße) war wegen des gestrigen Gewitters bräunlich gefärbt. Zeit zur Einkehr hatten wir nicht, wollten wir doch unbedingt vor 15:00 Uhr den Zug nach Kłodzko (Glatz) erreichen.

 

Zunächst erlebten wir eine große Enttäuschung: Die beiden Glatzer Bahnhöfe waren in einem sehr schlechten baulichen Zustand, der einer so schmucken Stadt nicht würdig ist.

 

Unser Hotel lag an der Hauptverkehrsstraße und die Diskothek gleich nebenan ließen uns für die Nacht nichts Gutes erwarten. Um 16:00 Uhr erwarteten uns der frühere Bürgermeister und seine sehr gut Deutsch sprechende Tochter zu einem Stadtbummel durch Kłodzko (Glatz).

 

Zum Glück wurde die Stadt im II. Weltkrieg nicht zerstört. Selbst Schäden des Jahrhunderthochwassers von 1997 waren nirgendwo mehr zu erkennen. Viele der alten Häuser waren frisch renoviert. Über die gotische Brücke des Heiligen Jan (siehe Titelbild) gingen wir in die Altstadt. Die Brücke ähnelt mit ihren sechs steinernen Votivfiguren der Prager Karlsbrücke. Unser erstes Besichtigungsziel war die auf einem Hügel alles überragende Festung der Stadt Glatz, die Twierdza Kłodzka. Im 17. Jahrhundert wurde unter der habsburgischen Herrschaft der Festungsbau begonnen. Im Schlesischen Krieg eroberten preußische Truppen die Stadt und auch die Festung. Im Hubertusburger Frieden von 1763 wurde die Stadt endgültig ein Teil Preußens. Unter der neuen Herrschaft wurde die Festung immer weiter ausgebaut, so dass selbst die napoleonischen Truppen 1807 die Festung und die Stadt nicht erobern konnten.

 

Anschließend gingen wir zum Glatzer Marktplatz. Auch hier steht das Rathaus in der Mitte des Platzes. Die Lokale am Rathaus waren um diese Zeit bereits gut besetzt. Durch den Park Esperanto kehrten wir zum Hotel zurück und verabschiedeten uns von unseren beiden „Stadtführern“, die uns ihre Stadt erfolgreich nähergebracht hatten.

 

8. Tag: Kłodzko (Glatz) nach Radków (Wünschelburg) ins Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge); Radków → Karłów (Karlsberg)

 

Nachholen von Schlafdefiziten, Goetheplakette und Bundesligaergebnisse

 

Unser schnellstes Frühstück nahmen wir in unserem Hotel ein, da wir unbedingt den Bus nach Radków (Wünschelburg) am Rande des Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge) erreichen wollten. Auf dem Weg dorthin kamen wir am schlesischen Jerusalem, der Wallfahrtskirche in Wambierzyce (Albendorf), vorbei. Eine ausführliche Besichtigung wollten wir in 2 Tagen nachholen.

 

Der Bus brachte uns bis zum Rynek von Radków (Wünschelburg). Ein Schild im Zentrum gab als Entfernung bis zum Ort Pasterka (Passendorf) auf dem großen Plateau 2 Stunden an. Aus Erfahrung wussten wir, dass diese Wanderzeiten nur von Spitzensportlern ohne Gepäck zu erreichen sind. Wir gingen deshalb realistisch von 2 ½ bis 3 Stunden reiner Wan-derzeit aus.

 

Wir passierten eine Talsperre mit einigen Unterkünften sowie einem Campingplatz. Dann begann der 300 m hohe Aufstieg, zunächst entlang der Pośna (Posna). Eigentlich mussten wir auf das gelbe Wanderzeichen nicht achten, ging der Weg doch immer entlang der Posna. Ab einer Höhe von 700 m wurde der Weg fast ebenerdig und bald traten wir aus dem Wald heraus und wanderten auf einer Wiese am Wald entlang.

 

Schließlich erreichten wir die PTTK Berghütte Schronisko Pasterka. Hier entschlossen wir uns eine längere Pause einzulegen. Das war auch unbedingt notwendig, hatten wir doch in der vergangene Nacht durch die laute Musik in der gegenüber liegenden Diskothek erhebliche Schlafdefizite eingefahren.

 

Der Ort Pasterka (Passendorf) besteht nur aus wenigen Häusern. Am Ortsende begann erneut ein Aufstieg von 150 m hinauf zur Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer). Der Weg war nicht leicht zu begehen, mussten wir uns doch in einer nahezu alpinen Geröllhalde emporarbeiten.

 

Beim Zusammentreffen unseres gelb markierten Weges von Pasterka (Passendorf) mit dem rot markierten von Karłów (Karlsberg), sahen wir, welche Menschenmassen von der Südseite die Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer) „besteigen“ wollten. An einer Ausweichstelle mussten wir etwa 100 Besucher passieren lassen, bevor wir unseren Weg auf die Aussichtsterrasse fortsetzen konnten. Die Felsen wurden immer mächtiger. An einer Stelle mussten wir uns durch ein Nadelöhr zwängen.

 

Auf der Gipfelterrasse herrschte reges Treiben. Kinder standen nach  Eis an, Männer nach Bier, während die Frauen Waffeln mit verschiedenen Früchten und Sahne bevorzugten. Auf dem 913 m hohen Felsplateau hatten wir eine tolle Fernsicht. Geheimrat Goethe hatte auch schon am 28. August 1790 auf diesem Gipfel gestanden. Eine Gedenktafel mit seinem Konterfei weist darauf hin.

 

Der in Reiseführern beschriebene Abstieg nach Karłów (Karlsberg) über 682 Treppenstufen war - vielleicht zu unserem Glück - wegen Reparaturarbeiten nicht möglich. Eine „Umleitung“ ohne jegliche Treppen war eingerichtet. Auf unserem „Ersatzweg“ nach Karłów (Karlsberg) waren wir in eine Karawane eingebunden. Viele Frauen, die vor uns abstiegen, waren nur mit Badelatschen „ausgerüstet“.

 

In Karłów (Karlsberg) hatten wir erneut keinen Handyempfang. Zum Glück hatten meine Mitwanderer auf dem Gipfel in der Heimat anrufen können und so die Bundesligaergebnisse erfragt.

 

9. Tag: Karłów (Karlsberg) Kudowa Zdrój (Bad Kudowa)

 

Wespen im Zimmer, unterwegs als Geisterwanderer und Damenwahl

 

Im Holzrahmen unseres Hotels hatten Wespen ein Nest gebaut. Bereits vor Sonnenaufgang hörte man ihr Summen. Ab und zu „verirrte“ sich eine Wespe auch schon einmal in unser Zimmer.

