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Zuletzt aktualisiert am: 23.02.16
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W a n d e r b e r i c h t e - P o l e n
Inhaltsverzeichnis: • Der Koopernikusweg - Wandererfahrungen in Nordostpolen Von Lutz Heidemann
Über 7 Gebirge mussten wir gehen:
Landeshuter Kamm, Waldenburger Bergland,
Eulen-,
Warthaer
-, Reichensteiner-, Heuscheuer-Gebirge Von Wolfgang Meluhn
Unterwegs in den Waldkarpaten (Bieszczady) im August 2012 Von Wolfgang Meluhn
Der Kopernikusweg - Wandererfahrungen in Nordostpolen
Von Lutz Heidemann
Wir blieben auf dem Kopernikusweg: Über Malbork (Marienburg) mit der großartigen früheren Residenz der Hochmeister des Deutschen Ritterordens wanderten wir im Weichseltal bis Kwidzyn, in preußischer Zeit Sitz des Regierungspräsidenten Marienwerder und noch früher der Bischöfe von Pomesanien. Wir sind ab Kwidzyn noch einen Tag dem Napoleonweg in Richtung Osten gefolgt und dann mit der Bahn, die in Polen noch ein dichtes Netz hat, zurück nach Allenstein zu unserem Auto gefahren.
Die durchquerte Landschaft war vielseitig, Wälder und landwirtschaftliche Nutzflächen wechselten häufig. Die Eiszeit hatte ein kleingewelltes Land hinterlassen. Es gab auf dem ersten Abschnitt viele kleine Seen. Wir empfanden die Landschaft sowohl vertraut wie eben um die charakteristische Spur anders, fremder und weniger vom Menschen verändert, die ein Fernwanderer schätzt, um in Spannung zu bleiben. Hinter Elbing änderte sich die Landschaft. Dort war früher sumpfiges Flußdelta gewesen. Größere Teile liegen unter Meeresniveau. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert wurde es kultiviert. Wir wanderten anfangs auf kleinen Straßen oder Feldwegen, kamen dann zur Nogat, einem alten Weichselarm, und wanderten dann über einen pfadlosen Deich entlang des ruhig fließenden Flusses, auf der anderen Seite sahen wir große Erntemaschinen in den goldgelben Feldern. Hinter der Marienburg gab es wieder ein Hochufer. Unser Weg ging teils über sandige Waldwege, teils durch fruchtbares Schwemmland. In der Ferne lag die Ordensburg Gniew (Mewe) wie ein massiver Ziegelblock an der Hangkante. Auf der Rückfahrt mit dem Auto machten wir dort Station und schliefen in dem Hotel, das in dem benachbarten früheren polnischem Königsschloß untergebracht ist.
Wir sind überwiegend im Ermland gewandert. Das war eine gute Basis für die Einstimmung auf die komplizierte Geschichte Ostpreußens. Das Ermland war ursprünglich ein selbstständiges Bistum, es gehörte nicht zum Ordensland und kam erst mit einer der polnischen Teilungen an Preußen. Kirchengeschichte und Nationalgeschichte sind in Polen bis heute eng verzahnt. Unterwegs war uns der DuMont-Kunstreiseführer „Polen – Reisen zwischen Ostseeküste und Karpaten, Oder und Bug“ von Tomasz Torbus (Köln 2002) eine kluge Hilfe. Wieder zu Hause lasen wir das Ostpreußen-Buch von Ralph Giordano „Ostpreußen ade - Reise durch ein melancholisches Land“ (Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 1994). Es ist die Reportage von einem Nicht-Ostpreußen, der aber gleich am Anfang des Buches seine Faszination für Land und Leute dort bekennt und in vielen Einzelschicksalen und Beobachtungen die Vergangenheit und Gegenwart verlebendigt
Solche Bemerkungen sollen nicht vom Wandern in Polen abhalten. Wir empfanden den Kopernikusweg als guten Einstieg, Mittelpolen kennenzulernen. So viel bunte Wiesen oder Felder mit Kornblumen gibt es in Deutschland nicht mehr. Das Gleiche könnte man über Störche sagen. Häufig traten sie paarweise auf.
Wenn wir durch die Ortschaften gingen, wurden wir in unserer Fremdartigkeit angestaunt, aber wenn wir Hilfe brauchten, wurde uns die sehr bereitwillig gewährt. Es gibt eine Sprachschwelle. Wir hatten Probleme die geschriebenen Worte zu artikulieren oder uns die Worte mit ihren Konsonantenhäufungen zu merken, aber für den Wanderer gelingen im täglichen Umgang die Verständigungen mit gestenreichen Improvisationen, mit englischen oder deutschen Begriffen oder mit Hilfe des Wörterbuches. Die Tages-Etappen des Kopernikusweges waren mehrmals zu lang. Wir mußten ein Fahrzeug finden, das uns in den nächsten größeren Ort brachte. Taxis sind noch preiswert, mehrfach halfen uns Privatleute
Überlegungen zur Planung einer Reise durch Polen können mit Ängsten und Unsicherheitsgefühlen verbunden sein. Es gibt Berichte von Autoaufbrüchen, aber die gibt es auch von Süditalien. Es existiert ein soziales bzw. Wohlstandsgefälle zu Westeuropa, aber es ist deutlich geringer geworden. Wir erlebten ein Polen im Umbruch, vielleicht besser im Aufbruch. Der Prozeß der Modernisierung und Anpassung an westeuropäische Standards geschieht schon seit 1990. Für den Wanderer durch die kleinen Orte finden sich viele Zeichen von Privatinitiative, z.B. kleine Verkaufsstellen, wir würden „Trinkhallen“ sagen, oder auch von Restaurants und neugegründeten Hotels, Pensionen und Zimmervermietern. Man sollte deshalb in Etappenorten in den Straßen nicht nur nach Hotel-Schildern suchen, auch auf das Wort „Pokoje" achten.
Wer weitere Informationen über den Kopernikusweg wünscht, kann eine deutsche Wegebeschreibung erhalten, die vom Ermländisch-Masurischen Fremdenverkehrsamt herausgegeben und von mir überarbeitet und aktualisiert wurde. Hinsichtlich weiterer Informationen zu diesem Teil Polens sei auf die beispielhafte vom Fremdenverkehrsamt Olsztyn herausgegebene Internet-Übersicht verwiesen. (vgl. den Abschnitt Polen in Wege und Ziele Ausgabe 15 - Dezember 2004 bei den „Ländersplittern“, Seite 33).
