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 am:   23.02.16

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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W a n d e r b e r i c h t e  -  S l o w a k e i

 

 

Inhaltsverzeichnis:    •  Wanderparadiese und Schlaraffenländer:

                                 Tschechien und Slowakei - Auf in den Osten

                                 Von  Günther Krämer

 

                                 Von der Kleinen Fatra bis zur West-Tatra

                                  Unterwegs auf Weitwanderwegen in der mittleren Slowakei im Sommer 2006

                                  Von Wolfgang Meluhn

 

                                 Von der West-Tatra zur Zipser Region   (1. Teil)

                                  Unterwegs auf Weitwanderwegen in der östlichen Slowakei im Sommer 2007

                                  Von Wolfgang Meluhn

 

                                 Von der West-Tatra zur Zipser Region   (2. Teil)

                                  Unterwegs auf Weitwanderwegen in der östlichen Slowakei im Sommer 2007

                                  Von Wolfgang Meluhn

 

                                 Die Ostslowakei - eine zu wenig bekannte Region Europas

                                  Vom Dukla-Pass (Grenze zu Polen) bis Prešov (Preschau).

                                  Im August 2008 unterwegs auf den Fernwanderwegen E3 und E8

                                  Von Wolfgang Meluhn

 

Wanderparadiese und Schlaraffenländer:

Tschechien und Slowakei - Auf in den Osten!

 

Als Geograph hängt man Reise- oder Wanderträumen nach. Viele dieser Träume habe ich mir in meinen jetzt 52 Lebensjahren erfüllen können. Einer steht noch aus: Zu Fuß von der Schwäbischen Alb nach Czernowitz in der Bukowina zu gehen. Nach Czernowitz ist es noch weit. Ich bin nämlich auf dem Weg dorthin in einem wahren Wanderparadies hängen geblieben! Im Frühjahr (Deutschland) und Sommer (Tschechien) 2000 sowie im Sommer 2001 und 2002 (Slowakei) habe ich folgende Landschaften durchwandert:

 

Man kann sie wie eine Perlenkette auffassen und aufzählen: Die Schwäbische Alb, das Ries, die Fränkische Alb, den Oberpfälzer Jura, das Fichtelgebirge, Elstergebirge und Vogtland, das Erzgebirge, die Sächsisch-Böhmische Schweiz, das Lausitzer Bergland, das Zittauer Gebirge, den Jeschkenkamm, das Isergebirge und das Riesengebirge, das Braunauer Land mit den Wekelsdorfer Felsen, das Adlergebirge, das Glatzer Bergland, das Altvatergebirge, die Mährische Pforte, die Mährisch-schlesischen Beskiden, die Kischützer Beskiden, die Arwa-Beskiden, die Choc-Berge, Liptau, die West-Tatra, die Hohe Tatra und die Weiße Tatra, die Zips, die Niedere Tatra und schließlich das Slowakische Paradies, die Pieninen, das Lublauer Bergland und der Cergov.

 

Einen großen Teil der Strecke bin ich allein gegangen (über 4 Wochen), wochenweise waren wir zu zweit, zu dritt, zu sechst ... Die Anfahrt und die Rückfahrt erfolgte meist mit der Bahn, nur für die letzte Rückfahrt aus der Slowakei benutzte ich den Linienbus von Bratislava nach Deutschland (sehr kostengünstig, z.B. Bratislava - Ulm für DM 85.-).

 

Übernachtet wurde je nach Möglichkeit im Massenquartier einfacher Berghütten über Dorfgasthäuser bis zum dennoch kostengünstigen slowakischen Luxushotel. Auch ohne Reservierung gab es nur selten Probleme. Nur in der Böhmischen Schweiz, im Riesengebirge und in der Hohen Tatra ist in der Hochsaison eine Reservierung ratsam.

 

Ich erspare mir eine detaillierte Beschreibung des Präludiums auf deutschem Boden (...hohe Übernachtungskosten, Probleme mit der Bahn, Teerwege sogar im Wald, schlechte Wanderkarten z.B. im Fichtelgebirge, ungeeignete Führerliteratur, arrogante und ignorante deutsche Grenzer an der grünen Grenze zu Tschechien (ich hatte wohl einen Asylanten im Rucksack versteckt?) ... Konsequenz: Wir haben wann immer möglich den E3, der auf deutscher Seite verläuft, verlassen und sind schon im Erzgebirge auf tschechischem Gebiet, möglichst in Kammnähe durch beinahe menschenleere Vogelbeerwälder und Hochmoore

 

gewandert, haben sehr gut gegessen und günstig übernachtet. Gab es Probleme, haben die freundlichen Tschechen, so gut es ging, geholfen, was man von den deutschen Landsleuten nicht oft behaupten kann.

 

Die Böhmische Schweiz ist für unsere sächsischen Landsleute ein äußerst kostengünstiges Urlaubsgebiet, daher waren hier die Quartiere meist ausgebucht. Aber schon das Lausitzer Bergland, nur wenige Kilometer östlich, ist als Urlaubsgebiet nicht mehr gefragt. Dafür sind hier vor allem am Wochenende die Tschechen mit Kind und Kegel, Rucksack, Eimer und Korb unterwegs, einfach zum Erholen in der Natur, aber vor allem zum Pilze- und Beerensammeln. Im Jeschkengebirge nicht versäumen: eine Übernachtung im futuristischen neuen Hotel Jeschkenturm (Ješted) und dann als Kontrast in Reichenberg/Liberec das „Praha“, -ein original erhaltenes Jugendstilhotel inkl. Innenausstattung!

 

Im Isergebirge bedrückt den ökologisch interessierten Menschen der völlig abgestorbene Wald. Zum Pflichtprogramm gehört ein Besuch in Klein-Iser bei dem Weitwanderpionier Gustav Ginzel in seinem berühmten Misthaus. Leider ist Gustav äußerst selten daheim, beim letzten Versuch leider wegen einer Krankheit. Alles Gute für Gustl! Danach anschließend wieder ein Kulturschock im Skizentrum Harrachsdorf/Harrachov.

 

Das Riesengebirge bietet eine perfekte Infrastruktur für den Wanderer. Die schönsten alten Bauden liegen auf der polnischen Seite, werden aber leider nicht besonders gut geführt, außerdem sind die Preise um ein Vielfaches höher als auf der tschechischen Seite, wo vor allem das Angebot an Speisen beeindruckt! Reifträgerbaude, Elbequelle, Schneekoppegipfel gehören zum Pflichtprogramm. Bei der letzteren muss man sich nur in die Schlange einreihen. Menschenmassen sind hier unterwegs. Hauptgrund sind die Sessellifte, die von polnischer und tschechischer Seite heraufführen. Die Aussicht vom Gipfel wird nur durch die Erdkrümmung begrenzt, wenn es klar ist!

 

Viel ruhiger geht es auf der Ostabdachung des Riesengebirges zu, wo Schatzlar und Trautenau wichtige Etappenorte sind, wo man von nicht vertriebenen Sudetendeutschen Nachhilfe in Geschichte bekommt und ihre Gastfreundschaft genießen darf, die nicht geringer ist als die der Tschechen Beeindruckend die Städte: Aus einem Guss: Neustadt an der Mettau, eine Architektur-Lehrstadt: Nachod. Kontrastprogramm: Das Sandstein-Naturwunder der Wekelsdorfer-Teplitzer Felsenstadt, wo die Erosion ein Felsenlabyrinth geschaffen hat, das die Böhmisch-sächsische Schweiz an Formenvielfalt leicht in den Schatten stellt.

 

Szenenwechsel: Das Adlergebirge, weiche Formen, unendliche Wälder, kaum Menschen.

 

Manchmal wechsle ich auf die polnische Seite der Grenze, wo Landwirtschaft wie vor 100 Jahren betrieben wird, wo Buchweizen, Hafer und Mohn noch häufige Kulturpflanzen sind, und wo das Pferd als Nutztier und nicht zum Vergnügen gehalten wird, wo Landmaschinen im Einsatz sind, die bei uns nur noch im Museum bewundert werden können.

 

Im Altvatergebirge wiederholt sich die Landschaft des Riesengebirges: baumlose Höhenrücken, Wolkenspiele, Wind, aber auch die unendliche Aussicht auf alle Seiten und Heidelbeeren, bis der Magen platzt. Bei Römerstadt/Rymarov ein Übernachtungshighlight, die Alfredshütte, bestens renoviert und gut geführt von jungen Leuten, wie so viele der tschechischen Hütten. Danach geht es ins mährisch-schlesische Hügelland hinaus, keine Sensationen, aber tschechisches Problemgebiet: höchste Arbeitslosenquote, Abwanderung, Sanierungsbedarf. Auch die alte Hauptstadt von Österreichisch-Schlesien, Troppau/Opava mit ihren Adelspalästen macht da keine Ausnahme. Beethoven hielt sich hier oft auf. Das von ihm bewohnte barocke Haus in der Beethovenstraße benötigt dringend einen Investor! Und erst recht die Industrie- und Bergbaustadt Ostrau: Grau in grau, Gestank der ungefilterten Abgase von Kohlekraftwerken und Hüttenwerken.

 

In den Beskiden trifft man keine Landsleute mehr; nur noch Polen, Tschechen und Slowaken wandern hier in den einsamen Bergen, wo das Bärenfell und der ausgestopfte Luchs zur Hütteneinrichtung gehören. Riesige Steinpilze, die man sammeln und der Hüttenwirtin fürs Abendessen mitbringen kann - es wird nur gut gekocht! - und Heidelbeeren erschweren das Vorwärtskommen. Die Beskiden darf man sich nicht als einheitliches Mittelgebirge vorstellen. Es handelt sich vielmehr um eine Vielzahl von Einzellandschaften, die sich in Vegetation, Waldbestand, Nutzung und Besiedlung unterscheiden. Tief eingeschnittene Talsenken trennen die einzelnen Mittelgebirge voneinander. Der Kulturschock bleibt aber nicht aus, wenn man von einer Beskidenhöhe herunter auf die Plattenbaustädte der Zeit vor 1989 blickt. Dann versteht man auch, dass jeder Tscheche und Slowake seine „chata“ braucht, seine Hütte weit draußen in der Natur, wo er sommers und winters die Wochenenden und den Urlaub verbringt. Und Natur gibt es pur! Bärenspuren und die Reviermarkierungen des Luchses findet man nicht selten.

 

Durch die breite Arwa -Senke verlässt man die West-Beskiden. Die Berge am Horizont werden schroffer: Die Kleine und die Große Tatra und die Choc-Berge grüßen! Das Gestein ändert sich. Durch die Kalkstein-Schlucht der Prosiecka dolina steigt man teils im Wasser, teils über dem Wasser, vorbei an Karstformen (Ponore, starke Karstquellen, Dolinen, verschiedenste Kleinformen ...) hinunter zum Ufer des Liptauer Meeres, einem großen Stausee.

 

Weil es so schön war, geht es am nächsten Tag durch die nächste Schlucht, die Kvacianska dolina, wieder hinauf. Der Gesteinswechsel von Urgestein zu Kalk drückt sich auch in der Botanik aus: schönste Blumenwiesen mit Orchideen, Glockenblumen, Enzianen, Habichts- und Ferkelkraut, Thymian, Dost (der in riesigen Mengen gesammelt wird) ... Über das Glasbläserdorf Huty geht es in den Nationalpark Hohe Tatra (TANAP). Die TANAP-Verwaltung gibt sehr gute Informationsmaterialien auch in deutscher Sprache heraus. Wichtig: Hinweise auf das Verhalten bei Begegnungen mit Braunbären, es gibt noch rund 50 davon in der Hohen Tatra. In Tatranska Kotlina fressen die Bären nachts die Mülleimer leer! Uns sind leider weder Bären noch Luchse noch Wölfe begegnet.

 

Wir steigen auf den 1805 m hohen Sivy vrch, den Westpfeiler der Tatra, die hier aus Kalkstein besteht und entsprechend einen Blumenreichtum bietet, den man sonst kaum findet. Aber auch die Karstformen, vor allem die Dolinen und Schächte in Kammnähe sind beeindruckend. Dafür ist der Weg ins Tal lang und anstrengend, aber aussichtsreich.

 

Eine Überquerung der West-Tatra ist wegen fehlender Hütten nur mit dem Zelt möglich. Aber es gibt eine schöne Alternative, die Tatra-Magistrale. Sie führt am Fuß der Tatra, im Westen in rund 800 m Höhe, dann ansteigend auf etwa 1100 m und im Osten dann in 2000 m immer am Südrand der Tatra entlang. Wir nutzen diese Magistrale, an der man beste Übernachtungsmöglichkeiten findet (außer in Podbanske) und machen immer wieder Abstecher ins Hochgebirge hinein.

 

So steigen wir zum Großen Hinzensee/Velké Hincovo pleso hinauf, genießen die Aussicht von Východná Vysoká (2429 m) und vom Jahnací stít (2230 m), liegen am Batizovské pleso und an anderen, Meeraugen genannten Karseen, die so typisch für die Hohe Tatra sind.

 

Die Wege sind zum Teil ausgesetzt und abenteuerlich mit Ketten gesichert. Diese Sicherungen sind sogar in der slowakischen Karte 1 : 50 000 zuverlässig eingetragen. Aber auch auf dem schwierigsten Weg sind unglaublich viele Menschen, alte und junge, Pärchen, Familien mit Kindern, Slowaken und Polen, unterwegs. Alle sind fröhlich, freundlich. Auf dem Gipfel wird geteilt: Bier, Essen, Schokolade, Schnaps, man fotografiert sich gegenseitig, tauscht die Telefonnummer und die Adresse aus, und - wie ich später selber erfahren durfte - besucht sich gegenseitig. Geht man an einer am Weg rastenden Wandergruppe vorbei, sagt „ahoj“ (Hallo) oder „dobry den“ (Guten Tag), streckt sich einem schon eine Hand mit Schokolade, Keks oder Bonbons entgegen.

 

Vielseitig ist das Übernachtungsangebot: Vom futuristischen Hotel Panorama (eine auf die Spitze gestellte Pyramide) in Strbske Pleso über einfache Berghotels wie das Schlesierhaus bis zu richtigen Berghütten (Zelenom plese, Popradskom pleso, Zbojnicka chata = Räuberhütte ...) reicht das Spektrum.

Der Ostteil der Tatra, die Weiße Tatra, ist ein Totalreservat. Erst seit einigen Jahren ist ein Weg für Wanderer (gegen Eintritt) geöffnet worden. Aber dieser Weg darf nur von Ždiar aus begonnen werden. Während die ganze zentrale Hohe Tatra aus Granit besteht, besteht die Weiße Tatra wieder aus Kalkstein und dazwischen liegenden Mergelschichten, was wieder eine äußerst große Pflanzenvielfalt zur Folge hat. Da kaum Menschen unterwegs sind, sind die Tiere überhaupt nicht scheu: Tatragämsen nähern sich neugierig bis auf wenige Meter!

Ein weiterer Höhepunkt ist in Tatranska Kotlina die große Tropfsteinhöhle Belianska jaskyna mit schönsten Kalksinterformen und riesigen Hallen.

 

In Ždiar beginnt die Zips/Spiš, eine schon vor 800 Jahren gleichzeitig von Deutschen, Slowaken und anderen Völkern besiedelte Landschaft. Städte wie Levoca/Leutschau, Podolinec und Kezmarok/Käsmark beeindrucken durch ihre Kunst- und Baudenkmäler. Stellvertretend dafür sei hier nur die Jakobskirche in Levoca/ Leutschau genannt, eine Perle der Gotik mit dem größten gotischen Flügelaltar! Die Zips ist ein eigenen Bericht wert.

 

Hier habe ich meinen Weg nach Osten unterbrochen: Ich habe mich in die Slowakei verliebt! Ich fahre mit der Bahn zurück nach Ružomberok/Rosenberg und "drehe eine Ehrenrunde" durch die Niedere Tatra und das Slowakische Paradies, gemeinsam mit einer slowakischen Wanderfreundin, die mir unglaublich viel über ihre Heimat erzählt. Erst durch sie kann ich die Begeisterung der Slowaken für das Wandern und die Natur so richtig verstehen.

 

Vom Salatin (1630 m), dem Westpfeiler der Niederen Tatra, geht es immer mit Abstiegen ins Tal und daher sehr anstrengend, da es in diesem Bereich keinerlei Hütten gibt, zur Demänovská dolina, einem Karst-Dorado mit rund 30 km Höhlen, davon 4 über mehrere Kilometer erschlossene Tropfstein- und Eishöhlen. Den Aufstieg zum Chopok erleichtert ein Sessellift. Aber bald gibt es wieder Natur pur um den höchsten Gipfel der Niederen Tatra, den Dumbier (2043 m). Übernachtet wird auf der chata Stefanika, wo wieder Freundschaften geschlossen werden.

 

Einsamer geht es dann weiter bis zum „Slowakischen Paradies“, einer Teillandschaft des Slowakischen Karsts, wo wir in der schönen Pension Lesnica Standquartier nehmen und das Paradies auf Rundwanderungen erkunden. Wandern bedeutet hier höchst unterschiedliches: Höhenwanderungen mit Aussicht von hohen Kalkfelsen wie am Albtrauf bei uns, es heißt aber auch, auf Holzleitern tiefe, von Bächen durchflossene Schluchten hochzusteigen (eindrucksvoll die Suchá Belá), oder auf an die Wand gedübelten Gitterrosten Felswände über reißenden Flüssen entlang zu hangeln (Prielom Hornádu).

 

Inzwischen hat uns der Weg nach Osten über die menschenleere und völlig bewaldete Zipser Magura an den Dunajec-Fluss geführt, in den Pieninen-Nationalpark, ins Leutschauer Gebirge, ins Lublauer Bergland und schließlich in den Cergov. Endstation war 2002 Bartfeld/Bardejov.

 

Die Etappen waren 15 bis 30 km lang, es waren bis zu 1450 Höhenmeter Anstiege zu bewältigen (Hohe Tatra). Nachstehend die Etappenorte:

 

Heidenheim/Brenz - Neresheim - Nördlingen - Harburg - Wemding - Heidenheim/Mittelfranken - Treuchtlingen - Weißenburg - Thalmässing - Berching - Deining - Neumarkt Obpf. - Altdorf - Hersbruck - Spies/Schermshöhe - Pottenstein - Glashütten - Bayreuth - Warmensteinach - Großer Waldstein - Schönwald - Bad Brambach - Klingenthal-Aschberg - Johanngeorgenstadt - Stolzenhain/Haj pod Klinovecem - Satzung - Olbernhau - Fischerbaude bei Holzhau - Mückentürmchen/Komari Vizka bei Graupen/Krupka - Tisa/Tyssa - Mezni Louka - Chribska - Oybin - Jeschken/Jested - Reichenberg/Liberec - Klein-Iser/Jizerka - Reifträger-Baude/Szrenica - Schneekoppe/Schronisko Strzecha Akademicka - Schatzlar/Zacler - Radowenz/Radvanice - Police an der Mettau - Neustadt an der Mettau/Nove Mesto n. M. - Deschney/Destne v Orlicky horach - Rocknitz/Rokytnice - Grulich/Kraliky - Georgsschutzhaus/Jiriho-Bauda auf der Hochschar/Serak - Alfredhütte/Chata Alfredka bei Römerstadt/Rymarov - Budisov - Troppau/Opava - Ostrau/Ostrava - Frydek-Mistek - Hnojnik - Horni Lomna - Cadca - Velka Raca - Oravska Lesna - Kubinska hola - Liptovsky Mikulás - Bobrovecka Vapenica - Podbanske - Strbske Pleso - Sliezsky dom - Hrebienok - Chata pri Zelenom plese - Zdiar - Leutschau/ Levoca - Rosenberg/Ruzomberok - Malinné/Vlkolinec - Salatin/Ruzomberok - Liptovský Mikulás - Jasna - Dumbier/Chata Stefanika - Certovica - Cingov (Standquartier für Rundwanderungen im Slowakischen Paradies) – Zdiar – Magurske sedlo – Spisska Stara Ves – Lesnica – Velky Lipnik – Hiezdne / Stara Lubovna – Maly Lipnik – Circ / Obrucne – Livov – Krize – Hervartov - Bardejov .

 

 

Bücher und Karten zum Thema

 

Tschechien und die Slowakei sind wahre Wanderparadiese, vor allem die Mittelgebirge im Norden und das kleinste Hochgebirge der Welt, die Hohe Tatra, bieten alles, was des Weitwanderers Herz erfreut: Gute Karten, hervorragende Führer, gut bezeichnete und schön geführte Wanderwege, Möglichkeiten zum Übernachten, Einkaufen und Einkehren, dazu freundliche Menschen und ein funktionierender öffentlicher Personennahverkehr. Leider sind die tschechischen KCT-Karten derzeit nur in Tschechien erhältlich, hier aber in jeder Buchhandlung (meist das komplette Programm) und in Hütten, Hotels, Dorfläden (die Karten der jeweiligen Region).

 

Die slowakischen VKU-Karten wie auch die Dajama-Führer gibt es im Internet-Buchhandel bei www.slovakia-online.com.

 

Die Führer von A. & K. Micklitza, sie umfassen den Weg von der Elbe bis zum Altvater, kann man in guten Buchhandlungen bestellen:

 

Karten:

 

Für beide Länder liegt flächendeckend eine Wanderkarte im Maßstab 1 : 50 000 vor, die laufend aktualisiert wird und neben den bezeichneten Wanderwegen auch Unterkunftsmöglichkeiten und andere für den Wanderer wichtige Infrastrukturhinweise enthält. Die Karten sind sehr genau und nahezu fehlerfrei. Beeindruckend, wie exakt die Wegmarkierung in der Landschaft mit der Angabe in der Karte übereinstimmt.

