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Zuletzt aktualisiert am: 23.02.16
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W a n d e r b e r i c h t e - E u r o p a
Inhaltsverzeichnis: • Auf Jakobs Pfaden - Von Stuttgart nach Santiago de Compostela Von Sylvia Broeckmann
• Zu Fuß von Fulda nach Santiago de Compostela Von Ingrid Chiari
• "Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser Von Dr. Renate Buchenauer
Auf Jakobs Pfaden - Von Stuttgart nach Santiago de Compostela
von Sylvia Broeckmann
Eigentlich
ein verrücktes Unterfangen: sich mitten im Berufsleben sechs Monate frei zu
nehmen, um von der Haustür aus nach Santiago de Compostela zu pilgern. Manche
Freunde haben meinen Mann Horst-Alfred und
Am 21.3.2002 schlossen wir unsere Haustüre in Stuttgart ab und liefen los. Am 19.7. erreichten wir die Kathedrale in Santiago de Compostela. Dazwischen lagen unendlich viele Erfahrungen, die mich bereichert haben.
In der Vorbereitung stellte sich die Frage, ob wir den historischen Jakobsweg von Stuttgart über Konstanz, Einsiedeln und Genf nach Le Puy en Velay nehmen oder lieber durch die Burgundische Pforte, am Rhein-Rhone-Kanal und am Doubs entlang, auf selbstgewählten Pfaden gehen. Zwei Gründe ließen uns die zweite Möglichkeit wählen: zum einen schreckte uns der Winter in der Schweiz; zum anderen wollte Horst-Alfred gern nach Cluny und ich nach Taizé. Also besorgten wir uns rechtzeitig alle Wanderkarten, die wir bis Le Puy en Velay brauchen würden. (Es gibt eine Markierung von Cluny nach Le Puy, die uns aber recht unzuverlässig erschien.) Zu Hause habe ich dann per Textmarker in die ausgebreiteten Karten einen Wandervorschlag eingemalt, an den wir uns teilweise gehalten haben, zum Teil haben wir ihn vor Ort aber auch abgeändert. Wichtig war mir eine gute Mischung aus schönem Weg und möglichst direkter Linie. Ich finde, daß das ganz gut gelungen ist.
Die französischen 25.000er Karten haben sich als sehr verläßlich erwiesen. Einzig im Bereich Mulhouse - Besançon ergaben sich Schwierigkeiten, weil nur 50.000er Karten zu bekommen waren, die offensichtlich einfach von 100.000ern hochkopiert und dementsprechend grob in der Wiedergabe sind. Aber mit einiger Wandererfahrung ließ sich dieses Problem kompensieren. Ab Le Puy gibt es gute Topo-Guides für den GR 65, der mit dem Jakobsweg identisch ist. (Der GR 65 ist seit 2002 auch ab Genf markiert.)
Für den spanischen Jakobsweg stehen ja inzwischen reichlich Wanderführer zur Verfügung, die man für das Laufen selber eigentlich alle nicht braucht, weil man sich viel Mühe geben müßte, um sich trotz der exzellenten Kennzeichnung zu verlaufen. Hilfreich sind statt dessen Führer, die auf Sehenswürdigkeiten hinweisen sowie jährlich aktualisierte Faltblätter über Unterkünfte, Restaurants und Läden unterwegs.
Unsere Unterkünfte haben wir nur ab und zu vorgebucht. Meist suchten wir uns einfach irgendwann ein Bett. Dabei gab es alles von der Absteige bis zum 5-Sterne-Hotel (ja, auch das!). Zweimal wurden wir von Menschen zu sich nach Hause eingeladen, als es keine andere Übernachtungsmöglichkeit gab. Diese Gastfreundschaft erlebten wir immer wieder: Kaffee und Kuchen, die uns unterwegs angeboten wurden, ein Obsthändler, der uns unbedingt ein Kilo Obst schenken wollte, Menschen, mit denen wir ohne weiteres in sehr persönliche Gespräche kamen. Die Muschel auf unseren Rucksäcken öffnete viele Türen. Im Freien mußten wir nie übernachten. Dabei hätte mich vor allem die fehlende Dusche geschreckt...
Auf dem GR 65 in Frankreich waren viele Menschen unterwegs. Dort sahen wir uns gelegentlich gezwungen, Zimmer telefonisch am Vortag zu reservieren. Dabei half ein Buch, das wir uns zwar geweigert hatten zu kaufen, das wir dann aber unterwegs ein paar mal einsehen konnten und mußten: „Miam miam, Dodo“. Der Titel ist sprechend: in dem jährlich aktualisierten Bändchen werden alle Unterkünfte, Restaurants und Läden am GR 65 aufgeführt. Es stellt tatsächlich eine große Hilfe dar.
In Spanien haben wir immer „vor Ort“ geschaut, wo wir übernachten wollten. Wir hatten nie Schwierigkeiten, in Hostals oder Pensionen unterzukommen. Die Herbergen waren allerdings insbesondere ab Juli sehr voll, so daß wir sie gemieden haben, wo es irgend ging.
Viele Kilometer sind wir pro Tag nicht gelaufen. Unser durchschnittliches Pensum lag zunächst bei 20, später bei 25 km. Außerdem haben wir ungefähr alle 8-9 Tage einen Ruhetag eingelegt. Diese Auszeiten waren wertvoll, um genügend Zeit zum Schauen und Verdauen zu haben. Es stellt sich auch in dieser besonderen Situation eine Art Routine ein, die wir immer wieder durchbrachen, um nicht in einen Trott zu kommen, sondern offen zu bleiben für neue Erfahrungen.