 

Heute hatten wir keine Eile, mussten wir doch nur 4 Stunden bis zum Kurort Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) wandern. An unserem Hotel führt der rot markierte Sudeten-Hauptweg vorbei. Wir mussten ihm nur folgen. Der Weg steigt ab Karłów (Karlsberg) ständig bergan. Oben ab einer Höhe von 800 m waren sämtliche Bäume, wahrscheinlich wegen der hohen Luftverschmutzung, abgestorben. Dadurch konnten sich Heidelbeersträucher ausbreiten. Wir begegneten mehreren Frauen, die dabei waren, Heidelbeeren in Plastikeimer zu pflücken.

 

Auf dem Berggipfel verläuft der Sudeten-Hauptweg mitten durch ein Felslabyrinth, die Błędne Skały (Wilde Löcher). Zum Betreten der Błędne Skały (Wilde Löcher) muss am Kassenhäuschen Eintritt bezahlt werden.

 

Während der Wanderführer die Eintrittsgebühr entrichtete, sind Felix und Harald mit dem roten Zeichen weitergewandert. Sie hatten dabei nicht bemerkt, dass der Weg durch die Felsenspalten und Höhlen nur in einer Richtung, nämlich von Nord nach Süd begangen werden sollte. Kein Wunder, dass sie wie Geisterfahrer allergrößte Schwierigkeiten hatten, an den entgegenkommenden Ausflüglern - und das waren ziemlich viele - vorbeizukommen. An einigen Stellen kann man sich durch die engen Spalten nur seitwärts oder gar in der Hocke fortbewegen. Ab einer gewissen Bauchgröße wäre ein Durchkommen überhaupt nicht möglich gewesen. Auch konnte man mehrere Tunnels nur in gebückter Haltung passieren.

 

Mein Kompliment geht an die zwei „Geisterwanderer“. Dieses in Europa einmalige Naturereignis mit großen, schweren Rucksäcken gegen den ständig anschwellenden Besucherstrom zu durchwandern, ist schon eine Leistung. Aber noch größer war ihre Überraschung, als sie am Ende des Labyrinths den Wanderführer erblickten und ihn zunächst für einen Geist hielten. Wolfgang hatte seinen Rucksack am oberen Kassenhäuschen deponiert und war auf einem einfach zu begehenden Weg zum eigentlichen (südlichen) Labyrinth-Eingang gewandert. Von dort aus war er dann ohne Gepäck durch das Felsenlabyrinth zurückgewandert.

 

Am Haupteingang waren - ähnlich wie am Tag zuvor auf der Szczeliniece Wielki (Großen Heuscheuer) - Massen von Menschen unterwegs. Kein Wunder, war doch nur wenige Meter entfernt ein großer Parkplatz. Vor allem Kioske und Getränkeläden waren umlagert.

 

Nach weiteren 2 Stunden ständigem Abwärtsgehen erreichten wir bei großer Sommerhitze den Kurort Kudowa Zdrój (Bad Kudowa). Der Kurort zählt zu den ältesten Europas und war früher „Deutschlands erstes Herzbad“. Auf der Hauptstraße herrschte am Nachmittag in den zahlreichen Eiscafés reger Besuch. Beim Abendessen kamen wir mit einem emeritierten Mathematikprofessor und seiner Gattin ins Gespräch.

 

Um zu unserer Unterkunft zu gelangen, gingen wir durch den im englischen Stil angelegten Kurpark. Wir gingen vorbei am barocken Sanatorium Zameczek (Schlösschen), am Café Sissi sowie am daneben liegenden Tanzlokal. Um diese Zeit waren beide noch sehr gut besucht. Im Tanzlokal herrschte Männermangel und bevor zur „Damenwahl“ aufgerufen wurde, machten wir uns auf den Heimweg.

 

 

10. Tag: Kudowa Zdrój (Bad Kudowa)

 

Gebeine von 21.000 Menschen, ins schlesisches Jerusalem und Schlaglochpiste

 

Von unserer Villa Sanssouci gingen wir am frühen Morgen durch den Kurpark in den Stadtteil Czwemna (Deutsch-Tscherbenei). Dort befindet sich neben der Kirche St. Bartholomäus die Kaplica czaszek (Schädelkapelle). Decken und Wände sind vollständig mit ca. 3000 menschlichen Schädeln und Schienbeinen verkleidet. Auf dem Altar lagen weitere 6 Schädel, unter anderem auch der vom Pfarrer Wenzel Tomaschek, der diese Sammlung veranlasste. In der Krypta unter der Kapelle sind die Überreste weiterer 21000 Menschen. Eine Nonne erklärte uns die Bedeutung leider nur auf Polnisch.

 

Um 11:30 Uhr trafen wir erneut unseren Mathematikprofessor im Café Sissi, der uns mit seinem Wagen in ½ Stunde nach Wambierzyce (Albendorf) brachte. Die Basilika des kleinen Ortes wird als „schlesisches Jerusalem“ bezeichnet. Es wird berichtet, dass 1218 ein blinder Bauer nach dem Beten vor einer Marienfigur sein Augenlicht wieder erhalten habe. Man baute an dieser Stelle eine hölzerne Kapelle. Die heutige Barockkirche stammt aus dem Jahre 1720. Die Treppe hat 33 Stufen und soll die Lebensjahre Jesu bei der Kreuzigung symbolisieren.

 

 

Nicht versäumen sollte man den Aufstieg auf den Kalvarienberg, der sich den Tempelberg in Jerusalem als Vorbild nahm. Von der Höhe hat man die beste Möglichkeit die Basilika mit dem Tafelberg Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer) als Hintergrund zu fotografieren.

 

Die Rückfahrt wollten wir über den Berg via Karłów (Karlsberg) zurück nach Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) fahren. Die letzten 6 km bis Karłów (Karlsberg) erwiesen sich als üble Schlaglochpiste, die unser Fahrer mit sehr viel Schwung nahm. Ja, richtig - er ließ kein Schlagloch aus!

 

Am Nachmittag wollten wir unbedingt in den Aqua-Park von Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) gehen, für den überall im Ort großflächig Werbung gemacht wurde. Gleich am Eingang mussten wir unsere Schuhe und Socken ausziehen und barfuß zur Kasse gehen. Der Aqua-Park besteht nur aus sehr wenigen Attraktionen: aus einem Schwimmbecken mit sechs 25-m-Bahnen, einem Planschbecken für Kinder, 2 Jacuzzi-Pools und einer großen Rutsche. Es gab weder Sitzgelegenheiten noch einen Ruheraum und auch keine Möglichkeit, von der Halle ins Freie zu gelangen. Deshalb verließen wir bereits nach 1 Stunde den Aqua-Park.