 

Slovenská Republika, Edícia Turistických Máp 1 : 50 000, Vojenský kartografický ústav

(VKU), Harmanec, Preis in der Slowakei 89 Kronen, das sind 2,10 Euro.

 

Klub Ceských Turistú, Edice Klubu Ceských Turistú, Turistická Mapa 1 : 50 000, ebenfalls produziert von VKU in Harmanec, Preis in Tschechien 79 Kronen, das sind 2,20 Euro.

 

 

Führer:

 

Allgemein kann man sagen, dass die im Buchhandel angebotenen Führer (Rother, Dumont, Trescher usw.) für Weitwanderer völlig ungeeignet sind, da sie kaum aktuelle praktische Hinweise enthalten und die Landeskunde völlig vernachlässigen. Einzige Ausnahme stellen die von Kerstin und André Micklitza aus Cottbus verfassten Führer dar. Aus ihrer "Feder" stammt auch die Wanderseite von www.slovakia-online.com , einer außergewöhnlich gut gelungenen Webseite, wo man auch Wanderkarten und Bücher bestellen kann.

 

Zur allgemeinen Reisevorbereitung wichtig, gute praktische Hinweise, Hintergrundinformationen, Tipps für Wanderer, Internetadressen, Tel.- und Faxnummern, etwas Landeskunde, aber rucksackgerecht klein:

 

Kerstin & André Micklitza: Slowakei. Reisehandbuch. Conrad Stein Verlag, 3. Aufl. 2001.

ISBN 3-89392-272-5

 

Kerstin& André Micklitza: Tschechien. Reisehandbuch. Conrad Stein Verlag, 2. Aufl. 1996, ISBN 3-89392-241-5, derzeit vergriffen, aber manchmal noch erhältlich und besser als Neuauflagen anderer Führer!

 

Wanderführer mit landeskundlichen Informationen, Telefonnummern usw., einfach gut:

 

Kerstin & André Micklitza: Durchs Prebischtor zur Schneekoppe.

den Westsudeten. Lusatia Verlag Bautzen, 2. Aufl. 1998, ISBN 3-929091-25-9

Kerstin & André Micklitza: Von der Schneekoppe zum Altvater. Wanderungen in den Mittel- und Ostsudeten. Lusatia Verlag Bautzen, 1997, ISBN 3-929091-46-1

 

Wer nun glaubt, er hat optimale Wanderliteratur erstanden, der wird in der Slowakei eines Besseren belehrt.

 

Erschienen in "Mitteilungsblatt" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 9 - Dezember 2002

 

 

Von der Kleinen Fatra bis zur West-Tatra

 

Unterwegs auf Weitwanderwegen in der mittleren Slowakei im Sommer 2006

 

Von Wolfgang Meluhn

 

Freitag, 18.08.06: Heidelberg – Bratislava

 

„Bärenfamilie hält Dorf in Atem“,

so lautete die Überschrift eines Zeitungsberichtes des Mannheimer Morgen am 01. August 2006. Eine Bärin und ihre drei Jungen haben ihre Menschenscheu weitgehend abgelegt und verunsichern seit Wochen ein Dorf nahe der Kleinstadt Martin (St. Martin in der Turz) in der Mittelslowakei. Innerhalb weniger Tage hatten die Bären auf mehreren Bauernhöfen sechs Schafe gerissen. Die Situation erinnerte an den Fall des in Bayern erschossenen Braunbären „Bruno“. Die Zeitungsnachricht stieß in unserer Wandergruppe auf großes Interesse, denn die diesjährige Fortsetzung auf dem E3-Fernwanderweg erfolgte von Martin aus.

 

Am 18.08.06, spät vormittags, saß der harte Kern der E3-Wanderer, Wolfgang, Klaus, Harald, Eugen und Felix im Intercity von Heidelberg nach Stuttgart. Mit der S-Bahn war kurz vor 13:00 Uhr der Stuttgarter Flughafen erreicht. Mit der Czech-Airlines ging es dann am Nachmittag über Prag nach Bratislava (Pressburg). Eigentlich sollte der Flug mit der SkyEurope erfolgen – zumindest hatten wir Flugtickets dieser Gesellschaft – aber die Fluggesellschaft hatte ohne Vorankündigung den Flugbetrieb nach Bratislava eingestellt.

 

Samstag, 19.08.06: Bratislava (Pressburg) nach Martin

 

Eine mehrstündigen Stadtführung durch Bratislava war der Auftakt, wobei wir auch dem meist fotografierten Mann der Stadt einen Besuch abstatteten.

 

Es ist „Der Gaffer“, der aus einem Gully das Treiben auf der Straße beobachtet. Anschließend fuhren wir mit dem Zug nach Vrútky. Dankbar waren wir über die reservierten Plätze, denn der Zug war mit Fahrgästen überfüllt. Überhaupt sind in der Slowakei Busse und Bahnen in der Regel sehr voll. Viele Leute haben kein Auto und die Fahrpreise sind sehr günstig. In Vrútky wurden wir von einem Mitarbeiter des Hotels Martinské Hole, oberhalb von Martin (St. Martin in der Turz), abgeholt.

 

Sehr angenehm überrascht waren wir vom Erscheinungsbild des Hotels. Welch ein Kontrast zum Jahr vorher. Es war renoviert und außen und innen neu gestrichen.

 

Vom fünften Stock aus war eine herrliche Aussicht bei dem schönen Wetter über Fichtenwälder hinweg auf die Berge der Malá Fatra. Niemand verschwendete noch einmal einen Gedanken an die „Sintflut“ vom letzten Jahr, wo Nebel und Regen keine Fernsicht ermöglichten.

 

Sonntag, 20.08.06: Martinské Hole nach Strečno

 

„Wahren Genuss von einer Reise hat nur der Fußwanderer“, stellte bereits in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts Karl Baedeker fest. Spaß an der Bewegung und der Reiz des Einfachen – zum Wandern braucht´s gar nicht viel, nur einen Fuß vor den anderen setzen. Verkehrslärm und viel Asphalt nerven uns Wanderer, genauso langes Gehen durch triste Wohnsiedlungen. Beste Wanderbedingungen bietet der Europäische Fernwanderweg E3. Stille, naturbelassene Wege auf Waldboden, Gras oder Erde, schmal, kurvig, abwechslungsreich und mit reichlich Ausblicken.

Gut ausgeschlafen liefen wir zunächst von unserem Hotel (1.250 m) die vom Vorjahr bekannte gelb markierte Asphaltstraße hinauf zum Sender Križava (1.457 m). Zu unserer Freude graste auch wieder die große Kuhherde mit Glocken um den Hals am Wiesenhang. Auf dem Kamm der Lúčanská Malá Fatra (Lutschauer Kleine Fatra), unweit des Gipfels Veľká Lúka (1.476 m), trafen wir dann auf den schmalen Höhenpfad des E3 und folgten seiner roten Markierung. Der Nebel lichtete sich langsam und gelegentlich hatten wir herrliche Aussicht auf die unter uns liegenden Täler, Orte und entfernte Berge. Rispengras, Zwergkiefern, Heidelbeer- und Preiselbeerbüsche prägen die Landschaft. Immer wieder stießen wir an diesem Tag auf Gruppen von Heidelbeersuchern, darunter auch auffallend viele junge Leute. Mit großen Drahtkämmen werden die Beeren von den Sträuchern „gekämmt“. Die Drahtkämme sind in auch in der Slowakei aus Naturschutzgründen verboten.

 

Über leichtes Gefälle ging es bergab in die Tannen- und Fichtenwaldzone, und danach begann der steile Aufstieg zum Gras bedeckten Minčol (1364 m). Hier machten wir Rast und genossen die grandiose Rundumsicht.

 

Auf dem Weitermarsch kurz danach besichtigten wir einige Flakgeschütze und Granatwerfer der slowakischen Partisanen aus dem Jahre 1944. Von hier oben aus konnte das strategisch bedeutende obere Waagtal – ein wichtiger Verbindungsweg zwischen Žilina (Sillein) und dem Osten der Slowakei – kontrolliert werden.

 

Kurz vor dem Sedlo Javorina (967 m) ging es dann sehr steil hinunter, Geröll und Baumwurzeln erschwerten das Wandern zusätzlich. Weiter abwärts war bald darauf der Pass Sedlo Rakytie (703 m) erreicht. Knie und Oberschenkel wurden dann im Schlussabschnitt durch das extreme Gefälle bis zu einer Teerstraße noch einmal stark belastet.

 

Ein frisches Starobrno-Pivo (Tschechisches Bier) hob jedoch wenig später in einer Gaststätte am Ortseingang von Strečno unsere Stimmung. Bei dem schönen Wetter konnte man im Freien sitzen und auch viele Einheimische waren unterwegs. Übernachtet wurde in der Penzión Irenka, wo wir auf der Terrasse, direkt am Vah (Waag) gelegen, den Abend ausklingen ließen. 1000 m Abstieg hatten wir heute bewältigt, und wir schliefen wie die Murmeltiere.

 

Montag, 21.08.06: Strečno zur Chata pod Suchým

 

Dort, wo die Waag sich tief in die Kleine Fatra eingegraben hat, entstand im 14. Jh. hoch über der Flussschleife die Burg Strečno. Sie ist Blickfang und Touristenziel Nr. 1 in dem Ort. Betrachtet man die wehrhafte Burg auf dem steilen Felssporn vom gegenüber liegenden Waagufer aus, sieht man drei sich versetzt nach oben erstreckende Burgbereiche. Im Mittelalter trieben hier Raubritter ihr Unwesen. Im 17. Jahrhundert wurde von der Burg ein Aufstand gegen die Habsburger vorbereitet. Nach dessen Niederschlagung wurde die Burg von kaiserlichen Truppen gesprengt. Sie ist nationales Kulturdenkmal und seit 1993 für die Allgemeinheit zugänglich. Im Inneren befinden sich zwei Museen und allein schon wegen der wunderbaren Aussicht lohnt sich ein Besuch.

 

 

Für uns stand heute noch ein besonderes Erlebnis bevor - eine Floßfahrt auf der Váh (Waag). Um 10:00 Uhr morgens fuhren wir mit drei jungen Männern in einem Kleinbus etwa sechs Kilometer flussaufwärts. Dort bestiegen wir ein aus geschälten Fichtenstämmen zusammengezimmertes Floß von etwa 8 m Länge und 4 m Breite. Zusätzlichen Auftrieb erhält das Floß durch angehängte Fässer. Auf hölzernen Sitzbänken ohne Rücken- bzw. Armlehnen nahmen wir Platz. Unsere zwei Begleiter trugen jetzt eine slowakische Flößertracht. Einer übernahm das Steuerruder am Heck, der andere das Ruder am Bug. Nach wenigen Ruderschlägen befanden wir uns in der Mitte der Waag, die hier ungefähr 30 m breit ist. Schwimmwesten hatten wir keine bekommen, denn das Wasser ist jetzt im August je nach Wetterlage nur zwischen 40-60 cm tief. Gefährlich war die Fahrt also nicht. Der Fluss windet sich jedoch durch mehrere Schlingen und in den Kurven, wo das Wasser schneller fließt, gibt es kleinere Stromschnellen. Überschwappendes Wasser und Wasserspritzer, je nach Sitzplatz, sind als Gaudi im Fahrpreis inbegriffen. Auch wir selbst durften kurzzeitig das Ruder übernehmen. Fischreiher lauerten im Uferwasser auf Beute, auch viele Bachstelzen und einen Kormoran konnten wir beobachten. Die mächtigen Felswände rechts und links des Tales zeigten deutlich, wie stark das Wasser im Laufe von Millionen das harte Gestein der Malá Fatra ausgewaschen hatte. Wie ein Schwalbennest am steilen Berg wirkte die „Starý hrad“ (Alte Burg). Im 13. Jh. war sie Zentrum eines Herrengutes. Durch Umsiedlung des Geschlechts im 16. Jh. verfiel die Burg allmählich. Im Schlussteil der Floßfahrt wurde noch einmal die beherrschende Lage der Burg von Strečno deutlich.

 

 

 

 

 

Mit den Rucksäcken marschierten wir wenig später über die Fußgängerbrücke. Unter uns sahen wir Forellen im Wasser der Váh (Waag). Sie ist mit ca. 400 km Länge der längste Fluss der Slowakei und mündet bei Komárno (Komorn) im Süden des Landes in die Dunaj (Donau). Zügig schritten wir voran, denn es stand ein Aufstieg von 320 m auf 1.075 m bevor. Rechts rauschte die Waag, links wechselten sich Kartoffel-, Bohnen-, Erbsen-, Rüben- und Kleefelder ab. Unter zwei Eisenbahnbrücken ging es hindurch und dann recht bald steil einen engen Hangweg hinauf. Einen atemberaubenden Ausblick auf das Waagtal hatten wir von der Starý hrad (Alte Burg). Heute morgen genossen wir die Aussicht direkt tief unter uns vom Floß aus nach oben, jetzt nach unten. Beim weiteren sehr steilen Aufstieg blieb uns die gute Sicht noch eine Weile erhalten, allerdings floss jetzt auch der Schweiß in Strömen. Nach einer Pause an einer Wegkreuzung fing es an zu regnen, 15 Minuten später sahen wir jedoch bereits durch die Bäume vor uns oben am Bergabhang unser Tagesziel – die Hütte Chata pod Suchým (1.080 m). Wir erfrischten uns an kühlem Quellwasser aus einem hölzernen Rohr und ließen noch einmal den Blick in die Täler und auf die Fatra-Berge schweifen.

 

Die Landschaft steht seit 1988 unter Naturschutz und ist mit 226 km2 als Národný park Malá Fatra (Nationalpark Kleine Fatra) eingestuft. Um 21:00 Uhr wurde ein Dieselmotor angeworfen, der bis um 22:00 Uhr Strom für die Beleuchtung lieferte. Pünktlich um 22:00 Uhr geht das Licht aus. Im Dunkeln nachts die Holztreppe hinunter und den Flur entlang zum WC war ein hervorragendes Training, um alle Sinne zu schärfen. Sehr interessant sind die menschlichen Begegnungen auf Berghütten, die aufgrund der Enge der Räumlichkeiten zwangsläufig zustande kommen. Am Spätnachmittag kamen wir mit einer Wiener ÖAV-Wandergruppe ins Gespräch. Auch die Österreicher sind, wie wir, von der Fatra begeistert und öfters hier unterwegs. Die Hüttenwirtin teilte uns mit, sie habe schon öfters Braunbären aus der Ferne gesehen. In den harten Wintern seien auch schon Bärenspuren direkt an der Hütte im Schnee gesehen worden. Gestern sei in den Nachrichten gekommen, ein Braunbär habe einen 63-jährigen Wanderer ganz in der Nähe bei Ružomberok angegriffen und getötet.

 

Dienstag, 22.08.06: Chata pod Suchým zur Chata Vrátna

 

Eine Traumstrecke!

Für uns der Höhepunkt der gesamten Sommerwanderung. Der Aufstieg zum höchsten Gipfel der Kleinen Fatra, dem Veľký Kriváñ (1.709 m), bietet höchsten Wandergenuss. Eier und Speck, unser Lieblingsfrühstück, und dazu war uns auch noch Petrus hold. Bei diesen idealen Ausgangsbedingungen waren wir nicht die Einzigen, die kurz nach 09:00 Uhr von der Berghütte aus aufbrachen. Im Eingangsflur, wo die Wanderschuhe aller Übernachtungsgäste in Regalen standen, herrschte rege Betriebsamkeit. Zunächst schritten wir an einem Grashang eines Skiliftes mit sehr starker Steigung hinauf. Kleine An- und Abstiege wechselten sich jetzt ab. Plötzlich war der Wald zu Ende und wir standen vor einer mächtigen sandigen Felswand. In Serpentinen ging es dann im Gänsemarsch hinauf zum Sedlo Vráta (1.462 m). Hinter uns sah man die Veľká lúka mit dem Sender Krížava und die Einschnitte des Waagtals, vor uns den Malý Kriváñ und den Veľký Kriváñ.

 

Der E3-Fernwanderweg verläuft hier oben direkt auf dem Kamm der Berge mit phantastischem Ausblick rundum, ein Wandertraum wird wahr. Durch Zwergkiefern führte uns jetzt ein Felsenpfad hoch zum Malý Kriváñ (1.671 m). An der Nordwand (links vom E3) befinden sich fast senkrecht abfallende Lawinenhänge. Oben gönnten wir uns eine kleine Ruhepause und genossen das zauberhafte Panorama, das umliegende Gebiet aus der Vogelperspektive. Wunderschön und gut überschaubar ist auch der Blick auf den weiteren Kammweg des E3 hinüber zum nur 38 m höheren Veľký Kriváñ. Auch zahlreiche andere Wandergruppen waren zwischen dem Kleinen und Großen Kriváñ unterwegs.

 

Im Indianermarsch wanderten wir weiter auf dem Grat des Berghanges entlang. Kleinere Felsgruppen mussten durchklettert werden. Nach einem kleinen Abstieg machten wir im Schutz von einigen Felsblöcken auf der Wind abgewandten Bergseite in einer Wiese Mittagspause. Gut ausgeruht und tatendurstig traten wir dann zum Endspurt über einen lang gestreckten Steilhang hinauf zum höchsten Berg der Fatra an. Ab einer Wegkreuzung, von der aus man die Bergstation der Seilbahn sah, gesellten sich auch viele Ausflügler zu uns. Eine wahre Völkerwanderung war an diesem Tag zum Gipfel unterwegs.

 

Die Hänge des Veľký Kriváñ bedecken großteils Wiesen, stellenweise auch Knieholz. Von den Aussichtsgipfeln können ein großer Teil der Nordslowakei und selbst die höchsten Bergspitzen Nordmährens (Altvater, Schneekoppe) bewundert werden.

 

Beim zehnminütigen Abstieg zur Seilbahnbergstation fing es langsam an zu regnen. Auf der Fahrt nach unten schüttete es dann aus allen Kübeln. Glücklicherweise befand sich die Chata Vrátna, unser Hotel, direkt an der Talstation. Die Dusche war gewöhnungsbedürftig und auch nachts im Dunkeln zum WC zu tappen, hatten wir glücklicherweise bereits auf der Berghütte am Tag zuvor geübt. Am nächsten Morgen fand Klaus die Ursache. Ein Hauptstromschalter hätte vorher im Flur eingeschaltet werden müssen.

 

Mittwoch, 23.08.06: Chata Vrátna nach Štefanová

 

Es gibt nicht nur einen „schmutzigen Donnerstag“, auch ein Mittwoch kann richtig schmutzig sein. Heftige Regenschauer klatschten an die moderne Seilbahngondel, als wir morgens bei 8° C von der Chata Vrátna (750 m) wieder hinauf zur Bergstation (1.490 m) fuhren. Da wir die einzigen Fahrgäste waren – bei diesem schlechten Wetter kein Wunder – hatten wir schon befürchtet, die Bergbahn sei eventuell heute nicht in Betrieb. Jetzt bewährten sich unsere Gamaschen und die speziellen Regenponchos. Gestern herrschte noch beste Fernsicht, heute betrug die Sichtweite jedoch nur noch etwa 10 m. Nebel wohin man auch blickte. Hinzu kam ein starker Wind, der immer wieder neue Regenwolken und Nebelschwaden mitbrachte. Nach wenigen Schritten erreichten wir den Pass Snilovské sedlo (1.524 m). Der Große Kriváň rechts hinter uns ließ sich in der Nebelwand nur erahnen. Wir bogen nach links ab (nach Osten) in den rot markierten E3-Kammpfad, auf dem Stangenmarkierungen die Orientierung erleichtern. Durch Knieholz (Krüppelkiefern), größere Felsgebilde und Gras ging es im Wechsel hinauf zum Gipfel des Chleb (1.646 m). An steilen Lawinenhängen vorbei wurden nicht lange danach die Felsspitzen des Hromové (1.636 m) erreicht. Ganz kurz rissen jetzt die Nebelwände auf das Tal hin etwas auf und wir sahen den Ort Štefanová (625 m) und etwas oberhalb davon unser Etappenziel – das Hotel „Boboty“. Auf dem steinigen Felsenpfad hinunter zur Wegekreuzung Poludňový grúň (1.460 m) begegneten uns im dichten Nebel zwei schlecht ausgerüstete junge Männer. Am Stohové sedlo (1.230 m) endete der steinige felsige Wanderpfad und jetzt, am Fuße des Stoh (1.608 m), war das Gelände schlammig und damit sehr rutschig. Wenigstens löste sich jetzt weiter unten langsam der Nebel auf, es gab aber immer wieder Regenschauer.

 

Mal rechts, mal links von dem morastigen Hangpfad hangelten wir uns rutschend in Serpentinen von Busch zu Busch aufwärts. Unangenehme Erinnerungen an letztes Jahr – an den Aufstieg zum Veľká Lúka - wurden wach. Der weiche Boden hatte das viele Regenwasser aufgesaugt wie ein Schwamm. Nach ca. 15 Minuten zweigte links ein ganz schmaler Weg zum sedlo Medziholie (1.185 m) ab. Um die Rutschpartie zu beenden, beschlossen wir den Gipfel des Stoh auszulassen und der Abzeigung zu folgen. Wir kamen aber vom Regen in die Traufe. Das viele Regenwasser konnte auf dem schmalen Pfad quer zum Berg nicht ablaufen. Riesige Pfützen, Schlammlöcher und viele Baumwurzeln machten das Gehen sehr unangenehm. Weitsprünge und große Schritte halfen kaum. Links vom Weg ging es steil nach unten und rechts steil nach oben. Bald waren unsere Schuhe, Gamaschen und Hosen mit Dreck und Schlamm völlig verschmutzt. Größere glitschige Felsplatten mussten überquert werden. Nach etwa einer Stunde hatten wir den Sattel Medziholie erreicht. Der Regen hörte nun wieder einmal auf und ein breiter Weg führte uns, wenn auch größtenteils auf rutschigem Gras, rasch bergabwärts.