Unterwegs lernten wir die unterschiedlichsten Menschen kennen: bis Le Puy waren es nur vier Pilger, die uns begegneten. Bis dorthin sprachen wir vor allem mit Menschen, die am Weg wohnten. Viele berührten uns und ließen sich berühren von diesem seltsamen Paar, das von Stuttgart nach Santiago unterwegs war. Ab Le Puy waren mehr und mehr Wanderer und Pilger unsere Gesprächspartner. Und in Spanien trat dann die spirituelle Dimension dieses etwa 1000 Jahre alten Weges ganz in den Mittelpunkt.
Die Menschen, die unterwegs sind, pilgern keineswegs alle aus christlichen Überzeugungen. Wir trafen Katholiken und Protestanten, Anglikaner und Methodisten, Agnostiker, Atheisten und Esoteriker, Buddhisten und solche, die sich als „gar nichts“ vorstellten. Aber allen gemeinsam war die Suche nach einer spirituellen Dimension in ihrem Leben, die Suche nach etwas Größerem. Über diese Aspekte menschlichen Seins zu sprechen, ist in unserer westlichen Gesellschaft ja recht ungewöhnlich. Selbst von besten Freunden wissen wir oft nicht, wie ihre persönlichen Ansichten in existentiellen Fragen sind. Auf dem Jakobsweg aber stehen diese Fragen im Mittelpunkt. Die Gespräche regen an, öffnen neue Perspektiven und helfen, eigene Standpunkte zu klären - und sei es in der Erkenntnis: „Da bin ich anders.“
Einige wandern auch aus sportlichen oder kulturellen Gründen auf dem Jakobsweg. Schließlich findet man hier auf eine sehr gute Infrastruktur. Auch diese Wanderer werden, wenn sie sich nicht wehren, vom Geist des Weges angesteckt und entdecken mehr, als sie eigentlich erwartet hatten.
Neben den geistigen Fragen kam für uns der Genuß nicht zu kurz. Asketische Enthaltsamkeit war nicht unser Ziel - auch wenn es in Ordnung war, gelegentlich ganz einfach zu leben. Wir haben aber in der Regel gut gegessen, getrunken und geschlafen. Auch so konnten wir die Schönheiten der Welt in uns aufnehmen.
Der ganze Weg war für mich eine Übung darin, im Hier & Jetzt zu bleiben - nicht im Gestern verharren oder ins Morgen oder gar Übermorgen vorpreschen, sondern sehen, was jetzt gerade ist. Das hieß z.B.: nicht ständig daran zu denken, wo wir heute abend übernachten werden, wie der Weg morgen verlaufen wird und wie es in Santiago sein wird. Für andere war das Gegenteil wichtig: sich nicht in aktuellen Details verlieren, noch dies, das und jenes „mitnehmen“, sondern das große Ziel im Auge zu behalten. So lehrt der Weg die unterschiedlichsten Dinge auf ganz einfache Weise.
Die Ankunft in Santiago de Compostela war überaus bewegend. Wir hatten unterwegs den guten Rat erhalten, kurz vor Santiago die letzte Übernachtung einzulegen und möglichst früh am Morgen anzukommen. Das beherzigten wir und trafen um 9 Uhr an der Kathedrale ein. Ein überwältigender Moment! Die innere Bewegung wird aufgefangen und geleitet durch klare Rituale. Sie helfen, in dem Moment, wenn man vor Gefühlsüberschwang gar nicht weiß wohin, geerdet zu bleiben.
Zuerst holten wir unsere Compostelana, die Urkunde, daß wir angekommen sind, im Pilgerbüro ab. Wir erhielten wertvolle Tips zu allem, was von Belang war. Danach ging es in die Kathedrale zur Jakobssäule. Die Stelle, an der Pilger seit Hunderten von Jahren ihre Hand legen, ist tief in den Stein eingemuldet. Danach kletterten wir hinter dem Hauptaltar zur Jakobsbüste, die umarmt wird. Vom Hauptschiff der Kirche sieht man immer wieder Arme, die sich um die Büste legen. Auch das eigentliche Jakobsgrab unter dem Altar besuchten wir natürlich.
Jeden Mittag um 12 Uhr ist Pilgermesse. Die Kathedrale ist dann bis auf den letzten Platz besetzt, manche müssen stehen. Dort trafen wir viele wieder, die wir auf unserem Weg kennen gelernt hatten. Manche wähnten wir weit voraus oder zurück und waren so überrascht wie sie, sie nach Tagen, teilweise nach Wochen wieder zu sehen. Ich habe nie so viele Tränen in einer Kirche fließen sehen wie dort: vor Freude, Erleichterung, innerer Bewegung.
Die Erfahrungen dieser vier Monate begleiten mich in meinem Alltag und haben mir sehr neue Perspektiven auf das Leben gegeben. Dafür bin ich dankbar.
Wenn jemand Informationen irgendwelcher Art haben möchte, bin ich gern ansprechbar.
Sylvia Broeckmann Kornbergstr. 39 70176 Stuttgart Tel. 0711-2268444
Erschienen in "Mitteilungsblatt" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 11 - August 2003
Zu Fuß von Fulda nach Santiago de Compostela
4. Februar - 20. Juni 2005
Von Ingrid Chiari
Vorbemerkungen
14 Tage nach der Pensionierung meines Mannes starteten wir zu zweit zu unserer Pilgerfahrt, obwohl in der Rhön noch tiefster Winter herrschte, um uns einen lang gehegten Traum zu erfüllen. Einfach weg vom Fenster sein, nicht erreicht werden können, zu fremden Ufern aufbrechen, neue Erfahrungen machen, innere Kraft tanken, lebendiger werden - das wollten wir. Zudem erfüllte uns große Dankbarkeit für ein bisher in der großen Linie gut verlaufenes Leben, für Kinder und Kindeskinder. Die operative Tätigkeit meines Mannes war ohne gravierende Zwischenfälle glücklich zu Ende gegangen. Dies alles war für uns Grund genug, eine Wallfahrt zum Grab des Apostels Jakobus nach Santiago de Compostela in Spanien zu unternehmen. Begeistert hatten wir die Routen und ihre verfügbaren Quartiere erforscht, Bücher über Kunst am Weg gelesen, einige Teilstrecken in den vergangenen Jahren allein oder mit Freunden erkundet.