 

 

 

11.Tag: Fahrt Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) nach Złoty Stok (Reichenstein) Złoty Stok (Reichenstein) → Lądek Zdrój (Bad Landeck)

 

Rettung vor dem Verdursten

 

Wir konnten - in Polen nicht immer möglich - bereits um 7:00 Uhr frühstücken. Kurz nach 8:00 Uhr sollten uns Busse quer durch das Glatzer Becken fahren: von Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) über Polanica Zdrój (Bad Altheide) nach Kłodzko (Glatz). Zum Umsteigen waren in Kłodzko (Glatz) nur wenige Minuten Zeit, um per Schnellbus nach Złoty Stok (Reichenstein) zu gelangen. Wir hatten die Absicht, die Wanderung auf dem Sudeten-Hauptweg jetzt in umgekehrter Richtung fortzusetzen. Am Marktplatz von Złoty Stok (Reichenstein) war einem Hinweisschild zu entnehmen, dass wir bis Lądek Zdrój (Bad Landeck) 4 ½ Stunden wandern müssten

 

Auf Hinweisschildern in Deutsch konnten wir erfahren, dass bereits seit dem 16. Jahrhundert in dieser Region Gold gefunden wurde, um daraus hier im Ort Reichensteiner Goldmünzen zu prägen. Etwas außerhalb des Ortes, auf dem Sudeten-Hauptweg, sahen wir Eingänge alter Stollen und einen Steinbruch. Zwischen Steinbruch und Wald waren Seile gespannt. Wir mussten nicht lange warten, um den Grund zu erfahren: Rechts lag der Steinbruch und auf der linken Seite der Hochseilgarten mit 20 Stationen, wo man sich von Baum zu Baum hangeln konnte. Mit Hilfe von Rollen bestand die Möglichkeit, vom Steinbruch zum Hochseilgarten zu fahren.

 

Der Sudeten-Hauptweg führt auf breiten Forstwegen auf den 872 m hohen Jawornik Wielki (Großen  Geyersberg). Auf dem Gipfel hatte man eine Aussichtplattform gebaut. Aber dunkle Gewitterwolken in Richtung Złoty Stok (Reichenstein) versperrten die Sicht.

 

Die Mittagspause war in dem Straßendorf Orłowiec (Schönau bei Landeck) vorgesehen. Aber es gibt in diesem 40 Einwohner zählenden Dorf weder ein Lebensmittelgeschäft noch ein Gasthaus. Ausgerechnet an diesem Tag hatten wir aufgrund der großen Hitze und der Asphaltwanderung durch den Ort einen Riesendurst. In der Ferne hörten wir einen Lieferwagen mit Lautsprecherdurchsagen immer näher kommen. Felix stellt sich auf die Dorfstraße und stoppte das Fahrzeug. Es war ein Tiefkühl-Fahrzeug. Der Fahrer hatte außer der Tiefkühlkost „für gute Kunden“ Büchsenbiere in den Kühlfächern gelagert. Unserem Felix gelang es, 3 Büchsen Bier auf dem „kurzen Dienstweg“ zu bekommen. Das war Rettung vor dem Verdursten in letzter Minute!

 

Gegen 16:30 Uhr erreichten wir den Rynek von Lądek Zdrój (Bad Landeck). Am Rynek - auch hier steht mitten auf dem Platz das Rathaus - laden mehrere Biergärten zum Verweilen ein. In Lądek Zdrój (Bad Landeck) haben bereits Goethe und der Preußenkönig Friedrich II. gekurt. Es ist überliefert, dass Friedrich der Große begeistert aussprach: „Die Bäder von Landeck haben mir den Gebrauch meiner Füße wiedergegeben”. Zu unserem vorgebuchten Hotel im Kurviertel mussten wir noch 20 Minuten gehen.

 

12. Tag: Lądek Zdrój (Bad Landeck) → Sienna (Heudorf im Masyw Śnieżnika (Glatzer Schneegebirge)

 

Schwarzer Berg, Wespenfreies Gebiet und Moosbeerenschnäpse.

 

Von der Pension ging es zurück zum Rynek von Lądek Zdrój (Bad Landeck) und anschließend vorbei an den stillgelegten Bahngleisen und an einem Recycling-Hof. Erst nach einer Stunde hörte der Asphaltweg auf. Nach wenigen Metern erreichten wir eine Hagebutten-Plantage. 5 Erntehelfer pflückten die Hagebutten in Plastikeimer, während eine ältere Frau im Schatten der Hagebutten den Strunk entfernte. Ein Traktor, der uns schon mehrmals auf der Wanderung überholt hatte, wollte uns mitnehmen, doch wir wollten die Wanderung lieber fortsetzen.

 

Am 864 m hohen Przełęcz Puchaczówka (Puhu Pass) hatten wir zum ersten Mal freien Blick auf den Czarna Góra (Schwarzer Berg), dem Ziel unser heutigen Wanderung. Von einer Kapelle aus hatten wir Aussicht auf den Wintersportort Sienna (Heudorf), der mit einer Seilbahn mit dem Czarna Góra (Schwarzer Berg) verbunden war. Wir waren wieder einmal die Einzigen, die mit ihren schweren Rucksäcken den 1.205 m hohen Gipfel bestiegen hatten. Am Aussichtsturm trafen wir viele „Seilbahnwanderer“, teilweise mit Badelatschen. Um zu unserem Quartier in Sienna (Heudorf) zu gelangen, nutzten wir ebenfalls die Seilbahn. Gegenüber dem Parkplatz der Seilbahnstation sind wir in der „Karczma Hubertus“ eingekehrt.

 

 

 

 

Der deutschsprechende Wirt, ein passionierter Jäger, hatte mehrere ungewöhnliche Wespenfallen konstruiert. Auch in Polen herrschte 2011 eine Wespenplage. In einer 2-Liter-PET-Flasche hatte er eine undefinierbare Flüssigkeit aus Wein und Sirup und Zitronenscheiben zum Anlocken eingefüllt. Ins obere Ende der Flaschen hatte er kleine Löcher als Einflugschneisen für die Wespen geschlitzt. Der Erfolg war für uns alle sichtbar; innerhalb einer Woche sind nahezu 1000 Wespen in diese Falle getappt.

 

Nachdem wir in unserem Hotel die Rucksäcke abgestellt hatten, kehrten wir erneut zurück in den Biergarten und ließen den Abend mit Wildschweinbraten ausklingen.