Fotos: Bettina Heidemann
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 18 - Dezember 2005
Über 7 Gebirge mussten wir gehen:
Eulen-,
Warthaer
-, Reichensteiner-, Heuscheuer-Gebirge
Von Wolfgang Meluhn
1. Tag:.
Jelenia Góra
(Hirschberg)
→
Karpniki (Fischbach)
Bahnhofsverwirrungen, Nachholschlaf und angezogene Handbremse
Wir gönnten uns morgens die Anfahrt vom Hotel Patio zum
Wrocław Głowny
(Hauptbahnhof Breslau) mit
einem Taxi. Stutzig machte uns schon die Frage des Taxifahrers, ob wir zur
„Kasa“ wollten. Die Fahrkartenschalter sind nämlich getrennt von den
eigentlichen Bahnsteigen. Wegen umfangreicher Baumaßnahmen im Hinblick auf die
Fußballeuropameisterschaft 2012 mussten wir den Bahnhof verlassen, um zu einer
Unterführung unterhalb der Bahnsteige zu gelangen. Wir wunderten uns nur, dass
in der Unterführung jede Menge Personen standen, die auf irgendetwas warteten.
Bald fanden wir den Grund: Erst wenige Minuten vor der Zugabfahrt wird der
Bahnsteig per Lautsprecher und auf einer Anzeigetafel bekannt gegeben. Nach
jeder Durchsage begann das Rennen der Fahrgäste zu ihrem Zug.
Der Bahnsteig für den Zug nach Jelenia Góra (Hirschberg) wurde 5 Minuten vor der
Abfahrt auf der Anzeigentafel angezeigt (die dazugehörende
Lautsprecherdurchsage war für uns nicht zu verstehen) und wir rannten los.
Die Nachschläfer hatten auf der Bahnstrecke von
Wrocław (Breslau)
bis Wałbrzych (Waldenburg)
nicht viel versäumt. Es ist eine sehr flache Landschaft mit abgeernteten
Getreidefeldern. Erst ab Wałbrzych (Waldenburg) wurde die Landschaft zu beiden Seiten des Zugs hügelig
und bewaldet; das stimmte uns auf die kommenden Wanderungen ein.
Wir wunderten uns, dass der Zug ab
Waldenburg nur mit „angezogener Handbremse“ fuhr. Der Grund liegt in dem
jahrhundertelangen Abbau der Kohle. Das Gebiet ist mit vielen Stollen
durchzogen. Man befürchtet anscheinend, dass sich durch Erschütterungen der Züge
bei zu rasanter Fahrt „Abgründe“ auftun könnten.
Jelenia Góra (Hirschberg) erreichten wir gegen 13:15 Uhr. Leider war auf unserem
Weg zum Zentrum die Garnisonskirche zum Heiligen Kreuz wegen eines
Gottesdienstes nicht zu besichtigen und auf unserem Rückweg zum Bahnhof war die
Kirche geschlossen.
Gegen 16:00 Uhr brachte uns ein Bummelzug zurück nach
Trzcińsko (Rohrlach).
Zunächst wanderten wir am Fluss Bóbr (Bober)
entlang und an einem Campingplatz vorbei bis zur Schronisko
Szwajcarka (Schweizer-Baude).
Wir hatten das Glück, dass die gut
Deutsch sprechende Tochter der Familie aus München zu Besuch war. Mit ihrer
Mutter bereitete sie uns ein geschmackvolles Abendessen.
2. Tag:
Karpniki (Fischbach) → Kamienna
Góra (Landeshut)
Verschiedene
Wettervorhersagen, Suche nach einem Lokal
Heute war eine Wanderung auf dem blau markierten Landeshuter-Kammweg
(europäischer Fernwanderweg E3) von 27 km angesagt.
Wenn es auch am Morgen bewölkt war, die Wettervorhersage unserer Wirtin
versprach uns 28 Grad ohne einen Regentropfen. Die deutsche Wettervorhersage (www.wetteronline.de)
prognostizierte nur 24 Grad mit einzelnen Regenschauern am Nachmittag. Mal
sehen, wer am Ende des Tages Recht behalten sollte.
Der
Rudawy Janowickie (Landeshuter Kamm)
ist überwiegend mit Fichten bewaldet, Aussichtspunkte gibt
es - abgesehen von den Felsen - keine. Als ersten Höhepunkt erwies sich der 718
m hohe Starościńskie Skały (Marianne-felsen, genannt nach der Herzogin Marianne,
Ehefrau des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen). Einen ersten Aussichtspunkt
erreicht man über einen schmalen Felsenweg, von dort ging es über eine
gesicherte Felsentreppe zu einer größeren Aussichtsplattform.
Von dort bot sich uns ein herrlicher Rundblick von etwa 30 km zurück nach
Karpniki (Fischbach) mit den Góry Sokole (Falkenberge) und südlich auf das
Massiv des Riesengebirges. Ein weiterer Höhepunkt war ein Naturwunder: die
Felsenbrücke Skalny Most (Felsenbrücke), die wir nicht erklimmen, sondern nur
fotografieren konnten. Rast machten wir am Gipfel des Wołek (Ochsenkopf). Das
Kruzifix wurde zu Ehren des Papstes Johannes Paul II errichtet. Am höchsten
Gipfel des Landeshuter Kamms, am 945 m hohen Skalnik (Frei Koppe oder
Friesensteine), gab es noch nicht einmal eine Sitzgelegenheit. 300 Höhenmeter
unterhalb liegt die Berghütte Czartak, die für das Publikum geschlossen war.
Zukünftigen Wanderern können wir
empfehlen, ab dem Mała Ostra den Weg mit der roten Markierung zu wählen. Geht
man den blau markierten Weg (europäischer Fernwanderweg E3), muss man ab der
Bergbaude Czartak bis zu einem Bach und anschließend wieder steil auf einer
Straße nach oben wandern.
In unserem Hotel Krokus in
Kamienna Góra
(Landeshut) war das
Restaurant geschlossen, weil um den Feiertag Maria Himmel-fahrt das verlängerte
Wochenende genutzt wurde, um zu feiern. Die Wirtin empfahl uns am Markt ein
Restaurant zu suchen, dort gebe es jede Menge. Nach und nach wurde uns klar,
dass auch hier alle Lokale geschlossen waren. Nach 20 Minuten Herumirrens im
Regen waren wir froh, eine Pizzeria gefunden zu haben, in der wir unseren Hunger
stillen konnten.
3. Tag:
Kamienna Góra
(Landeshut)
→
Kloster
Krzeszów
(Grüssau) →
Sokołowsko (Görbersdorf )
Barocke Pracht und das „Davos von Schlesien”
Nach dem Frühstück fuhren wir
6 km mit
dem
Taxi nach Krzeszów (Grüssau), zur Klosterkirche Kościół Opacki Najświętszej
Marii Panny („Allerheiligste Jungfrau Maria“).
Sie wurde im Stil des Spätbarocks zwischen 1728 und 1735 erbaut.
Die Klostergeschichte reicht bis ins Jahr 1242 zurück. Nach der Säku-larisierung
1810 zogen 100 Jahre später erneut Benediktinermön-che ein.
Die Abteikirche
beein-druckt durch ihre Pracht und gilt als Perle des schlesischen
Barocks. Die Renovierungsarbeiten waren ziemlich weit vorangeschritten, nur
an wenigen Stellen wurde noch gearbeitet. Die daneben stehende St.