Der 3100 Kilometer lange, durchgängig markierte Weg führt als Jakobusweg von Fulda über Würzburg, Ulm und Konstanz, durch die Schweiz als Schwabenweg über Einsiedeln, Flüeli, Thun, Lausanne und Genf nach Frankreich. Von der Grenze folgt er der rotweißen Markierung des GR 65 nach Le Puy, um von dort als Via podiensis die Pyrenäen am Ibanetapass zu überqueren. Wir aber wählten als Pyrenäenübergang den wenig benutzten Somportpass, um auf dem für uns interessanteren Aragonesischen Weg nach Puente la Reina zu gelangen, wo sich alle Routen zum Camino francés vereinigen, dem wir bis León folgten. Von dort wanderten wir wieder vom üblichen Weg abweichend nach Norden über den Camino San Salvadór nach Oviedo, dann auf dem Camiño primitivo mit seinen durchwegs großen Tagesetappen durch die Berge Asturiens bis Lugo, dann über Sobrado dos Monxes, welches am Camino del Norte liegt, zur Kathedrale von Santiago de Compostela.
Ganz wichtig waren für uns im spartanisch knapp gepackten Rucksack neben Schreibblock und Kugelschreiber zur Führung eines Reisetagebuches die vier Outdoor-Wanderführer für die Länder, die wir durchwandern wollten. Sie gaben uns durch Streckenbeschreibungen mit Kilometerangaben, Quartierhinweisen und die Beschreibung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten eine gewisse Sicherheit. Karten nahmen wir wegen der erforderlichen Anzahl nicht mit. Die Etappen hatten wir schon in Fulda zurechtgelegt. Ihre Länge bewegte sich zwischen knapp 20 und 40 Kilometern, je nach Übernachtungsmöglichkeit. Unsere Durchschnittsetappe betrug 27 Kilometer. Wir hatten uns vorgenommen, die wegen ihrer Hitze bei mangelndem Schatten berüchtigte Meseta Hochebene zwischen Burgos und León vor Juni durchquert zu haben. Wir machten insgesamt 12 Rasttage, teils um uns zu rekreieren, teils, um an für uns besonderen Orten verweilen zu können.
Wir wählten in erster Linie kleine Gasthöfe oder Pensionen, in der Schweiz und in Frankreich oft so genannte Chambres d’hôtes als Übernachtungsmöglichkeiten. Von den sehr preisgünstigen Pilgerunterkünften in Frankreich und Spanien machten wir nur deshalb Gebrauch, weil wir nach einem meist anstrengenden Pilgertag gern unsere Privatsphäre haben wollten. Ins Gespräch kamen wir unterwegs trotzdem mit vielen Pilgerkameraden aus aller Herren Länder. Enge Beziehungen ergaben sich, die bis heute per E-Mail fortbestehen. Viele Mitpilger dachten wie wir, gönnten sich ein eigenes Zimmer, um nicht um Plätze in überfüllten Herbergen kämpfen zu müssen und der Wettlaufsituation zu entgehen, wie sie vor allem auf dem spanischen Camino francés besteht. Darüber hinaus sollte jemand, der sich ein Zimmer leisten kann, dies zugunsten von mittellosen Jugendlichen oder Junggebliebenen tun.
Freundliches Deutschland
Als wir von unserem Haus aus loszogen, wurden wir überraschend von etlichen Freunden und Nachbarn verabschiedet. Wir waren bewegt. Die Bedeutung dieses Aufbruchs wurde uns erst richtig bewusst. Am Vortag hatten wir von unserem Pfarrer nach dem Gottesdienst den Reisesegen bekommen. Sogar zur Beichte waren wir gegangen und hatten ein Testament gemacht. Dies war auch bei den Jakobspilgern des Mittelalters der Brauch. Knapp vor Thalau, unserem ersten Etappenziel, stießen zwei Wanderkameraden zu uns. Sie begleiten uns bis zum Quartier. Die erste Nacht war nur mäßig erholsam. Beide hatten wir irgendwelche Wehwehchen – der schwere, ungewohnte Rucksack machte sich bemerkbar. Der Aufstieg durch das verschneite, teilweise vereiste Giechenbachtal bei strahlendem Sonnenschein am nächsten Morgen ließ das Herz höher schlagen, auch wenn unsere Mittagsrast mangels einer komfortableren Möglichkeit auf einem Stapel Gummireifen - eingehüllt in unsere Regencapes - stattfand. Überraschend bekamen wir im überfüllten Kloster Kreuzberg noch ein Zimmer – trotz der Faschingsferien in Bayern. Ob der dezente Hinweis meines Mannes, dass wir Jakobspilger seien, etwas genützt hat?