 

13. Tag: Sienna (Heudorf) → Międzygórze (Wölfelsgrund)

 

Gesprengter Aussichtsturm und höchster Wasserfall der Sudeten

 

Am Morgen waren wir die Ersten, die mit der Seilbahn zum Czarna Góra (Schwarzer Berg) hochfuhren. Von der Seilbahnstation konnten wir eine Abkürzung zum Sudeten-Hauptweg gehen. Wir folgten einem polnischen Ehepaar mit ihrer Tochter, die uns allen mit selbstgeschnitzen Stöcken vorauseilte. Vom Przełęcz Pod Jaworową steigt der Wanderweg gemächlich an. Wenn man zurückblickte hatte man immer wieder Sicht auf den markanten Czarna Góra (Schwarzer Berg).

 

Nach gut 2 Stunden hatten wir die Schronisko Na Śnieżniku auf 1.220 m erreicht. Sie wurde 1871 errichtet, zuvor stand an dieser Stelle eine Sennerei. Unsere Rucksäcke konnten wir in der Hütte abstellen.

 

Der Aufstieg zum 1.426 m hohen Śnieżnik Kłodzki (Großer Schneeberg) verläuft unmittelbar an der polnisch-tschechischen Landesgrenze entlang. Wir brauchten nur den weiß gestrichenen Grenzsteinen zu folgen. Das Hochplateau des Großen Schneebergs ist unbewaldet, somit besteht nach allen Seiten eine gute Fernsicht. Aufgrund der hohen Temperatur lagen das Altvatergebirge und das Adlergebirge unter einer Dunstglocke verborgen. Sehr viele Wanderer und auch Biker waren an diesem Sommertag unterwegs. Die meisten Biker trugen ihre Räder zum Gipfel, einer flickte dort seinen defekten Fahrradreifen.

 

Der 1899 erbaute 34 m hohe „Kaiser-Wilhelm-Turm“ an der höchsten Stelle war derart baufällig, dass er 1973 gesprengt werden musste. Anscheinend hatte man den falschen Mörtel verwendet. Die Trümmer markierten die höchste Stelle des Masyw Śnieżnika (Glatzer Schneegebirge). Sehr viele Wanderer machten hier Rast, bevor sie entweder nach Tschechien oder zurück zur Berghütte Na Śnieżniku und weiter nach Międzygórze (Wölfelsgrund) abstiegen. Wir alle mussten unsere Mützen festhalten, denn ein heftiger Wind drohte sie ins Tal hinabzuwehen. Wieder an der Berghütte angelangt, machten wir eine längere Mittagspause. Interessanterweise wird auf den Hütten des polnischen Verbandes für Touristik und Landeskunde (PTTK) kein Alkohol ausgeschenkt, oder wie hier wird zwar Bier verkauft, das aber nur außerhalb der Baude getrunken werden darf.

 

 

 

 

Der Abstieg nach Międzygórze (Wölfelsgrund) verläuft zunächst am Berghang, später wandert man entlang der Wilczka (Wölfel) bis in den Ort. Fast an jedem Haus war der Hinweis „wolne pokoje“ (Zimmer frei) angebracht. Unsere Unter-kunft war direkt am Wodospad Wilcaki (Wölfel-Wasserfall). Wasserfälle sind in Polen sehr beliebt, der in Międzygórze (Wölfelsgrund) ist mit 30 m der höchste in den Sudeten. Aus diesem Grund waren auch sehr viele Besucher auf den schmalen Pfaden unterwegs.

 

Wir waren uns beim Abendbrot einig: Die Hohe Eule im Eulengebirge, der Tafelberg Große Heuscheuer, das Gebiet um den Glatzer Schneeberg, waren auf unserer Wanderung 2011 die schönsten Abschnitte auf dem Sudeten-Hauptweg.

 

14. Tag: Letzter Tag – Rückfahrt nach Breslau und Heimflug

 

Letztes Bier und Flughafenevakuierung

 

Bereits mit den „Boarding-Pässen“ ausgestattet, die Wolfgang am Abend zuvor vom PC unseres Hotels ausdrucken konnte, traten wir die Rückreise nach Heidelberg an.

 

Samstags in der Schulferienzeit fährt morgens kein Bus von Międzygórze (Wölfelsgrund). Nur mit einem Taxi konnten wir uns zum Hauptbahnhof von Kłodzko (Glatz) fahren lassen. Nach weiteren 2 Stunden Bahnfahrt erreichten wir gegen 12:20 Uhr den Wrocław Głowny

                                                                                                          (Hauptbahnhof Breslau). Wir hatten noch Zeit, um eine Kleinigkeit zu essen

                                                                                                           und ein Abschlussbier am Rynek zu trinken.

 

Kaum am Flughafen „Kopernika“ angekommen, mussten wir wegen eines herrenlosen Gepäckstückes das Gebäude wieder verlassen. Immer mehr Personen sammelten sich vor dem Flughafen, auch das Sicherheitspersonal und die Mitarbeiter der Fluggesellschaften. Fahrzeuge, Taxen und Busse mussten etwa 100 m vor dem Flughafengebäude parken. Nach 30 Minuten war der Spuk vorbei und alles strömte zurück in das Flughafengebäude. Da nur 35 Passagiere mit uns nach Frankfurt flogen, reichte ein kleines Propeller-Flugzeug völlig aus. Das konnte zwar nur 550 km/h erreichen und war ziemlich laut, doch beim Landeanflug auf Frankfurt/Main hatten wir schon kurz vor Hanau eine hervorragende Sicht, die für präzise Luftaufnahmen ausgereicht hätte. Während wir in Breslau bei 30° C gestartet waren, erwarteten uns in Frankfurt abkühlende 17° C.

 

Wenn noch Fragen zu unserer Wanderung bestehen, schicken Sie mir eine eMail: wolfgang.meluhn@onlinehome.de

 

Fotos und Titelfoto von Ausgabe 38: Wolfgang Meluhn

 

Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 38 - August 2012

 

 

Polens wilder Osten

Unterwegs in den Waldkarpaten (Bieszczady) im August 2012

 

Von Wolfgang Meluhn

 

1. Tag: Anreise und Besichtigung von Schloss Łańcut (Landshut)

 

Flughafen ohne Geldautomaten, Prachtkutschen und Raucherpausen bei der Busfahrt

 

Die Entscheidung fiel uns diesmal nicht schwer: Es bestand die Möglichkeit mit dem Zug ab Heidelberg in 22 Stunden in den Osten Polens zu fahren oder in nur 1:40 h mit der Lufthansa im Direktflug nach Rzeszów. Hohe Erwartungen weckte Flugkapitän Möbius, der uns in der „sehr schönen Stadt Rzeszów“ willkommen hieß. Der Flughafen war nagelneu, dafür gab es aber keinen Bankautomaten, um Euro in Złoty zu wechseln. Arbeiter waren dabei, weitere Parkflächen für Flugzeuge anzulegen

 

Nur 16 km entfernt liegt der kleine Ort Łańcut (Landshut), der wegen seines aristokratischen Schlosses aus dem 17. Jahrhundert in Polen sehr berühmt ist. (www.zamek-lancut.pl/de/) Jeder Raum im Schloss war einem anderen Thema zugeordnet. So gab es einen antiken Raum mit Skulpturen, einen Chinesischen-Salon, einen Pompeji -Salon, einen Türkischen Salon, mehrere alte Bäder mit vergoldeten Wasserhähnen, ein Theater und mehrere Rokoko-Salons. Besonders beeindruckten uns im Museum die Intarsienarbeiten. Umgeben ist das Schloss von einem im englischen Stil errichteten Park.