 

 

 

 

Bald sahen wir hinter uns die mächtigen Felswände des Veľký Rozsutec (1.610 m). Gerade als ein starker Regenschauer die Schleusen des Himmels wieder öffnete, erreichten wir ein Gasthaus am Ortsrand von Štefanová. Ein frisches Bier hob sofort unsere Stimmung. Schnell war der kleine Ort durchquert und über einen Wiesenhang das große Hotel Boboty erreicht. Zu unserer großen Freude fanden wir vor dem Hotel an einem großen Steintrog einen Wasserhahn mit Schlauch und zwei grobe Bürsten, somit konnten wir einigermaßen sauber das ***-Hotel betreten. Fünf Stunden waren wir heute gewandert. Die warme Dusche weckte schnell wieder unsere Lebensgeister und bestens gelaunt genossen wir dann den grandiosen Blick vom Balkon des Zimmers auf Štefanová und die dem Hotel gegenüberliegenden Berge. Stoh, Hromové, Chleb und Veľký Kriváñ grüßten.

 

Donnerstag, 24.08.06: Štefanová nach Zázrivá

 

Štefanová ist der ideale Ausgangspunkt für Touren zum Rozsutec. Dieses Gebiet ist ein nationales Naturreservat. Geschützt wird ein Landschaftskomplex mit Schluchten, Wasserfällen, Felswänden und Klippen. Im Reservat findet man zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, darunter mehrere Endemiten. Zum Reservat gehört auch das Klammsystem Diery, das aus zwei geschlossenen Teilen besteht: Dolné diery und Horné diery.

 

Sonnenstrahlen weckten uns im Hotel Boboty, herrliches Wanderwetter. Die Felsenklamm Horné diery war heute eines unserer Tagesziele. Fast zeitgleich startete mit uns vom Hotel eine 15-köpfige deutsche Touristengruppe von Wikinger-Reisen.

 

Zunächst marschierten wir im Indianermarsch einen steilen Anstieg im Wald hinauf. Dann ging es am Waldrand auf Bergwiesen weiter Wir genossen noch einmal den Blick auf Štefanová und unser Übernachtungshotel. Von 600 m im Tal bis hinauf zum 1.709 m hohen Veľký Kriváñ schweifte der Blick über das Bergmassiv. Nach einem kleinen Abstieg besichtigten wir auf einer Wiese eine offene Holzhütte. Im Inneren befinden sich eine Feuerstelle und Holzbänke. Weiter abwärts erreichten wir dann hinter der Hütte eines Wandervereins den Einstieg in die Klamm. Der Wildbach führte um diese Jahreszeit nicht viel Wasser, etwa 10 cm. Kaskadenartig bahnt er sich seinen Weg durch das Massiv des Rozsutec. Geologisch besteht das Gestein aus Granit, kristallinem Schiefer (Gneise), Kalkstein und Dolomiten. Glitzern verriet auch öfters einen gewissen Erzgehalt. Die steilen Felsen rechts und links, teilweise überhängend, sind im Hinblick auf Steinschlag nicht ganz ungefährlich. Zweimal kamen kleinere Steine herunter. Ein Helm kann deshalb sehr hilfreich sein. Der Aufstieg mit Hilfe von Ketten und Stahlseilen über bis zu 15 m lange Leitern erforderte Kraft und Schwindelfreiheit. Auf glitschigen schrägen Felsvorsprüngen mussten wir langsam nacheinander empor klettern und der Blick nach unten sorgte automatisch für größte Vorsicht.

 

Außer den „Wikingern“ waren auch noch zahlreiche andere Touristen unterwegs. Vor den langen Leitern bildeten sich Schlangen, denn sie wurden in der Regel nur von einer Person betreten. Aufsehen erregte die slowakische Bergführerin der

„Wikinger“. Sie hatte „Muskelpakete“ an den Beinen und Armen wie Baumstämme und hätte in jedem Bodybuilding-Wettbewerb vordere Plätze belegt. Die kühle Luft, das Rauschen des Baches, die Wildheit  und Urwüchsigkeit der Klamm erzeugt beim Besucher ein Glücksgefühl. Hinzu kam das Gemeinschaftserlebnis und die Erfahrung, stark genug zu sein, auch schwierigere Kletterstrecken zu bewältigen. Fast zwei Stunden dauerte der Anstieg in der Felsenschlucht und war einer der Höhepunkt der gesamten Sommerwanderung. Im oberen Teil erreichten wir dann eine große Bergwiese unterhalb des sedlo Medzirozsutce (1.200 m) am Fuße des Malý Rozsutec (1.343 m) und des mächtigen Veľký Rozsutec (1.610 m). Ein idealer Platz für eine Mittagsrast bei traumhaftem Sonnenschein. Auch viele andere Bergwanderer u. a. die „Wikinger“ legten sich in die Sonne und genossen das herrliche Bergpanorama.

 

Zu unserer Überraschung erreichte bald auch eine Gruppe mit zwei Hunden die Bergwiese, und zwar wie wir über die Leitern durch die enge Klamm. Wir nahmen zunächst an, dass die Hunde getragen worden waren, dabei handelt es sich um speziell ausgebildete Rettungshunde, die die Leitern aus eigener Kraft bewältigt hatten. Eine halbe Stunde ging es dann einen breiten Höhenweg entlang, auf dem wir auf die E3 -Streckenmarkierung trafen. Die gute Aussicht blieb uns noch eine ganze Weile erhalten. Bergblumen wie Enzian und verschiedene Distelarten, u. a. die Silberdistel, standen in voller Blüte und lockten Schmetterlinge und Hummeln an. Bald mündete das rote E3-Wanderzeichen rechts in einen schmalen, teilweise zugewachsenen Pfad ein. Wir kamen an zwei etwa 50 Jahre alten Buchen vorbei, bei denen sämtliche Blätter an der Oberseite Gallen aufwiesen.

 

Kurz danach führte der E3 einen rutschigen, sehr steil abfallenden bewaldeten Berghang hinunter. Eigentlich für Fernwanderer ein unzumutbarer nicht ungefährlicher Abstieg. Selbst Eugen, der mit seinen Wanderstöcken den Abhang bravourös und schnell meisterte, fand sich einmal auf dem Hosenboden wieder. Im Zick-Zack-Kurs von Busch zu Busch, von Baum zu Baum – mittlerweile haben wir darin schon Erfahrung – rutschten wir eine halbe Stunde abwärts. Über Wiesen mit schönem Fernblick (sedlo Príslop nad Bielou 810 m) ging es anschließend weiter.

 

In einem Waldstück begegneten wir Pilzsammlern, eine Mutter mit ihrem Sohn und ihrem Vater. Die Frau sprach sehr gut deutsch und sagte, 2006 sei ein sehr gutes Pilzjahr. Sommersteinpilz, Maronen, Butter- und Birkenpilz, Hexenröhrling und Pfifferling wüchsen sehr zahlreich. Sie seien oft im Wald auf der Suche nach Beeren und Pilzen. Sie selbst und ihr Vater hätten sogar schon einmal in diesem Gebiet einen Bären gesehen.

 

Bald war der Wald zu Ende und über eine Kreuzung erreichten wir das Dorf Zázrivá am Rande der Malá Fatra. Der Ort ist noch sehr bäuerlich geprägt: Ziegen, Hühner, Enten, Gänse und ein kleines Sägewerk waren zu sehen. Alte slowakische Holzhäuser mit blühenden Bauerngärten, besonders Ringelblumen und Klee, boten einen idyllischen Anblick. Apfel-, Birn- und Pflaumenbäume trugen reichlich Früchte. In einer Gaststätte direkt an der Ortstraße genossen wir eine Erfrischung und konnten dem dörflichen Leben zuschauen. Bürgersteige gibt es keine. Zwei Betrunkene, kamen jeweils innerhalb von 15 Minuten auf der Straße stark schwankend vorbei, besorgten sich neuen Stoff und überquerten die Straße geradezu lebensgefährlich. Alkoholismus scheint in dieser Region der Slowakei ein großes Problem zu sein. Die Inhaberin des Hotels Veľká Havrania holte uns dann mit dem Auto ab. Das Berghotel Veľká Havrania ist ca. 5 km von Zázrivá entfernt und liegt oberhalb eines Tals.

 

Zuerst mussten wir uns einmal an der schönen Aussicht satt sehen. Nach dem guten Abendessen unterhielten wir uns noch etwas mit dem deutsch sprechenden Inhaber. Der Jungunternehmer umwirbt besonders deutsche Gäste. Durch die EU-Mitgliedschaft der Slowakei sieht er eine erhebliche wirtschaftliche Stärkung der einheimischen Gastronomie.

 

Freitag, 25.08.06: Zázrivá nach Dolný Kubín (Unterkubin)

 

Bei einem kurzen Rundgang frühmorgens unterhalb des Hotels fühlte ich mich an eine längst vergangene Zeit erinnert. Vor einem Holzhaus im alten slowakischen Baustil graste eine Kuh, die an einem Pfahl angebunden war. Eine alte Frau mit Kopftuch, ganz in Schwarz gekleidet, hackte Holz. Hühner suchten nahe am Haus nach Futter. An einer Schnur auf der Wiese war Wäsche aufgehängt. Der große Holzstoß vor dem Haus ließ erahnen, welche langen und strengen Winter

                                                                          in dieser Gegend herrschen.

 

Bei bedecktem Himmel, aber trocken, fuhr uns nach dem Frühstück wieder die Inhaberin des Hotels zurück in die Ortsmitte von Zázrivá. Rasch waren wir am Ortsrand und es ging auf einer asphaltierten Straße aufwärts. Eine riesige Halle, ein Stall, offensichtlich von einer ehemaligen LPG, war leer. Eine halbe Stunde weiter oben hörte der geteerte Weg auf und es wurde im lichten Tannen- und Fichtenwald sowie auf Wiesen weiter gewandert. Glockenklang machte uns auf eine sehr große grasende Rinderherde aufmerksam. Ein älterer, wettergegerbter Hirte mit einem Hund bewachte die Tiere. Er erlaubte uns ein Bild von ihm zu machen. Seine Herde machte einen gut genährten und sauberen Eindruck und war wohl in dem großen Stall weiter unten untergebracht.

 

Etwas später fanden wir die Knochen eines Hirschbeines. Hatte hier ein Bär einen Hirsch gerissen? An der Abzweigung Hlásna skalka (928 m) machten wir eine kurze Pause, denn jetzt stand der steile Anstieg zum Minčol (1.396 m) bevor. Von Zázrivá (600 m) aus hatten wir dann knapp 800 m Aufstieg bewältigt. Im dichten Fichtenwald führte der Weitwanderweg E3 nun einen schmalen Pfad hinauf. Nach einer Stunde war das größte Stück der Steigung bewältigt und wir erreichten schweißgebadet den Gipfel. Hier liefen wir bequem durch Heidelbeerbüsche und auf Wiesenterrain weiter. Sendeanlagen und ein Skilift waren zu sehen. Eine gute Fernsicht belohnte uns für den anstrengenden Aufstieg.

 

Vom Berg Minčol aus verläuft der europäischen Fernwanderweg E3 nordöstlich zur polnischen Grenze und umrundet anschließend die Vysoké Tatry (Hohe Tatra) nördlich. Wir haben am Minčol den E3-Weg verlassen und werden erst wieder am Dukla-Pass auf ihn treffen.

 

Dolný Kubín (468 m), unser Tagesziel, war weit unten in der Ferne zu erkennen. Insofern mussten wir noch über 900 m lang hinunter marschieren. Leichter Regen setzte jetzt ein und es wurde unangenehm windig. Etwa 3 km abwärts befand sich jedoch die normalerweise bewirtschaftete „Chata na Kubínskej holi“ und wir freuten uns schon auf ein warmes Essen. Als wir ankamen, renovierten Handwerker gerade Räume in einem Anbau. Man gab uns zu verstehen, die Hütte sei geschlossen.

 

Sehr enttäuscht mussten wir wieder Schusters Rappen satteln und gerade jetzt regnete es auch noch stärker. Hinzu kam der schwer begehbare Pfad, der dicht mit Brombeerranken überwuchert war. Der Brombeerstrauch kann Waldgebiete sogar undurchdringlich machen und nur seine Früchte sind bei Wanderern begehrt. Dreimal hing ich im Dornengestrüpp fest und musste wieder zurück, um wieder neu vorwärts zu kommen. Endlich erreichten wir eine Teerstraße, die aber bei uns auch keine Wertschätzung genießt. Durch Wiesen und Felder – immer auf Asphalt – gelangten wir dann, am Schluss wieder im strömenden Regen, zum City Hotel Park in Dolný Kubín. Die Stadt hat 20.000 Einwohner und liegt am Fluss Orava, der nach 112 km in Kraľovany in die Váh (Waag) mündet.

 

Dolný Kubín ist auch der Lebens- und Sterbeort des berühmten slowakischen Dichters Pavol Országh (1849-1921), der unter dem Pseudonym Hviezdoslav schrieb (was so viel heißt wie, die Sterne rühmend). Sein umfangreiches Werk enthält auch Übersetzungen von Goethe, Schiller und Shakespeare. Er selbst ist für Lyrik, realistische Dramen und Versepen aus dem slowakischen Volksleben bekannt. Sein berühmtestes Werk ist der 1884 erschienene Roman „Hájnikova žena“ („Des Hegers Weib“). Erzählt wird das Schicksal eines jungen Waldhegers und seiner Frau Hanka aus den Karpaten. Ihr Glück wird durch einen zudringlichen Gutsbesitzersohn zerstört. Leider ist die Literatur Hviezdoslavs noch nicht ins Deutsche übersetzt.

 

Samstag, 26.08.06: Dolný Kubín (Unterkubin) nach Veľké Borové

 

Petrus war uns hold an diesem Tag. Kurz nach acht Uhr marschierten wir wieder über die Orava. Im Fluss standen jeweils etwa 100 m versetzt Fliegenfischer mit langen Angelschnüren. Vorne befindet sich eine Fliegenattrappe und damit kein lebender Köder. Auch von der Brücke aus konnten wir im seichten Wasser Fische beobachten. Mit dem Bus fuhren wir dann etwa 30 Minuten die Orava entlang nach Oravský Podzámok. Dort war die Oravský hrad (Arwaburg) unser Ziel. Sie ist eine der Hauptattraktionen der gesamten Region, ist auf einem steilen Felsen oberhalb des Dörfchens und des Flusses errichtet und bietet einen imposanten Anblick (siehe Titelseite).

 

Erbaut wurde sie als Grenzfestung zwischen den Königreichen Ungarn und Polen im 13. Jh. Im Mondschein bietet sie einen Grusel erregenden Anblick, für Draculafilme der ideale Ort. 1921 wurde hier der Film „Nosferatu“ von Fritz Murnau und auch 1979 das Remake von Werner Herzog mit dem Schauspieler Klaus Kinsky hier gedreht.

 

Der Besucher benötigt gute Kondition, um die verschiedenen Terrassen zu erklimmen, auf denen die Burg im Laufe der Jahrhunderte errichtet wurde. Von der Romanik über die Renaissance bis zur Neugotik sind verschiedene Baustile erkennbar, je nachdem in welcher Zeit gerade gebaut wurde. Drei junge Leute, in einer alten slowakischen Volkstracht gekleidet, holten unsere Besuchergruppe am Eingangstor der Burg ab. Leider war die Führung nur auf Slowakisch. Durch drei Burgtore gelangten wir in den Haupthof. Wunderschöne Räume wie z.B. die erste Burggalerie, der gemütliche rote Salon sowie der Jägersalon mit vielen Geweihen und Schnitzereien erwarteten uns. Im Korvinus-Palast bewunderten wir den Ritter- und Wappensaal. Gemälde der Adelsherren, z.B. Esterhazy, Wappen der Adelsgeschlechter, kostbare Schränke, Betten, Kachelöfen, Trachtenkleider und Waffen vermittelten einen guten Einblick in das Leben der ehemaligen Burgbewohner. Die Folterkammer, ein Gefängnis und die Zitadelle gehörten zu den ältesten Teilen der Burg. Ganz oben auf der letzten Terrasse befinden sich eine Afrikaausstellung der Massai und ein Kinderland mit Zauberin, Gnomen und Märchengestalten. Die Ausstellung über die Massai scheint uns in dieser Burg weniger sinnvoll.

 

Viel besser gefiel uns, dass zwei junge Mädchen in einem Wohnturm Flöte und Geige so perfekt spielten, dass alle Besucher andächtige lauschten.

 

Erobert wurde die Burg nie. Ein Brand vernichtete jedoch im Jahre 1800 alle Holzteile der mittleren und unteren Burg. Nach der Erneuerung und Restaurierung der Burg von 1953-68 wurde sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Jährlich locken heute verschiedene kulturelle Veranstaltungen wie z.B. Konzerte, Handwerkermärkte und eine Gespensternacht zahlreiche Besucher an.

 

Nach der Besichtigung der Burg und einem Mittagessen fuhren wir wieder mit dem Bus nach Dolný Kubin zurück und danach zu dem höher gelegenen Ort Malatiná. Die Busse waren wie immer sehr voll, Teilstrecken mussten wir sogar stehen.

 

Von Malatiná aus wanderten wir dann einen wunderschönen Höhenweg entlang. Das sonnige Wetter ermöglichte eine traumhafte Aussicht auf die vor uns liegenden Berge der West-Tatra, hinter uns waren Kriváň, Chleb und Stoh zu erkennen. Felder, Wiesen und Fichtenwälder wechselten sich ab. Erika und Wacholder wuchsen am Wegesrand. Eine große Schafherde überquerte vor uns mit klingenden Glöckchen den Weg. Ein Hund oder ein Schäfer war weit und breit nicht zu sehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Durch einen dichten Fichtenwald mit vielen Fliegenpilzen erreichten wir danach eine große Bergwiese, von wo aus wiederum beste Fernsicht herrschte. Unten im Tal grüßte uns das kleine Dorf Veľké Borové . Es ist ein Hufendorf. Die meisten Häuser stehen rechts und links der Ortsstraße. Ungefähr zwei Kilometer zieht sich der Ort hin. Mehrere Hunde kündigten unsere Ankunft an. Hühner mit einem Hahn befanden sich auf der Dorfstraße. Die Zeit scheint hier still zu stehen. Ein alter Mann trug einen Korb mit Gras in einen Stall. Auch in Veľké Borové stehen viele alte slowakische Holzhäuser. Die Häuser sind nicht mit Ziegeln, sondern mit Schindeln oder Blech gedeckt. Nur ein einziges Auto überholte uns bis zum Ortsende, wo wir in der Penzión Borovec Quartier bezogen.

 

Sonntag, 27.08.06: Schluchtenwanderung rund um Veľké Borové

 

Heute stand eine zweifache Schluchtendurchquerung bevor.

 

Bei herrlichem Sonnenschein wanderten wir zunächst über Wiesengelände leicht aufwärts bis zur Wegkreuzung Kubín (1.000 m). Das schöne Wetter lockte an diesem Tag auch viele Einheimische in die Natur, u. a. waren viele Familien mit Kindern unterwegs. Etwa 400 m Abstieg mussten jetzt von uns durch die Prosiecka dolina, eine Felsenschlucht, bewältigt werden. Rechts und links befinden sich hohe Steilfelsen, die teilweise bedrohlich wirken. Über eiserne Leitern, an Ketten und Stahlseilen kraxelten wir das Gefälle eines Trockenbachs hinunter. Überall lagen Felsbrocken unterschiedlicher Größe herum. Sie bestehen aus sehr hartem Kalk- und Dolomitgestein. Von kleinen Felsplattformen hatte man gelegentlich einen guten Ausblick auf die Felsengipfel oben und auf den weiteren Schluchtenverlauf nach unten. Nach etwa 30 Minuten begleitete uns ein munter rauschender Bach, der aus einer Karstquelle unter einem hohen Felsen entspringt. Mehrfach musste er auf kleinen Steinen überquert werden. Am Ende der Schlucht wurden die Besucher auch auf Deutsch an Hinweisschildern über die Entstehung der Felsenschlucht informiert. Weiter ging es dann links am Waldrand eine sandige Wiese hinauf. Einer Vielzahl von Käfern, Heuschrecken, Grillen, Schmetterlingen und Eidechsen bot sich hier ein idealer Lebensraum. Viele Hecken bildeten wiederum beste Lebensbedingungen für Vögel, u. a. sah ich Zaunkönige und sogar einen Neuntöter.

 

Glockenklang aus der Ferne in den Wiesen machte uns auf grasende Kühe aufmerksam. Etwas unterhalb einer Anhöhe machten wir unsere geliebte Mittagspause und erfreuten uns an der schönen Fernsicht auf die West-Tatra und auf zwei kleine Dörfer im Tal unter uns.Weiter abwärts ereichten wir nach dem Überqueren eines Bergbachs auf einem schmalen Baumstamm einen Parkplatz an einer Teerstraße, die vom Ort Kvačany 610 m herführte. Mit Bussen und PKWs waren viele Ausflügler angereist, um die breite, bewaldete Schlucht Kvačianska dolina mit dem Gebirgsbach zu besichtigen. Ein breiter, gut begehbarer Waldweg führte uns zügig weiter, teilweise steil aufwärts. Zahlreiche Ausflugsgruppen kamen uns entgegen oder wurden von uns überholt. Immer tiefer verschwand links unten der rauschende Bach. Am Wegesrand konnte man sich über die hier lebende Flora und Fauna anhand von Schildern informieren. Hirsche, Wildschweine und Orchideen kommen vor. Für Braunbären, soll es das ideale Biotop sein.