Die Tage in Deutschland sind uns vor allem in Erinnerung, weil wir viel Freundlichkeit erlebt haben. Menschen sprachen uns an, die uns in ihre Häuser holten, uns ihre Lebensgeschichten erzählten und uns warme Getränke und mehr anboten. Sie baten uns, für sie zu beten. In Crailsheim fragte mich ein junges Mädchen, was wir denn jetzt im Winter, mit Rucksack und Stöcken unterwegs, für einen Sport betrieben. „Wir gehen zu Fuß bis Spanien“ sagte ich. „Megageil“, meinte die etwa Fünfzehnjährige. Die vielen Menschen, die uns über unseren Weg und unsere Motivation ausfragten und uns alles Gute wünschten, kann ich gar nicht aufzählen. Wir sind ihnen unendlich dankbar. Sie haben uns Kraft zum Weitergehen gegeben. Uns wurde aber auch bewusst, welch schwere Schicksale andere Menschen zu tragen haben. Das oft recht lange Zuhören war für uns keine verlorene Zeit, sondern ein Geschenk der Wallfahrt, das uns zum Nachdenken brachte.
Einige Tage wehte es so stark, dass die Markierungen auf den Bäumen teilweise zugeschneit waren, wir einen falschen Weg gingen und uns so einige zusätzliche Kilometer einhandelten. Im Bereich der Schwäbischen Alb wurde das Wetter dann extrem hart. Schneefälle, Temperaturen bis -18 Grad und meterhohe Verwehungen machten es nötig, einige Kilometer auf Straßen zurückzulegen, da der Jakobsweg total zugeweht und ungespurt war. In Böhmenkirchen trafen unsere Kinder mit ihren Familien ein, um uns gültig zu verabschieden. Sie entließen uns, als wollten wir eine Expedition in die Arktis machen.
Am Weg gab es natürlich Kulturdenkmäler in Hülle und Fülle zu betrachten. Kirchen und Kirchlein, Wegkreuze, gastliche Klöster, in denen wir einkehrten und übernachten durften durch Vermittlung eines Franziskanischen Freundes, der vier Tage mit uns beinahe bis zur Schweizer Grenze ging. Vorher begleitete uns zwei Tage lang ein Ehepaar, mit dem wir schon oft gewandert waren. Mit den Beiden erkundeten wir die wunderbaren Malereien und Glasfenster des Malerpriesters Sieger Köder in Rosenberg, Hohenberg und Hütten.
Grandiose Natur in der Schweiz
Kaum hatten wir, von Konstanz aus am Morgen startend, die Schweizer Grenze überschritten, wurden die Wege anspruchsvoller, es gab mehr im Schnee zu stapfen, manchmal erreichten wir unser Nachtquartier, wie zum Beispiel die Berghütte auf dem Hörnli, ziemlich erschöpft. Jeder gelungene Tag war ein Erfolg. Waren wir nach den ersten Tagen der Pilgerschaft ziemlich euphorisch gewesen, so schlichen sich bei mir und auch bei Reinhard jetzt mitunter Redensarten ein wie: „Falls wir das Ganze schaffen…..“ „Wenn wir das überhaupt aushalten…“ usw. Aber auch in der Schweiz, die wir bei fast durchwegs strahlendem Sonnenschein durchwandern durften, gaben uns die Menschen durch ihre Freundlichkeit Mut. Jedes Winken eines Bauern, jeder freundliche Gruß, hier eine Einladung zum Kaffee, dort herzliches Entgegenkommen und Verwöhntwerden im Quartier – all dies belebte und gab uns immer wieder neue Motivation. Die Kapuziner in Rapperswil luden uns zu einem Gottesdienst im kleinen Kreis ein und wir wurden den anderen vorgestellt als Pilger vom Grab des Bonifatius zum Grab des Jakobus wandernd. „Wir freuen uns, dass Sie ein Quartier bei uns gesucht und gefunden haben“, sagte einer der Kapuziner. So etwas vergisst man nicht, wenn man sich als armer, unnützer Pilger fühlt.
Wir mussten so manchen Pass bezwingen, aber nicht immer waren die tief verschneiten Originalwege „gepfadet“, wie es die Schweizer nennen. Wir mussten zweimal so genannte „Schlittelwege“ benutzen, die zum unserem Glück existierten und von den Schlittenfahrern stark frequentiert waren, was unsere Aufstiege erschwerte. Am Thuner See war es uns vergönnt, Mönch, Eiger und Jungfrau in strahlendem Weiß zu sehen. Vorher hatten wir hoch über dem See die Beatushöhlen passiert. Ein Wunder nach dem anderen eröffnete sich unseren staunenden Augen. Gämsen auf einem Bergpfad, herrliche romanische Kirchen wie z. B. Amsoldingen, urige Bauernhöfe mit hellen Holzbalkonen und Berggipfel um Berggipfel, die langsam, im Weiterwandern die Perspektive veränderten. Schließlich erreichten wir körperlich recht müde durch das Stapfen im Schnee, aber hoch zufrieden den Genfer See mit seinen vorfrühlingshaften Weinberghängen und schlossähnlichen Gütern. Wir übernachteten unter anderem in einem ökumenischen Zentrum des Weltkirchenrates - mit Pilgerrabatt. Eine evangelische junge Vikarin ging mit uns in die Hauskapelle und segnet uns für den Weiterweg. Wir wurden ernst genommen in unserer Eigenschaft als Jakobspilger – das war eine großartige Erfahrung. In Genf schließlich machten wir aus Vliesmützen, Handschuhen und einem dicken Winterfunktionshemd ein Päckchen und schickten es in die Heimat. Wer hätte gedacht, dass wir das alles noch viel später gut hätten brauchen können!