 

Besonders sehenswert sind die zahlreichen Kutschen, die in zwei separaten Gebäuden untergebracht sind. Im historischen Gebäude sind 55 historische (Pracht-) Kutschen der reichen Familie Potocki ausgestellt. Ob Hochzeit, Begräbnis, für den Sommer oder für den Winter, für jeden Anlass hatte der letzte Besitzer eine eigene Kutsche. Die Pferdewagen stammen von Wiener, Londoner und Pariser Herstellern. Und im 2. Gebäude befinden sich 80 Kutschen, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg erworben worden sind. Alle Kutschen sind selbst nach 100 Jahren in einem sehr guten Zustand. Damit ist diese Kutschenausstellung die einzige ihrer Art in der Welt.

 

Auf der zweistündigen Fahrt nach Sanok wurden durch den Busfahrer mehrere Zigarettenpausen an den Haltestellen eingelegt. Wer wollte, konnte aussteigen und an der Haltestelle rauchen. Obwohl uns ein Mitfahrer zuvor in Sanok erklärt hatte, dass in Polen das „Rauchen an Bushaltestellen unter Strafe verboten“ sei, nahm er

                                                                                        diese Gelegenheit wahr und leistete dem Fahrer

                                                                                        beim Rauchen Gesellschaft.

 

2. Tag: Besichtigung von Sanok und Fahrt in die Bieszczady (Waldkarpaten)

 

Zwangsumsiedlung, der brave Soldat Schwejk und Ohrenschmaus am Abend

 

Am Morgen wollten wir uns das Freilichtmuseum „Skansen“ ansehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in dieser Region zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ukrainischen Partisanen, die einen eigenen unabhängigen Staat wollten, und der polnischen Armee. Um den Aufständischen Unterschlupfmöglichkeiten zu entziehen, wurde die Bevölkerung (Lemken und Bojken) in andere Teile Polens zwangsumgesiedelt. Ihre Dörfer wurden zerstört. Nur wenige Holzhäuser und Kirchen konnte man retten und hier in diesem Museumsdorf „Skansen“ wieder aufbauen. Gleich hinter dem Museumseingang war ein neu erbautes Dorf mit Marktplatz und zahlreichen Verkaufsläden aufgebaut. Man muss nur diesen Teil des Museums schnell durchqueren, um die 120 originalgetreu wieder aufgebauten Häuser anzutreffen. Man kommt an zahlreichen Bauernhäusern mit und ohne Ställe auf der rechten Seite, an zwei Schmieden, einer Schule und an drei Holzkirchen vorbei. Leider konnten wir die allerwenigsten Gebäude betreten.

                                                                                        Sie waren abgeschlossen und wir mussten uns mit einem

                                                                                        Blick durch ein Holzgitter zufriedengeben.

 

Um den Rynek (Markplatz) von Sanok fielen am Sonntag zwei Kirchen auf, denn sie waren so voll, dass die Gottesdienstbesucher vor ihnen stehen und dem Gottesdienst per Lautsprecher folgen mussten. Natürlich darf in Sanok (Galizien gehörte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu Österreich) ein Besuch beim braven Soldaten Schwejk nicht fehlen. Er wartet in der Fußgängerzone auf seinen Oberleutnant Lukasch, der sich wieder einmal im Bordell herumtreibt. Schwejks Nase ist vollkommen blank gerieben, das soll Glück bringen. Wir umarmten ihn mit den Worten: „Melde gehorsamst - dass ja“.

 

Am Nachmittag hatten wir auf dem Weg zu unserer Unterkunft eine Fahrt mit der „Waldbahn“ eingeplant. Der Linienbus einer privaten Busgesellschaft aus Krakau hatte jedoch 1 ½ Stunden Verspätung. Deshalb musste diese Fahrt leider ins Wasser fallen. Kurz vor unserem Ziel sahen wir aber noch die Waldbahn an uns vorbeifahren.

 

Ustrzyki Górne in den Waldkarpaten erreichten wir gegen 16:30 h. Ein Regenschauer ließ unsere Schritte zum Górski Hotel beschleunigen.

 

In den Souvenirläden der Region Bieszczady (Waldkarpaten) werden Giftzwerge, Dämonen und allerlei Keulen verkauft. Was ist der Grund?

 

Vor langer, langer Zeit lebte hier ein Dämon mit dem Namen Bies. Er war größer als Menschen und trug Hörner und Flügel. Bies liebte die Einsamkeit und war daher nicht erbaut, als sich der junge, clevere San mit seiner Sippe in dieser Gegend niederließ. Wie konnte man sie vertreiben?

 

Dämon Bies schuf als Helfer kleine, freche, schelmische Fabelwesen, die Czady, die den Eindringlingen das Leben schwer machen sollten. Aber es kam anders als von dem Dämon Bies erhofft. Eines Tages rettete San einem kleinen Fabelwesen das Leben, und von nun an standen die frechen Czadys auf der Seite von San und seiner Sippe. Keiner wollte aus dem schönen Land weichen und so musste ein Zweikampf zwischen dem Dämon Bies und dem San die Lösung bringen.

 

Man wusste, dass Bies gerne morgens im Fluss badete und hierzu seine Flügel ablegte. Ohne Flügel hatte er aber keine magischen Kräfte mehr. Das nutzte San und stellte den Dämon zum Kampf. Der Kampf ging den ganzen Tag und am Abend fielen beide in den Fluss und ertranken. Die Menschen gaben dem Fluss den Namen San und der Region die Kombination der Namen Bies und Czady. So entstand der Legende nach der Name Bieszczady.

 

So schön die Legende auch klingt, „Wikipedia“ geht davon aus, dass der Name von „Hochweide" abgeleitet ist.