Josephs-Kirche - sie ist ohne Türme - war morgens noch nicht geöffnet.
Pünktlich um 11:30 Uhr fuhren wir mit einem in Landeshut am Morgen
vorbestellten Taxi in den kleinen Ort
Grzędy Górne (Oberkonradswaldau), um unsere Wanderung auf dem rot markierten
Sudeten-Hauptweg fortzusetzen.
Bis zum 777 m hohen Sucha Góra hatten wir bereits 280 Höhenmeter überwunden.
Der schweißtreibende Aufstieg wurde durch viele Ausblicke zum Riesengebirge und
zum Landeshuter Kamm belohnt. Die beiden Kirchtürme der Kloster-kirche in
Krzeszów waren gut zu erkennen.
Von der Lesista Wielka (Hohe Heide) führt die neue
Wegführung einen sehr steilen Abhang hinunter. Bei Regen hätten niemand von uns
diesen Weg gehen wollen. Wir erreichten am Nachmittag unser heutiges Tagesziel,
den Kurort Sokołowsko (Görbersdorf).
Die zahlreichen Sanatorien und die Lage in einem waldreichen Gebiet gab
Görbersdorf den Namen „Davos von Schlesien“. Heute sind die ehemaligen
Sanatorien entweder geschlossen oder in einem sehr schlechten baulichen Zustand.
4. Tag:
Sokołowsko
(Görbersdorf ) → Walim (Wüstewaltersdorf)
Forellental
und Piroggen mit „Roter-Beete-Suppe”
Kaum hatten wir
am Morgen den Kurort
Sokołowsko (Görbersdorf),
verlassen, hörten wir “krrü
… krrü …. krrü …”, das Rufen von
Schwarzspechten. Wir konnten ein Pärchen beobachten, das sich an einer Buche
bewegte. Durch ihr schwarzes Gefieder und den roten Scheitel
sind die krähengroßen Tiere gut zu erkennen.
Der Sudeten-Hauptwanderweg führt an einem Schilift vorbei, der bis auf 895 m
Höhe geht. Auch auf dieser Etappe begegneten uns beim Abstieg nur zwei polnische
Wanderinnen. Bis zum Ort Walim
(Wüstewaltersdorf) hatten wir
insgesamt drei große Auf- und Abstiege zurückgelegt. Deshalb erreichten wir
unsere Unterkunft erst gegen 18:00 Uhr. Zu einem Besuch der zum Ende des 2.
Weltkrieges von Zwangsarbeitern gebauten „unterirdischen Stadt“ waren wir an
diesem Tag weder zeitlich noch körperlich fähig.
5. Tag:
Walim (Wüstewaltersdorf)
→ Kamionki (Steinkunzendorf)
Bismarckturm, Streichelzoo, Weberaufstand und
Steinpilze
Schon gegen 7:00
Uhr waren kaum Wolken am Himmel zu sehen. Der Tag versprach erneut heiß zu
werden. Auch der Eisenach – Budapest-Wanderweg (EB) bzw. der europäische
Fernwanderweg E3 verlaufen über den Kamm des Eulengebirges. Für diejenigen, die
diesen EB-Weg schon gewandert sind, zählen das Góry Sowie (Eulengebirge) wie
auch die Mala Fatra (Slowakei) zu den schönsten Gebirgszügen auf der 2.678 km
langen Strecke nach Budapest.
Wir hatten heute
keine Eile und machten deshalb direkt am Bismarckturm eine längere Pause. Sehr
viele Wanderer nutzten die vielen Sitzmöglichkeiten und machten ebenfalls eine
Mittagsrast. Der Kiosk im Bismarckturm war vor allem von Schulkindern umlagert.
Eis und Cola waren die großen Renner.
Auf unserem Weg zum
Przełęcz Jugowska (Hausdorfer
Plänel ) kamen wir an einer 2004 errichteten Gedenktafel für
Hermann Henkel (*1869 † 1918) vorbei. Hermann Henkel war Sekretär des
Eulengebirgsvereins. Die Gedenktafel ist in Polnisch und in Deutsch geschrieben:
„Auf den Bergen werde ich wieder ein reiner Mensch;
dort werden wir Brüder und alles Hässliche und Kleine fällt von uns ab.“
Der Ort Pieszyce (Peterswaldau) ist in die Geschichte eingegangen, da im
Jahre 1844 hier und in den Nachbarorten der Aufstand der Weber stattfand.
Gerhard Hauptmann hat diesen Weberaufstand in seinem Werk „Die Weber“
beschrieben. Der Inhaber unserer heutigen Unterkunft „Sowia Dolina“ (Eulental)
ist ein in Kassel geborener Hotelier. Er erwarb vor rund 15 Jahren das marode
Gebäude und hat es vollkommen renoviert.
6. Tag: Kamionki (Steinkunzendorf)
→ Śrebrna
Góra (Silberberg)
Gewitter
auf dem Kammweg, Sauermehlsuppe und das Geheimnis einer gelungenen polnischen
Hochzeit
Gegen 13:30 Uhr erreichten wir die
Twierdza Srebrna Góra (Festung Silberberg) und hatten nach 2 Stunden zügigem
Wandern endlich die Gelegenheit, uns auf den frisch vom Wasser abgeputzten
Bänken auszuruhen. Überraschend waren - ähnlich wie an der
Wielka
Sowa (Hohe Eule) - viele Ausflügler zu sehen, die wie wir die Festung
besichtigen wollten.
Unsere Unterkunft war im Ort
Srebrna Góra, etwa 2,5 km von der Silberberg-Festung entfernt.
Während
des Abend-essens bot uns der Wirt selbstgemachten Kräuterschnaps und als
Nachtisch seine besondere Spezialität an: Milchreis mit Äpfeln, Zimt und Sahne
an.
Für eine Hochzeitsfeier am folgenden Tag - es wurden 80 Gäste erwartet
- hatte unser Wirt alle Hände voll zu tun. Trotzdem fand er noch die
Zeit, uns über die frühere Nutzung des Anwesens zu informieren. Auch erzählte er
uns über polnische Hochzeitsbräuche. Als Faustregel einer gelungenen
Hochzeitsfeier gilt es, pro Gast 1 Liter Wodka anzubieten. Der Festsaal, ein
ehemaliger Pferdestall, war schon für die 80 Hochzeitsgäste eingedeckt. Der
Bräutigam war dabei, den Raum mit Hunderten weiß-blauer Luftballons zu
schmücken, während die Braut die Tischkarten verteilte.
7. Tag:
Srebrna Góra (Silberberg) →
Kłodzko (Glatz)
Warthaer
Madonna, die Glatzer Karlsbrücke und eine uneinnehmbare Festung
Auch an diesem Tag nahm sich der Wirt die Zeit, um uns zurück auf den
Przełęcz Srebrna
(Silberberg-Pass) zu fahren. Dort begann unsere 17,5 km lange Etappe auf dem
blau markierten europäischen Fernwanderweg E3 nach Bardo (Wartha). Auf den
Sudeten-Hauptweg werden wir am nächsten Tag im
Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge)
wieder treffen.