Kommunikatives Frankreich
Langsam gingen wir in den Frühling hinein. Es gab nur noch vereinzelte Schneereste. Wir fühlten uns leicht und optimistisch wie Zugvögel. Die französische Küche machte uns Freude, ein Gläschen Wein abends belebte. Auch jetzt hatten wir oft einige Hundert Höhenmeter pro Tag zu bewältigen. Wunderschöne Bergpfade mit Blick auf die Rhôneschleifen ließen unsere Herzen höher schlagen und machten uns dankbar für jeden neuen Tag.
In Le Puy mit seiner hochberühmten Kathedrale, der täglichen Pilgersegnung und der schlagartig großen Zahl von Pilgern hatten wir etwa die Hälfte unseres Weges zurückgelegt. Eine bildhübsche, junge Ordensschwester im Andenkenshop der Kathedrale fragte nach unseren Namen. Nur so könnte sie für uns persönlich beten. Wir sollten uns auf den Weiterweg freuen. Im Aubrac-Hochland würden Himmel und Erde einander berühren.
Zunächst gab es einen gewaltigen Wettersturz im Zentralmassiv, der uns Schneestürme, meterhohe Schneewächten und riesige Anstrengungen für drei Tage bescherte, zumal ein Einkehren unterwegs in dieser einsamen Landschaft nahezu unmöglich war. Der weitere Weg durchs Zentralmassiv war dann ein einziger Traum. Wir kamen mit Pilgern aus vielen Ländern der Welt ins Gespräch, begegneten den ersten Radpilgern und einem Esels-track mit Kindern und Jugendlichen. Wir bewunderten die riesigen, abgeschliffenen Granitblöcke, die das leicht zu gehende Hochland zieren. Als wir den Aubrac Pass überschritten hatten, lag der Winter endgültig hinter uns.
In der Herberge in Conques betreuten uns und etwa 50 Mitpilger sehr freundliche Prämonstratenser Mönche, die mit uns sangen, für uns in der abendlich erleuchteten herrlichen Abtei ein Orgelkonzert veranstalteten, uns den Pilgersegen erteilten und uns mit einem Johannesevangelium, für uns in deutscher Sprache, entließen. Hier entstand eine große Pilgergemeinschaft, wir fühlten uns alle untereinander verbunden und solidarisch. Einer half dem anderen, es gab keine Jungen oder Alten, keine Schnellen oder Langsamen, keine Armen oder Reichen. Wir waren alle Menschen, die versuchten, im mehr oder weniger einsamen Gehen etwas mehr Licht in unser Leben und in das, „was die Welt zusammenhält“ zu bringen.
Als wir uns auf dem Weg zum Somportpass von einigen liebgewordenen Freunden trennten, die den anderen, üblichen Weg weitergehen wollten, gab es herzliche Umarmungen, ja sogar Tränen. Von Oloron Saint Marie ging es in drei Tagen zum Somportpass durch das bezaubernd schöne Gave d’Aspe bergan. Die Bergdörfer im Morgenlicht, die Pfade hoch über der klaren, wilden Ache, die hilfsbereiten Menschen, die oft wie Engel aus dem Boden gestampft in Form von Bauern oder Landfrauen an schwierigen Stellen den rechten Weg wiesen. Unvergesslich bleiben diese Tage! Schließlich das Erreichen des Summus Portus, des höchsten Punktes des Jakobsweges. Unsere Glücksgefühle sind kaum zu beschreiben, als wir vom Pass nach Spanien hinunter blickten.
Dichte Atmosphäre in Spanien
Über Bergwiesen, die voll von unterschiedlichen blühenden Orchideen, Schachblumen, Enzian und anderen Frühjahrsblühern waren, erreichten wir voll Dankbarkeit das erste spanische Quartier. Schon der übernächste Tag sollte ein weiteres Highlight für uns bereithalten. Wir wählten von Jaca aus eine Wegvariante. Dieser Weg war zwar schlecht markiert und anstrengend, ja stellenweise sogar recht alpin, aber wir wurden durch traumhafte Ausblicke, Geierschwärme und schließlich das atemberaubend pittoreske Felskloster San Juan de la Peña, dessen romanische Kapitelle mit zum Besten gehören, was aus dieser Epoche erhalten ist, reichlich belohnt. Nach dem Abstieg zu unserem Übernachtungsort Santa Cruz waren wir rechtschaffen müde und das blieb auch die nächsten Tage so, waren doch die Etappen, die wir uns vornahmen, durchwegs über 30 Kilometer. Ich kann die Wunder des Weges nicht aufzählen, nicht die tiefen Gespräche mit Mitpilgern.
Burgos, das Tor zur Meseta, war erreicht. Eine Etappe von 40 Kilometern zwischen Carrión de los Condes und Sáhagun schaffen wir relativ leicht und schnell. Wir merkten, dass sich der Körper doch an die speziellen Anforderungen des Weges angepasst hatte. Jeder Tag in der Meseta war ein Fest. Romanische Kirchen, Mohnfelder, rotbraune Lehmdörfer, freundliche Priester, die abends Pilgergottesdienste halten. Natur, Kultur, Kommunikation. Schließlich León, die schöne, noble Stadt mit ihrer herrlichen Kathedrale.
Von León gingen Reinhard und ich den einsamen, aber traumhaft schönen Pilgerweg nach Norden über den Pajarespass nach Oviedo, der Hauptstadt Asturiens. Die Bergetappe vor dem Pajarespass ist durchaus ernst zu nehmen. Durch schlechte Markierung im Morgennebel verirrt, waren wir überaus dankbar, doch noch mit etwa zwei Stunden Verzögerung den Pass zu erreichen. Leider hatte das angepeilte Quartier geschlossen. So mussten wir 20 weitere Kilometer bis Campomanes bergab wandern, obwohl die Bergetappe vorher schon einiges gefordert hatte. An diesem schwierigen Tag waren 38 Kilometer zu gehen. Ich war selten in meinem Leben so an der Grenze meiner Leistungsfähigkeit!