 

Den Tagesausklang bildete in unserem Hotel ein Konzert der Sängerin Agata Rymarowicz mit ihrer Geige spielenden Tochter Ola, sowie dem Gitarristen Tadeusz Krok . (www.agatarymarowicz.pl). Spontan hatten wir CDs mit ihren Liedern erworben, so begeistert waren wir.

 

3. Tag: Brzegi Górne → Ustrzyki Górne - 4 Stunden

 

Wölfe, Nebelbank und lange Unterhosen

 

Die Waldkarpaten besitzen die größte Wolfsdichte der Welt. Die Erwartungen für die nächsten Tagen waren entsprechend hoch: „Werden wir Wölfe sehen oder hören?“

 

Frühstück war erst ab 8:00 Uhr möglich. Deshalb konnten wir auch erst den Bus um 9:25 Uhr nach Brzegi Górne nehmen. Der Bus war gut besetzt und etwa die Hälfte der Mitfahrer stieg mit uns aus. Die Strecke von Brzegi Górne nach Ustrzyki Górne muss unter Wanderern eine bekannte Route sein. Der Wanderweg steigt ständig nach oben und verläuft bis auf einer Höhe von 1.100 m durch Laubwald. Anschließend wandert man durch eine baumfreie Gipfellage (polnisch: połonina). Sicht hatten wir an diesem Tag keine. Hatten wir beim Aufstieg permanent leichten Regen, so hörte hier oben auf der Połonina der Regen auf, aber dafür war die Landschaft in Nebel eingehüllt. Außerdem waren wir auf dem Kammweg starken kalten Nordwinden ausgesetzt. Handschuhe, Schal und lange Unterhosen wäre die adäquate Kleidung gewesen.

 

 

 

Sicht bestand maximal 50 m – Fotoaufnahmen waren an diesem Tag nicht möglich. Trotzdem begegneten uns sehr viele junge polnische Wanderer, die trotz des Regenwetters und Nebels bester Stimmung waren.

 

4. Tag: Wołosate → Wołosate (Rundweg) - 6 Stunden

 

Kälte, Nässe und Nebelgestalten

 

Leider stimmte auch an diesem Tag die Wettervorhersage: langer, ergiebiger Landregen war angesagt.

 

Die 7 km von Ustrzyki Górne nach Wołosate fuhren wir mit einem Privat-Shuttlebus, der immer dann auf dieser Strecke fährt, wenn sich genügend Passagiere eingefunden haben.

 

Am Eingang in Wołosate mussten wir an einem Kassenhäuschen den Eintritt für den Besuch des Bieszczadzki Park Narodowy (Waldkarpaten Nationalpark) entrichten. In diesen Kassenhäuschen gibt es auch Wanderkarten und Broschüren über den Nationalpark zu kaufen. Erst dann konnten wir auf dem blau markierten Wanderweg den Aufstieg zum 1.276 m hohen Sattel „Przełęcz pod Tarnica" beginnen.

 

Trotz des schlechten Wetters waren viele Polen von Wołosate zum Gipfel des höchsten Berges der polnischen Waldkarpaten, dem 1.346 m hohen Tarnica, unterwegs. Den Aufstieg zum Gipfelkreuz, ein Metall-Kreuz zu Ehren des Papstes Johannes Paul II., ersparten wir uns, bestand doch eine Sicht von nur wenigen Metern.

 

Auf dem Sattel Przełęcz pod Tarnic trafen wir auf den europäischen Fernwanderweg E8, der hier mit dem Główny szlak beskidzki (Beskiden Hauptweg) identisch ist. Der Wind hatte inzwischen an Stärke zugenommen, an eine Rast im Freien war nicht zu denken. Wir mussten etwa 2 Stunden auf dem Kammweg in Richtung ukrainische Grenze wandern, bis wir eine Schutzhütte fanden. Der Wanderweg verläuft anschließend 1 ½ Stunde unmittelbar auf einem breiten Schotterweg an der Grenze zur Ukraine entlang. Um Probleme mit den Grenzern auszuschließen, empfiehlt sich die Mitnahme von Ausweispapieren.

 

Durchnässt und beinahe erfroren erreichten wir die Bushaltestelle in Wołosate. Bevor wir zurückfuhren, schauten wir uns die Wander-Hinweisschilder im Zentrum an. Hier in Wołosate beginnt/endet der europäische Fernwanderweg E8, der von hier aus durch die polnischen Karpaten – Donau – Main – Rhein – Irische See nach Südirland führt. Ein Hinweisschild in unserem Hotel GÓRSKI weist auf den E8 hin (warum man das Schild nicht am Beginn des Fernwanderweges in Wołosate aufgestellt hatte, bleibt ein Geheimnis).

 

Bei schlechtem Wetter empfehlen wir diese Wanderung nicht zu unternehmen! Bei Sonnenschein scheint es eine sehr empfehlenswerte Tour mit tollen Ausblicken zu sein.

 

5. Tag: Przełęcz Wyżna → Smerek (Dorf) - 7 Stunden

 

Kinderjauchzen, Schlammtour und Bodenkontakt

 

Für 8:00 Uhr war Frühstück angesagt. Aber ein polnischer Kinderchor von etwa 40 Kindern machte uns einen Strich durch die Rechnung. Als wir wenige Minuten nach 8:00 Uhr in dem Frühstücksraum erschienen, waren bereits alle Tische besetzt.

 

Wir hatten an diesem Tag Zeit, fuhr doch unser Bus erst gegen 9:25 Uhr.
Da es die ganze Nacht sehr stark geregnet hatte, waren wir mit Gamaschen, Regenüberhängen (Ponchos) und Schirm ausgerüstet. Zunächst blieb uns der Wettergott hold, der Himmel war zwar bedeckt, aber es regnete nicht.

 

Nach der Busfahrt von 20 Minuten zum Przełęcz Wyżna begann der Aufstieg zur Schronisko „Chatka Puchatka na Połoninie“. Unterwegs überholte uns der Hüttenwirt mit einem Quad mit Anhänger.

 

In der Hütte waren wir doch überrascht, wie viele Wanderer trotz des wenig aussichtsreichen Wetters anzutreffen waren.

 

Beim Weitermarschieren riss die Nebelwand auf und uns bot sich ein zauberhafter Blick in die Täler und auf die umliegenden Berge. Hier oben auf dem Kammweg standen nur wenige Fichten, aber sehr viele Heidelbeersträucher. Ab der Hütte Chatka Puchatka trafen wir wieder auf die rote Markierung des Fernwanderwegs E8. Erstaunt waren wir, wie viele junge Polen (vor allem Polinnen) auf dieser Wanderstrecke unterwegs waren.