Abgesehen davon, dass wir zu Beginn auf einem sehr steilen Pfad wieder ins
Tal absteigen mussten, war es eine sehr aussichtsreiche Tour auf überwiegend
weichem Waldboden.
Wir konnten auch schon unser morgiges Ziel, das Plateau des markanten Bergs
Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer) im Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge)
erkennen.
Das Wasser der Nysa Kłodzka (Glatzer Neiße) war wegen
des gestrigen Gewitters bräunlich gefärbt. Zeit zur Einkehr hatten wir nicht,
wollten wir doch unbedingt vor 15:00 Uhr den Zug nach
Kłodzko
(Glatz) erreichen.
Zunächst erlebten wir eine große
Enttäuschung: Die beiden Glatzer Bahnhöfe waren in einem sehr schlechten
baulichen Zustand, der einer so schmucken Stadt nicht würdig ist.
Unser Hotel lag an der Hauptverkehrsstraße und die Diskothek gleich nebenan
ließen uns für die Nacht nichts Gutes erwarten. Um 16:00 Uhr erwarteten uns der
frühere Bürgermeister und seine sehr gut Deutsch sprechende Tochter zu einem
Stadtbummel durch Kłodzko (Glatz).
Zum Glück wurde
die Stadt im II. Weltkrieg nicht zerstört. Selbst Schäden des
Jahrhunderthochwassers von 1997 waren nirgendwo mehr zu erkennen. Viele der
alten Häuser waren frisch renoviert. Über die gotische Brücke des Heiligen Jan (siehe
Titelbild)
gingen wir in die Altstadt. Die Brücke ähnelt mit ihren sechs steinernen
Votivfiguren der Prager Karlsbrücke. Unser erstes Besichtigungsziel war die auf
einem Hügel alles überragende Festung der Stadt Glatz, die Twierdza Kłodzka. Im
17. Jahrhundert
wurde
unter
der
habsburgischen Herrschaft
der
Festungsbau begonnen. Im Schlesischen Krieg eroberten preußische Truppen die
Stadt und auch die Festung. Im Hubertusburger Frieden von 1763 wurde die Stadt
endgültig ein Teil Preußens. Unter der neuen Herrschaft wurde die Festung immer
weiter ausgebaut, so dass selbst die napoleonischen Truppen 1807 die Festung und
die Stadt nicht erobern konnten.
Anschließend gingen wir zum Glatzer Marktplatz. Auch hier steht das Rathaus
in der Mitte des Platzes. Die Lokale am Rathaus waren um diese Zeit bereits gut
besetzt. Durch den Park Esperanto kehrten wir zum Hotel zurück und
verabschiedeten uns von unseren beiden „Stadtführern“, die uns ihre Stadt
erfolgreich nähergebracht hatten.
8. Tag:
Kłodzko
(Glatz)
nach Radków (Wünschelburg) ins
Góry Stołowe (Heuscheuer Gebirge); Radków → Karłów (Karlsberg)
Nachholen von Schlafdefiziten, Goetheplakette und Bundesligaergebnisse
Unser schnellstes Frühstück nahmen wir in unserem Hotel ein, da wir
unbedingt den Bus nach Radków (Wünschelburg) am Rande des Góry Stołowe
(Heuscheuer Gebirge) erreichen wollten. Auf dem Weg dorthin kamen wir am
schlesischen Jerusalem, der Wallfahrtskirche in Wambierzyce (Albendorf), vorbei.
Eine ausführliche Besichtigung wollten wir in 2 Tagen nachholen.
Wir passierten eine Talsperre mit einigen Unterkünften sowie einem
Campingplatz. Dann begann der 300 m hohe Aufstieg, zunächst entlang der Pośna
(Posna). Eigentlich mussten wir auf das gelbe Wanderzeichen nicht achten, ging
der Weg doch immer entlang der Posna. Ab einer Höhe von 700 m
wurde der Weg fast ebenerdig und bald traten wir aus dem Wald heraus und
wanderten auf einer Wiese am Wald entlang.
Schließlich erreichten wir die PTTK Berghütte Schronisko Pasterka. Hier
entschlossen wir uns eine längere Pause einzulegen. Das war auch unbedingt
notwendig, hatten wir doch in der vergangene Nacht durch die laute Musik in der
gegenüber liegenden Diskothek erhebliche Schlafdefizite eingefahren.
Beim Zusammentreffen unseres gelb markierten Weges von Pasterka (Passendorf)
mit dem rot markierten von Karłów (Karlsberg), sahen wir, welche Menschenmassen
von der Südseite die Szczeliniece Wielki (Große Heuscheuer) „besteigen“ wollten.
An einer Ausweichstelle mussten wir etwa 100 Besucher passieren lassen, bevor
wir unseren Weg auf die Aussichtsterrasse fortsetzen konnten. Die Felsen wurden
immer mächtiger. An einer Stelle mussten wir uns durch ein Nadelöhr
zwängen.
Der in Reiseführern beschriebene Abstieg nach Karłów (Karlsberg) über 682
Treppenstufen war - vielleicht zu unserem Glück - wegen Reparaturarbeiten nicht
möglich. Eine „Umleitung“ ohne jegliche Treppen war eingerichtet. Auf unserem
„Ersatzweg“ nach Karłów (Karlsberg) waren wir in eine Karawane eingebunden.
Viele Frauen, die vor uns abstiegen, waren nur mit Badelatschen „ausgerüstet“.
In Karłów (Karlsberg) hatten wir erneut keinen Handyempfang. Zum Glück
hatten meine Mitwanderer auf dem Gipfel in der Heimat anrufen können und so die
Bundesligaergebnisse erfragt.
9. Tag: Karłów (Karlsberg)
→
Kudowa Zdrój (Bad Kudowa)
Wespen im Zimmer,
unterwegs als Geisterwanderer und Damenwahl
Im Holzrahmen unseres Hotels hatten Wespen ein Nest gebaut. Bereits vor
Sonnenaufgang hörte man ihr Summen. Ab und zu „verirrte“ sich eine Wespe auch
schon einmal in unser Zimmer.
Heute hatten wir keine Eile, mussten wir doch nur 4 Stunden bis zum Kurort
Kudowa
Zdrój (Bad Kudowa)
wandern. An unserem Hotel führt der rot markierte Sudeten-Hauptweg vorbei. Wir
mussten ihm nur folgen. Der Weg steigt ab Karłów (Karlsberg) ständig bergan.
Oben ab einer Höhe von 800 m waren sämtliche Bäume, wahrscheinlich wegen der
hohen Luftverschmutzung, abgestorben. Dadurch konnten sich Heidelbeersträucher
ausbreiten. Wir begegneten mehreren Frauen, die dabei waren, Heidelbeeren in
Plastikeimer zu pflücken.