Die nächste Herausforderung war die Bewältigung der asturischen Berge über den Camiño primitivo. Es gibt keinen schöneren Weg, aber auch keinen einsameren. Die zu gehenden Strecken sind recht lang, bis auf die ersten drei alle über 30 Kilometer, zwischen Pola de Allande und Grandas de Salime liegen sogar 36 Kilometer. Lugo wurde erreicht. Tränen der Freude in der Kathedrale mit seinem herrlichen Pantokrator im Tympanon des Hauptportals.
Nun wurde uns langsam klar, dass wir unser ersehntes Ziel erreichen würden. Wehmut und Freude mischten sich. Wie würde das Leben sein ohne den Weg? Wir hatten beide mehr als sieben Kilo abgenommen, waren zu hageren, asketisch wirkenden Pilgern geworden, denen das Schwätzen schwer fiel. Was ist wichtig für mich, was ist wichtig im Leben? Was gibt mir Kraft? Manches hat sich geklärt, manche Fragen sind drängender geworden. Ausgesetztheit, Stille und Öffnung für die Wunder des Weges und unsere Mitpilger haben ihre Wirkung getan. Wir sind nicht mehr die, als die wir losgezogen sind.
Einzug in Santiago. In uns ist tiefe Dankbarkeit. Pilgerrituale in der Kathedrale, Pilgerurkunde, Bezug des Quartiers, Touristen kommen aus dem Parador Reyes Catolicos. Wir sind Menschen wie alle anderen auch, schon nicht mehr Jakobspilger, aber wir sind den Weg gegangen. Er wird in uns weiterwirken. Wir alle sind Pilger, alle gehören wir zusammen. Das ganze Leben ist Pilgerschaft auf ein ewiges Ziel hin. Am nächsten Mittag Pilgergottesdienst. Die Bota Fumeiro, das überdimensionale Weihrauchfass, wird unter Orgelgebrause geschwungen. Der Bischof spricht die Verantwortung der Pilger für die anderen an. Werden wir dieser Verantwortung genügen können? „ Deus adjuva nos“ – Gott helfe uns – wie es in einem alten Pilgerlied heißt.
Fotos: Ingrid und Dr. Reinhard Chiari
Erschienen in Wege und Ziele" - Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 20 - August 2006
„Auf den Spuren der
Hugenotten und Waldenser“
Von Dr. Renate Buchenauer
Der europäische
Kulturfernwanderweg „Hugenotten- und Waldenserpfad“ weckt das Interesse an
Geschichte wie an Gegenwartsfragen und
die Freude am Wandern und auf Kontakte mit anderen Menschen.
In den vergangenen Jahren wurde im Rahmen einer europäischen Partnerschaft ein Kulturfernwanderweg durch die vier Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Schweiz geschaffen. Er führt „Auf den Spuren der Hugenotten und Wal-denser“ – so der Titel der europäischen Kooperation – über eine Streckenlänge von insgesamt etwa 1.800 Kilometern durch die deutschen Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg, durch die Schweiz sowie die Alpen und Voralpen Frankreichs und Italiens.
Hugenotten und Waldenser – der historische Hintergrund
Hintergrund des
Kulturfernwanderwegs Hugenotten- und Waldenserpfad ist die Geschichte der
Hugenotten und Waldenser, die seit Ende des 17. Jahrhunderts ihre Heimat in
Frankreich und im heutigen Italien verließen, weil sie dort aufgrund ihres
protestantischen Glaubens verfolgt wurden.
„Hugenotten“
ist die Bezeichnung für die französischen Protestanten, Mitglieder der 1559
gegründete Reformierten Kirche. Ihr Glaube wurde stark von den Lehren Johannes
Calvins beeinflusst. Die Hugenotten wurden
als religiöse Minderheit
in Frankreich im 16. Jahrhundert zuerst verfolgt und dann seit 1598 (Edikt von
Nantes) geduldet.
König Ludwig XIV. hob 1685 dieses Edikt wieder auf, die
darauf einsetzenden Verfolgungen lösten eine Fluchtwelle von etwa einer
Viertelmillion Hugenotten in die umliegenden protestantischen Länder aus. Viele der
Flüchtenden zogen zuerst in die Schweiz und dann weiter über Schaffhausen und
Basel vor allem auf dem Rhein, aber auch über Land in Richtung Frankfurt am
Main, einer wichtigen Drehscheibe der Flüchtlingsströme. Von dort aus erfolgte
die Weiterreise in verschiedene deutsche Fürstentümer, in der Mehrzahl nach
Brandenburg-Preußen und Hessen-Kassel. Die deutschen Fürsten privilegierten die
Vertriebenen mit Steuer- und Zunftfreiheit, selbständigen
französisch-reformierten Kirchengemeinden und eigener Rechtspflege.
Die Wurzeln
der „Waldenser“ reichen
dagegen bis ins Hochmittelalter.
Der Lyoner Kaufmann Valdes, später oft als Petrus
Waldus bezeichnet,
verteilte sein Vermögen an Arme und wurde Wanderprediger. Im Jahre 1184
wurden die Waldenser als Ketzer verurteilt, ihnen drohte die Inquisition durch
die katholische Kirche. Sie mussten von da an um ihr Leben fürchten und konnten
ihrem Glauben nur noch im Untergrund nachgehen. Nur in wenigen Gebieten
überlebten die Waldenser die nachhaltigen Verfolgungen. Ihr wichtigstes Zentrum
waren einige Bergtäler in den Cottischen Alpen im Grenzgebiet zwischen
Frankreich und dem Herzogtum Savoyen. Im Jahr 1698 wurden alle Waldenser, die
französischer Herkunft waren, ausgewiesen;
viele zogen über die Schweiz nach
Württemberg und Hessen. Dort mussten sie unter zum Teil sehr harten Bedingungen
ihr wirtschaftliches Überleben als Bauern in widrigen Lagen meistern. Die
Waldenser, die Untertanen des Herzogs von Savoyen gewesen waren, konnten in den
Cottischen Alpen bleiben. So gibt es bis heute in Italien eine Waldenserkirche.