 

 

 

 

 

 

 

Über einen abwärts führenden Pfad marschierten wir dann hinunter zum Wasser und erreichten dort die hölzerne Wassermühle „Oblazy“. Einige Holzschuppen und -ställe sowie das alte Mühlengebäude stehen hier. Eine Gattersäge, die von Wasser angetrieben wurde, weckte unser Interesse. Einige junge Leute haben sich im Wohnraum der Mühle häuslich eingerichtet. Getränke gab es jedoch keine zu kaufen. Attraktion für die jungen Besucher waren zwei große weiße Ziegen, die mehrfach auf einem schmalen Brett den Bach überquerten. Zwanzig Minuten später hatten wir wieder etwas aufwärts unsere Pension vom Vortag in Veľké Borové (893 m) erreicht. Hier lernten wir dann Siegfried Wagner und seine Bekannte Tatjana kennen. Sie sprechen sehr gut deutsch, waren an diesem Tag Pilze suchen gewesen und hatten einen großen Korb voll mit Sommersteinpilzen, Ziegenlippen und Maronen gesammelt. Spontan lud uns Siegfried zu sich abends nach Hause ein. Er besitzt in Bratislava eine Mietwohnung und arbeitete dort als Musiklehrer bis zur Rente. Vor vielen Jahren hat er sich ein altes Holzhaus in Veľké Borové gekauft und es sich mit Hilfe von Freunden schön hergerichtet. In Siegfrieds Haus lernten wir herzliche slowakische Gastfreundschaft kennen. Zunächst zeigte uns der Hausherr die Räumlichkeiten und dann wurden wir ins Wohnzimmer gebeten. Bei selbst gemachtem Heidelbeerwein wurde es ein gemütlicher Abend. Als Spezialität servierte man uns die frisch gesammelten Steinpilze, die ausgezeichnet schmeckten.

 

Als Höhepunkt des Besuchs spielte uns der Gastgeber etwas auf der slowakischen Hirtenflöte, der Fujara, vor. Das Instrument ist etwa 180 cm lang und hat am oberen Ende - dem Kopf – ein etwa 40 cm langes Verlängerungsstück. Der Klangkörper der Flöte wird in der Regel aus jungem Holunderholz gefertigt und ist mit traditionellen Ornamenten der slowakischen Kultur verziert. Im unteren Drittel des Klangkörpers sind drei Löcher. Die Flöte wird auf der Naturtonleiter gespielt. Je nach Blasstärke verändert sich die Höhe des Tons. Der schwermütige Klang weist auf das harte Leben der Hirten im Gebirge hin.

 

Montag, 28.08.06: Veľké Borové nach Zuberec (West-Tatra)

 

Auch heute erwartete uns blauer Himmel und Sonnenschein. Beim Frühstück lachte uns wieder eine größere Menge Würstchen an und so gestärkt wanderten wir zunächst die Ortsstraße entlang zu Siegfried. Auch Siegfrieds berühmter Heidelbeerlikör machte wieder die Runde, wurde von uns diesmal jedoch nur vorsichtig genossen, da uns die Wirkung bekannt war. Zum Abschied spielte Siegfried noch einmal auf der Fujara. Beim Weitermarsch auf einer Bergwiese hinauf hörten wir noch eine ganze Weile den schwermütigen fremdartigen Ton des Instruments.

 

Von einer Anhöhe aus bot sich ein herrlicher Rundblick über das Dorf und die umliegenden Berge. Eine große Schafherde weidete am gegenüber liegenden Berghang. Vereinzelt sah man auch Kühe. Die großflächigen Bergwiesen sind für Viehherden der ideale Standort.

 

Ohne Kunstdünger und Pestizide haben hier auch noch selten gewordene Pflanzen wie Enzian, Herbstzeitlose, Kuhschelle und Disteln eine Überlebenschance. Auch einen roten Milan konnten wir bei seinem Suchflug nach Beute beobachten. Im Jahr 2000 wurde er vom Naturschutzbund Deutschlands zum Vogel des Jahres gewählt, da sein Bestand gefährdet ist.

 

Weiter liefen wir dann eine längere Strecke einen breiten Höhenweg entlang, bevor es sehr steil im dichten Fichtenwald zum Kopec (1.251 m) hinauf ging. Von hier aus schritten wir etwa eine Stunde im Wald leicht abwärts weiter bis zur Abzweigung Prieková (1.165 m). Hier am Waldrand ist eine ausgezeichnete Fernsicht auf die West-Tatraberge, wo die polnische Grenze verläuft und wo sich nicht weit weg der berühmte polnische Wintersportort Zakopane befindet. Spontan beschlossen wir auf einem Stapel von Baumstämmen Mittagspause zu machen. Ganz weit unten im Tal sahen wir auch schon unser Tagesziel, das Dorf Zuberec. Gut erholt traten wir dann die Schlussetappe über eine abschüssige Kuhweide an. Dunkle Regenwolken tauchten jetzt am Himmel über dem Tatramassiv auf und wir befürchteten schon, unser Hotel nicht mehr trocken zu erreichen. Doch Petrus war uns heute hold und der Himmel öffnete seine Schleusen erst später. Kurz hinter dem Ortseingang von Zuberec erwartete uns eine Überraschung. Aus dem Lautsprecher eines Andenkenladens erscholl die Melodie des Liedes „Wo die Nordseewellen schlagen an den Strand…“ Gesungen wurde es auf Slowakisch.

 

Kurz darauf erreichten wir unsere Übernachtungspension „Antares“. Kaum hatten wir die Haustür geschlossen, fing es draußen fürchterlich an zu regnen. Auch der Wetterbericht verhieß für den nächsten Tag nichts Gutes. Deshalb war es fraglich, ob wir am nächsten Tag die geplante sechsstündige hochalpine Tour auf den Sivý vrch 1.805 m Höhe durchführen könnten. Als Alternative kam bei Regenwetter der Besuch des Museumsdorfs Ora-vskej dediny in Frage.

 

Dienstag 29.08.06: Zuberec nach Liptovský Mikuláš (Liptauer St. Nikolaus)

 

Die Wetterfrösche behielten recht! Es regnete den ganzen Tag über, teilweise auch sehr heftig. Die Höhentour zum Sivý vrch 1.805 m, musste also leider ausfallen. Nach dem Frühstück wanderten wir im strömenden Regen auf einem kleinen Waldweg parallel zur Fahrstraße in das 3 km entfernte Museumsdorf Oravskej dediny. Hier befinden sich etwa 30 charakteristische Bauernhaustypen der Oravaregion. Sie stammen aus dem 17.-, 18.- und 19. Jh. und sind in einem malerischen Bergwaldgelände aufgebaut. Glockenturm, Kirche, Imkerei, Schmiede, Schule, Töpferei, Stallungen, Wohnungen, Mühle mit Mühlrad, alles war aus Holz. Auch die landwirtschaftlichen Geräte, Werkzeuge, Behälter, Teller und Löffel bestehen aus diesem Material.

 

Reiche Bauernhäuser wechseln sich mit Gebäuden von sozial schwächer gestellten Personen, z.B. Knechten, ab. Die Wände und Decken bildeten quer aufeinander genagelte Balken. Die Ritzen zwischen den Balken wurden mit Moos, Reisig und Erde abgedichtet. Im Mittelpunkt der Wohnungen stand immer eine Feuerstelle, jedoch ohne Kamin. Der Rauch wurde aus der Wohnung in den Speicher geleitet und dort sogar zum Räuchern von Fleisch verwendet. Die Dächer der Häuser sind geschindelt. Kleine Fenster und niedrige Türen waren die Regel. Hölzerne Nägel am Eingang sollten Glück bringen. In einigen Ställen waren Pferde und Ziegen untergebracht. Gänse liefen auf den Wegen am Bach entlang. Auch die Leinenherstellung aus Flachs wird anschaulich in einer Holzscheune dargestellt.

 

Trotz der Idylle erhält der Besucher einen tiefen Einblick in das dörfliche Leben in früherer Zeit. Es war ein schweres und auf die Existenzbedürfnisse ausgerichtetes Leben, das besonders im Winter sehr entbehrungsreich war. Touristen können heute in verschiedenen Souvenirläden Keramik, Holzartikel und Textilien aus Leinen erwerben. Der heiße Tee in einem kleinen Café tat uns bei dem Schmuddelwetter besonders gut.

 

Nach der Rückwanderung in die Pension Antares erlebten wir wieder eine Überraschung. Ein älteres gelbes Postauto der deutschen Bundespost fuhr vor. Es war unser Taxifahrer. Die Fahrt mit dem Taxi führte an dem großen Stausee Liptovská Mara vorbei. Ausflugsboote waren auf dem Wasser und Campingplätze am Ufer zu sehen. Ziel war das Horský Hotel Mních (Berghotel Mönch). Es ist ein Zwei-Sterne-Hotel, ungefähr 5 km außerhalb von Liptovský Mikuláš (Liptauer St. Nikolaus). Innerhalb und außerhalb des Hotels stehen mehrere Mönchsfiguren, die an einen nahen Felsen erinnern. Für mich war es das beste Hotel auf der gesamten Sommerwanderstrecke 2006. Besonders die Küche ist ausgezeichnet.

 

Unsere Sommertour 2007 über die Hohe Tatra, dem Nationalpark Pieniny, der Zipser Region werden wir hier am Hotel Hotel Mních, am

                                                                          Anfang der Tatranská magistrála, beginnen.

 

Erschienen in "Wege und Ziele"  Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 23 - August 2007

 

 

Von der West-Tatra zu Zipser Region   1. Teil)

Unterwegs auf Weitwanderwegen in der östlichen Slowakei im Sommer 2007

 

Von Wolfgang Meluhn

 

Donnerstag 16.08.07    Heidelberg → Liptovský Mikuláš (Liptauer St. Nikolaus)

 

Ein kräftiger Wiener Fluch und Einkehr im Berghotel Mönch.

 

Endlich war es wieder soweit. Die Fortsetzung unseres Weitwanderweges von Eisenach nach Budapest. Früh am Morgen startete die Kerntruppe Wolfgang, Harald, Eugen, Klaus und Felix per Flughafenzubringer vom Heidelberger Hbf. zum Frankfurter Flughafen. Verstärkt wurden wir dieses Jahr zusätzlich durch unseren Jüngsten in der Wandergruppe, Dirk. Ziel waren diesmal die höchsten Berggipfel der Slowakei, die Hohe Tatra und die Zips. Mit „Flyniki“ flogen wir dann weiter nach Wien, wo wir nach 1,5 Std. sicher landeten. Von Wien aus fuhren wir mit einem Kleinbus, gesteuert von einem „waschechten“ Wiener, weiter nach Bratislava.

 

Auf der 65 km langen Strecke, vorbei an Sonnenblumen- und Maisfeldern, lernten wir durch unseren Fahrer sehr schnell etwas „Wienerisch“, den Wiener Dialekt. Eine junge Frau wendete nämlich ungefähr 150 m vor uns verbotenerweise ihr Fahrzeug auf der Schnellstraße. Dadurch waren alle Fahrer in beide Richtungen gezwungen, stark zu bremsen bzw. sogar anzuhalten. Besonders unser Fahrer geriet in Rage und als er am Auto der Frau vorbei fuhr, rief er ihr höchst erregt zu: „Bist du deppert, du Sauen!“

 

Über die Ufobrücke, vorbei an Burg und Dom, erreichten wir kurz darauf den Hauptbahnhof der slowakischen Hauptstadt. Hier besorgten wir uns slowakische Kronen und Proviant für die Weiterreise mit dem Zug nach Liptovský Mikuláš (Liptauer St. Nikolaus). Dankbar waren wir wieder über die reservierten Plätze, denn der Zug war wie gewohnt sehr voll. Auf der Bahnstrecke kamen wir an uns von früheren Wanderungen sehr bekannten Orten vorbei, z. B. die Sulower Felsen und Strečno mit den zwei Burgen. Auch fuhren wir lange Zeit die Váh (Waag) entlang. Erinnerungen an unsere Floßfahrt wurden wach. Am späten Nachmittag war kurz hinter dem Liptauer Stausee Liptovský Mikuláš (Liptauer St. Nikolaus) erreicht. Mit zwei Taxis fuhren wir dann in das uns vom Vorjahr, etwa 6 km außerhalb der Stadt, bekannte Horsky hotel Mních (Berghotel Mönch). Die ruhige Lage des Hotels am Waldrand mit der frischen sauberen Luft waren eine Wohltat im Gegensatz zu der stickigen Schwüle nachmittags in Bratislava und Umgebung.

 

Freitag 17.08.07   Liptovský Mikuláš → Podbanské

 

Wildbäche, der „Olymp“ der Slowakei und ein schwedisches Buffet.
 

Der Tag begann mit einem Geburtstagsständchen für unseren Wanderkameraden Dirk. Damit er bei zukünftigen Wandertouren nicht verloren geht, erhielt er als Geburtstagsgeschenk eine Wandermütze mit eingesticktem Namen.

 

Heute stand der erste größere Fitnesstest für unsere Gruppe bevor. Gut 6,5 Std. straffes Wandern waren bei bedecktem, aber trockenem Wetter auf einer Höhe von 850 – 950 m zu bewältigen. Überwiegend marschierten wir auf ebenen breiten Waldwegen durch Tannen und Fichten.

 

Kurz hinter dem Hotel Mních beginnt ab Rázcestie na Tokárinách die Tatranská magistrála, ein etwa 70 km langer zusammenhängender Wanderweg, der an den Südhängen der Tatra entlangführt. Er verbindet alle wichtigen Orte von Podbanské bis Tatranská Kotlina in der Belianske Tatry (Belaer Tatra).

 

Streckenweise oder in mehreren Tagesetappen kann dieser Tatraabschnitt erwandert werden. Immer wieder kommt man an Berghütten vorbei, in denen man nächtigen kann. Im Winter sind allerdings einige Streckenabschnitte wegen Lawinengefahr geschlossen.

 

Neben der Tatra Magistrale stellt die touristische Nutzung, zum Teil seit mehr als 200 Jahren, ein weiteres Bindeglied zwischen den Tatragemeinden dar. Die Menschen erkannten sehr rasch neben der Alm- und Forstwirtschaft den Fremdenverkehr als neue Erwerbsquelle. Sehr lobenswert sind auch die vielen Naturschutzzonen und Reservate, allen voran der große Tatra Nationalpark.

 

Die Západné Tatry (West Tatra), Vysoké Tatry (Hohe Tatra) und die Belianske Tatry (Belaer Tatra) bilden zusammen die Tatra, wobei 80 % des Gebirges in der Slowakei liegen und 20 % in Polen.

 

An diesem Tag begegneten wir nur wenigen anderen Wanderern. Als kleine Höhepunkte erwies sich die Überquerung von rauschenden Wildbächen. Es ist ein überwältigendes Gefühl auf der Mitte einer Holzbrücke über einem schäumenden Bach zu stehen. Man spürt die gewaltige Kraft des Wassers, das sich mit Felsen, Baumstämmen und Steinen einen unaufhörlichen Kampf liefert. Mehrere Gasthäuser gibt es entlang dieser Teilstrecke der Tatra Magistrale, wo eingekehrt werden kann. Planmäßig erreichten wir gegen Abend den kleinen Ort Podbanské.  Der Name bedeutet „unter den Gruben“.

 

Köhler produzierten in früheren Zeiten hier Holzkohle zum Verhütten der Erze. Goldfunde erwiesen sich als nicht ergiebig. Ab Podbanské beginnt die Vysoké Tatry (Hohe Tatra). Über dem Ort wacht der sagenumwobene Kriváň (2.494 m). Der Kriváň (Krümmling) wurde bei den Slowaken zu einem heiligen Berg, dem „Olymp“ der slowakischen Berge. Er wurde ein mythischer Ort national Gesinnter in der Mitte des 19. Jhs. Jährlich findet auch heute noch im August eine nationale Wallfahrt auf den „Krümmling“ statt. Auf Wanderwegen unterschiedlichster Art kann man sich ihm nähern.

 

Wir übernachteten etwas außerhalb im Hotel „Kriváň“. Es war voll belegt. Vor allem Familien mit Kindern scheinen hier häufig zu übernachten. Wir lernten eine Familie aus dem Vogtland kennen. Die Mutter erzählte uns, sie seien in den Sommerferien immer hier und hätten über ITS gebucht. Unterkunft und Verpflegung seien sehr günstig und die Hotelküche genieße einen guten Ruf. Das umfangreiche schwedische Buffet am Abend ließ etwas später auch nichts zu wünschen übrig.

 

Samstag 18.08.07   Podbanské → Štrbské Pleso (Tschirmer See)
 

"Das Kreuz mit dem Kreuzʺ, Meeresaugen und Heideröslein

 

In der Nacht hatte es stark geregnet, sogar mit Blitz und Donner. Bäume, Büsche, Wege, Bänke, alles war noch nass von den nächtlichen Schauern. Nebelfetzen hingen in der Luft. Fernsicht war unter diesen Umständen nicht möglich. 4,5 Stunden mussten heute auf Schusters Rappen zurückgelegt werden. Zunächst ging es durch den Ort, über eine Schnellstraße und einen schönen Gebirgsbach, an Häusern mit schmucken Vorgärten vorbei, aufwärts. Jetzt waren wir von der West-Tatra in die Hohen Tatra gelangt. Unsere Stimmung wurde jedoch etwas getrübt, da Eugen, unser fast Siebzigjähriger, über heftige Bandscheibenbeschwerden klagte und mit dem Bus zum heutigen Tagesziel fuhr.

 

 

 

 

 

Immer wieder kamen wir an Waldflächen vorbei, die an den 19. November 2004 erinnerten. Ca. 40 % aller Bäume auf der slowakischen Seite der Hohen Tatra wurde an diesem Tag durch einen Orkan umgeworfen, der mit 200 km/h südlich der Hohen Tatra entlang zog. Viele aufgearbeitete Stämme lagen noch am Wegesrand. Durch die ungewollte „Abhol-zung“ drohen nun nach Regenfällen und Schneeschmelzen Überschwemmungen und Erd-rutsche. Größte Bedeutung kommt deshalb so genannten Pionierpflanzen zu. Mit seinen leuchtend rosa bis purpurroten Blüten fielen hier besonders die schmalblättrigen Weidenröschen auf. Auf den entstandenen Lichtungen hatte sich diese 50-150 Zentimeter große Pflanze aus der Familie der Nachtkerzengewächse schnell großflächig ausgebreitet. Die Wurzelsprossen gelten als wichtiger Bodenbefestiger.

 

 

 

 

Nach zwei Stunden Wanderung war das erste Etappenziel, Tri studničky (Drei Brünnlein) 1.141 m hoch, erreicht. Ab hier waren auch sehr viele andere Wanderer unterwegs. Überwiegend waren es junge Leute, die jetzt im August zum „Nationalheiligtum“, dem Kriváň, unterwegs waren. Bis zum Jamské pleso (1.448 m) musste dann noch ein Höhenunterschied von 300 Metern, teilweise recht steil, bewältigt werden. Danach marschierten wir noch eine Stunde abwärts bis Štrbské Pleso (Tschirmer See) (1.346 m). Hier am See mit herrlichem Blick auf die Bergspitzen der Hohen Tatra wurden 1960 Szenen des DEFA-Indianerfilms „Chingachgook die große Schlange“ gedreht. Der schöne Bergsee lässt sich auf einem bequemen Promenadenweg umrunden. Seit Ende des 19. Jhdt. ist Štrbské Pleso Luftkurort. Er verfügt über Kurhäuser und große Hotels. Hier hat auch die seit 1912 von Poprad verkehrende elektrische Tatrabahn ihre Endstation. Skilifte und Loipen sowie zwei große Sprungschanzen, die 1970 und 1989 für Weltmeisterschaften genutzt wurden, lassen im Winter keine Langeweile aufkommen.

 

Bei unserer Ankunft am See waren viele Kurgäste und Besucher auf dem Promenadenweg unterwegs und genossen den schönen Blick auf den dunkelblauen See. Bänke luden zum Verweilen ein. Die Tatraseen sind sehr tief, manche bis zu 40 m. Die große Tiefe und der meist fehlende Zu- und Abfluss führten zu der volkstümlichen Vorstellung, dass sie über eine unterirdische Verbindung zu den Weltmeeren verfügten. Man nannte sie daher „morské oko“, was Meeresauge bedeutet. Etwa 100 solcher Bergseen gibt es im slowakischen Teil der Tatra.