Während der Wanderführer die Eintrittsgebühr entrichtete, sind Felix und
Harald mit dem roten Zeichen weitergewandert. Sie hatten dabei nicht bemerkt,
dass der Weg durch die Felsenspalten und Höhlen nur in einer Richtung, nämlich
von Nord nach Süd begangen werden sollte. Kein Wunder, dass sie wie
Geisterfahrer allergrößte Schwierigkeiten hatten, an den entgegenkommenden
Ausflüglern - und das waren ziemlich viele - vorbeizukommen. An einigen Stellen
kann man sich durch die engen Spalten nur seitwärts oder gar in der Hocke
fortbewegen. Ab einer gewissen Bauchgröße wäre ein Durchkommen überhaupt nicht
möglich gewesen. Auch konnte man mehrere Tunnels nur in gebückter Haltung
passieren.
Am Haupteingang waren - ähnlich wie am Tag zuvor auf der Szczeliniece Wielki
(Großen Heuscheuer) - Massen von Menschen unterwegs. Kein Wunder, war doch nur
wenige Meter entfernt ein großer Parkplatz. Vor allem Kioske und Getränkeläden
waren umlagert.
Um zu unserer Unterkunft zu
gelangen, gingen wir durch den im englischen Stil angelegten Kurpark. Wir gingen
vorbei am barocken Sanatorium Zameczek (Schlösschen), am Café Sissi sowie am
daneben liegenden Tanzlokal. Um diese Zeit waren beide noch sehr gut besucht. Im
Tanzlokal herrschte Männermangel und bevor zur „Damenwahl“ aufgerufen wurde,
machten wir uns auf den Heimweg.
Gebeine von 21.000 Menschen,
Von unserer Villa Sanssouci gingen wir am frühen Morgen durch den Kurpark
in den Stadtteil Czwemna (Deutsch-Tscherbenei). Dort befindet sich neben
der Kirche St. Bartholomäus die Kaplica czaszek (Schädelkapelle). Decken und
Wände sind vollständig mit ca. 3000 menschlichen Schädeln und Schienbeinen
verkleidet. Auf dem Altar lagen weitere 6 Schädel, unter anderem auch der vom
Pfarrer Wenzel Tomaschek, der diese Sammlung veranlasste. In der Krypta unter
der Kapelle sind die Überreste weiterer 21000 Menschen. Eine Nonne erklärte uns
die Bedeutung leider nur auf Polnisch.
Um 11:30 Uhr trafen wir erneut unseren Mathematikprofessor im Café Sissi,
der uns mit seinem Wagen in ½ Stunde nach Wambierzyce (Albendorf) brachte. Die
Basilika des kleinen Ortes wird als „schlesisches Jerusalem“ bezeichnet. Es wird
berichtet, dass 1218 ein blinder Bauer nach dem Beten vor einer Marienfigur sein
Augenlicht wieder erhalten habe. Man baute an dieser Stelle eine hölzerne
Kapelle. Die heutige Barockkirche stammt aus dem Jahre 1720. Die Treppe hat 33
Stufen und soll die Lebensjahre Jesu bei der Kreuzigung symbolisieren.
Die Rückfahrt wollten wir über den Berg via
Karłów (Karlsberg) zurück nach
Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) fahren. Die letzten 6 km bis
Karłów (Karlsberg) erwiesen sich
als üble Schlaglochpiste, die unser Fahrer mit sehr viel Schwung nahm. Ja,
richtig - er ließ kein Schlagloch aus!
Am Nachmittag wollten wir unbedingt in den Aqua-Park von Kudowa Zdrój (Bad
Kudowa) gehen, für den überall im Ort großflächig Werbung gemacht wurde. Gleich
am Eingang mussten wir unsere Schuhe und Socken ausziehen und barfuß zur Kasse
gehen. Der Aqua-Park besteht nur aus sehr wenigen Attraktionen: aus einem
Schwimmbecken mit sechs 25-m-Bahnen, einem Planschbecken für Kinder, 2
Jacuzzi-Pools und einer großen Rutsche. Es gab weder Sitzgelegenheiten noch
einen Ruheraum und auch keine Möglichkeit, von der Halle ins Freie zu gelangen.
Deshalb verließen wir bereits nach 1 Stunde den Aqua-Park
11.Tag: Fahrt Kudowa Zdrój (Bad Kudowa) nach Złoty Stok (Reichenstein)
Złoty Stok (Reichenstein) →
Lądek Zdrój (Bad Landeck)
Rettung vor dem Verdursten
Wir konnten - in
Polen nicht immer möglich - bereits um 7:00 Uhr frühstücken. Kurz nach 8:00 Uhr
sollten uns Busse quer durch das Glatzer Becken fahren: von Kudowa Zdrój (Bad
Kudowa) über Polanica Zdrój (Bad Altheide) nach
Kłodzko (Glatz). Zum Umsteigen waren in Kłodzko (Glatz) nur wenige Minuten Zeit,
um per Schnellbus nach
Złoty Stok (Reichenstein) zu gelangen. Wir hatten die Absicht, die Wanderung auf
dem Sudeten-Hauptweg jetzt in umgekehrter Richtung fortzusetzen.
Am Marktplatz von
Złoty Stok (Reichenstein) war einem Hinweisschild zu entnehmen, dass wir bis
Lądek Zdrój (Bad Landeck) 4 ½ Stunden wandern müssten
Der Sudeten-Hauptweg
führt auf breiten Forstwegen auf den 872 m hohen Jawornik Wielki (Großen
Geyersberg). Auf dem Gipfel hatte man eine Aussichtplattform gebaut. Aber
dunkle Gewitterwolken in Richtung Złoty Stok (Reichenstein) versperrten die
Sicht.
Gegen 16:30 Uhr erreichten wir den Rynek von
Lądek Zdrój (Bad Landeck). Am Rynek - auch hier steht mitten auf dem Platz das
Rathaus - laden mehrere Biergärten zum Verweilen ein.
In
Lądek Zdrój (Bad Landeck)
haben bereits Goethe und der Preußenkönig
Friedrich II. gekurt. Es ist überliefert, dass Friedrich der Große begeistert
aussprach: „Die Bäder von Landeck haben mir den Gebrauch meiner Füße
wiedergegeben”. Zu unserem vorgebuchten Hotel im Kurviertel mussten wir noch 20
Minuten gehen.
12. Tag:
Lądek Zdrój (Bad Landeck) → Sienna (Heudorf im Masyw Śnieżnika (Glatzer
Schneegebirge)
Schwarzer Berg, Wespenfreies
Gebiet und Moosbeerenschnäpse.
Am 864 m hohen Przełęcz Puchaczówka (Puhu Pass) hatten wir zum ersten Mal freien
Blick auf den Czarna Góra (Schwarzer Berg), dem Ziel unser heutigen Wanderung.