In
den deutschen Fürstentümern wurden beide Gruppen von Glaubensvertriebenen längst
nicht allein aus Gründen der christlichen Nächstenliebe willkommen geheißen:
Deutschland lag nach dem Dreißigjährigen Krieg in weiten Teilen danieder und die
Territorialherren erhofften sich von den Zuwanderern vor allem ökonomische
Vorteile. Gerade auf wirtschaftlichem Gebiet brachten die Hugenotten in der Tat
manche Neuerungen, die in Verbindung mit dem aufkommenden Merkantilismus und dem
Manufakturwesen die wirtschaftliche Entwicklung vorantrieb:
Beispiele dieses frühen „Technologie-Transfers“ liegen vor allem im Bereich
Textilverarbeitung (Strumpfwirkerei,
Hutmacherei und Seiden-herstellung),
aber auch im Buchdruck, im Uhrmacherhandwerk, im landwirtschaftlichen Sektor (Kartoffel-
und
Tabakanbau, Futterklee),
in der
Konditorei
und in der
Architektur. So gab es manche wichtige Impulse, die zur Wiedererstarkung der
wirtschaftlichen Entwicklung beitrugen. Anders war es mit der Ansiedlung der
Waldenser:
diese oft
bitterarmen Bauern konnten kaum
erfolgreiche Wirtschaftszweige einführen, sieht man einmal vom Kartoffelanbau
und der Maulbeerseidenherstellung ab.
Die
Integration der Zuwanderer erfolgte meist nur langsam. Dies hat aber zur Folge,
dass bis heute die Spuren der Ansiedlung der Waldenser und Hugenotten sichtbar
geblieben sind. Vielerorts erzählen Museen und Ausstellungen von ihrer
Geschichte. Kirchliche Traditionen und die oft auffällige städtebauliche
Erscheinung der „Kolonien“ vermitteln besondere kulturgeschichtliche Aspekte.
Viele Menschen tragen bis heute die französischen und italienischen Namen ihrer
Vorfahren und suchen bewusst nach ihren familiären Wurzeln. So kommt man vor Ort
leicht ins Gespräch über die lange Geschichte der Flucht und des Ankommens in
fremder Kultur.
Die Themen Exil,
Migration und Integration begleiten das gemeinsame kultur- und
wandertouristische Projekt „Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser“. Weil
diese Themen gleichzeitig bedeutende Zukunftsfragen für Europa beinhalten, regt
der Kulturfernwanderweg zur Beschäftigung mit entsprechenden Fragestellungen an
und soll zu einer positiven Weiterentwicklung unseres Europa-Bewusstseins
beitragen.
Projektrahmen und Partner
Das Kooperationsprojekt „Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser“ ist
aus einer 1998 gebildeten Partnerschaft von hessischen und französischen
ländlichen Regionen im Rahmen einer EU-Strukturförderung für ländliche Räume
hervorgegangen.
Heute tragen die folgenden Einrichtungen aus vier Staaten dieses gemeinsame
Vorhaben:
Der deutsche Trägerverein
„Hugenotten- und Waldenserpfad“ e.V.
die schweizerische Stiftung VIA
mit Sitz in Bern,
das Waldensische Kulturzentrum in
Torre Pellice in Italien und
der französische Trägerverein
„Sur les pas des huguenots“ mit Sitz in Die.
Diese Einrichtungen haben sich verpflichtet, gemeinsam zur Verwirklichung,
Pflege und lebendigen Gestaltung des Kulturfernwanderwegs beizutragen: mit einer
gemeinsamen Werte- und Qualitätscharta, einem Corporate Design, mehrsprachigen
Informationsblättern und einer internationalen Internet-Präsentation. Darüber
hinaus werden verschiedene Veranstaltungen gemeinsam durchgeführt.
Der
Kulturfernwanderweg greift nicht nur viele Facetten unseres europäischen
Kulturerbes in Wirtschaft, Gesellschaft, Kirche und Kultur auf. Er bietet
darüber hinaus auch Chancen für den Wandertourismus und die touristische
Entwicklung der Städte und Gemeinden an seinem Verlauf und die Chance, das
gemeinsame kulturgeschichtliche Erbe für eine zukunftsfähige Entwicklung zu
nutzen. Die Hauptziele des
Projektes sind:
Die Bewusstmachung und Vermittlung des kulturellen Erbes der Hugenotten und Waldenser zur Förderung der regionalen Identität und Stärkung der touristischen Attraktivität,
die Schaffung
eines internationalen Kulturfernwanderwegs zur Stärkung der regionalen
Wertschöpfung,
die Einbindung neuer
Projektpartner zur Ausweitung der Kooperationsmöglichkeiten,
die
Inwertsetzung des gemeinsamen Kulturerbes durch die Anerkennung als
«Europäischer Kulturweg» durch den Europarat.