 

Nach ungefähr einem Kilometer weiter, an einem Sportplatz, Andenkenläden und Tennisplätzen vorbei, erreichten wir dann das Hotel FIS, wo wir uns für zwei Nächte einquartierten. Abends besuchten wir dann 500 m entfernt eine zum Hotel gehörende Koliba. Kolibas erinnern an den Räuberhauptmann Jánošík und sind Holzblockhäuser. Auch das Inventar besteht aus Holz. An den Wänden hingen Fujaras (slowakische Hirtenflöten), Valaška (Streitäxte – die Bewaffnung Jánošíks) sowie Dreschflegel. Auch das Konterfei des ehemaligen Räubers und heutigen Nationalhelden hing, vom Aussehen ähnlich wie Hans Albers, auf modern getrimmt, an der Hüttenwand. Eine Gruppe Roma mühte sich, mit ihrer Musik, Stimmung unter die Gäste zu bringen. Bei deftigem Essen, Kapustnica (Krautsuppe mit Bratwurstscheiben), Šopský šalát (Tomaten-Paprika-Zwiebel-Schafskäsesalat), Guláš mit Nudeln sowie zum Nachtisch Palacinky (süße Pfannkuchen) wurde es ein gemütlicher Abend. Die Zigeunermusiker spielten uns zuliebe später sogar am Tisch das deutsche Volkslied „Oh Heideröslein“.

 

 

 

 

 

 

 

 

Sonntag 19.08.07   Rundweg: Štrbské Pleso → Predné Solisko → Štrbské Pleso

 

Landschaftspanorama, Touristenrummel und ein Riesenhaxen
 

Bei traumhaft schönem Wetter fuhren wir mit der Seilbahn zum Vorgipfel des 2.120 m hohen Solisko hinauf. „Raus auf den Berg“ war auch bei vielen anderen die heutige Devise. Vor allem viele Familien nutzten das herrliche Wetter für einen Ausflug in die Natur. Auch Eugens „Stoßdämpferschmerzen“ waren wieder so weit abgeklungen, dass er wieder mit dabei war. Von der Bergstation der Seilbahn Chata pod Soliskom, 1.840 m hoch, war noch ein einstündiger schweißtreibender Aufstieg über Felsen, Geröll und im unteren Bereich durch Knieholz zum Gipfel des Predné Solisko zu meistern.

 

Die Aussicht nach unten und auf die umliegenden Berge war atemberaubend. Gegenüber das West Tatragebirge, vor uns, rechts und links majestätisch gewaltig höchste Bergspitzen der Hohen Tatra: Satan (2.422 m), Rysy (Meeraugspitze) mit 2.503 m der höchste Berg Polens. Der Name ist abgeleitet aus der Goralensprache „porysovane“ = zerklüftet und der Kriváň mit 2.494 Metern der heilige Berg der Slowaken. Deutlich sah man seinen schiefen Gipfel.

 

Eine Legende erzählt, Gott habe einen Engel ausgeschickt, um die Welt an manchen Stellen mit besonderen Naturschönheiten zu versehen. Der göttliche Bote unterschätzte die Höhe des Gebirges, blieb mit dem Sack, der das wertvolle Gut enthielt, am Kriváň hängen, so dass er es an dieser Stelle ausschüttete – die Spitze des Gipfels blieb jedoch seit diesem Zusammenstoß schief. Vielleicht ist es gerade die „Unvollkommenheit“ des Berges, die die Menschen in besonderem Maße

                                                                          anzieht.

 

Auch unsere Wandergruppe will ihm eines Tages aufs Dach steigen. Es wäre sicherlich die Krönung auf der gesamten Wanderstrecke von Eisenach nach Budapest, den Olymp der Slowakei kennen zu lernen.

 

Auf dem 2.120 m hohen Predné Solisko genossen wir ca. 1,5 Stunden das Panorama. Schneefelder konnten wir keine entdecken. Steile Lawinenhänge und Felsabbrüche sorgten automatisch für größte Vorsicht beim Herumklettern im Gipfelbereich. Nach einem ausgiebigen Sonnenbad, was manche sogar oberkörperfrei genossen, stiegen wir wieder zur Hütte der Seilbahnbergstation Chata pod Soliskom hinunter. Mittlerweile war die Zahl der Gipfelbesucher so groß, dass wir an Felsengpässen warten mussten, um Langsamere zu überholen oder bergauf kletternde Gruppen vorbei zu lassen. Nach einer kleinen Rast in der Hütte, nur Eugen fuhr wieder mit der Bahn nach unten, wanderten wir einen schmalen Felsplattenpfad an Knieholz vorbei weiter abwärts. Wir kamen an Bergwiesen mit einem kleinen Bach vorbei, an dem viele Sonntagsausflügler Picknick machten. Zwei Ehepaare aus Sachsen erzählten uns, sie verbrächten jedes Jahr hier in Štrbské Pleso ihren Urlaub. Vorbei an Windbrüchen und Kahlflächen, wiederum mit Weidenröschen bewachsen, wohl noch Folgen des Orkans von 2004, erreichten wir wenig später wieder den Štrbské Pleso (Tschirmer See)

 

Abends besuchten wir wieder eine Koliba, dieses Mal direkt am Seeufer. Sie gehörte zu dem Hotel Patria. Ein Akkordeonspieler brachte sein gesamtes Repertoire an deutschen und österreichischen Volksliedern und Schlagern auch durch Gesang hervorragend zur Geltung. Gelegentlich stimmten wir sogar mit in die Lieder ein. Bei ausgezeichnetem Essen ließen wir den Abend harmonisch ausklingen. Dirk brachte uns noch sehr zum Lachen. Er hatte aus der Speisekarte Haxen mit Knödeln bestellt. Mit 3,5 kg Haxengewicht hatte er allerdings nicht gerechnet. Diese Portion konnte auch er nicht bewältigen. Überraschend sahen wir dann noch aus dem Fenster eine Hirschkuh, die auf dem Weg zum Trinken vom Wald zum See unterwegs war.

 

Montag, 20.08.07   Štrbské Pleso (Tschirmer See) → Sliezsky dom (Schlesierhaus)

 

Das Sahnehäubchen der Tatranská magistrála, ein Kinderbett und ein Zimmer unter Wasser

 

Mini-Alpen wird die Hohe Tatra auch genannt, die Teil der Karpaten ist. Nahezu alle alpinen Landschaftsformen sind hier auf relativ kleinem Raum vorzufinden. Der Hauptkamm der Hohen Tatra erstreckt sich zwar nur bescheidene 26 km entlang, fällt aber kaum unter die 2.000 m-Marke. Immerhin 24 Gipfel überschreiten die 2.500 m-Grenze. Die höchste Erhebung ist die Gerlachovský štít (Gerlsdorfer Spitze) mit 2.655 m. Sie ist damit zugleich der höchste Berg der gesamten Karpaten. Bis auf 500 m sollten wir heute an diesen höchsten Gipfel heran kommen. Für uns stand nämlich die Wanderung auf den „Juwel“, dem schönsten Teil der Tatranská magistrála, bevor. Diese Teilstrecke ist ein Wandertraum und war für mich, neben der Tagesstrecke in der Mala Fatra auf den kleinen und großen Kriváň (ebenfalls wie in der Hohen Tatra Kriváň genannt) bisher das Beste auf der gesamten Tour nach Budapest.

 

Kurz nach neun Uhr marschierten wir bei schönem Wetter los. Verabschiedet wurden wir am Hotel FIS durch das Gezwitscher von einer großen Zahl Mehlschwalben, die an der Hausfassade unterhalb der Balkone und Fenster viele Lehmnester errichtet hatten und sich wohl schon auf den Flug in den Süden vorbereiteten. Zunächst ging es rasch aufwärts durch einen Tannenwald. Das ideale Wetter hatte auch viele andere Wanderer auf die Panoramastrecke gelockt. Darunter waren von der Ausrüstung und Kondition her absolute Profis. Obwohl wir recht zügig ausschritten, überholten uns doch manche Gruppen. Auch etliche Jogger waren unterwegs.

 

Nach einer Wegkreuzung führte uns ein ebener, teilweise terrassenförmiger Weg aus breiten Felsblöcken zum Horský Hotel pri Popradskom plesom, gelegen an dem grünlich schimmernden Popradské pleso (Popper-see). Die Aussicht hinunter auf die Nadelbäume im Tal, zum See und auf die umliegenden gewaltigen hohen Fels- und Zinnenspitzen war überwältigend. Ab ca. 1.500 m endet die Waldgrenze. Hell weißlich glitzernde kleine Wasserfälle rauschten nach unten. Felsgrate des Rysy (2.503 m), des Patria (2.203 m) und des Mengusovský štít (2.227 m) wirkten majestätisch und mächtig.

 

Vom See aus führte ein mit einer Stunde Gehzeit ausgeschilderter Serpentinenpfad sehr steil hinauf auf den 1.966 m hohen Sedlo pod Ostrvou. Es war die steilste und anstrengendste Wegstrecke unserer gesamten Sommertour 2007, aber auch mit die faszinierendste. Auf dem gesamten Steilhang waren unzählige Bergwanderer in Gruppen oder alleine unterwegs. Rasch hatten auch wir an Höhe gewonnen und es zeigte sich, dass unsere Truppe über eine gute Kondition verfügt. Allseitige Bewunderung und Bravorufe wurden einem etwa 70-jährigen bärtigen Mann zuteil, der den Aufstieg schnell hinauf joggte. 20 Minuten später lief er an uns schon wieder abwärts mit den Worten „super, super“ vorbei.

 

Nach einer Stunde schweißtreibendem Anstieg waren auch wir oben auf dem Sattel des Ostrvou, rasteten und genossen den Blick auf die grauen Felsgipfel und den weit unten liegenden Popradské pleso (Poppersee) mit dem Hotel. Auf der Wind abgewandten Seite des Berges schritten wir dann auf einem schönen künstlich angelegten Weg aus Felsplatten und –blöcken weiter aufwärts und dann längere Zeit eben. Es war sicher ein großer Aufwand und bedurfte schweren Gerätes, diesen Panoramaweg anzulegen. Aber es hatte sich gelohnt. Weit reichte der Blick in die Landschaft. Links oben waren die steilen Tatragipfel, rechts unten sah man größere Flächen mit Waldschäden, die durch den Orkan von 2004 verursacht wurden. Auch die Tatrabahn hörten und sahen wir außerhalb kleinerer Orte. Das Gehen auf den unebenen Felsplatten, teilweise mit Gesteinsbrocken übersät, erforderte allerdings größte Aufmerksamkeit. Leicht konnte man sich hier den Fuß vertreten. Beim Ausweichen vor anderen Wanderern rutschte ich z. B. von einer Platte ab und verstauchte mir leicht den Fuß. Hinter einem Abhang gelangten wir dann an einen im Uferbereich mit Felsbrocken und Geröll umsäumten Bergsee, dem – Batizovské pleso (1.804 m). Er liegt direkt am Fuß des höchsten Karpatengipfels, der Gerlachovský štít (Gerlsdorfer Spitze). Kleine Wasserfälle rauschten auch hier wieder von oben in den See.

 

Die steilen Felswände und Zinnen bildeten einen grandiosen Anblick. Das klare saubere Wasser des Gletschersees schmeckte ausgezeichnet. Es war allen sofort klar, an diesem schönen Ort musste man einfach eine Pause einlegen. Bald zogen jedoch dunkle Wolken über dem Gerlachovský štít auf und der Wind wurde stärker. Rasch wanderten wir weiter und befürchteten schon in ein Unwetter zu geraten. Nach einer Stunde hatten wir dann aber glücklicherweise trockenen Fußes unser Nachtquartier Chata Sliezsky dom (Schlesierhaus) erreicht. Die Berghütte (1.683 m) liegt herrlich gelegen an dem Velické pleso (Bergsee) inmitten des Bergmassivs der Gerlachovský štít und des Bradavica (2.476 m).

 

Auf einer hölzernen Aussichtsterrasse war der heiße Tee mit Slibowitz nach den Tagesanstrengungen eine Wohltat. Gleich zu Beginn des Abendessens zeigte sich, dass unsere Befürchtungen hinsichtlich des Wetters nicht unberechtigt waren. Es brach ein fürchterliches Unwetter mit Starkregen, Blitz, Donner und einem heftigen Sturm los. Wehe dem, der jetzt noch im Gebirge unterwegs war. Bei der Rückkehr auf unsere Zimmer fanden Harald und Klaus den halben Raum unter Wasser vor. Ein Fenster war vom Sturm aufgedrückt worden. Fast alle Fenster waren undicht, es zog und pfiff beängstigend. Viele Kleidungsstücke waren nass geworden und der Trockner lief die ganze Nacht im Bad.

 

Dirk und ich waren gezwungen, nebeneinander in einem großen Kinderbett zu schlafen, was allgemeine Heiterkeit auslöste. Trotzdem schliefen wir alle ausgezeichnet. Um 5:00 Uhr morgens sah ich aus dem Fenster eine Wandergruppe beim Abmarsch auf den höchsten Berg der Hohen Tatra, die Gerlsdorfer Spitze.

Dienstag 21.08.07   Sliezsky dom (Schlesier Haus) → Zámkovského chata (Zamkovsky Hütte)

 

Sherpas, Hüttenromantik und Matratzenlager

 

Frühmorgens, bei gutem Wetter vor dem Frühstück, machte ich einen Spaziergang um den Bergsee. Ein schmaler Pfad führte durch Krüppelkiefern (Knieholz) und über zahlreiche steil herunter stürzende Bächlein, die den See speisen.

 

 

Ganz hinten, gegenüber von der Berghütte, rauschte ein schmaler, aber starker Wasserfall. Winzig klein kommt man sich beim Anblick der schroffen und mächtigen Felsgrate und –wände rundherum vor. Aber man spürt auch die gewaltige Kraft. Ein Naturphänomen, das fasziniert. Die Lage der Schlesierhütte an dem See ist wirklich traumhaft. Das Gewitter von gestern Abend hatte aber auch gezeigt, welche Naturgewalten hier oben toben können.

 

Weiter ging es heute noch einmal auf einem schönen Teilstück der Tatranská magistrála. Anfangs marschierten wir längere Zeit durch Knieholz, links oben die Tatragipfel, rechts unten im Tal wieder zerstörte Waldgebiete und kleine Orte. 1 ½ Stunden war der felsige Bergpfad gut begehbar. Dann folgte ein 10-minütiger unangenehmer Fels- und Wiesenabhang, wurzelreich, nass und mit Steinbrocken übersät. Einige Familien kamen uns mit kleinen Kindern entgegen, denen die Strapazen noch bevorstanden. Im dichten Fichtenwald führte ein bequemer breiter Weg weiter leicht abwärts. Auf einer großen Bergwiese mit einem Skilift standen nach jeweils 30 m Höhenunterschied zahlreiche Borkenkäferfallen. Kurz darauf waren wir am Hrebienok (Kämmchen) (1.263 m) angelangt. 3-4 Restaurants erwarten hier den Besucher.

 

Auch heute war reger Ausflugsbetrieb. Die Standseilbahn brachte immer wieder neue Touristengruppen von Starý Smokovec herauf. Die Aussichtsterrassen der Lokale waren bei dem sonnigen Wetter sehr begehrt. Auch wir machten Mittagspause und genossen eine kleine Erfrischung. Große gelbe Roller, ohne Motor, konnten für die Abfahrt ins Tal nach Starý Smokovec gemietet werden. Jeder Fahrer erhielt eine Inline-Skater-Ausrüstung.

 

Auf einem gut markierten Waldweg wanderten wir inmitten einer wahren Völkerwanderung weiter zum Velký Studený potok (Großer Kalter Bach), der sich teilweise in schönen Wasserfällen durch das felsige schluchtenartige Gelände seinen Weg sucht. 10 Minuten später überquerten wir auf einer Holzbrücke einen weiteren sehr mächtigen Wasserfall (Obrovský). Gewandert wurde jetzt aufwärts auf unebenen aneinander gereihten Steinen und Felsen, was beim Gehen volle Konzentration erforderte. Bereits nach einer halben Stunde, um 14:00 Uhr, war dann schon unser Ziel, die Zamkovského chata (Zamkovsky Hütte) (1.475 m), erreicht.

 

Die Versorgung der Hütte erfolgt durch Sherpas (Bergträger). Schon unterwegs hatten wir einen jungen Mann mit einer großen Kiepe auf dem Rücken überholt. Selbst ein Bierfass, 63 kg Gesamtgewicht,  wird auf diese Weise nach oben getragen. Sogar Sherpameisterschaften werden hier in der Slowakei durchgeführt.

 

Übernachtet wurde zu sechst in einem Raum auf Feldbetten, jeweils zwei übereinander. Die Unterkunft war voll belegt. Ganz oben kletterten sogar einige über eine Leiter in den Dachraum und übernachteten auf Matratzen. Selbst in der Gaststube hatten, wie ich am frühen Morgen feststellte, zwei „Sherpas“ übernachtet. Dusche und WC werden von allen gemeinsam benutzt. Sherpa-Kräutertee und Tatramelka-Kuchen sind die Spezialität der Küche. Um 22:00 Uhr herrschte Nachtruhe und nur mit Taschenlampen ging es nachts auf die Toilette.

 

Mittwoch 22.08.07   Zámkovského chata (Zamkovsky Hütte) →  Ždiar (Morgenröthe)

 

Goralen und ein Ort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

 

Schon frühmorgens, während des Frühstücks, ab 8.00 Uhr, trafen die ersten Wanderer auf  der Hütte ein. Die Zamkovského chata (Zamkovsky Hütte) ist ein idealer Ausgangspunkt für Bergausflüge, z. B. auf die Lomnický štít (Lomnitzer Spitze) (2.634 m).

 

Dieser zweithöchste Berg der Hohen Tatra war auch heute unser Ziel. Unsere Vorfreude auf das Bergpanorama in dieser Höhe verflog aber schnell. „Die Kabinenseilbahn fährt heute wegen zu starkem Wind nicht“, teilte uns die Hüttenwirtin nach telefonischer Anfrage bei der Bergbahnstation Skalnaté pleso (Steinbachsee) mit. Sehr enttäuscht beschlossen wir nach Tatranská Lomnica (Tatralomnitz), der Name leitet sich von dem zweithöchsten Berg der Tatra ab, abzusteigen. Beim Abwärtsgehen kamen wir wieder an den beiden vom Vortag bekannten Wasserfällen „Obrovský“ und „Velký Studený potok“ (Großer Kalter Bach) vorbei.

 

Bis hierher waren auch viele andere Wanderer unterwegs, im weiteren Verlauf der Strecke wurde es zusehends ruhiger. Zunächst begeisterten uns noch zwei weitere Wasserfälle mit großen Wasserbecken des Kalten Baches. Die mit Tan-nen- und Fichtennadeln bedeckten Wege sowie das sanfte Gefälle waren eine Erholung im Gegensatz zu den unebenen ansteigenden Felsplattenwegen der Vortage. Im dichtesten Walddickicht trafen wir zwei ältere Pilzsammler. An einem breiten Waldwirtschaftsweg, der von schweren Fahrzeugen tief ausgefahren war und in dem deshalb viele Regenwasserpfützen standen, sahen wir einen so genannten „Vollernter“ bei der Aufarbeitung von Sturmholz im Einsatz.

 

Mit dem Bus fuhren wir dann nach Ždiar (Morgenröthe) (896 m). Das Dorf liegt sehr abgelegen schon in der Belianske Tatry (Belaer Tatra). Es ist eine Goralengemeinde. Goralen sind vor allem im polnischen, aber auch im slowakischen Teil der Beskiden lebende Bergbauern, die sich ihr traditionelles Brauchtum zum Teil noch bewahrt haben. Nachdem wir in der Pension Jánošík Quartier bezogen hatten, machten wir einen Rundgang durch den Ort. Ždiar erstreckt sich 6 km lang. Es ist ein Hufendorf, d. h. die Häuser stehen fast nur rechts und links der Ortsstraße. Auffallend sind einige Holzblockhäuser, die durch Schnitzereien und Ornamentschmuck prächtig heraus geputzt sind. Die Fugen zwischen den Holzbalken sind farblich hervor gehoben. Rot, blau oder grün mit weißen Kreuzen und Strichen, die an Strickmuster erinnern. Glücklicherweise sind diese Holzhäuser heute denkmalgeschützt.

 

Der frühere DDR-Massentourismus soll hier viel Schaden angerichtet haben, da die Bewohner die alten Häuser durch moderne Massivhäuser ersetzten. Abends besuchten wir das schöne goralische Spezialitätenlokal „Goralska Ždiar“. Es ist eine Koliba (Holzblockhütte) mit Bildern vom bäuerlichen Leben der Bergbauern an den Holzwänden. Ein Besuch ist nicht nur wegen der guten regionalen Küche empfehlenswert.

 

Kurz nach 22:00 Uhr machten wir uns auf den Heimweg zu unserer Pension. Es war stockdunkel, keine Straßenlampe brannte mehr. Bürgersteige gibt es keine, sodass bei vorbei fahrenden Autos größte Vorsicht angebracht war. Einheimische, die uns begegneten, hatten deshalb Taschenlampen dabei. Auf Eugen und mich wartete noch eine weitere Überraschung. Die Rezeption war nicht mehr besetzt und unser Zimmerschlüssel war dort deponiert. Erst nach einer Stunde rettete uns eine junge Litauerin, ebenfalls ein Gast der Pension, aus der unangenehmen Lage. Sie hatte die Handynummer des Portiers.

 

 

 

 

 

 

 

Donnerstag 23.08.07  Ždiar (Morgenröthe) Spišská Stará Ves (Zipser Altendorf)

Dorfpanorama, Heidelbeerteppiche, Sturm und ein Wellnesshotel

 

Leider war das kleine Bauernmuseum an diesem Morgen geschlossen und in den beiden Einkaufslädchen von Ždiar war weder Mineralwasser noch Obst für die sechsstündige Tageswanderung erhältlich. Bei bedecktem Himmel, aber ohne Regen, marschierten wir zunächst 2 km durch das Dorf. Dann begann ein lang gezogener einstündiger Aufstieg am Nordhang des Ortes in die Spišská Magura mit ihren berühmten „Heidelbeerteppichen“. Während des 300 m steilen Anstiegs bot sich ein traumhafter Blick auf Ždiar mit den großen umliegenden Bergwiesen und auf die beiden gegenüber liegenden Hausberge Havran (Rabenstein) (2.152 m) und Ždiarska vidla (Greiner) (2.142 m). Einzelne Kühe und Schafe, Kartoffelfelder sowie getrocknetes Heu, um Stangen aufgeschichtet, vervollständigten die malerische Kulisse.