Von einer Kapelle aus hatten wir Aussicht auf den Wintersportort Sienna
(Heudorf), der mit einer Seilbahn mit dem Czarna Góra (Schwarzer Berg)
verbunden war. Wir
waren wieder einmal die Einzigen, die mit ihren schweren Rucksäcken den 1.205 m
hohen Gipfel bestiegen hatten. Am Aussichtsturm trafen wir viele
„Seilbahnwanderer“, teilweise mit Badelatschen. Um zu unserem Quartier in Sienna
(Heudorf) zu gelangen, nutzten wir ebenfalls die Seilbahn. Gegenüber dem
Parkplatz der Seilbahnstation sind wir in der „Karczma Hubertus“ eingekehrt.
Nachdem wir in unserem Hotel die Rucksäcke abgestellt hatten, kehrten wir erneut
zurück in den Biergarten und ließen den Abend mit Wildschweinbraten
ausklingen.
13. Tag:
Sienna (Heudorf) → Międzygórze (Wölfelsgrund)
Gesprengter Aussichtsturm und
höchster Wasserfall der Sudeten
Am Morgen waren wir
die Ersten, die mit der Seilbahn zum Czarna Góra (Schwarzer Berg) hochfuhren.
Von der Seilbahnstation konnten wir eine Abkürzung zum Sudeten-Hauptweg gehen.
Wir folgten einem polnischen Ehepaar mit ihrer Tochter, die uns allen mit
selbstgeschnitzen Stöcken vorauseilte. Vom Przełęcz Pod Jaworową steigt der
Wanderweg gemächlich an. Wenn man zurückblickte hatte man immer wieder Sicht auf
den markanten Czarna Góra (Schwarzer Berg).
Der Aufstieg zum
1.426 m hohen Śnieżnik Kłodzki (Großer Schneeberg) verläuft unmittelbar an der
polnisch-tschechischen Landesgrenze entlang. Wir brauchten nur den weiß
gestrichenen Grenzsteinen zu folgen. Das Hochplateau des Großen Schneebergs ist
unbewaldet, somit besteht nach allen Seiten eine gute Fernsicht. Aufgrund der
hohen Temperatur lagen das Altvatergebirge und das Adlergebirge unter einer
Dunstglocke verborgen. Sehr viele Wanderer und auch Biker waren an diesem
Sommertag unterwegs. Die meisten Biker trugen ihre Räder zum Gipfel, einer
flickte dort seinen defekten Fahrradreifen.
Wir waren uns beim
Abendbrot einig: Die Hohe Eule im Eulengebirge, der Tafelberg Große Heuscheuer,
das Gebiet um den Glatzer Schneeberg, waren auf unserer Wanderung 2011 die
schönsten Abschnitte auf dem Sudeten-Hauptweg.
14. Tag: Letzter
Tag – Rückfahrt nach Breslau und Heimflug
Letztes Bier und Flughafenevakuierung
Bereits mit den
„Boarding-Pässen“ ausgestattet, die Wolfgang am Abend zuvor vom PC unseres
Hotels ausdrucken konnte, traten wir die Rückreise nach Heidelberg an.
Samstags in der Schulferienzeit fährt morgens kein Bus von Międzygórze (Wölfelsgrund). Nur mit einem Taxi konnten wir uns zum Hauptbahnhof von Kłodzko (Glatz) fahren lassen. Nach weiteren 2 Stunden Bahnfahrt erreichten wir gegen 12:20 Uhr den Wrocław Głowny (Hauptbahnhof Breslau). Wir hatten noch Zeit, um eine Kleinigkeit zu essen
und ein Abschlussbier am Rynek zu trinken.
Wenn noch Fragen zu unserer Wanderung bestehen, schicken
Sie mir eine eMail:
wolfgang.meluhn@onlinehome.de
Fotos und Titelfoto von Ausgabe 38: Wolfgang Meluhn
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 38 - August 2012
Unterwegs
in den Waldkarpaten (Bieszczady)
im August 2012
Von Wolfgang Meluhn
1.
Tag:
Anreise und Besichtigung von Schloss Łańcut (Landshut)
Flughafen ohne Geldautomaten, Prachtkutschen und Raucherpausen bei der Busfahrt
Die Entscheidung fiel uns diesmal nicht schwer: Es bestand die Möglichkeit
mit dem Zug ab Heidelberg in 22 Stunden in den Osten Polens zu fahren oder in
nur 1:40 h mit der Lufthansa im Direktflug nach Rzeszów. Hohe Erwartungen weckte
Flugkapitän Möbius, der uns in der „sehr schönen Stadt Rzeszów“ willkommen hieß.
Der Flughafen war nagelneu, dafür gab es aber keinen Bankautomaten, um Euro in
Złoty zu wechseln. Arbeiter waren dabei, weitere Parkflächen für Flugzeuge
anzulegen
Auf der zweistündigen Fahrt nach Sanok wurden durch den Busfahrer mehrere Zigarettenpausen an den Haltestellen eingelegt. Wer wollte, konnte aussteigen und an der Haltestelle rauchen. Obwohl uns ein Mitfahrer zuvor in Sanok erklärt hatte, dass in Polen das „Rauchen an Bushaltestellen unter Strafe verboten“ sei, nahm er diese Gelegenheit wahr und leistete dem Fahrer
beim Rauchen Gesellschaft.
2. Tag:
Besichtigung von Sanok und
Fahrt in die Bieszczady (Waldkarpaten)
Zwangsumsiedlung, der brave
Soldat Schwejk und Ohrenschmaus
Sie waren abgeschlossen und wir mussten uns mit einem
Blick durch ein Holzgitter zufriedengeben.
Am Nachmittag hatten wir auf dem Weg zu unserer Unterkunft eine Fahrt mit
der „Waldbahn“ eingeplant. Der Linienbus einer privaten Busgesellschaft aus
Krakau hatte jedoch 1 ½ Stunden Verspätung. Deshalb musste diese Fahrt leider
ins Wasser fallen. Kurz vor unserem Ziel sahen wir aber noch die Waldbahn an uns
vorbeifahren.
Ustrzyki Górne in den Waldkarpaten erreichten wir gegen 16:30 h. Ein
Regenschauer ließ unsere Schritte zum Górski Hotel beschleunigen.
In den Souvenirläden der Region Bieszczady (Waldkarpaten) werden Giftzwerge,
Dämonen und allerlei Keulen verkauft. Was ist der Grund?
Vor langer, langer Zeit lebte hier ein Dämon mit dem Namen Bies. Er war
größer als Menschen und trug Hörner und Flügel. Bies liebte die Einsamkeit und
war daher nicht erbaut, als sich der junge, clevere San mit seiner Sippe in
dieser Gegend niederließ. Wie konnte man sie vertreiben?