 

Pause machten wir am Gipfel des 1.222 m hohen Smerek. Wir ahnten noch nicht, wie steil und rutschig der Abstieg unmittelbar nach dem Gipfel sein würde. Durch den vielen Regen in den letzten Tagen war der Wanderweg sehr stark verschlammt und rutschig. Bis auf einen Mitwanderer rutschten wir mindestens ein Mal aus und landeten auf dem nassen, matschigen Boden. Auch noch so gute Stollen an den Wanderschuhen halfen nicht – Erleichterung hatte man nur mit Wanderstöcken. Zum Schluss mussten wir noch 15 Minuten auf der Landstraße

                                                                                        wandern, bis wir unser Tagesziel, das Hotel Carpatia

                                                                                        Bieszczadzki im Ort Smerek, erreichten.

 

Den Tag ließen wir bei Entenbraten, Forelle oder Schweinelende mit Bubespitzle ausklingen.

 

6. Tag: Roztoki Górne/ Przełęcz nad Roztokami → Smerek - 4 Stunden

 

Wölfe, Drei-Länder-Eck und Vertreibung der Bevölkerung

 

Endlich ein Tag ohne Regen, zwar bedeckt, aber ab und zu ließ sich auch die Sonne blicken.

 

Morgens ließen wir uns mit einem Taxi direkt an die slowakische Grenze bei dem Ort Roztoki Górne fahren. Während der Fahrt zeigte uns der Fahrer Bilder von Wildschweinen, die vor wenigen Tagen von Wölfen gerissen wurden. Auch hatte er mit seinem Handy Filmaufnahmen von Hirschen in dieser Region gemacht.

 

Fuchs und Hase sagten sich in diesem abgelegenen Gebiet gute Nacht. Zunächst mussten wir auf dem blau markierten Weg eine 1½-stündige Wanderung entlang der polnisch-slowakischen Grenze unternehmen.

 

Oben auf dem 1.101 m hohen Berg Okrąglik bot sich ein herrlicher Rundblick über die waldreichen Berge und Täler. Das Drei-Länder-eck zwischen Polen, Slowakei und der Ukraine lag vor uns.

 

Auf dem Berggipfel kamen wir mit einem polnischen Pärchen aus Posen ins Gespräch. Uns fiel auf, dass alle Polen uns bisher freundlich begegneten: Die einen boten uns Schokolade an, andere halfen uns unaufgefordert die richtige Bushaltestelle zu finden.

 

Am Berg Okrąglik war auch wieder unser rotes E8-Wanderzeichen. Nach kurzer Zeit trafen wir auf Waldarbeiter, die mit einem mit Schneeketten angetriebenen alten Militärfahrzeug Holz zu Tal fuhren. Einer teilte uns mit, er habe schon in Regensburg und auch in München gearbeitet: „Deutschland gut!“ Dort habe er sehr viel Geld verdient. Mittagspause gönnten wir uns auf dem Berg Fereczata, gemeinsam mit polnischen und französischen Wanderern.

 

Der Abstieg gestaltete sich erneut schwierig. Die Pfade waren wieder völlig verschlammt und erforderten unsere volle Konzentration, um nicht (erneut) Bekanntschaft mit dem Boden zu machen. Bewährt hatten sich Gamaschen und Wanderstöcke. Wir erreichten Smerek so früh, dass wir uns im Garten des Hotels noch eine Stunde bräunen lassen konnten. Der Ort Smerek wurde 1946 im Zuge der

                                                                                        „Aktion Weichsel“ abgebrannt.

 

Am Ende des Zweiten. Weltkriegs lebten in den polnischen Waldkarpaten schätzungsweise 200.000 Ukrainer.

 

 Der Wunsch der Ukrainer war es, einen eigenen, nicht-kommunistischen, unabhängigen ukrainischen Nationalstaat zu errichten. Um ihr Ziel zu erreichen, gründeten sie eine ukrainische Aufstandsarmee, die UPA. Man geht heute davon aus, dass sie aus 1.400 Partisanen bestand. Die Partisanen hofften, dass ein neuer Krieg zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion ihnen die Möglichkeit geben würde, einen eigenen Staat gründen zu können. (die heutige Ukraine war damals eine der 15 Sowjetrepubliken). Sie mussten jedoch erkennen, dass ihr Kampf für einen eigenen Staat aussichtslos war. Sie beendeten ihre Kampfhandlungen.

 

 

Trotzdem beschloss die polnische Regierung ein für allemal die „Ukrainische Frage“ zu lösen. Es wurde angeordnet, die gesamte ukrainische Bevölkerung (etwa 150.000 Menschen) in andere Gebiete Polens umzusiedeln.

 

Der Besitz der Ukrainer wurde enteignet und ihre Dörfer und auch Kirchen verbrannt, die Friedhöfe zerstört. Ausgenommen waren Orte wie Ustryzki Dolne und Lutowiska, die durch einen Gebietstausch mit der Sowjetunion erst 1951 nach Polen kamen.

 

Durch diese „Aktion Weichsel“ wurden die polnischen Bieszczady (Waldkarpaten) nahezu vollständig entvölkert.

 

Zur Erinnerung an die Vertreibung steht am Ortseingang von Smerek seit 2008 ein Gedenkkreuz.

 

 

 

7. Tag: Rundweg um Komańcza - 4 Stunden

 

Überraschungsfeuerwerk, Insektenparadies und die abgebrannte Holzkirche

 

Heute war der Geburtstag unseres Wanderfreundes Dirk. Zur Überraschung von uns allen gratulierte ihm auch das Hotelpersonal mit einem Feuerwerk auf einer mit Früchten gefüllten Ananas und einer Flasche Rotwein.

 

Die Wanderetappe von Cisna nach Komańcza verläuft ausschließlich durch dichten Wald und beträgt 33 km. Nirgendwo entlang des Weges bestehen Übernachtungsmöglichkeiten. Deshalb hatten wir uns entschlossen bis Komańcza mit dem Bus zu fahren und dort

eine Rundtour zu unternehmen.

 

Nachdem wir unser Gepäck im Gasthof abgestellt hatten, wanderten wir auf dem europäischen Fernwanderweg E8 zunächst zum Nazarenen-Kloster. Dorthin, in diese abgeschiedene Region Polens, wurde in eine Holzvilla der polnische Kardinal Stefan Wyszyński 1955 für ein Jahr  verbannt. Ein Denkmal vor dem Kloster erinnert an dieses Ereignis.

 

Wir setzten unsere Wanderung auf dem E8 zum Aussichtspunkt Wahalowski Wierch. (666 m) fort. Auf einer großen Grasfläche war gerade die Heuernte im Gange. Anscheinend wurden auf der großen Wiesenfläche keine Düngemittel aufgebracht, sodass wir Disteln, Blumen und Kräuter sahen. Ein wahres Paradies für Insekten. Ein weiter Rundblick belohnte unseren Aufstieg.