 

Kurz vor der Bergkuppe Magurka (1.193 m) nahm uns dichter Fichtenwald auf. Oben ging es dann auf einem bequemen Waldweg weiter. Teilweise wurde der Weg zu einem schmalen Pfad. Rechts und links waren jetzt auch viele Heidelbeersträucher zu sehen, jedoch waren im Gegensatz zu den Jahren zuvor nur wenige der köstlichen Früchte zu sehen. Die Heidelbeerernte muss jedoch dieses Jahr so schlecht gewesen sein, dass wir in Hotels und Restaurants vergeblich Heidelbeeren als Nachtisch auf der Speisekarte suchten.

 

Kurz nachdem wir eine durch Sturmholz entstandene große Lichtung erreichten, war kein Wanderzeichen mehr zu entdecken. Erst nach einer dreiviertel Stunde vergeblicher Suche nach dem richtigen Weg, hatte wieder einmal unser Wanderführer die richtige Spürnase. Die schweißtreibende Anstrengung mit weiten erfolglosen An- und Abstiegen zwang uns bald darauf zu einer ausgiebigen Mittagsrast am Wind abgewandten Waldrand. Weiter ging es dann auf einem fast baumlosen Hangsattel entlang. Hier hatte der Orkan von 2004 ganze Arbeit geleistet. Das Holz war schon abtransportiert, zahlreiche Baumstümpfe ragten aus den kahlen Abhängen links und rechts hervor. Eine Planierraupe schob Wurzelstümpfe zusammen. Ein heftiger Sturm hatte mittlerweile eingesetzt und es pfiff auf dem Höhenweg gewaltig. Kleine Baumgruppen, die noch standen, schwankten und bogen sich heftig um ihre Achsen. Belohnt wurden wir jedoch durch die hervorragende Fernsicht. Hinten sah man das Tatramassiv, vor uns die Zipser Magura mit Tälern und kleinen Orten, bis zum Trzy Korony (Dreikronenberg) in Polen reichte der Blick.

 

Nach einem kurzen Abstieg gelangten wir an eine Teerstraße mit Bushaltestelle und schon zehn Minuten später saßen wir im Bus nach Spišská Stará Ves (Zipser Altendorf). Dort gingen wir noch 1,5 km auf einer Teerstraße vom Busbahnhof bis zum außerhalb des Ortes gelegenen Hotel Eland. Hier erwartete uns ein gepflegtes gehobenes Ambiente. Zunächst nutzten wir das Hallenbad mit einem Warmwasserbecken und Warmwasserdüsen. Tennisplätze, Spielplätze und Holzhütten zum Übernachten stehen zur Verfügung.

 

Auf einer schönen Terrasse mit Rasen erhielten wir ein vorzügliches Abendessen. Junge Slowaken feierten an den Nachbartischen. Sie prosteten uns zu und auch wir genossen bei einem guten Glas Rotwein den Abend. Wer erhält welche Rechnung an unserem Tisch? Der Kellner wusste es jedenfalls nicht mehr, was allgemeine Heiterkeit auslöste. Spät nachts um 1:00 Uhr zwang uns dann noch ein heftiges Gewitter Wanderschuhe und Strümpfe ins Trockene zu holen.

 

Fotos und Titelfoto:  Wolfgang Meluhn

Erschienen in "Wege und Ziele"  Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 26 - August 2008

 

 

Von der West-Tatra zu Zipser Region   2. Teil

Unterwegs auf Weitwanderwegen in der östlichen Slowakei im Sommer 2007

 

Von Wolfgang Meluhn

Freitag 24.08.07   Pieninský Národný Park (Pieninen – Nationalpark)

 

Flößer, polnische Riviera und Kartäusermönche

 

Heißes und damit ideales Wetter für eine Floßfahrt. Kurz nach acht Uhr fuhr uns die Inhaberin des Hotels Eland mit einem Kleinbus zur Floßanlegestelle an den Dunajec (Dunajetz), etwas stromaufwärts von Červený Kláštor (Rotes Kloster).

 

Der Dunajec bildet ca. 17 km die Grenze zwischen der Slowakei und Polen. Genau in der Flussmitte verläuft die Grenze. An der Anlegestelle lagen 10 Flöße. Sie bestehen aus fünf schmalen, langen ausgehöhlten bootsähnlichen „Trögen“, die am Bug und am Heck mit Seilen verbunden werden und auf diese Weise das Floß bilden. Die slowakischen Flößer sind in einer goralischen Tracht mit bunt bestickter Weste und einem schwarzen Hut gekleidet. Sie benutzen keine Paddel, sondern Stangen zum Staken. Einer steht am Ruder am Heck und der andere vorne am Bug. Insgesamt sind 14-16 Personen auf dem Floß. Der Fluss ist etwa 40-70 cm tief, wobei sich flachere und tiefere sowie langsame und schnellere Wasserbereiche abwechseln. Ängstlichkeit ist fehl am Platze, zumal, wie sich schnell zeigen sollte, die Flößer ihr Handwerk verstehen. Schon als wir noch am Ufer standen, tauchten auf dem Fluss voll besetzte polnische Flöße auf. Rasch war auch durch zwei Busse die Zahl der Wartenden an unserem Abfahrtsplatz auf etwa 70 angewachsen. Gleich darauf erfolgten die Gruppeneinteilungen zu den Flößen.

 

Mit wenigem gekonnten Staken waren wir in der Flussmitte, wo das Floß von der Strömung mitgerissen wurde. Vor uns und hinter uns waren sowohl polnische als auch slowakische Flöße, erkennbar an den unterschiedlichen Trachten der Flößer. Während sich die Fahrgäste häufig zuwinkten und grüßten, fiel auf, dass zwischen den polnischen und slowakischen Flößern keine Worte oder Begrüßungsgesten gewechselt wurden.

 

Leider war die Führung auf unserem Floß nur auf Slowakisch. Schon nach 10 Minuten war Červený Kláštor erreicht. Auf der linken polnischen Seite sah man wenig später eine prunkvolle katholische Kirche. An beiden Ufern befinden sich Campingplätze, die vor allem auf polnischer Seite gut besucht waren. Wenig später waren besonders viele Badeurlauber am Ufer, im Wasser und auf einer Liegewiese. Unser Führer bezeichnete dieses Teilstück als die „polnische Riviera“. Einzelne Felsbrocken ragten in Ufernähe aus dem Wasser. Möwen lauerten hier auf Beute. Sogar einen Schwarzstorch konnten wir an einer Bacheinmündung entdecken. Anscheinend findet er hier noch ausreichende Lebensbedingungen vor.

 

Vor uns zeigten sich auf der polnischen Seite drei markante hohe Felsspitzen, die Tri Koruny (Drei Kronenberg) 982 m.  Der Dunajec verlässt hier das flache Gelände und kurz darauf fließt er durch einen der größten Canyons in Mitteleuropa. Rechts und links bilden felsige Steilhänge das Ufer. Rechts verläuft jedoch noch neben dem Fluss eine Fahrstraße, auf der Radfahrer und Fußgänger unterwegs waren. Gruppen von Stockenten näherten sich beim Vorbeifahren den Flößen, um etwas Essbares zu ergattern. Gelegentlich geriet das Floß in schnelleres Wasser, Wasserspritzer und überschwappendes Wasser sorgten für Gaudi. Nach etwas mehr als 9 km erreichten wir die Anlegestelle in der Nähe des Ortes Lesnica. Direkt am Ufer befindet sich ein Wachhäuschen und zwei Grenzbeamte kontrollieren die Personalausweise von Grenzgängern. Eines nach dem anderen legten die slowakischen Flöße am Ufer an, die polnischen fuhren weiter abwärts nach Polen hinein.

 

Eine Gruppe Zweierkajaks erreichte jetzt auch ihr Ziel, wobei ein Kajak umkippte und die beiden Insassen durch das schadenfrohe Gelächter der Zuschauer doppelt bestraft waren.

 

Wer wollte, konnte jetzt auch mit bunten Pferdekutschen Richtung Lesnica weiterfahren. Kurz vor dem Ort erwarten den Touristen Feststimmung in Restaurants mit Spießbraten und Kesselgulasch am offenen Feuer und jede Menge Souvenirläden. Vier junge Musiker, in Goralen-Tracht gekleidet, heizten die Stimmung mit volkstümlicher Musik immer wieder an. Wir zogen es vor, dem Trubel zu entfliehen und aßen gemütlich in einer kleinen Gaststätte in Lesnica zu Mittag. Das sonnige 25 ° C warme Wetter war auch für den Rückweg, eine zweistündige Wanderung, ideal. Anfangs ging es steil hinauf auf einen bewaldeten Höhenrücken. Das schöne Wetter hatte auch zahlreiche andere Wanderer in die Natur gelockt. Leicht abwärts marschierten wir dann in einem Buchenwald weiter. Immer wieder gab es schöne Ausblicke, vor allem auch in den Dunajec-Canyon. Sogar die besetzten Flöße waren zu sehen. Über einen Serpentinenpfad gelangten wir dann an eine Fahrstraße und nach einem Kilometer war unser Ziel, das Červený Kláštor (Rote Kloster), das Kloster besitzt rote Ziegel, daher der Name, erreicht.

 

Jeder erhielt eine Informationsbroschüre auf Deutsch und die Besichtigung konnte beginnen. Das Kloster wurde 1320 von den Orden der Kartäuser gegründet. Gekleidet war man mit einer langen weißen Mönchskutte. Die Reformation und Spannungen in Ungarn nach der Niederlage gegen die Türken bei Mohács (1526) führten schrittweise zum Niedergang. 1567 erlosch das Leben im Kloster.

 

Mit dem Linienbus fuhren wir nach der Klosterbesichtigung ins Hotel Eland zurück. Hier genossen wir wieder das gehobene Ambiente und die Annehmlichkeiten des guten Hotels.

 

Samstag 25.08.07   Spišská Stará Ves (Zipser Altendorf) Vyšné Ružbachy (Oberrauschenbach)

 

 

 

 

Versteckte Wildererpfade, ein 6-Kilometerschritt und Diskolärm die ganze Nacht

 

Auch heute war uns Petrus wieder hold. Warmes, trockenes Wetter mit guter Fernsicht. Beste Bedingungen für die bevorstehende geplante 6–stündige Wanderung. Nachdem wir uns mit Proviant versorgt hatten, fuhren wir mit dem Linienbus bis zum Magurské sedlo (949 m). An einem großen Holzkreuz machten wir ein Gruppenbild und liefen dann auf einem geteerten Weg ca. 40 Minuten abwärts. Es herrschte ausgezeichnete Fernsicht auf das waldreiche Umland. Am Sedlo Topo-recké angelangt, ging es gleich darauf etwa 30 Minuten einen verschlammten Pfad hinauf zum Kameniarka (935 m). Oben auf dem Sattel war weder rechts noch links, noch geradeaus ein Wanderzeichen zu entdecken. Wir entschieden uns für den Weg abwärts, mussten aber nach 1 km feststellen – da immer noch kein Wanderzeichen zu sehen war - dass wir uns verlaufen hatten. Wieder zurück, hinauf zum Berg, war die einzige sinnvolle Fortsetzung. Oben blieb die Suche nach allen Richtungen wiederum erfolglos. So blieb uns nur noch der Schlammpfad hinunter, den wir schon herauf gewandert waren.

 

Ziemlich weit unten führte ein schmaler Querweg nach links. Hier vermuteten wir jetzt die richtige Richtung. Bald trafen wir auf zwei Männer mit zwei Buben, die Holz abseits vom Weg auf einen alten russischen Lkw luden. Einer der Männer versuchte 10 Minuten lang, er sprach nur Slowakisch, uns den richtigen Weg zu erklären. Klar wurde nur, dass wir wieder zurück mussten. Erneut standen wir 20 Minuten später wieder auf dem Berg Kameniarka. Hier versuchten wir links unser Glück. Etwa zwei Kilometer kämpften wir uns im dichten Fichten- und Buchengebüsch voran. Keiner glaubte mehr an die Möglichkeit, den richtigen Weg zu finden. Da rief Harald auf einmal, er habe das blau-weiße Wanderzeichen wieder gefunden. Und tatsächlich von links unten führte der richtige Wanderpfad herauf. Wir hätten viel weiter unten links beim Aufstieg abbiegen müssen. 2 Std. waren wir auf den falschen Wegen unterwegs gewesen.

 

Auch die weiteren teilweise sehr engen und mit umgestürzten Bäumen versperrten Pfade erforderten alle Aufmerksamkeit. Trotzdem gönnten wir uns eine halbstündige Rast. Gut erholt marschierten wir weiter auf zugewachsenen Pfaden durch dichtestes Gebüsch und über Bergwiesen. Für Wilderer und Schmuggler ein sehr geeignetes Terrain. Mehrfach flüchteten Rehe vor uns. An einigen Abzweigungen fehlten wiederum die blau-weißen Wanderzeichen. Zeitaufwendiges Suchen war die Folge. Mitten im tiefsten Brombeergestrüpp erschreckten uns zwei Brombeersammlerinnen. Im ersten Moment dachte ich, ein Braunbär nähere sich. Zwei Eimer hatten sie bereits voll gesammelt.

 

An einer großen Wegkreuzung erwartete uns ein weiterer Schrecken. Noch 2,5 Std. zeigte ein Wegzeichen bis zu unserem Tagesziel Vyšné Ružbachy (Oberrauschenbach) an, und es war mittlerweile schon 16.30 Uhr. Automatisch beschleunigte jeder seinen Schritt. Sechs Kilometer in der Stunde sind bei uns durchaus möglich, wenn der Weg gut gekennzeichnet und eben ist oder abwärts führt. Dies war jetzt der Fall und nach einer Stunde war schon eine erhebliche Teilstrecke bewältigt. Schon nach einer weiteren dreiviertel Stunde sahen wir die ersten Häuser außerhalb von Ružbachy. Hier genossen wir nach den Tagesstrapazen - 8,5 Std. waren wir heute auf Schusters Rappen unterwegs - an einem Kiosk neben einem großen Schwimmbad ein frisches Bier. Ružbachy ist Kur- und Heilbad. Große Hotels mit gepflegten Parks erwarten den Kurgast. Übernachtet wurde im Hotel Travertin I im vierten Stock. Abends machten wir einen Bummel ins Dorf. Ein 23° warmer Kratersee zählt mit zu den Hauptattraktionen des Ortes.

 

Wir kehrten in eine Koliba (Holzblockhütte bewirtschaftet) ein. Vier junge Musiker (2 Geiger, 1 Akkordeon- und 1 Kontrabassspieler) spielten und sangen slowakische Volkslieder. Speziell für uns an unserem Tisch erklangen „Trink, trink Brüderlein trink …“ und „Kalinka“.

 

Nur mit Ohrenstöpseln von Dirk konnten wir dann später im Hotel einschlafen. Überlaute Technomusik aus einer nahen Freilicht-Diskothek war die ganze Nacht über zu hören. Der ganze Kurort wurde dadurch terrorisiert. Doch die Kurgäste waren sehr leidensfähig; am nächsten Morgen kurz vor 9 Uhr standen schon wieder Scharen übernächtigter Leidensgenossen vollzählig vor dem „Weißen Haus“ an, um das Frühstücksbuffet zu stürmen.

 

Sonntag 26.08.07   Vyšné Ružbachy (Oberrauschenbach) Stará Ľubovňa (Alt-Lublau)

 

Versteckte Kronjuwelen, Plattenbauten und die Perle der Zips

 

Bereits 45 Minuten nach dem umfangreichen Frühstücksbuffet fuhren wir mit dem Bus ins 4 km entfernte Nižné Ružbachy (Unterrauschenbach). Vorbei an einer großen Kirche, der Gottesdienst war gerade zu Ende und zahlreiche Kirchenbesucher standen noch in Gruppen zusammen und musterten uns neugierig, marschierten wir zügig zum Ortsausgang. Ein kleines Stück ging es hier dann am Fluss Poprad entlang. Kurz darauf führte uns das rote Wanderzeichen über die Flussbrücke. Durch Wiesen und Felder erreichten wir nach 2 Kilometern Fichten- und Tannenwald. Hier liefen wir im Sechs-Kilometer-Schritt auf einer sanft ansteigenden Teerstraße hinauf zum 883 m hohen Kotník.

 

An dem Rundfunk- und Fernsehsendemast am Berg Kotník gönnten wir uns dann die erste Pause. Bei dem sonnigen Wetter erwies sich der jetzt ebenerdig verlaufende Kammweg als sehr bequem zu laufen und erinnerte an Touren im Odenwald. Immer wieder ergaben sich schöne Ausblicke auf Täler und Berge der Umgebung. Auch den verlockenden Brombeeren direkt am Wegesrand konnte keiner von uns widerstehen. Etwa eine halbe Stunde lang genossen wir immer wieder die köstlichen Früchte. Sie hingen so hoch am Strauch, dass sie von einem Fuchs nicht erreicht werden konnten. Der Fuchsbandwurm war daher nicht zu befürchten. Gelegentlich begegneten wir auch einheimischen Wanderern, die ebenfalls Brombeeren zu schätzen wussten. Hinter einer großen Wiese und einem einsamen Haus gelangten wir an eine große Wegkreuzung (Patria 868 m). 40 Minuten später bot sich uns vom Waldrand aus ein überwältigender Blick auf einen Talkessel mit der Stadt Stará Ľubovňa (Alt-Lublau) und auf die umliegenden Felder, Wiesen und Waldgebiete.

 

Direkt oberhalb der Stadt Stará Ľubovňa, uns gegenüber, war die gut erhaltene Burg Hrad Ľubovňa (1302 – 1308) auf einem Felsen über dem Fluss Poprad gelegen, zu sehen. Die Burg diente als Sicherung der nördlichen Grenze Ungarns. Der Ungarnkönig Sigismund von Luxemburg war finanziell in Schwierigkeiten und lieh sich 1412 Geld vom polnischen Herrscher Wladislaw II. Als Sicherheit wurden die Stadt und die Burg für 370 Jahre an Polen verpfändet. 1655-1667 waren in der Grenzfestung die polnischen Königsschätze (auch die Kronjuwelen) versteckt, da die Schweden Polen besetzt hielten.

Eine halbe Stunde lang genossen wir die schöne Aussicht, bevor es abwärts über Wiesen und an Feldrändern entlang weiterging. Hinter einem kleinen Wald tauchten bald darauf „Chatas“ mit schön angelegten Gärten auf. Jeder Stadtbewohner hätte gerne eine und wer eine besitzt, flüchtet am Wochenende oder im Sommer dorthin.

 

Jetzt, am Rande der Stadt, bot sich aber auch ein wenig ästhetischer Anblick auf Plattenbauten. In der Slowakei sind sie ein gewohnter Anblick an der Peripherie der Städte. Um nach dem Zweiten Weltkrieg möglichst schnell Wohnraum zu schaffen, wurden in der damaligen Tschechoslowakei 92 % aller Staats- und Genossenschaftswohnungen in dieser äußerlich eintönigen Bauweise errichtet.

 

Nach einem Kilometer war die Plattenbausiedlung durchquert und wir gelangten in die Innenstadt mit relativ wenig Verkehr. In einem Eiscafé gönnten wir uns eine Portion Eis. Eine Kugel kostete 6 skr (18 cts) und war damit für uns sehr preiswert, aber dennoch geschmacklich sehr gut. In einem nahe gelegenen Park mit Bäumen, Bänken und einem großen Springbrunnen ruhten wir uns noch eine weitere Stunde aus. Zur vollen Stunde erklang von einem Kirchturm ein Glockenspiel.

 

20 Minuten dauerte später der Weitermarsch zur Bushaltestelle am Bahnhof. Der Bus war gerammelt voll und wir waren froh, als wir nach einer halben Stunde Fahrt am Poprader Bahnhof ausstiegen. Poprad (Deutschendorf) ist ein zentraler Verkehrsknotenpunkt. Neben der Eisenbahn fahren auch noch über 36 Busse von den Haltestellen des Busbahnhofs zu allen größeren Städten des Landes. Während unseres Aufenthalts am Busbahnhof sah ich zwei Romajungen Plastikflaschen aus den Müllkübeln sammeln.

 

Unser nächstes Fahrtziel war die Perle der Zips: Levoča (Leutschau), eine der unbestritten schönsten Städte der Zips und der Slowakei. Die heutige Kleinstadt bietet dem Besucher eine Vielzahl an kunsthistorischen Schätzen. Mittelpunkt der Stadt ist der Námestie Majstra Pavla (Meister-Paul-Platz), nach dem berühmtesten Künstler der Region benannt. Blickfang sind hier das Rathaus, die mächtige St. Jakobs-Kirche, die evangelische Kirche und ein kleiner Park. Eingerahmt wird der Platz von zahlreichen Adels- und Bürgerhäusern.