Man wusste, dass Bies gerne morgens im Fluss badete und hierzu seine Flügel
ablegte. Ohne Flügel hatte er aber keine magischen Kräfte mehr. Das nutzte San
und stellte den Dämon zum Kampf. Der Kampf ging den ganzen Tag und am Abend
fielen beide in den Fluss und ertranken. Die Menschen gaben dem Fluss den Namen
San und der Region die Kombination der Namen Bies und Czady. So entstand der
Legende nach der Name Bieszczady.
So schön die Legende auch klingt, „Wikipedia“ geht davon aus, dass der Name
von „Hochweide" abgeleitet ist.
Den Tagesausklang bildete in unserem Hotel ein Konzert der Sängerin Agata
Rymarowicz mit ihrer Geige spielenden Tochter Ola, sowie dem Gitarristen Tadeusz
Krok . (www.agatarymarowicz.pl).
Spontan hatten wir CDs mit ihren Liedern erworben, so begeistert waren wir.
3. Tag:
Brzegi Górne → Ustrzyki
Górne - 4 Stunden
Wölfe, Nebelbank und lange
Unterhosen
Die Waldkarpaten besitzen die größte Wolfsdichte der Welt. Die Erwartungen
für die nächsten Tagen waren entsprechend hoch: „Werden wir Wölfe sehen oder
hören?“
Sicht bestand maximal 50 m – Fotoaufnahmen waren an diesem Tag nicht
möglich. Trotzdem begegneten uns sehr viele junge polnische Wanderer, die trotz
des Regenwetters und Nebels bester Stimmung waren.
4. Tag:
Wołosate → Wołosate
(Rundweg) - 6 Stunden
Kälte, Nässe und
Nebelgestalten
Leider stimmte auch an diesem Tag die Wettervorhersage: langer, ergiebiger
Landregen war angesagt.
Die 7 km von Ustrzyki Górne nach Wołosate fuhren wir mit einem
Privat-Shuttlebus, der immer dann auf dieser Strecke fährt, wenn sich genügend
Passagiere eingefunden haben.
Am Eingang in Wołosate mussten wir an einem Kassenhäuschen den Eintritt für
den Besuch des Bieszczadzki Park Narodowy (Waldkarpaten Nationalpark)
entrichten. In diesen Kassenhäuschen gibt es auch Wanderkarten und Broschüren
über den Nationalpark zu kaufen. Erst dann konnten wir auf dem blau markierten
Wanderweg den Aufstieg zum 1.276 m hohen Sattel „Przełęcz pod Tarnica" beginnen.
Durchnässt und beinahe erfroren erreichten wir die
Bushaltestelle in Wołosate. Bevor wir zurückfuhren, schauten wir uns die
Wander-Hinweisschilder
im
Zentrum an. Hier in Wołosate beginnt/endet der
europäische Fernwanderweg E8,
der von hier aus durch die
polnischen Karpaten – Donau – Main – Rhein – Irische See nach Südirland führt.
Ein Hinweisschild in unserem Hotel GÓRSKI
weist
auf den
E8 hin (warum man das
Schild nicht am Beginn des Fernwanderweges in
Wołosate aufgestellt hatte, bleibt ein Geheimnis).
Bei schlechtem Wetter empfehlen wir
diese Wanderung nicht zu unternehmen! Bei Sonnenschein scheint es eine sehr
empfehlenswerte Tour mit tollen Ausblicken zu sein.
5. Tag:
Przełęcz Wyżna → Smerek (Dorf) - 7 Stunden
Kinderjauchzen, Schlammtour und Bodenkontakt
Für 8:00 Uhr war Frühstück angesagt. Aber ein polnischer Kinderchor von etwa
40 Kindern machte uns einen Strich durch die Rechnung. Als wir wenige Minuten
nach 8:00 Uhr in dem Frühstücksraum erschienen, waren bereits alle Tische
besetzt.
Wir hatten an diesem Tag Zeit, fuhr doch unser Bus erst gegen 9:25 Uhr.
Nach der Busfahrt von 20 Minuten zum Przełęcz Wyżna begann der Aufstieg zur
Schronisko „Chatka Puchatka na Połoninie“. Unterwegs überholte uns der
Hüttenwirt mit einem Quad mit Anhänger.
In der Hütte waren wir doch überrascht, wie viele Wanderer trotz des wenig
aussichtsreichen Wetters anzutreffen waren.
Pause machten wir am Gipfel des 1.222 m hohen Smerek. Wir ahnten noch nicht, wie steil und rutschig der Abstieg unmittelbar nach dem Gipfel sein würde. Durch den vielen Regen in den letzten Tagen war der Wanderweg sehr stark verschlammt und rutschig. Bis auf einen Mitwanderer rutschten wir mindestens ein Mal aus und landeten auf dem nassen, matschigen Boden. Auch noch so gute Stollen an den Wanderschuhen halfen nicht – Erleichterung hatte man nur mit Wanderstöcken. Zum Schluss mussten wir noch 15 Minuten auf der Landstraße wandern, bis wir unser Tagesziel, das Hotel Carpatia
Bieszczadzki im Ort Smerek, erreichten.
Den Tag ließen wir bei Entenbraten, Forelle oder Schweinelende mit
Bubespitzle ausklingen.
6. Tag:
Roztoki Górne/ Przełęcz nad Roztokami → Smerek - 4 Stunden
Wölfe, Drei-Länder-Eck und Vertreibung der Bevölkerung
Endlich ein Tag ohne Regen, zwar bedeckt, aber ab und
zu ließ sich auch die Sonne blicken.
Fuchs und Hase sagten sich in diesem
abgelegenen Gebiet gute Nacht. Zunächst mussten wir auf dem blau markierten Weg
eine 1½-stündige Wanderung entlang der
polnisch-slowakischen Grenze unternehmen.
Oben auf dem 1.101 m hohen Berg Okrąglik bot sich ein herrlicher Rundblick über
die waldreichen Berge und Täler. Das Drei-Länder-eck zwischen Polen, Slowakei
und der Ukraine lag vor
uns.
Auf dem Berggipfel kamen wir mit einem polnischen Pärchen aus Posen ins
Gespräch. Uns fiel auf, dass alle Polen uns bisher freundlich begegneten: Die
einen boten
Am Berg Okrąglik war auch wieder unser rotes E8-Wanderzeichen. Nach kurzer
Zeit trafen wir auf Waldarbeiter, die mit einem mit Schneeketten angetriebenen
alten Militärfahrzeug Holz zu Tal fuhren. Einer teilte uns mit, er habe schon in
Regensburg und auch in München gearbeitet: „Deutschland
gut!“ Dort habe er sehr
viel Geld verdient. Mittagspause gönnten wir uns auf dem Berg Fereczata,
gemeinsam mit polnischen und französischen Wanderern.
Der Abstieg gestaltete sich erneut schwierig. Die Pfade waren wieder völlig verschlammt und erforderten unsere volle Konzentration, um nicht (erneut) Bekanntschaft mit dem Boden zu machen. Bewährt hatten sich Gamaschen und Wanderstöcke. Wir erreichten Smerek so früh, dass wir uns im Garten des Hotels noch eine Stunde bräunen lassen konnten. Der Ort Smerek wurde 1946 im Zuge der
„Aktion Weichsel“ abgebrannt.