 

Unser Rückweg führte uns, an der Straße nach Dukla gelegen, zu einer orthodoxen Holzkirche. In Reiseführern wird diese Kirche sehr empfohlen. Uns war unbekannt, dass die Kirche 2006 vollkommen abgebrannt war und erst in den letzten Jahren wieder mit Fördergeldern aus der EU aufgebaut werden konnte.

 

Uns fiel bei der Wanderung durch Polen auf, dass nirgendwo in den Waldkarpaten Getreide angebaut wurde. Sicherlich liegt der Grund am „rauen“ Karpaten-Klima.

 8. Tag: Besichtigung von Kraków (Krakau)

 

Am Ende die beste Ente von Krakau?

 

Auch in Krakau kann es recht heiß werden. Die Hitzewelle aus Südeuropa und Deutschland hatte uns erreicht.

 

Bei der Fahrt nach Kraków (Krakau) fielen uns die vielen Neubauten auf: „Polen ist weiter im Aufwind”. Bauern auf den Feldern waren gerade bei der Kartoffelernte. Aufgrund der vielen Staus auf der Landstraße 75 erreichten wir Krakau mit 30-minütiger Verspätung.

 

Am nächsten Morgen um 9:00 Uhr begrüßte uns Frau Grażyna Urbanek-Warmińska zur Stadtführung. Zunächst führte sie uns über den Rynek (Marktplatz) mit der berühmten Marienkirche, dann durch verschiedene Universitätsgebäude zum Wawel. Nach Aussage unserer Stadtführerin hat Krakau seit 1364 die älteste Universität in Europa nach Prag, während die Heidelberger Universität „Ruperto Carola“ erst 1386 gegründet wurde.

 

Auf dem Wawel, der ehemaligen Residenz der polnischen Könige, schlängelten wir uns durch Touristenmassen, die an Kassen für Eintrittskarten anstanden oder im Burghof ihrer Führerin zuhörten.

 

Als wir im Burghof auf die Wisła (Weichsel) blickten, beschlossen wir spontan am Nachmittag eine Fahrt auf ihr zu unternehmen.

 

Mit einem 6-Sitzer-Elektromobil fuhren wir zur Anlegestelle direkt unterhalb des Wawel-Schlosses. Die Schifffahrt dauert ca. 1 Stunde und ging vom Wawel aus in beide Richtungen. Bei der großen Hitze hätten wir nichts Besseres unternehmen können.

 

Auf Empfehlung unserer Stadtführerin gingen wir am Abend ins Gasthaus „Kogel-Mogel“. Der Name bezieht sich auf eine Süßspeise aus der sozialistischen Zeit, die aus aufgeschlagenem Eigelb und Zucker besteht. Die auf der Speisekarte angebotene Ente erwies sich leider als „Lame Duck“. Sie war „tot“ gebraten.

 

Als Vorfreunde auf unsere nächste Wanderung durch die Beskiden Polens gingen wir noch einmal ca. 600 m um den Rynek, den „größten und schönsten Marktplatz Europas“. Nachdem wir Musiker und die „Fire- und Breakdancer“ auf dem Rynek bewundert und uns durch die Anmacher und Betrunkenen einen Weg zum Hotel gebahnt hatten, legten wir die Ohrenstöpsel an und verabschiedeten uns vom Krakauer Nachtleben.

 

Am nächsten Morgen fuhren wir um 8:00 Uhr in 19 Minuten vom Gleis 1 zum Flughafen Krakau-Balice.

 

Auch die Sommer-Wanderung 2012 durch die Waldkarpaten war wieder hervorragend organisiert und für uns alle ein unvergessliches Erlebnis.

 

Wir freuen uns schon auf die Fortsetzung in diesem Jahr in den Beskiden und der polnischen Hohen Tatra.

 

Informationen:

 

Lage und Größe der Waldkarpaten

Der Gebirgszug erstreckt sich über die Slowakei, Ukraine und Polen. In Polen hat das Gebirge von Ost nach West eine Länge von 60 km. Im südlichen Bereich sind die Berge zwischen 1.200 m und 1.300 m hoch, im nördlichen (nur) zwischen    400 m und 700 m. Die Besonderheit der polnischen Waldkarpaten sind ihre mit Gras bewachsenen baumlosen Bergkämme (Bergwiesen, Almen), die Poloninen (poln. Połoniny). Diese südöstlichste Region Polens ist sehr dünn besiedelt. Deshalb wird dieser Teil auch „Polnisches Sibirien" genannt und ist unter Aussteigern sehr beliebt.

 

Allgemeine Auskünfte erteilt das Polnische Fremdenverkehrsamt in Berlin oder im Internet unter: www.polen.travel/de Über die Region der Waldkarpaten (Bieszczady) kann man leider nur in Polnisch Auskünfte erhalten: www.bieszczadyonline.pl

 

Anreise

Direktflug mit der Lufthansa von Frankfurt nach Rzeszów bei frühzeitiger Buchung 120 . Die Bahnfahrt von Heidelberg in 22 Stunden und ist doppelt so teuer. Weiterfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln über Sanok in die Waldkarpaten. Fahrplan auch auf Deutsch unter: http://de.e-podroznik.pl/

 

Unbedingt ansehen

Das Zentrum von Sanok mit einem Denkmal über den braven Soldat Schwejk. Ca. 2,5 km entfernt das Freilichtmuseum „Skansen”.

 

Übernachtungen

In Sanok: Hotel Jagielloṅski *** Ul. Jagiellońska 49 www.hoteljagiellonski.pl

In Ustrzyki Górne: Hotel GÓRSKI PTTK hotel-pttk.pl/de/strona-glowna

 

Wanderkarte und Wanderliteratur

In polnischen Wanderkarten sind Unterkünfte eingezeichnet.

Bieszczady 1:50.000 - ISBN: 978-83-7605-070-6 Kartograficzne COMPASS www.compass.krakow.pl

Die Polnischen Waldkarpaten - Trescher Reihe Reisen ISBN 3-89794-090-6 www.trescherverlag.de

 

Essen und Trinken

Nur an wenigen Stellen auf dem Wanderweg sind bewirtschaftete Berghütten (poln. Schronisko) anzutreffen. Deshalb sind Getränke und auch Tagesverpflegung unbedingt mitzunehmen

 

Fragen zur Wanderung

Wenn noch Fragen zu unserer Wanderung bestehen, schicken Sie mir ein e-Mail wolfgang.meluhn@onlinehome.de

 

 

Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 40 - April 2013

 

 

 

 

 

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