 

Montag 27.08.07   Levoča (Leutschau) und Spišský hrad (Zipser Burg)

 

Meister Paul und eine Burg wie aus dem Märchenland

 

Um 9 Uhr holte uns Frau Dana Palza am Hoteleingang zur Stadtführung ab. Levoča hat 17.000 Einwohner. Die Arbeitslosigkeit beträgt 19 %. 17 % der Bevölkerung sind Roma. Im 13. Jh. wurde die Stadt durch einen Mongoleneinfall zerstört. Danach besiedelten deutsche Kolonisten die Stadt und brachten sie durch Handel und Handwerk zum Blühen.

 

Die erste Attraktion des Rundgangs am Hauptplatz ist ein mittelalterlicher Schandkäfig. Frauen, die ohne männliche Begleitung nach 20 Uhr noch unterwegs waren, mussten für 24 Stunden in den Pranger und wurden dort zur Strafe zur Schau gestellt. Zusätzlich für diese Schande wurden die Delinquentinnen auch noch verhöhnt und angespuckt.

 

Unter Arkadenbögen, vorbei an einer Comenius-Gedenkstätte, gelangten wir ins Rathaus. Es ist ein Renaissancebau, der zwischen 1550 und 1615 errichtet wurde. Ein Museum zeigt Exponate zur Geschichte der Stadt, u. a. Rüstungen, Waffen, Folterinstrumente, alte Stadtkarten sowie keltische Funde. Im Sitzungssaal hängt ein Leuchter aus Bergkristallen, ein Geschenk der Stadt Venedig.

 

Ein großes Bild an der Wand zeigt die „Weiße Frau von Levoča“. Zu sehen ist eine Frau in einem weißen Kleid. Sie steht an einer Tür und öffnet gerade eine geheime Eingangstür der Stadt.

 

Juliana Korponay-Giczy lebte von 1680 bis 1714. 1709 war Levoča von kaiserlichen Truppen umstellt. Stefan Andrassy war Hauptmann der kaiserlichen Truppen und auch der Geliebte der verheirateten Adeligen Juliana. In der Nacht des 13. Februar 1710 soll sie den kaiserlichen Truppen in Levoča Einlass gewährt haben. Damit habe sie angeblich ihre Heimatstadt verraten. Am 25.09.1714 wurde sie auf kaiserlichen Befehl in Györ enthauptet. Vieles scheint jedoch an dieser Frauengeschichte bis heute zweifelhaft und widersprüchlich.

 

Nach dem Rathausbesuch führte uns Frau Palza in die gotische St. Jakobs-Kirche. Sie ist von hochrangiger Bedeutung im Bereich der sakralen Kunst. Der dreischiffige Bau mit Kreuzgewölbe sowie die Kapelle des hl. Georg errichtete man bis zum Jahr 1400. Der Turm ist neugotisch, da der ursprüngliche 1848 durch Brand vernichtet wurde. Die größte Sehenswürdigkeit im Inneren ist der Hauptaltar des hl. Jakob d. Ä. Mit einer Gesamthöhe von 18,62 m ist er der höchste gotische Altar auf der Welt. 1508-1517 wurde er von dem berühmten Holzschnitzer, Meister Paul aus Levoča angefertigt. Zentrale Figuren des Altars sind die 2,47 m große Gottesmutter mit Kind, der heilige Jakob 2,32 m und der hl. Johannes 2,30 m.

 

 

 

 

 

 

 

 

Anschließend zeigte uns Frau Palza noch einige schön renovierte, alte historische Gebäude am Hauptplatz. Investoren werden gesucht, um die alte wertvolle Bausubstanz wieder zur Geltung zu bringen.

 

Nach dem Stadtrundgang fuhren wir dann mit dem Bus nach Spišské Podhradie (Kirchdrauf) zur Spišský hrad (Zipser Burg) (Titelbild der Ausgabe 26 - August 2008 von "Wege und Ziele").

 

Sie ist mit über vier Hektar eine der größten Burganlagen Europas. Seit 1993 ist sie Unesco-Weltkulturerbe. Auf einem lang gezogenen Travertinfelsen erhebt sie sich auf 634 m Höhe oberhalb eines Talkessels wie ein Riff aus der Brandung.

 

 

 

 

 

Der Weg zur Burg hinauf von Spišské Podhradie muss zu Fuß zurückgelegt werden. Bereits nach 20 Minuten waren wir oben. Am Eingangsportal hing ein Schild mit dem Hinweis, evtl. anzutreffende fliegende Ameisen seien ungefährlich. Wir bekamen aber keine zu Gesicht. Die äußere große Befestigungsmauer ist im unteren Teil der Burganlage über eine lange Strecke gut begehbar. In den Burggebäuden sind eine mittelalterliche Küche, Museumsräume mit keltischen Funden, Folterwerkzeugen und Waffen sowie eine Burgkapelle untergebracht. Vom Turm aus bietet sich ein traumhafter Ausblick auf das Zipser Umland. Andenkenläden, Kioske und eine kleine Gaststätte befinden sich in den Innenhöfen der Burg. Holzschnitzern kann man bei der Arbeit zusehen.

 

 

 

 

 

Bis in die jüngere Steinzeit konnten Archäologen eine Besiedlung der Burg nachweisen. 1209 war die Burg bereits politischer und kultureller Mittelpunkt der Zips. 1241 wurde ein Mongolenangriff abgewehrt. Bis 1464 gehörte sie dem jeweiligen Herrscher über Ungarn. Danach wechselten sich ungarische Adelsfamilien als Besitzer ab. Nach einem großen Brand 1780 begann sie zur Ruine zu zerfallen. Erst 1970 wurden größere Renovierungen durchgeführt.

 

Nach dem Abstieg von der Burg, wieder hinunter nach Spišské Podhradie, fuhren wir mit dem Bus über Poprad zum Ort Čingov im Slowakischen Paradies. Hier übernachteten wir in der „Penzión Lesnica“.

 

 

 

 

 

 

Dienstag 28.08.   Slovenský raj (Slowakisches Paradies)

 

„Slowakisches Paradies“ und „himmlische“ Wanderwege

 

Das Karstgebiet, das sich südwestlich von Levoča und westlich von Spišská Nová Ves (Zipser Neudorf) erstreckt, nennen die Slowaken ihr Paradies und es wurde in den 90-er Jahren zum Nationalpark erklärt. Für die Nationalparks gelten strenge Vorschriften. Wer sie missachtet, muss mit Geldstrafen rechnen. Typisch für die geologische Formation des Karst sind schmale und steile Schluchten (rokliny), romantische bis wild plätschernde Wasserfälle und Höhlen.  Beim Wandern auf den zahlreich vorhandenen markierten Wegen helfen Holzsteige und Stege – an Himmelsleitern erinnernd – kaskadenartig fallendes Gelände zu überwinden. Öfters steigt man hier an Wasserfällen hinauf. Idealer Ausgangspunkt für Ausflüge ins Slowakische Paradies ist Čingov (490 m), Stadtteil des 3 km südwestlich von Spišská Nová Ves gelegenen Ortes Smižany.

 

Für uns stand heute ein ca. 6 Stunden dauernder und einer der am häufigsten besuchten Trassenrundwanderwege auf dem Programm. Zehn Minuten ging es zunächst einen breiten, flachen Fichtenwaldweg entlang. Dann folgten wir der gelben Markierung zügig einem schmalen steileren Pfad immer im Wald hinauf.

 

 

 

Nach einer Stunde erreichten wir den Tomášovský výhľad (Thomasausblick). Auf einer steil abfallenden Felsterrasse in 687 m Höhe hat man eine herrliche Rundumsicht ins Tal des Flusses Hornád und hinauf bis zu den Gipfeln der Hohen Tatra. Der Blick schweift vor allem auf Wälder aus Kiefern, Tannen und Fichten. Am Hang gegenüber konnten wir eine große Höhle entdecken. Eine Hinweistafel informiert über die heimische Flora und Fauna. Orchidee, Küchenschelle, Wolf, Luchs, Jagdfalke und Sperber sind hier noch anzutreffen. Öfters hörten wir bei der heutigen Tour auch Schwarzspechte.

 

Vom Thomasausblick erfolgte dann der Abstieg zur Letanovský mlyn 513 m (Mühle). Zwei Romabuben wiesen uns auf slowakisch auf eine Gaststätte in der Nähe hin. Kurz darauf kam aus dichtem Gebüsch ihr Vater. Er hatte ein großes und schweres Holzbündel aus Haselnussstangen quer auf dem Rücken. Weiter marschierten wir über eine ca. 25 m lange Holzblechbrücke, die durch Ketten gesichert ist.

 

Wir hatten den Cañyon des Hornád-Durchbruchs erreicht. Der Fluss schlängelt sich mehrere Kilometer weit unter wild romantischen Felsformationen eng am Weg entlang durch die Schlucht. Am Beginn der Schlucht Klástorska roklina geht es weg vom Hornád einen durch Ketten, Seile, Steigeisen und Blechsteige gesicherten Pfad hinauf. Die Schlucht Klástorska roklina ist nur in einer Richtung – nämlich von unten nach oben - zu begehen. Gelegentlich überholten wir andere Wanderer. Gegenseitige Rücksichtnahme an gefährlichen Engstellen ist bei Bergwanderern selbstverständlich. Längere Zeit bergauf und bergab mit immer neuen körperlichen Anstrengungen, Springen, Rutschen, Ziehen, Klettern, Gleichgewicht halten, sorgten für höchsten Natur- und Wandergenuss. Bald folgte der Pfad einem Wildbachlauf steil aufwärts, gekennzeichnet durch eine grüne Markierung. Dreimal mussten innerhalb kurzer Zeit 15 m lange Eisenleitern in dem terrassenförmig ansteigenden Bachbett hinaufgeklettert werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Große abgestorbene Baumstämme lagen im Weg und ließen die Wassergewalt im Frühling nach der Schneeschmelze erahnen. Nachdem noch einige weitere kleinere Leitern bewältigt waren, gelangten wir auf eine Waldlichtung mit einer großen Bergwiese. Wir waren in Kláštorsko (770 m) angekommen.

 

Im Bergrestaurant herrschte reger Betrieb und wir aßen auf der hölzernen Aussichtsterrasse zu Mittag. Etwas entfernt sah man die Ruinen eines ehemaligen Kartäuserklosters, das um das Jahr 1305 entstanden war. 1543 wurde es zerstört, nachdem die Mönche es verlassen hatten.

 

Auf dem Weg zurück übernahm ein blaues Zeichen die Führung. Immer wieder gab es schöne Aussichtsstellen. Bergab ist man ein Drittel der Zeit schneller als bergauf. Dafür geht der Abstieg aber „mehr in die Knie“, wie wir Wanderer sagen. Schon eine weitere halbe Stunde später standen wir unten auf einer kleinen Stahlblech-Brücke über dem glasklaren Wasser des Hornád. Weiter liefen wir dann auf einem bequemen breiten Naturlehrpfad immer am Wasser entlang. Kurz darauf zeigte sich links oben wieder die Thomasfelsenterrasse. Winzig klein sahen die Leute darauf aus. Sehr angenehm empfanden wir die frische, kühle Luft hier unten im Tal. 20 Minuten danach kamen wir dann wieder in unserer „Penzión Lesnica“ an.

 

 

 

Damit war das eigentliche Wandern der Sommertour 2007 beendet, da in den restlichen beiden Tagen nur noch Besichtigungen in Bratislava und Wien bevorstanden.

 

Keinen einzigen Regentag hatte es dieses Jahr in der Slowakei gegeben. Petrus war uns in den Jahren zuvor weit weniger zugetan. Vor zwei Jahren hatten wir sogar die Sintflut erlebt und mussten vorzeitig nach Hause reisen.

 

Mittwoch 29.08.  Fahrt nach Bratislava (Preßburg) und über Wien nach Heidelberg

 

Die Inhaberin unserer Pension fuhr uns morgens zum Bahnhof ins 3 km entfernte Spišská Nová Ves. Hier stiegen wir in einen Schnellzug der direkt nach Bratislava fuhr.

 

Nach einem kurzen Altstadtbummel fanden wir uns am Donauufer zur Abfahrt mit dem Katamaran nach Wien ein. 1,5 Stunden dauert die sehr empfehlenswerte Fahrt mit dem bis zu 65 km/h fahrenden Schnellboot. Etwas wehmütig nahmen wir Abschied von Bratislava. Die mächtige Burg, der Dom und die Altstadt zeigten sich noch einmal in ganzer Pracht.

 

Planmäßig landeten wir dann in Frankfurt/Main. Schon um 20:30 Uhr konnte ich meine Frau in Heidelberg in die Arme schließen.

 

Im Sommer 2008 war die Wandergruppe wieder auf versteckten Wolfs- und Bärenpfaden am E3-Weg in der Ostslowakei nahe der ukrainischen Grenze unterwegs.

 

Erschienen in "Wege und Ziele"  Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 27 - Dezember 2008

 

 

Die Ostslowakei –eine zu wenig bekannte Region Europas

 

Vom Dukla-Pass (Grenze zu Polen) bis Prešov (Preschau).

Im August 2008 unterwegs auf den Fernwanderwegen E3 und E8

 

Von Wolfgang Meluhn

 

1. Tag: Von Heidelberg nach Svidník (Swidnik)

 

Reise zu der östlichen EU-Außengrenze

 

Kaum größer als Niedersachsen ist die Slowakei, und besonders der Osten des Landes ist für deutsche Wanderer weitgehend unbekannt. Aber auch diese gebirgige Region hat mit seinen historischen Städten und abwechslungsreichen Landschaften einiges zu bieten.

 

Wie immer war der Treffpunkt für unsere diesjährige Tour der Heidelberger Hauptbahnhof. Erwartungsfroh fuhren wir von dort aus um 6.00 Uhr mit einem Kleinbus zum Frankfurter Flughafen. Wir flogen nach Wien mit der Maschine um 8:45. Zügig weiter ging es dann in einem Kleinbus ins 65 km entfernte Bratislava. Dann standen uns 500 km Fahrt – quer durch die ganze Slowakei – bevor. Der Zug war wie gewohnt brechend voll und Platzreservierungen sind Gold wert. In Kysak mussten wir noch einmal umsteigen und um 19.00 Uhr waren wir in Prešov (Preschau) angekommen. Nach weiteren 1,5 Stunden Busfahrt durch eine ländliche Gebirgsregion mit kleineren Orten erreichten wir unser Tagesziel Svidník (Swidnik).

 

2. Tag: Dukliansky priesmyk  ─ Svidník (Swidnik)

 

Ein Heldenweg, Kriegsdenkmäler und T 34-Panzer

 

Bis zu 27 ° C wurde es heute warm. Da jedoch immer wieder größere Waldstücke durchquert werden mussten, spürte man die Hitze nicht zu sehr. Hinzu kam, dass es eigentlich immer leicht abwärts oder eben durch das Gelände ging. Allerdings führte uns der Wanderweg mehrfach auch längere Teerstraßen entlang. „Zum Einlaufen“, wie wir einstimmig feststellten, war die Strecke jedoch ideal.

 

Die Kleinstadt Svidník (Swidnik) im Norden der Niederen Beskiden lag nach dem Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche, sodass sich heute in der Gemeinde so gut wie keine historischen Gebäude mehr finden. Die üblichen Plattenbauten prägen das Bild der Stadt.

 

Ausgangspunkt zu unserer heutigen sechsstündigen Wanderung war der Svidníker Busbahnhof. Der Bus zum 21 km entfernten Dukliansky priesmyk (Dukla-Pass) war voll besetzt. Bei der Durchfahrt des Dorfes Hunkovce wurden wir auf einen deutschen Soldatenfriedhof aufmerksam. 3.000 Gefallene fanden hier ihre letzte Ruhe. Kurz hinter Komárnik erreichten wir die Endstation Dukliansky priesmyk (Dukla-Pass), direkt an der polnischen Grenze. Es war wenig los und nur ca. alle 10 Minuten passierten ein bis zwei Lkw die Landesgrenze.

 

 

 

 

Der Dukla-Pass war im Winter 1914/15 und im Herbst 1944 schwer umkämpft. In den Berghügeln ringsum fielen alleine im September und Oktober 1944 bei der so genannten Karpaten-Dukla-Operation 90.000 sowjetische, über 50.000 deutsche und 6.500 tschechoslowakische Soldaten.

 

Direkt unterhalb des polnischen Grenzpostens beginnt der Cesta hrdinov („Wanderweg der Helden“). Die Rote Armee drang in diesem hügeligen Terrain gegen deutsche und ungarische Wehrmachtsverbände in die Slowakei ein.

 

Ein Heldenfriedhof mit einem Mahnmal aus den 60-iger Jahren im Stil des sozialistischen Realismus erwartet den Besucher am Anfang. Weiter geht es dann auf einem schmalen Teerweg neben der Landstraße (E371). Kriegsgerät der Roten Armee aus dem Zweiten Weltkrieg ist hier ausgestellt. Wir besichtigten einen T34-Panzer, ein Jagdflugzeug sowie verschiedene Artilleriegeschütze und Mörser.

 

Im dichten Buchenwald begann jetzt endlich aber auch das richtige Wandern. Der weiche Waldboden, die schmalen gut gekennzeichneten Pfade und das angenehme sonnige Wetter sorgten für beste Stimmung. Gegen Mittag erreichten wir den kleinen Ort Medvedie. Hier sagen sich wirklich noch Fuchs und Hase gute Nacht. Wir freuten uns schon auf ein erfrischendes Getränk, es gab jedoch keine Gaststätte in der ca. 150-Seelen-Gemeinde. Auch im nächsten Ort war unsere Suche vergeblich. Kurz vor Kapišová sahen wir dann 12 T34-Panzer an strategisch günstigen Punkten in dem teilweise mit Büschen bewachsenen hügeligen Gelände. Man konnte sich gut vorstellen, welche Zerstörungskraft die stählernen Ungetüme im Kampf entwickelten.

 

Am Westrand von Svidník (Swidnik) trafen wir auf das sowjetische Ehrenmal für die gefallenen Rotarmisten des II. Weltkrieges. Einige Jugendliche nutzten, wenig respektvoll, eine Mauer mit Heldendarstellungen für Kletterübungen. Nur etwa 150 Meter weiter stößt man auf das Militärmuseum, das 1969 zum 25. Jahrestag der Kämpfe um den Dukla-Pass eröffnet wurde.

 

3. Tag: Svidník (Swidnik)    Andrejová

 

Blutsauger und Schlammwege

 

Bei leichtem Nieselregen marschierten wir kurz nach acht Uhr durch die noch etwas verschlafene Fußgängerzone von Svidník. 15 Minuten später war der Stadtrand erreicht und im Fichtenwald ging es zunächst unter den tropfenden Bäumen recht steil nach oben. Eine dreiviertel Stunde später war der Ostrý vrch auf 599 m Höhe erreicht. 300 m Aufstieg hatten wir relativ zügig bewältigt. Auch der Regen hörte jetzt auf. Auf einem noch leicht ansteigenden Kammweg, immer im Wald, kamen wir auch weiterhin gut voran. Auf einer Bank mit einem Schutzdach am Berg Ĉierna hora (Schwarzer Berg), 667m gönnten wir uns eine Mittagspause. Der hölzerne Aussichtsturm war aber wegen Blitzeinschlag nicht zu besteigen.

 

Auf einem schräg abwärts führenden Weg im dichten Buchenwald änderte sich kurz danach unsere gute Laune. Eine starke Regenfront mit Sturm war im Anmarsch. Nur auf den Schirm, den Regenumhang, die Gamaschen und die guten Lederwanderschuhe war jetzt Verlass. Als wir eine sumpfige Wiese mit hohem nassem Gras überquerten, wurde es plötzlich noch erheblich unangenehmer. Von vorn blies uns der Wind den heftigen Regen ins Gesicht und zusätzlich quälte uns nun auch noch ein Heer von Bremsen und Stechmücken. Heftiges Umsichschlagen verbesserte die Situation kaum.

 

Erst nach ungefähr 10 Minuten gelangten wir über einen sehr matschigen Feldweg auf eine Teerstraße. Auch die Blutsauger waren urplötzlich verschwunden und der Regen hörte auch auf. Im nahen Ort Kurimka hofften wir, noch etwas zu essen zu bekommen. Von 12.00 bis 14.00 Uhr war aber die kleine Gaststätte mit dem Lebensmittelladen geschlossen. So trotteten wir im Gänsemarsch mit gedämpfter Stimmung steil zum 520 m hohen Kohútov empor. Leider gab es während des Aufstiegs wieder Bremsen und Stechmücken, die uns wiederum einige Stiche versetzten. Der Pfad war kaum begangen, mit Schlamm und Pfützen übersät, und wir mussten immer wieder durch dichtes nasses Gebüsch, über umgestürzte Bäume und umher liegende größere Äste. Besonders zeitraubend erwies sich auch öfters die fehlende Wegmarkierung. Ab Spalený vrch, 642 m, folgten wir dann einem steinigen, glatten, sehr morastigen Holzabfuhrweg nach unten. Er war schwer begehbar, und wir kamen nur langsam voran.

 

Nach sage und schreibe 8,5 Stunden waren wir dann bis zu der Bushaltestelle am Ortseingang von Andrejová unter erschwerten Bedingungen gelaufen. Es war die härteste Strecke auf der gesamten Sommertour. Keine zwei Minuten hatten wir zum Verschnaufen, da traf auch schon der letzte Bus nach Bardejov (Bartfeld) an der Haltestelle ein.

 

4. Tag: Andrejová ─ Bardejov (Bartfeld)

 

Fahnenflucht, Kurnostalgie und Kaiserin Sisi

 

Pünktlich um 8.00 Uhr holten uns zwei Taxis vom Hotel ab und brachten uns nach Andrejová zurück. Gestern endete hier unsere anstrengende Schlamm- und Blutsaugertour. Zunächst marschierten wir über feuchte und ab und zu auch morastige Wiesen aufwärts, bis uns dichtes Gebüsch den Weg versperrte. Etwa eine halbe Stunde suchten wir vergebens nach dem richtigen Weg durch das Dickicht. Erst als wir eine längere Strecke wieder zurückliefen, trafen wir weiter oben versteckt wieder auf das Wanderzeichen.