Der Besitz der Ukrainer wurde enteignet und ihre Dörfer und auch Kirchen
verbrannt, die Friedhöfe zerstört. Ausgenommen waren Orte wie Ustryzki Dolne und
Lutowiska, die durch einen Gebietstausch mit der Sowjetunion erst 1951 nach
Polen kamen.
Durch diese „Aktion Weichsel“ wurden die polnischen Bieszczady
(Waldkarpaten) nahezu vollständig entvölkert.
Zur Erinnerung an die Vertreibung steht am Ortseingang von Smerek seit 2008
ein Gedenkkreuz.
7. Tag:
Rundweg um Komańcza - 4 Stunden
Überraschungsfeuerwerk, Insektenparadies und die abgebrannte Holzkirche
Heute war der Geburtstag unseres Wanderfreundes Dirk. Zur Überraschung von
uns allen gratulierte ihm auch das Hotelpersonal mit einem Feuerwerk auf einer
mit Früchten gefüllten Ananas und einer Flasche Rotwein.
eine Rundtour zu unternehmen.
Nachdem wir unser Gepäck im Gasthof abgestellt hatten, wanderten wir auf dem
europäischen Fernwanderweg E8 zunächst zum Nazarenen-Kloster. Dorthin, in diese
abgeschiedene Region Polens, wurde in eine Holzvilla der polnische Kardinal
Stefan Wyszyński 1955 für ein Jahr
verbannt. Ein Denkmal vor dem Kloster erinnert an dieses Ereignis.
Unser Rückweg führte uns, an der Straße
nach Dukla gelegen, zu einer orthodoxen Holzkirche. In Reiseführern wird diese
Kirche sehr empfohlen. Uns war unbekannt, dass die Kirche 2006 vollkommen
abgebrannt war und erst in den letzten Jahren wieder mit Fördergeldern aus der
EU aufgebaut werden konnte.
Uns fiel bei der Wanderung durch Polen auf, dass nirgendwo in den
Waldkarpaten Getreide angebaut wurde. Sicherlich liegt der Grund am „rauen“
Karpaten-Klima.
8.
Tag:
Besichtigung von Kraków (Krakau)
Am Ende die beste Ente von Krakau?
Auch in Krakau kann es recht heiß werden. Die Hitzewelle aus Südeuropa und
Deutschland hatte uns erreicht.
Bei der Fahrt nach Kraków
(Krakau)
fielen uns die vielen
Neubauten auf: „Polen ist weiter im Aufwind”. Bauern auf den Feldern waren
gerade bei der Kartoffelernte. Aufgrund der vielen Staus auf der Landstraße 75
erreichten wir Krakau mit 30-minütiger Verspätung.
Auf dem Wawel, der ehemaligen Residenz der polnischen Könige, schlängelten
wir uns durch Touristenmassen, die an Kassen für Eintrittskarten anstanden oder
im Burghof ihrer Führerin zuhörten.
Als wir im Burghof auf die Wisła (Weichsel)
blickten, beschlossen wir spontan am Nachmittag eine Fahrt auf ihr zu
unternehmen.
Auf Empfehlung unserer Stadtführerin gingen wir am Abend ins Gasthaus
„Kogel-Mogel“. Der Name bezieht sich auf eine Süßspeise aus der sozialistischen
Zeit, die aus aufgeschlagenem Eigelb und Zucker besteht. Die auf der Speisekarte
angebotene Ente erwies sich leider als „Lame Duck“. Sie war „tot“ gebraten.
Am nächsten Morgen fuhren wir um 8:00 Uhr in 19 Minuten vom Gleis 1 zum
Flughafen Krakau-Balice.
Auch die Sommer-Wanderung 2012 durch die Waldkarpaten war wieder
hervorragend organisiert und für uns alle ein unvergessliches Erlebnis.
Wir freuen uns schon auf die Fortsetzung in diesem Jahr in den Beskiden und
der polnischen Hohen Tatra.
Informationen:
Lage und Größe der
Waldkarpaten
Der Gebirgszug
erstreckt sich über die Slowakei, Ukraine und Polen. In Polen hat das Gebirge
von Ost nach West eine Länge von 60 km. Im südlichen Bereich sind die Berge
zwischen 1.200 m und 1.300 m hoch, im nördlichen (nur) zwischen
400 m und 700 m. Die Besonderheit der polnischen Waldkarpaten sind ihre
mit Gras bewachsenen baumlosen Bergkämme (Bergwiesen, Almen), die Poloninen
(poln. Połoniny). Diese südöstlichste Region Polens ist sehr dünn besiedelt.
Deshalb wird dieser Teil auch „Polnisches Sibirien" genannt und ist unter
Aussteigern sehr beliebt.
Allgemeine Auskünfte
erteilt das
Polnische Fremdenverkehrsamt in Berlin oder im Internet unter:
www.polen.travel/de
Über die Region der Waldkarpaten (Bieszczady)
kann man leider nur in Polnisch Auskünfte
erhalten:
www.bieszczadyonline.pl
Anreise
Direktflug mit der Lufthansa von Frankfurt nach Rzeszów
bei frühzeitiger Buchung 120
€.
Die Bahnfahrt von Heidelberg in 22 Stunden und ist doppelt so teuer. Weiterfahrt
mit öffentlichen Verkehrsmitteln über Sanok in die Waldkarpaten. Fahrplan auch
auf Deutsch unter:
http://de.e-podroznik.pl/
Unbedingt ansehen
Das Zentrum von Sanok mit einem Denkmal über den braven Soldat Schwejk. Ca.
2,5 km entfernt das Freilichtmuseum „Skansen”.
Übernachtungen
In Sanok:
Hotel Jagielloṅski
*** Ul. Jagiellońska 49
www.hoteljagiellonski.pl
In Ustrzyki Górne: Hotel GÓRSKI PTTK
hotel-pttk.pl/de/strona-glowna
Wanderkarte und
Wanderliteratur
In polnischen Wanderkarten sind Unterkünfte eingezeichnet.
Bieszczady 1:50.000 - ISBN: 978-83-7605-070-6 Kartograficzne COMPASS
www.compass.krakow.pl
Die Polnischen Waldkarpaten - Trescher Reihe Reisen ISBN 3-89794-090-6
www.trescherverlag.de
Essen und Trinken
Nur an wenigen Stellen auf dem Wanderweg sind bewirtschaftete Berghütten
(poln. Schronisko) anzutreffen. Deshalb sind Getränke und auch Tagesverpflegung
unbedingt mitzunehmen
Fragen zur Wanderung Wenn noch Fragen zu unserer Wanderung bestehen, schicken Sie mir ein e-Mail wolfgang.meluhn@onlinehome.de
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 40 - April 2013
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