Das
gemeinsame Design drückt die gegenseitige Verbundenheit der europäischen Partner
aus: eine blaue Scheibe auf einer leicht gewellten grünen Linie, auf der eine
Figur mit Hut und Stab positioniert ist. Die Scheibe geht auf den sogenannten
„méreau“ zurück, ein Zeichen als Beweis für tadellosen Lebenswandel, das eine
Teilnahme am Abendmahl ermöglichte; die Figur ist einer zeitgenössischen
hugenottischen Abbildung entnommen. Die grüne Linie schließlich steht als
landschaftliches Symbol für den Wanderweg durch Süd- und Mitteleuropa. Das Logo
des Vereins ist als Wort- und Bildzeichen geschützt. Es wird in dem entlang des
Weges angebrachten Markierungszeichen in vereinfachter Form als blaue Scheibe
mit grüner Linie wieder aufgenommen.
Der
Trägerverein in Deutschland leistet mit Themenwanderungen, Ausstellungen,
Kulturver-anstaltungen und der Herausgabe von Kartenmaterial eine breite
Öffentlichkeits- und Informationsarbeit. Er übernimmt weiterhin eine beratende
und vernetzende Unterstützung von Vereinsmitgliedern, zum Beispiel bei der
Einrichtung des Wanderwegs und seiner Vermarktung und bei der Förderung des
Wanderns als Kultur- und Naturerlebnis.
Mitglieder des Vereins können natürliche und juristische Personen sowie Personen-vereinigungen werden. Auf diese Weise ist ein dichtes Netz von lokalen Akteuren entstanden, die vor Ort dazu beitragen, dass der Weg markiert, das wandertouristische Angebot gestärkt und das Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser in das öffentliche Bewusstsein getragen wird. Ohne diese örtliche Verankerung wären die Realisierung und eine dauerhafte Zukunft des Weges nicht möglich. Deswegen bemüht sich der Trägerverein um eine lebendige Vernetzung der Partner entlang des Weges: Durch ihr gemeinsames Auftreten, gemeinsame Aktionen und eine gemeinsame Werbung bilden sich Kultur-Wander-Erlebnisräume, in denen das Kulturerbe auf vielfältige
Weise entdeckt werden
kann.
Die Route des Kulturfernwanderweges
Der
Verlauf des neuen Weitwanderwegs richtet sich nach den tatsächlichen
historischen Flucht- und Wanderwegen.
Der Charakter des historischen
Weges ändert sich allerdings im europäischen Maßstab: Während sich die
hugenottischen Flüchtlinge im französischsprachigen Gebiet teilweise heimlich
fortbewegen mussten, wurden in der Schweiz und den deutschen Territorien
öffentliche Wege und allgemein verfügbare Transportarten genutzt. Viele der
Flüchtigen kamen zu Fuß, etliche fanden erst nach verschiedenen Stationen eine
endgültige neue Heimat. Aus der Flucht wurde Schritt für Schritt und oft über
Jahre dauernd ein wirkliches Ankommen.
Von
dem Ort Poët-Laval im südfranzösischen Departement Rhône-Alpes sowie von Torre
Pellice im italienischen Piemont führt der Weg durch Savoyen bis Genf, weiter
durch die Schweiz entlang der Aare über Schaffhausen nach Deutschland. Dort geht
es durch Hegau und Baar ein Stück entlang des oberen Neckars nach Norden in den
Schwarzwald. Hier macht der Weg von Calw aus einen Bogen durch das Heckengäu,
zieht in den Kraichgau und dann weiter nach Norden in den Odenwald. Von dort
geht es weiter über das Rhein-Main-Gebiet und die
hessischen Mittelgebirge bis zum Endpunkt, der Hugenottenstadt Bad
Karlshafen an der Nordspitze Hessens. Über die lange Strecke durchquert der
Fernwanderweg unterschiedliche Kultur- und Naturlandschaften, der „rote Faden“ –
die Geschichte der hier vor über 300 Jahren entlang gezogenen Flüchtlinge -
tritt dabei immer wieder mit großer Deutlichkeit vor Augen. Und so ergibt sich
manches Gespräch, das unweigerlich von der Geschichte in die jüngere
Vergangenheit und die Gegenwart hinein zielt.
Ausblick
Die deutsche Strecke des europäischen Kulturfernwanderwegs „Hugenotten- und
Waldenserpfad“ ist inzwischen offiziell eingeweiht. Ohne die zahlreichen
Rundwege, die zu sehenswerten Kulturerbestätten abseits der Hauptroute führen,
können Wanderer nun auf 1.000 km dem Markierungszeichen zwischen Bad Karlshafen
und Schaffhausen folgen.
In Frankreich und Italien sind ebenfalls bereits größere Strecken markiert,
Kartenmaterial und Routenführer vermitteln interessantes Begleitwissen. Für die
Schweiz ist mit einer Markierung 2013 zu rechnen.
Der Trägerverein wird weiterhin die Aktivitäten seiner Mitglieder entlang
des Weges unterstützen und die Auszeichnung von Waldenser-Gaststätten und
–Herbergen mit besonderen Angeboten und Ambiente fördern. Gezielte
Veröffentlichungen in der Fachpresse sowie die Herausgabe von thematischen
regionalen Routenführern mit wander-tauglichem Maßstab und eines Wanderpasses
stärken das wandertouristische Interesse.
Praktische Hinweise
Informationen über das internationale Vorhaben sind im Internet unter
www.surlespasdeshugenots.eu
zu finden. Der deutsche
Trägerverein präsentiert sich unter
www.hugenotten-waldenserpfad.eu.
Über die Adresse
info@hugenotten-waldenserpfad.eu
kann man Anfragen zur Wegführung,
Kartenherausgabe und zu den Vereinsaktivitäten stellen, sowie
Informationsmaterial erhalten.
Fotos: Dr. Renate Buchenauer Erschienen in Wege und Ziele" - Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 38 - August 2012
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