 

Im Wald ging es dann sanft abwärts, bis wir wieder eine große Wiese erreichten. Unten im Tal sah man die Siedlung Zborov und am linken Waldrand die gleichnamige verfallene Burg Hrad Zborov. Über einen äußerst matschigen Holzabfuhrweg, gelangten wir dann zur Burgruine. Der Zutritt erwies sich als nicht ungefährlich. Überall waren Schuttberge und baufällige Mauern. Wenigstens für unsere Mittagsrast fand sich ein geeignetes Plätzchen. Die Zborover Burg war die nördlichste Bastion an der Grenze nach Polen und wurde kurz nach 1317 errichtet.

 

1915 kam es in und um die Burgruine zwischen russischen und österreichisch- ungarischen Truppen zu schweren Kämpfen. Ein ganzes Regiment mit 1.400 Männern der österreichisch-ungarischen Armee lief zu den Russen über. Kaiser Franz Joseph I. bezeichnete diese Fahnenflucht als die größte Demütigung seiner Armee.

 

Über einen gut begehbaren Wiesenweg erreichten wir dann unten am Bach den Ortseingang von Zborov. Hinter einer Teerstraße ging es auf einem breiten Forstweg im gegenüber liegenden Wald weiter. 75 Minuten brauchten wir auf dem lang gezogenen breiten Waldweg hinauf zum 600 m hohen Pod Magurou. Unterwegs zeigten uns begeisterte Pilzsammler, eine Mutter und ihre zwei Kinder, ihr umfangreiches Fundgut.

 

Die Wege wurden immer besser und wir erreichten das Kurareal von Bardejovské kúpele (Bad Bartfeld). In dem Heilbad gibt es 10 kalte Mineralquellen, die bei Atemwegsbeschwerden, Herz-, Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen Linderung verschaffen. Sehr stolz ist man auf berühmte Kurgäste wie den russischen Zaren Alexander I. und die österreichische Kaiserin Sisi.

 

Ein Denkmal, die Kaiserin aus Stein im Alter von 18 Jahren, erinnert den Spaziergänger im Kurpark an Alžbety (Elisabeth). Das Kurareal ist für den Autoverkehr gesperrt und ein Rundgang lohnt sich. Ein schönes Café, wie man es aus Österreich oder Deutschland kennt, suchten wir jedoch vergeblich.

 

Sehenswert ist das angrenzende Freilichtmuseum. Die früheren Lebensbedingungen werden anhand von alten Bauernhäusern und Wirtschaftsgebäuden dokumentiert. Besonders hübsch sind zwei im 18. Jh. erbaute griechisch-orthodoxe Holzkirchen. Holzschindeln schützen vor der Witterung. Im Inneren kann man in dem dreiteiligen Balkenbau die mit Tempera auf Holz gemalte Ikonenwand (Ikonostase) bewundern.

 

Über einen schmalen Kurweg aufwärts im Wald verließen wir Bardejovské kúpele in Richtung Bardejov (Bartfeld). Schon nach 15 Minuten erreichten wir eine Anhöhe mit einer wunderbaren Fernsicht auf die mittelalterliche Stadt. Über Felder und Wiesen wanderten wir jetzt nur noch abwärts. Auf der Terrasse eines kleinen Lokals ließen wir bei dem herrlichen Wetter den Tag noch einmal Revue passieren. 8,5 Stunden waren wir auch heute wieder auf Schusters Rappen unterwegs.

 

 

 

 

 

5. Tag: Stadtbesichtigung Bardejov (Bartfeld) und  Bardejovské Kúpele

 

Mittelalterliches Flair und ein nacktes Hinterteil

 

Herr Saláta, ehemaliger Leiter einer Kinderklinik, holte uns morgens im Hotel zur Stadtführung ab. Bardejov (Bartfeld) ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum von Šariš (Scharosch) und hat heute 33.000 Einwohner. Die Altstadt von Bardejov und das westlich angrenzende ehemalige jüdische Viertel wurden im Jahr 2000 in die Liste des UNESCO–Weltkulturerbes aufgenommen. Trotzdem hält sich die Zahl der Touristen in Bardejov noch sehr in Grenzen.

 

1320 bekam der Ort die Stadtrechte und 1376 wurde Bardejov Freie Königsstadt. Angeworbene Kolonisten, vor allem zugewanderte Tuchmacher aus Sachsen, brachten Wohlstand und Ansehen in die Stadt. Bedingt durch den Reichtum der Stadt spielten Kultur und Bildung eine große Rolle. In der Zeit der antihabsburgischen Aufstände, begleitet von Plünderungen und Pest, verlor Bardejov nach und nach an Bedeutung. Auch die geographische Randlage veranlasste viele dazu, der Stadt den Rücken zu zu kehren. Heute leidet Bardejov unter einer hohen Arbeitslosigkeit. Tausende arbeiten auswärts in Tschechien, Deutschland, Italien und Großbritannien.

 

Nach diesen allgemeinen Informationen zeigte uns Herr Saláta den Mittelpunkt der Stadt, den rechteckigen Rathausplatz - ein mittelalterliches Juwel. Er ist von schmucken Bürgerhäusern aus dem 14. bis 16. Jh. gesäumt, als die Niederlassung nach der Ankunft deutscher Siedler ihre Blütezeit erlebte.

 

In der Mitte des Platzes steht das 1509 fertig gestellte und gut erhaltene historische Rathaus. Das Gebäude der Spätrenaissance war Sitz des Stadtrats und Zentrum des kulturellen Lebens. Als Symbol der Gerechtigkeit blickt die Plastik des Ritters Roland vom Giebel herunter. Auch andere kleine Statuen zieren das Dach. Eine zeigt einen Jungen, der sein nacktes Hinterteil genau in die Richtung streckt, wo der damalige Bürgermeister wohnte. Es soll die Rache eines Baumeisters gewesen sein, der vom Stadtrat seinen vereinbarten Lohn nicht rechtzeitig erhielt.

 

An der Nordseite des Platzes steht die monumentale katholische Basilika des Hl. Ägidius. Sie ist im 15. Jh. entstanden und dreischiffig. Die Kirche zählt zu den wertvollsten nationalen Kulturdenkmälern der Slowakei. Außer dem Hauptaltar erwarten den Besucher noch elf weitere Flügelaltäre aus den Jahren 1460-1520, ein Bronzetaufbecken, Senatorenbänke und Mobiliar im Stil der Renaissance und des Frühbarock.

 

Bezahlt wurden die Altäre von den Zünften, je wohlhabender die Zunft, desto prunkvoller war der Altar. Vor der Basilika sind zwei ältere Kirchturmglocken platziert und die Statue des hl. Florian. Als Schutzpatron der Feuerwehr soll er an das 1774 wütende Feuer erinnern, durch das zahlreiche Häuser am Rathausplatz und Teile der Basilika in Flammen aufgingen.

 

Heute laden rund um den Rathausplatz zahlreiche Restaurants, Kneipen und Geschäfte zum Bummeln und Verweilen ein. Abends trifft sich hier besonders die Jugend.

 

Wir gönnten uns abends im Restaurant „Roland“ ein ausgezeichnetes Vier-Gänge -Menü. Auf dem Rathausplatz war eine Bühne aufgebaut und junge Nachwuchsrockgruppen „heizten“ den Zuschauern kräftig ein. Besonders ein Elton-John-Double erhielt für seinen bravourösen Auftritt viel Beifall. Als wir sehr spät ins Hotel zurückkamen, wurde dort gerade eine deutsch-slowakische Hochzeit gefeiert, und die slowakische Braut wurde von allen wegen ihrer Schönheit bewundert.

 

 

 

 

 

 

 

6. Tag: Bardejov (Bartfeld) ─  Hradisko

 

Holzkirchen, Aussichtspanorama und dynamische Wirtsleute

 

Im Nordosten der Slowakei gibt es heute noch über 50 Holzkirchen. 1968 wurden sie nationales Kulturdenkmal und stehen heute unter Denkmalschutz. Die größte Gruppe bilden die Gotteshäuser nach östlichem Ritus, entweder römisch- oder griechisch-orthodox

 

Für den Bau wurde früher fast ausschließlich Lärchenholz verwendet. Es ist am wetterbeständigsten. Bei der Balkenkonstruktion des Gebäudes durften keine Nägel verwendet werden, da Christus damit ans Kreuz geschlagen worden war. Im Osten liegt das Presbyterium (Chorraum) und im Westen der so genannte Weiberraum (babinec). Jeder der drei Räume hat ein eigenes Dach. Auf den kegelförmigen Dächern befinden sich barocke Zwiebeltürmchen oder so genannte „Mohnköpfchen“, auf denen noch Metallkreuze angebracht sind.

 

Vor der heutigen Wanderetappe, die mit einem steilen Kreuzweg eröffnet werden sollte, war ein Kirchgang angesagt, und so fuhren wir am frühen Sonntagmorgen mit dem Taxi zu der gut erhaltenen und sehr wertvollen Holzkirche in Hervartov (Herbertsdorf). Sie wurde um 1500 errichtet und ist in der Slowakei die älteste ihrer Art. Der römisch-orthodoxe Sakralbau ist dem heiligen Franz von Assisi geweiht. Wertvolle Wandmalereien aus dem 17. Jh. zieren den Innenraum. Darstellungen von Adam und Eva im Paradies, der Sündenfall, der hl. Georg im Kampf mit dem Drachen sowie die klugen und törichten Jungfrauen sind an den Seitenwänden. Zentralbild ist die Jungfrau Maria unter den Heiligen. Über eine Holzleiter stiegen wir auf die Empore hinauf, wo man die Atmosphäre des Kirchenraumes besonders intensiv wahrnimmt.

 

Hervartov liegt am Fuße des Čergov–Gebirges, einem wahren Wanderparadies. 1,5 Stunden marschierten wir dann im dichten Wald einen 14 Stationen umfassenden Kreuzweg hinauf. Zunächst führte ein schmaler Pfad durch junge Kiefern sehr steil nach oben. In Fichten- und Tannenwald ging es dann auf einem breiten nadelbedeckten Waldweg weiter.

 

Nach der zwölften Station wurde es noch einmal sehr steil. Schweißgebadet erreichten wir dann den Sedlo Žobrák am Ende des Kreuzweges. Von hier aus führte ein nur noch gering ansteigender Höhenweg auf den Sattel. Ein alter Holzaussichtsturm weckte unser Interesse. Rasch waren die zwei langen Leitern zur Aussichtsplattform erklommen. Belohnt wurden wir durch eine herrliche Fernsicht auf die umliegenden Berge und Täler mit kleinen Dörfern.

 

Beim Weitermarsch lösten jetzt Buchen die Fichten und Tannen ab. Am Bukový vrch (1.019 m) informierten Hinweistafeln auch auf Englisch den Besucher über Tiere und Pflanzen der Umgebung. Am 1.021 m hohen Chochulka trafen wir wieder auf das Wanderzeichen des europäischen Fernwanderweges E3. Der sehr angenehm zu gehende Höhenweg führte auf dem Sattel des Čergov–Gebirges. Der Wald wurde wieder dichter und plötzlich erspähten wir etwas versteckt eine alte Holzdatscha. Daneben waren Holzbänke um einen Lagerfeuerplatz aufgestellt. Es war der ideale Rastplatz für uns.

 

Bald danach kamen wir zum Sedlo Čergov, wo man in der turistická chata leider nicht mehr einkehren kann. In der kleinen abgelegenen Siedlung stehen nur wenige Wochenendhäuschen (Datschen). Nach weiteren 2-3 Kilometern machten wir am Waldrand auf Buchenstämmen eine weitere Pause und kamen mit einem einheimischen Pilzsammler auf Englisch ins Gespräch. Er klagte, in diesem Jahr gäbe es kaum Pilze. An Bergwiesen entlang, links und rechts hatte man wieder beste Aussicht, marschierten wir dann weiter bis Hradisko 606 m hinunter. Hier holten uns die Inhaber der Penzión BOUDICA aus Gregorovce ab, wo wir heute übernachteten. Die neue Innenausstattung in der Unterkunft und der Service sind vom Feinsten und ließen nichts zu wünschen übrig. Die jungen Wirtsleute bieten auch Räumlichkeiten für Festlichkeiten aller Art an. Sie sprechen sehr gut Deutsch und wirken sehr dynamisch.

 

 

7. Tag: Hradisko/Terňa    Veľký Šariš

 

“Vom Weibchen vernascht” und hohe Braukunst

 

Das Wirtsehepaar fuhr uns wieder zurück auf den E3-Weitwanderweg in die ca. acht Kilometer entfernte Ortsmitte von Terňa (375 m). Eine größere Gruppe von Roma war gerade dabei, die Böschungen eines Baches zu säubern. Mit einer Motorsense wurde das hoch gewachsene Gras gemäht und mit Holzrechen für den Abtransport aufgehäufelt. Die zahlreichen Kinder der Gruppe schauten interessiert zu. Wir kauften zunächst einmal in einem kleinen Lebensmittelgeschäft Wanderproviant.

 

Ein kleiner Teerweg führte uns leicht abwärts am Bach entlang aus dem Dorf hinaus. Zwetschgenbäume lockten mit einer Fülle von reifen Früchten. Auf einer Wiese graste eine große Kuhherde. 86 Tiere zählte ich. Über einen Kilometer marschierten wir dann über eine Hangwiese etwas aufwärts dem Waldrand zu. Die Vielfalt an Gräsern und Blumen verriet, dass hier noch nicht gedüngt und  gegen Unkräuter gespritzt wurde. Nur noch ca. 6 Grasarten findet man heute z. B. auf gegen Unkraut behandelten und gedüngten Grasflächen in Deutschland. Entsprechend arm an Flora und Fauna ist eine solche Landschaft. Hier jedoch war das Gegenteil der Fall. Unzählige Heuschrecken, Käfer, Mücken, Hummeln, Bienen, Schmetterlinge und Falter bevölkerten die Wiese.

 

Auf einem breiten Grashalm entdeckte ich eine Gottesanbeterin (Fangschrecke), die gerade eine Heuschrecke gefangen hatte. Sie war ca. 8 cm lang, grau-braun wie ein abgestorbener Halm und damit gut getarnt. Bekannt ist die Gottesanbeterin vor allem dadurch; dass sie nach der Begattung ihren Partner auffrisst („vom Weibchen vernascht“).

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach dem Sattsehen an dieser reichen Artenvielfalt liefen wir aufwärts im Wald zum Sedlo Stáže (440 m). Nach einer weiteren Stunde abwärts, immer noch im Wald, war dann unten im Tal der sich über zwei Kilometer erstreckende Ort Kanaš (305 m) in Sicht. Zahlreiche kleine und große Hunde in den Gärten der Häuser begleiteten lautstark unseren Vorbeimarsch. Unangenehm wurde es aber jetzt noch einmal, da nur noch auf einer breiten Teerstraße, der Hauptfahrstraße, längere Zeit gewandert wurde.

 

Endlich kam die Stadt Veľký Šariš mit dem großen Brauereigebäude ins Blickfeld. Unweit der Brauerei, neben einer großen Straßenkreuzung, machten wir ausgiebig Mittagsrast. Das „Šariš“-Bier genießt in der Region einen guten Ruf und schmeckt ausgezeichnet. Mit dem Bus fuhren wir danach in das Zentrum der drittgrößten Stadt der Slowakei, Prešov.

 

 

 

 

 

 

 

 

8. Tag: Veľký Šariš / Malý Šariš ─  Prešov  (ungarisch: Eperies, deutsch: Preschau)

 

Ein Tag mit mehr als einem Problem.

 

Beim Frühstück wussten wir schon: Heute kann´s keine Probleme geben: Leichte Tour auf dem E3/E8 um die Stadt Prešov herum zum Kalvarienberg von Prešov. Von dort wieder zurück in die Stadt.

 

Wir waren morgens rechtzeitig an der Bushaltestelle. Leider fuhr der Bus vor unseren Augen an unserer Haltestelle vorbei. Wir hatten gar nicht bemerkt, dass es wenige Meter weiter noch eine Haltestelle gab. Es bleibt uns also nur das Taxi, um an unseren Wander-Ausgangs-punkt zu kommen.

 

In Malý Šariš angekommen finden wir sofort das Wanderzeichen, und wir wandern los. Aber bereits nach 5 Minuten stehen wir vor einem Bauzaun.

Da hat man doch tatsächlich eine neue Autobahn mitten über die europäischen Fernwanderwege E3 und E8 gelegt!

 

Wir queren die Baustelle. Bäume auf der anderen Seite sind natürlich längst gefällt und damit sind auch die Wanderzeichen verschwunden. Wolfgang sucht das Wanderzeichen und findet es auch - Gott sei Dank. Es geht weiter. Danach ist der E3 wieder ein richtig normaler Wanderweg.

 

Bald stoßen wir auf aus Stofffetzen errichtete Zelte. Mein erster Gedanke war, sicherlich eine Jugendgruppe, die hier ihre Zelte aufgebaut hat. Schnell erkennen wir auch die Bewohner der Zeltsiedlung, es sind Roma, die hier auf dem Wanderweg campieren.

 

Wir wandern links an den Zelten vorbei. Nur wenige Bewohner waren zu sehen. Doch nach wenigen Metern stehen wir vor einer ca. 2 m hohen Blechwand, die uns die Fortsetzung des markierten Weges versperrt.

 

Das wäre schlimm, denn nun hätten wir wieder durch das Roma-Lager zurückwandern müssen. In der Blechwand war noch ein kleiner Durchstieg zu sehen, anscheinend der Zugang der Roma zur Müllhalde der Stadt Prešov. Nun war alles klar: Die Roma waren auf dem Müllplatz als Recyler tätig. Zum Glück gibt es rechts neben der Blechwand einen schmalen, kaum begangenen, aber mit Brennnesseln zugewachsenen Weg. Wir gingen dem Weg entlang der Blechwand, denn eine Wanderung über den Müllberg kam uns nicht verlockend vor.

 

Der Asphalt hatte uns wieder. Die nächsten 30 Minuten mussten wir auf einer nicht gerade wenig befahrenen Landstraße entlang bis Cemjata wandern. Der Ort war ein Rehabilitations-Zentrum mit nur wenigen Privathäusern.

 

Jetzt hieß es Abschied nehmen von dem europäischen Fernwanderweg E8. Der E8 beginnt an der polnisch-ukrainischen Grenze, verläuft westlich vorbei an Košice (Kaschau), über Bratislava, Wien, Linz, Regensburg, durch unsere Heimat nördlich von Heidelberg, bis in die Niederlande. Wir waren 5 Tage auf diesem E8 ab der slowakischen Grenze zu Polen, am Dukla-Pass, gewandert.

 

Wir bleiben nun auf dem europäischen Fernwanderweg E3, der uns zunächst wieder zurück nach Prešov (Preschau) und anschließend zur ungarischen Grenze auf den europäischen Fernwanderweg E4 führen wird.

 

Wir erreichten nach einer Wanderung durch den Stadtwald von Prešov eine Quelle mit dem Namen "Kvašná voda". Zunächst konnten wir mit dem Namen Kvašná nichts anfangen, aber nachdem uns Dirk mit dem Quellwasser versorgt hatte, wussten wir Bescheid: Es handelt sich um eine Mineralquelle mit sehr saurem Wasser. Um die Mittagszeit war es an diesem Tag sehr heiß und wir rasteten einige Zeit an der Quelle. Oft sahen wir Kinder, die mit großen Plastikbehältern Quellwasser holten.

 

 

 

 

 

Am Nachmittag erreichten wir unser Ziel, die Kostol na Kalváríí (Wallfahrtskirche des Heiligen Kreuzes am Kalvarienberg) südwestlich von Prešov. Nach der Zurückdrängung des Protestantismus wurde in den Jahren 1721 bis 1769 der Gebäudekomplex errichtet. Von einer Plattform aus hatten wir einen schönen Blick auf die unter uns liegende Stadt Prešov. Danach ging es abwärts an den 14 Stationen des Leidensweges Christi vorbei und in wenigen Minuten erreichten wir wieder unser Hotel in Prešov.

 

Die Stadt Prešov liegt an dem alten Handelsweg zwischen Ungarn und Polen. Sie erzielte ihren Reichtum durch die Produktion und den Handel mit Leinenprodukten und Salz aus der nahen Salzmine von Solivar (Salzburg). Durch die Teilnahme an mehreren Aufständen gegen die Habsburger wurde ihr der Salzhandel verboten. Die Bevölkerung verarmte und viele Bürger verließen ihre Heimat. Dadurch verlor die Stadt an wirtschaftlicher Bedeutung.

 

Es gibt in Prešov nur wenige Sehenswürdigkeiten, die sich alle am linsenförmigen Marktplatz befinden. Hervorzuheben ist das älteste Gebäude der Stadt, die St. Nikolaus-Kirche aus dem 14. Jahrhundert mit ihrem 66 m hohen Turm.

 

Fotos: Wolfgang Meluhn

 

 

Hinweis:

Die genaue Wanderstrecke mit Kilometerangaben, Anschriften der Unterkünfte, finden Sie unter  http://www.weitwanderungen.de/EB%20Streckenverlauf.htm

 

 

Erschienen in "Wege und Ziele"  Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 27 - Dezember 2008

 

 

 

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